6. Dendriten. το δενδρον: Der Baum. Zusammenhängende Strukturen, die hierarchisch verzweigt und damit selbstähnlich sind
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- Kasimir Schenck
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1 6. Dendriten το δενδρον: Der Baum Zusammenhängende Strukturen, die hierarchisch verzweigt und damit selbstähnlich sind 1
2 Wo und wie entstehen dendritische Strukturen? Dendriten entstehen in zweiphasigen Systemen, in denen die eine Phase auf Kosten der anderen wächst. Voraussetzung: Existenz eines Feldes U(x,t), in dessen Gradienten Teilchen der Mutterphase diffundieren, bis sie Teil der Tochterphase werden. Diffusionsgleichung: du = D 2 U dt Massentransport Wärmetransport D: Diffusionskoeffizient t: Zeit U(x,t): elektrisches Potential Unterkühlung Übersättigung Druck Konzentration Vielfältige dendritische Erscheinungsformen in der belebten und unbelebten Natur! Stahlproduktion: Dendriten pro Sekunde! 2
3 Stationärer Fall: Teilchendiffusion sehr viel langsamer als Änderungen in U(t) du dt 0 2 U = 0 Laplace-Gleichung Neben- und Randbedingungen: Kontinuitätsgleichung V n = c ˆn U Homogenität des Potentials Normierungsbedingung U( ) = 0 Gleichgewicht zwischen Kapillareffekt (stabilisierend) und Feldgradient (destabilisierend) Gradient an der Spitze der Krümmung wirkt treibend, Krümmung an der Spitze wirkt rücktreibend. d 0 : Kapillarität K: Grenzflächenkrümmung β: kinetischer Faktor ν n : Geschwindigkeit senkrecht zur Grenzfläche 3
4 Dendritisches Wachstum in Schmelzen Zwei Phasen: Schmelze und Kristall Ortskoordinate senkrecht zur Kristallisationsfront z planare Grenzfläche (gerichtete Erstarrung) gekrümmte Grenzfläche (unterkühlte Schmelze) 4
5 Entstehung dendritischer Strukturen in Schmelzen Reine Schmelzen: Unterkühlung ist notwendige Vorraussetzung; negativer T-Gradient destabilisiert eine planare Grenzfläche fest fest 5
6 T m : Gleichgewichts-Schmelztemperatur T : Temperatur in der unterkühlten Schmelze T i : Temperatur an der Grenzfläche T t = T i - T : thermische Unterkühlung r = T m - T i : Krümmungsunterkühlung V: Geschwindigkeit der Dendritenspitze σ: Grenzflächenspannung R: Krümmungsradius an der Spitze z: Koordinate der Wachstumsrichtung gekrümmte Grenzfläche ist vorteilhaft für die Wärme- und Massenumverteilung 6
7 Wärmetransportgleichungen 1 dt α l dt 1 dt α s dt = 2 T + V α l dt dz = 2 T + V α s dt dz Wärmetransport im Flüssigen α l : Thermische Diffusivität im Flüssigen Wärmetransport im Festen α s : Thermische Diffusivität im Festen Stationärer Fall: dt/dt = 0 Rotationsparaboloid (Ivantsov 1947) Wachstumsgeschwindigkeit der Dendritenspitze sehr viel kleiner als die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Wärmeflusses Lösungen der Differentialgleichungen für den stationären Wärmefluss: 7
8 Unterkühlungsbeiträge Thermische Unterkühlung T t : ΔT t = ΔH f l C p ( ) P te1 P t ( )exp P t E1: Integral-Exponential-Funktion Iv: Ivantsov-Funktion ( ) = Iv( P t ) Thermische Péclét-Zahl P t : P t = VR 2α l Krümmungsunterkühlung T r : (Gibbs-Thomson Effekt) ΔT r = Γ R = 2σ RΔS f Gibbs-Thomson-Koeffizient Γ = 2σ / ΔS f Gesamtunterkühlung T: (gemessen im Experiment) ΔT = ΔT t + ΔT r 8
9 Arbeitspunkt und marginale Stabilität Ivantsov-Lösung liefert eine Beziehung zwischen der Gesamtunterkühlung T und der Péclét-Zahl P t, d.h. dem Produkt aus der Wachstumsgeschwindigkeit V und dem Krümmungsradius R an der Spitze des Dendriten. Ivantsov Entartung der Lösungen Entweder wachsen dicke Dendriten langsam oder dünne Dendriten schnell. Marginale Stabilitätsanalyse liefert den Arbeitspunkt der Dendriten (Langer. Müller-Krumbhaar 1978) Annahme: Sinodale Störung einer ursprünglich planaren Grenzfläche z = ε ( t)sin( 2π y / λ) 9
10 Lösung der Wärmetransportgleichung für das gestörte System liefert die Zeitabhängigkeit der Amplitude der Störung Hypothese der marginalen Stabilitätsanalyse: λ i = R ms R = Γ / σ * 0.5G t zweite Bestimmungsgleichung für den Dendritenradius σ* : Stabilitätskonstante Γ : Gibbs-Thomson-Koeffizient G t : Temperatur-Gradient n = R = Γ / σ * P t ΔH f C p ( 1 n) / σ * P t 10 1/2
11 Operationspunkt wachsender Dendriten Entartung der Ivantsov- Lösungen Hypothese der marginalen Stabilität fordert eindeutig definierten Arbeitspunkt bei Geschwindigkeit V und Radius R Bestätigung durch Experiment an transparenten Modellsystem Succinonitrile (Glicksman) Theoretische Begründung des Ergebnisses aus der marginalen Stabilitätsanalyse durch die Solvabilitätstheorie (Anisotropie der Grenzfläche) 11
12 Konstitutionelle Effekte in Legierungen Löslichkeit der Legierungskomponente im Flüssigen größer als im Festen Atomare Diffusion der Legierungskomponente vor der Erstarrungsfront Konstitutionelle Unterkühlung in unterkühlten Schmelzen Zusätzlich Massentransportgleichung: Stationärer Fall: 0 = 2 c + V D dc dz c: Konzentration der Legierung D: Chemischer Diffusionskoeffizient Lösung der Diffusionsgleichung für den Massentransport ergibt Rotationsparaboloide für die Isokonzentrationslinien (analog zu den Rotationsparaboloiden der Isothermen) Konstitutionelle Unterkühlung 1 ΔT c = m l c o k ( ) Iv( P c ) P c = VR/2D Chemische Péclét-Zahl m l = dt l /dc Steigung der Liquiduslinie k= c l /c s Verteilungskoeffizient Die Steigung m l und der Verteilungskoeffizient k können dem Phasendiagramm binärer Legierungen entnommen werden. 12
13 Stabilitätsanalyse in Legierungen In Legierungen erfährt die Dendritenspitze nicht nur einen negativen Temperaturgradienten G t, sondern auch einen Konzentrationsgradienten G c, der ebenfalls destabilisierend auf die Grenzfläche wirkt Dendriten verengen sich durch den Konzentrationsgradienten. Marginaler Stabilitätsradius: R = R = n = Γ / σ * m l G c G t P t ΔH f C p Γ / σ * ( )( 1+ g) ( ) Iv( P c ) k + 1 ( 1 n) + 2m l P c c o 1 1 k / σ * P t 1/2 g = 2k ( ) 1/2 1 2k 1+ 1 / σ * P c 2 In Legierungen kann - im Gegensatz zu reinen Metallen - auch bei positivem Temperaturgradienten G t > 0 dendritisches Wachstum auftreten, wenn m l G c > G t Konzept der konstitutionellen Unterkühlung 13
14 Gesamtunterkühlung in Legierungen Aufstau der Legierungskomponente vor der Erstarrungsfront 14
15 Gesamtunterkühlung in Legierungen: ΔT = ΔT t + ΔT r + ΔT c Diese Gesamtunterkühlung gilt für lokales Gleichgewicht an der fest-flüssig Grenzfläche. Wenn die Erstarrungsgeschwindigkeit die atomare Diffusionsgeschwindigkeit überschreitet, tritt eine kinetisch bedingte Unterkühlung der Grenzfläche auf. Diese verursacht Abweichungen vom lokalen Gleichgewicht. 15
16 Messungen dendritischer Wachstumsgeschwindigkeiten Schmelze Optik und Photosensor (Messfrequenz 1 MHz) optische Abbildung schnelle Photoiode extern getriggerte Nukleation bekannte Geometrie Messsignal: relative Temperaturänderung Zeitauflösung 1µs Wachstumsgeschwindigkeit: V= s / t 16
17 Elektromagnetische Levitation 17
18 18
19 Schwerkraftgetriebene Beiträge zur Wachstumskinetik: Konvektion Ergebnisse aus dem Erdlabor Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Raumsimulation Köln Arbeitsgruppe Unterkühlung von Materialien 19
20 Komparative Experimente auf der Internationalen Raumstation ISS Electro- Magnetic Levitator (EML), Akkomodation auf der ISS, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, European Space Agency (ESA) 20
21 Fraktale Dimension von metallischen Dendriten Anwendung der Box-counting Methode N: Anzahl der Gitterquadrate entlang einer Kante des Gitters N : Anzahl der Quadrate, die zur Abdeckung der Dendritenfläche notwendig ist N N df log ( N ) = d f log( N ) + const. 21
22 d f < d = 2: Flächendeckungsvermögen der Dendriten ist geringer als das von Quadraten, mit denen man eine 2-dimensionale Fläche vollständig abdecken kann. Melanie Weiner, Diplomarbeit 1999, Professor Dr. A. Wieck Durchführung im Institut für Raumsimulation Arbeitsgruppe Unterkühlung von Materialien 22
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