Das neue Patientenrechtegesetz - was müssen wir beachten? -
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- Gitta Engel
- vor 8 Jahren
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1 Das neue Patientenrechtegesetz - was müssen wir beachten? - J. Kranz 1, H. Wartensleben 2 1 Klinik für Urologie und Kinderurologie, St.-Antonius- Hospital, Eschweiler 2 Anwaltskanzlei Wartensleben, Stolberg
2 Goldene Regel aus der Bergpredigt Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten. (Matthäus 7,12)
3 Neues Patientenrechtegesetz Inkrafttreten des sog. Patientenrechtegesetz (Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten) am ohne Übergangsfristen Ziel: -Kodifizierung des Behandlungs- und Arzthaftungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) -Bündelung der bis dato verstreuten Patientenrechte mit klarer gesetzlicher Grundlage ( 630a - h) Erhöhte Transparenz für den Rechtssuchenden Stärkung und Kräftigung einer offenen Fehlervermeidungskultur Aber: Verlagerung des Patienten-Arzt-Verhältnis zugunsten einer akribischen Dokumentation des ärztlichen Handelns Erhöhter bürokratischer Aufwand in Klinik- und Praxisalltag
4 Neues Patientenrechtegesetz Grundsatz der Einwilligung i.r. des informed consent stellt Basis der Behandlung unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts, der Würde und der körperlichen Integrität des Patienten dar Der Patient muss vor Durchführung einer jeden Behandlung wirksam in diese eingewilligt haben Liegt keine Einwilligung vor und besteht eine Kausalität für den aufgetretenen Schaden, so besteht eine Vertragsverletzung Kann einen Schadensersatz auslösen
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6 Aufklärungspflichten Ein rechtmäßiges Aufklärungsgespräch beinhaltet drei essentielle Bestandteile: Diagnoseaufklärung Sicherungsaufklärung (Therapeutische Aufklärung) 630 c BGB Eingriffsaufklärung (Risiko- oder Selbstbestimmungsaufklärung) 630 e BGB
7 Aufklärungspflichten 630 e BGB beinhaltet die Eingriffsaufklärung als vertragliche Pflicht des Behandlungsvertrages: Dem Patienten müssen Informationen zum ärztlichen Befund, Art und Umfang des Eingriffs, Durchführung, Notwendigkeit der Maßnahme, Eignung, Risiken und mögliche Komplikationen, Erfolgs- und Heilungschancen, Gefahr des Misserfolges und die Folgen einer Nichtbehandlung gegeben werden Echte Behandlungsalternativen sind namentlich wie auch Vor- und Nachteile der zur Verfügung stehenden Methoden zu diskutieren Personelle und apparativ-technische Ausstattung der Abteilung darf nicht ins Gewicht fallen Wird nicht über Behandlungsalternativen mit Vor- und Nachteilen aufgeklärt, ist die Einwilligung unwirksam und der Eingriff rechtswidrig: Beweislast liegt beim Arzt
8 Aufklärungspflichten Aufklärender Aufklärung kann auf nachgeordnete Ärzte (auch approbierte Nicht-Fachärzte) delegiert werden (delegierende Arzt ist für die ordnungsgemäße Durchführung verantwortlich) Sicherstellung der ordnungsgemäßen Aufklärung durch schriftliche Organisations- oder Verfahrensanweisungen Aufklärungen für spezielle, seltene und schwere operative Eingriffe sollten durch den behandelnden Arzt persönlich vorgenommen werden, um sich im Streitfall auf die maximale Expertise des Aufklärenden berufen zu können Aufklärung durch einen fachfremden Arzt ist berufsrechtlich unzulässig; ein fachfremder Aufklärender haftet für Aufklärungsfehler, auch in Fällen, in denen er nicht anwesend und beteiligt ist
9 Aufklärungspflichten Aufzuklärender Aufklärung muss grundsätzlich gegenüber dem Patienten selbst erfolgen Bei ausdrücklichem Verzicht des Patienten oder einer unaufschiebbaren Maßnahme ist diese entbehrlich Bei einem Minderjährigen muss eine Aufklärung beider Sorgeberechtigten, Mutter und Vater, erfolgen Handlungsspielraum: in einfach gelagerten Fällen genügt es, den anwesenden Elternteil aufzuklären In schwereren Fällen muss sich der Arzt vergewissern, ob der anwesende Elternteil die Ermächtigung des abwesenden Elternteils hat und wie weit die Ermächtigung reicht Bei schweren Maßnahmen, die ggfs. mit hohen Risiken verbunden sind und somit die weitere Lebensführung des Minderjährigen negativ beeinflussen können, empfiehlt sich, beide Elternteile aufzuklären und deren Einwilligung durch Unterzeichnung des Aufklärungsbogens einzuholen. Ist der Einwilligungsunfähige aufgrund seiner Verständnismöglichkeit und seines Entwicklungsstandes selbst in der Lage dem Aufklärungsgespräch inhaltlich zu folgen, muss auch er aufgeklärt werden, sofern es seinem Wohl nicht zuwiderläuft
10 Aufklärungspflichten Art und Weise Aufklärung hat ausnahmslos mündlich, in einem persönlichen, vertrauensvollem Gespräch zu erfolgen (ggfs. telefonisch) Möglichkeit der Rückfragen Ergänzend kann auf Schriftstücke Bezug genommen werden (Aufklärungsbogen) Aufklärungsbögen sollten individualisiert werden (Schnittführung bei offener Operation, Lage von Konkrementen des Urogenitaltraktes etc.) Aufbewahrungsfrist für Krankenunterlagen beträgt nach der Berufsordnung 10 Jahre, aus Beweisgründen sollte die Unterlagen jedoch 30 Jahre aufbewahrt werden
11 Aufklärungspflichten Art und Weise Ein Patient kann seine Einwilligung nur wirksam erteilen, sofern die Aufklärung für ihn verständlich ist Einzubeziehen sind Alter, Bildungsgrad, Auffassungsgabe für medizinische Sachverhalte, Gesundheitszustand sowie die geistige und seelische Verfassung Für fremdsprachige Patienten gilt grundsätzlich dasselbe: Besteht Unsicherheit bezüglich der Sprachkenntnisse: Hinzuziehen eines vereidigten Dolmetschers oder volljährige sprachkundige Person (z.b. Mitarbeiter der Klinik, Angehörige/Freunde des Patienten) Es empfiehlt sich ein Aufklärungsbogen in Landessprache um Missverständnisse auszuschließen Personalien des Dolmetschers sind auf dem Aufklärungsbogen zu dokumentieren und eine Unterschrift desselbigen einzuholen Die Kosten für einen vereidigten, berufsmäßigen Dolmetscher entfallen auf den Patienten, es sei denn, er ist weder Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung noch verfügt er selbst über eigene Mittel (Sozialamt)
12 Aufklärungspflichten Art und Weise Neu: Pflicht, dem Patienten Abschriften (Kopien) von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung/Einwilligung unterschrieben hat, auszuhändigen Auf Vollständigkeit der Unterlagen ist zu achten, nicht ausreichend ist die Aushändigung des letzten Blattes des Aufklärungsbogens Empfehlenswert ist Quittierung/Dokumentation der Aushändigung Bei ausdrücklichem Verzicht des Patienten und/oder einer unaufschiebbaren ärztlichen Maßnahme ist eine Aufklärung entbehrlich Ein Blankoverzicht ist hingegen grundsätzlich unwirksam Art und Erforderlichkeit des Eingriffs sowie über das schwerste in Betracht kommende Risiko muss aufgeklärt werden Bei Verschiebung oder Wiederholung eines Eingriffs, für den der Patient bereits aufgeklärt wurde, hat die Aufklärung, sofern sich keine relevanten Veränderungen des Befundes, bei dem Patienten oder der geplanten Maßnahme ergeben haben, Bestand Empfehlenswert: wiederholte Bestätigung des Patienten durch erneute Unterzeichnung der Aufklärung mit aktuellem Datum, Uhrzeit und kurzer Anmerkung des Behandelnden.
13 Aufklärungspflichten Zeitpunkt Es gibt keine zeitlich starren Fristen Eine ordnungsgemäße Aufklärung hat so zeitig zu erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung frei und ohne jeglichen Zeitdruck wohlüberlegt treffen kann Eine Aufklärung wird bei stationären Eingriffen am Tag der Operation als nicht rechtzeitig angesehen wird Aufklärung sedierter Patienten vor dem Eingriff ist unzulässig Bei elektiven, größeren Eingriffen sollte auf eine Vorabendaufklärung verzichtet und stattdessen bereits Tage oder Wochen im Vorfeld aufgeklärt werden Der Gesetzgeber konstatiert bei eiligen Eingriffen eine stark verkürzte Aufklärungsfrist, die eine notwendige Operation am selben Tag ermöglicht Bewusstlose Patienten, die nicht vor einem medizinisch notfallmäßigem Eingriff aufgeklärt werden können, müssen postoperativ informiert werden Bei risikoarmen, ambulanten Eingriffen kann die Aufklärung am Tag der Operation ausreichend sein, jedoch ist sie bei risikobehafteten, größeren ambulanten Eingriffen unwirksam
14 Informationspflichten Der Behandelnde ist dem Patienten gegenüber verpflichtet, ihm in verständlicher Art und Weise umfassend zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen Gebrauch des barmherzigen Verschweigen nur bei Risiko schwerster Schäden des Patienten bis hin zu konkreten Suizidgefahr Ziel dieser Therapeutischen- oder Sicherungsaufklärung ist die Wahrung der Schutzinteressen des Patienten: Erzielen eines optimalen Behandlungsresultates mit Sicherung des Heilungserfolges durch konkrete Hinweise und Empfehlungen zu Verhaltensmaßnahmen (Fortführung einer Thrombose- und Embolieprophylaxe nach stattgehabten größeren operativen Eingriffen (z.b. Zystektomie mit Anlage eines Ileumkonduits) nach Entlassung aus dem Krankenhaus oder Instruktionen zur Nachsorge im Sinne einer DRU und PSA-Bestimmung nach erfolgter RPE bei PCA)
15 Informationspflichten Arzt verpflichtet sich über Umstände, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, soweit der Patient explizit nachfragt oder die Abwendung von Gesundheitsgefahren für den Patienten dies erforderlich macht, zu informieren Information nicht nur über selbst begangene, sondern auch über von anderen Behandelnden begangene Behandlungsfehler Wirtschaftliche Aufklärungspflicht: Ist vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch Dritte nicht gesichert, muss er den Patienten davon in Kenntnis setzen Patient selbst muss sich der Kostenerstattung durch seine Krankenversicherung zu vergewissern Verletzung dieser Informationspflicht führt zum Entfallen des Vergütungsanspruches und kann einen Schadensersatzanspruch auslösen. Da die Informationspflichten Bestandteil einer ärztlichen Behandlung sind, muss der Patient einen Aufklärungsfehler beweisen
16 Informationspflichten Derzeit gibt es wesentlich mehr gerichtliche Urteile zur Risiko- oder Eingriffsaufklärung, jedoch rückt die Sicherungsaufklärung zunehmend in den Fokus der Rechtsprechung Daher ist es dringend zu empfehlen, eine gewissenhafte Sicherungsaufklärung durchzuführen und diese entsprechend zu dokumentieren!!!
17 Dokumentationspflichten Der Behandelnde ist gemäß 630 f Abs. 1 BGB verpflichtet, in unmittelbar zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen Akte soll sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige u. künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen (Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen) Nachträgliche Berichtigungen/Änderungen von Eintragungen in der Akte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt wann sie vorgenommen worden sind Nicht dokumentierte Maßnahmen oder Informationen gelten als nicht erfolgt ( 630 h Abs. 3 BGB) Je exakter u. umfangreicher die Dokumentation stattgehabter Maßnahmen und wesentlicher Informationen ist, desto besser lassen sich Haftungs- oder auch Honoraransprüche abweisen; (Beweislast-Vorteil)
18 Dokumentationspflichten Neu: Patient kann unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte nehmen, sofern nicht erhebliche therapeutische Gründe (z.b. Gefahr der Fremd- oder Selbstgefährdung) oder sonstige erhebliche Rechte Dritter (z.b. Informationen über die Persönlichkeit dritter Personen) entgegenstehen Die Akteneinsicht hat in der Klinik oder der Praxis zu erfolgen Eine Ablehnung in die Patientenakte aus Zeitmangel ist nicht zulässig, grundsätzlich bedarf es bei einer Begründung seitens des Behandelnden ( 630 g Abs. 1 S. 2 BGB) Nach 630 g Abs. 2 BGB kann der Patient Abschriften von der Patientenakte verlangen, entstehende Kosten sind dem Patienten anzulasten Gesetzlich geregelt ist auch die Einsichtnahme zugunsten von Erben bzw. Angehörigen zur Wahrnehmung vermögensrechtlicher Interessen nach dem Tod eines Patienten sofern die Einsichtnahme nicht dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen widerspricht
19 Haftungsfragen und Beweislast 630 h Abs. 1-5 BGB: - Beweislast liegt bei einfachen, nicht grob fahrlässigen Behandlungsfehlern grundsätzlich beim Patienten Patient muss das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, die Verletzung seines Körpers oder Gesundheit und einen Zusammenhang zwischen dem Fehler und der eingetretenen Verletzung beweisen - Grober Behandlungsfehler (z.b. Entfernen einer gesunden Niere): Beweislastumkehr zugunsten des Patienten Arzt muss beweisen, dass er keinen groben Behandlungsfehler begangen hat (Behandelnde muss ordnungsgemäße Aufklärung und Einwilligung gemäß 630d nachweisen)
20 Fazit Das Gesetz führt zu mehr Struktur und Transparenz in die bisweilen unübersichtliche Rechtslage Ist ein erfreulicher und bedeutender Schritt der Medizingesetzgebung Stärkt die Position der Versicherten gegenüber Ärzten und Krankenkassen Schafft ein neues Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt Neu entstandener höherer bürokratische Aufwand macht Klink- und Praxisalltag für die gesamte Ärzteschaft deutlich komplizierter und überlagert das Patienten-Arzt-Verhältnis in unangemessener Art und Weise Ob die Ziele des Patientenrechtegesetzes erreicht werden, wird sich in der Praxis zeigen
21 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! J. Kranz 1, H. Wartensleben 2 1 Klinik für Urologie und Kinderurologie, St.-Antonius- Hospital, Eschweiler 2 Anwaltskanzlei Wartensleben, Stolberg
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