3. Nürnberger Tage zum Asyl- und Ausländerrecht
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- Ingrid Albert
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1 3. Nürnberger Tage zum Asyl- und Ausländerrecht zum Thema "60 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention" Dr. Michael Lindenbauer UNHCR-Vertreter für Deutschland und Österreich Nürnberg, 5. Oktober 2011 Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, dass die diesjährigen Nürnberger Tage zum Asyl- und Ausländerrecht unter dem Zeichen des 60-jährigen Jubiläums der Genfer Flüchtlingskonvention stehen - sechs Jahrzehnte, in denen dieses Abkommen zum Schutz von Millionen Menschen auf der Flucht beigetragen hat. Ich möchte diesen Anlass nutzen, um zu reflektieren, was es heißt, als Flüchtling seine Heimat verlassen zu müssen und in einem meist völlig fremden Land anzukommen und ein neues Leben zu beginnen. Wann ist ein Flüchtling nicht nur angekommen, sondern fühlt sich auch an- und aufgenommen? Welche Unterstützung und Chancen stehen hierfür bereit? Und welche Schwierigkeiten und Hürden liegen auf dem Weg? UNHCR hilft in vielen Ländern bei der Integration von Flüchtlingen in die Aufnahmegesellschaft als eine mögliche sogenannte dauerhafte Lösung für Flüchtlingssituationen (neben freiwilliger Rückkehr und dem sogenannten Resettlement). Dabei verstehen wir Integration als dynamischen, facettenreichen Prozess des Gebens und Nehmens, ein Prozess, der Bemühungen aller Beteiligten verlangt, einschließlich der Bereitschaft sei- 1
2 tens der Flüchtlinge, sich in die Aufnahmegesellschaft einzubringen. Eine solche Bereitschaft ist jedoch auch seitens der Aufnahmegesellschaft und öffentlichen Institutionen vonnöten, die Flüchtlinge willkommen zu heißen und auf deren unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse einzugehen. Wie Sie wissen, haben Flüchtlinge oft ganz besondere Bedürfnisse, die u.a. zurückzuführen sind auf Traumatisierung oder Folter. Die Genfer Flüchtlingskonvention misst der Integration von Flüchtlingen erheblichen Wert bei. Sie legt soziale und wirtschaftliche Rechte fest, die geeignet bzw. notwendig sind, die Integration zu fördern und fordert die Staaten in Artikel 34 auf, die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge (zu) erleichtern. Der Grundstein für eine gelungene Integration kann und sollte schon beim Empfang der Flüchtlinge gelegt werden. Denn es macht einen großen Unterschied, ob Flüchtlinge für lange Zeit isoliert, zum Beispiel in Sammelunterkünften, untergebracht werden oder gleich von Beginn an in engem Kontakt mit der Aufnahmegesellschaft leben können. Ehestmögliche Unterstützung beim Spracherwerb, bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen und Bildungsabschlüsse, die Ermöglichung von Familienzusammenführung und die gesellschaftliche Eingliederung kommt nicht nur den Flüchtlingen zu Gute, sondern kann auch in vieler Hinsicht einen wertvollen Beitrag für die Aufnahmegesellschaft - sowohl wirtschaftlich als auch sozial und kulturell - leisten. 60 Jahre nach der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention können wir auf viele positive Entwicklungen, die in Bewegung gesetzt wurden, blicken. In Deutschland senden das ausdrückliche Bekenntnis zugunsten der Integration von Flüchtlingen und die damit verbundenen staatlichen Programme ein klares und richtungsweisendes Sig- 2
3 nal. Eine Vielzahl von Einrichtungen stehen Flüchtlingen bei ihrer Ankunft und während des Asylverfahrens, aber auch danach, bei der Eingliederung in die Gesellschaft zur Seite. Auch Flüchtlinge, die schon länger in Deutschland leben, werden zunehmend in Integrationsmaßnahmen mit einbezogen und oftmals sind es gerade diese Flüchtlinge, die neu angekommenen Flüchtlingen dabei helfen, schwere Schicksale im Herkunftsland zu verarbeiten und in Deutschland ein neues Leben zu beginnen. Verschiedene Integrationsangebote zielen mittels integrativer Ansätze auch explizit auf Erfahrungen von Gemeinschaft und Solidarität. Auf der anderen Seite sehen sich viele Flüchtlinge aber weiterhin mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Qualifikationen und Bildungsabschlüsse müssen häufiger und schneller anerkannt werden (und wir hoffen, dass die neuen gesetzlichen Regelungen notwendige Verbesserungen bringen werden). Auch gibt es weiterhin eine Reihe von Vorurteilen und übergroße Distanz zwischen Aufnahmegesellschaft und Flüchtlingen. Der Weg bis zu dem Punkt, an dem Flüchtlinge feststellen können: "Ich bin angekommen, und ich fühle mich aufgenommen" ist leider in vielen Fällen immer noch ein sehr langer und oft steiniger Weg. Wichtige Schlüssel im Prozess der Integration sind Partizipation und Empowerment. Integration setzt voraus, dass Flüchtlingen der Raum und die Möglichkeiten zur Verfügung stehen, an gesellschaftlichen Prozessen der Aufnahmegesellschaft teilzuhaben. Flüchtlinge müssen aber auch in die Lage versetzt werden, Ressourcen wahrnehmen und nutzen zu können, ihre eigene Stimme und Perspektive einzubringen sowie an Entscheidungsprozessen mitwirken zu können. 3
4 Auch in der UN-Kinderrechtskonvention ist das Recht auf Partizipation speziell von Kindern zentral verankert. Artikel 12 soll garantieren, dass Kinder und Jugendliche das Recht auf Partizipation, auf Mitsprache und Mitentscheidung in allen sie betreffenden Angelegenheiten haben. Dieses Prinzip fordert die Achtung der Persönlichkeit und der Meinung von Kindern und Jugendlichen ein. Vor dem Hintergrund der (notwendigen) aktiven Teilnahme von Flüchtlingen an der Gesellschaft und dem 60-jährigen Bestehen der Genfer Flüchtlingskonvention hat UNHCR gemeinsam mit dem Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.v. ein Projekt gestartet, in dem die Flüchtlinge selbst und deren aktive Partizipation und Empowerment im Vordergrund stehen sollen. Acht junge Flüchtlinge, die als Kinder und manche als sogannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, haben gemeinsam einen Kurzfilm mit dem Titel "We have arrived" - zu deutsch "Angekommen" - gedreht. Eine vorläufige Version dieses Filmes möchten wir Ihnen heute gerne zeigen; die Endfassung soll in Kürze veröffentlicht werden. Die Jugendlichen haben mit unglaublicher Motivation das Konzept für den Film selbst entwickelt und eigenständig durchgeführt und tragen so ihre eigenen Perspektiven und Erfahrungen nach außen. Der Film, so die Intention, will aber nicht nur ihre eigenen Geschichten zeigen. Die jungen Flüchtlinge haben darüber hinaus Interviews mit ehemaligen Flüchtlingen geführt, die schon vor längerer Zeit nach Deutschland gekommen sind. Sie konnten so Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen den verschiedenen Generationen festhalten. So wird nicht nur die Möglichkeit eröffnet, die eigene Situation darzustellen, sich mit 4
5 dem Ankommen in der Aufnahmegesellschaft auseinanderzusetzen, sondern die eigenen Erfahrungen mit den Erfahrungen anderer in Beziehung zu setzen. Das Projekt soll so auch uns in der Aufnahmegesellschaft Hinweise darauf geben, wo wir selbst größeres Engagement und Entgegenkommen zeigen können und müssen. Wie Sie anhand der vorläufigen Version des Filmes sehen werden, ist er ein wahrer "Mutmach"-Film von Jugendlichen geworden, die es - oft mit vielen Schwierigkeiten - geschafft haben, hier Fuß zu fassen. Ich möchte den Jugendlichen meinen Dank und meine Bewunderung aussprechen, dass sie mit ihren Ideen, ihrem Elan und ihrer Motivation alle Inhalte des Films selbst erarbeitet und ein so tolles Projekt auf die Beine gestellt haben. Der Film soll nach Finalisierung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Er wird, so der Plan, auch im Internet verfügbar sein und kann auch in Schulen verwendet werden. Das komplette Filmprojekt wurde professionell begleitet und dokumentiert. Ein Making- Off soll den partizipatorischen Ansatz des Projekts aufzeigen und als Good Practice - Beispiel für weitere Projekte und aktive Partizipation junger Flüchtlinge dienen. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und möchte nun das Wort an meine Kollegin Anna Büllesbach übergeben, die Ihnen das junge Filmteam vorstellen wird. Vielen Dank! 5
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