FaktenBlatt Gesundheitspolitik
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- Sylvia Walter
- vor 8 Jahren
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1 FaktenBlatt Gesundheitspolitik VI. Fragen und Antworten zu den Reserven der Krankenversicherer Stand: Juli 2012
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3 Liebe Leserin, lieber Leser Die Reserven der Krankenversicherer sind eine versicherungstechnische Notwendigkeit. Trotzdem sind sie regelmässig Gegenstand medialer Kritik und politischer Auseinandersetzungen. Beanstandet werden Volumen, prozentuale Höhe, kantonale Unterschiede sowie die Notwendigkeit solcher Reserven. Die Reservebildung der Krankenversicherer dient in erster Linie den Versicherten und den Leistungserbringern. So stellt sie gegenüber den Versicherten die Deckung der Kosten aus Krankheit und Pflege sicher. Die Leistungserbringer ihrerseits haben die Gewähr, dass die von Ihnen erbrachten Leistungen finanziell abgesichert sind. Dies ist gerade dann wichtig, wenn in der Branche unvorhergesehene Risiken auftreten. Die immer wieder geforderten kantonalen Reserven sind systemfremd, da Reserven dazu dienen, unvorhergesehene, grosse Risiken abzudecken und extreme Prämienschwankungen zu glätten. Das geltende Recht sieht deshalb auch keine kantonalen Reserven vor. Je weniger Personen Risiken gemeinsam tragen, desto grösser müssen die Reserven sein. Kantonal abgestufte Reservequoten müssten deutlich höher liegen als die Mindestquoten auf Bundesebene, was eine Prämienerhöhung zur Folge hätte. Die neue, seit dem 1. Januar 2012 geltende Regelung zur Bildung von Reserven ist nach Ansicht der CSS Versicherung ein Fortschritt zur vorherigen Lösung. So war die Anbindung der Reserven an die Prämien kein adäquater Spiegel der finanziellen Risiken eines Versicherers, denn sie berücksichtigte lediglich die Grösse des Versicherers als alleiniges Risiko. Mit den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen stellt die Reservebildung nun aber richtigerweise auf ein Modell ab, welches aufgrund einer umfassenden Analyse sämtlicher vom Krankenversicherer eingegangenen Risiken die Mindestreserven individuell berechnet. Georg Portmann Vorsitzender der Konzernleitung CSS Gruppe Riccarda Schaller Leiterin Gesundheitspolitik CSS Gruppe
4 4 Reserven der Krankenversicherer Welchem Zweck dienen die Reserven? Zur Sicherstellung der längerfristigen Zahlungsfähigkeit bilden die Versicherer gemäss Artikel 60 des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) ausreichende Reserven. Sicherheits- und Schwankungsreserven verfolgen den Zweck, die den Prämienberechnungen zugrunde liegenden Risiken gesamtschweizerisch aufzufangen. Es existiert eine Vielfalt an möglichen Risiken. Sie unterscheiden sich insbesondere in Unternehmensrisiken (falsche Budgetbeurteilung, Einbruch der Börsenwerte usw.) und in branchenspezifische Risiken (Epidemie, Pandemie, aussergewöhnliche Anzahl schwerer Fälle, Verschlechterung der Qualität oder der Grösse des Versichertenbestandes, neue teure Behandlungsmethoden usw.). Lösen solche Risiken grosse Ergebnisschwankungen aus, glätten ausreichende Reserven die nachfolgende Prämienentwicklung. Reserven garantieren die finanzielle Sicherheit der Versicherung und ihre Zahlungsfähigkeit gegenüber den Versicherten. Ausserdem dienen die Reserven als Ausgleichsgefäss, um die Unsicherheiten in der Prämienfestsetzung aufzufangen. Die Krankenversicherer reichen jeweils per Ende Juli ihre Prämien pro Kanton für das folgende Kalenderjahr aufgrund der zu erwartenden kantonalen Kosten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein. So basiert beispielsweise die Berechnung der Prämien 2013 auf den Ist-Zahlen des Vorjahres (2011), den Hochrechnungen des laufenden Jahres (2012) und den budgetierten Kosten des folgenden Jahres (2013). Bekannt sind lediglich die Kosten des Vorjahres. Der Rest der Berechnung ist mit Unsicherheiten behaftet. Liegen die berechneten Prämien über oder unter den tatsächlichen Kosten, so dienen die Reserven als Ausgleich. Zur Veranschaulichung: Für die Berechnung der kantonalen Prämien müssen die Krankenversicherer die Kosten der jeweiligen zukünftigen Versichertenkollektive abschätzen. Die Krankenversicherer müssen für die im kommenden Jahr versicherten Personen unter anderem abschätzen: welche Kosten sie in Spitälern verursachen, welche Kosten bei Ärzten, in Heimen und bei der Spitex anfallen, wieviele und welche Medikamente konsumiert werden, welche Hilfsmittel (MiGeL-Liste) benötigt werden, welche neuen Leistungen, medizinischen Verfahren oder neuen Medikamente den Eingang in den Leistungskatalog der Grundversicherung finden. Da sich zudem die Kosten dieser Leistungen verändern, muss auch eine Annahme über die Kostenentwicklung getroffen werden.
5 Reserven der Krankenversicherer 5 Wie hoch müssen Reserven liegen? Artikel 78a der Krankenversicherungsverordnung (KVV) definiert die Mindesthöhe der gesetzlichen Reserven: Die Reserven, die am Anfang des Jahres vorhanden sind, müssen demnach so gross sein, dass selbst bei einem derart starken Rückgang der Reserven binnen Jahresfrist, wie er bloss in 1 Prozent der Fälle (für einen Versicherer heisst das konkret einmal in hundert Jahren) zu erwarten ist, die Reserven am Ende des Jahres im Durchschnitt noch positiv sind. Mit der aktuellen Regelung wird die Mindesthöhe der Reserven für jeden Versicherer als absoluter Betrag bestimmt. In den Jahren vor 2012 musste die Sicherheitsreserve des Versicherers, bezogen auf das Rechnungsjahr, einen Mindestprozentsatz der geschuldeten Prämien (Prämiensoll) erreichen. Der Mindestprozentsatz war dabei abhängig von der Grösse des Versicherers (je grösser der Versicherer, desto kleiner der Satz). Entwicklung der Reserven OKP in % der Prämien 30% Quelle: BAG 20% 17% 16.9% 17% 17.1% 16.5% 16.2% 16.2% 14.4% 10% 12.5% 11.6% 11.8% 0% 21.1% 15% 12.8% 14.2% 16.5% 17.2% 19.4% 20.2% 16.5% 14.2% % 16.6% Reservequote (effektiv) in % der Prämien minimale gesetzlich vorgeschriebene Reserven in % der Prämien Obwohl Bestimmungen über eine maximale Reservequote fehlten, waren die Versicherer in den Jahren und auf politischen Druck des Bundesrates hin gezwungen, mit nicht kostendeckenden Prämien ihre Reserven abzubauen, was dem damaligen Art. 78 KVV klar widersprach. Aus diesem Grund sind die Reserven vieler Krankenversicherer auf oder sogar unter das gesetzliche Minimum geschrumpft. Dies musste in den darauffolgenden Jahren mit überdurchschnittlichen Prämienerhöhungen wieder korrigiert werden. Es fällt auf, dass die Senkung der Reserven zweimal mit dem Ende der Amtszeit eines Bundesrates zusammenfiel und offensichtlich politisch motiviert war.
6 6 Reserven der Krankenversicherer Sind kantonale Reserven im aktuellen System vorgesehen bzw. sinnvoll? Unter der vorherrschenden Gesetzesgrundlage ist weder eine Aufteilung der Reserven nach Kantonen noch eine maximale Reservequote vorgesehen. So beziehen sich die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen eindeutig auf gesamtschweizerische Versichertenbestände und nicht auf kantonale Teilbestände. Bei der Prämiengenehmigung wurde vom BAG vor 2012 trotzdem eine kantonale Betrachtung der Reserven beigezogen, welche indirekt aus den Vorschriften in Art. 61 KVG abgeleitet wurde, gemäss denen die Versicherer die Prämien nach den ausgewiesenen Kostenunterschieden kantonal und regional abstufen können. Diese kantonale Betrachtung erfolgte bei der Einführung des KVG 1996 rein «virtuell» durch die Aufteilung der damals vorhandenen Reserven innerhalb der einzelnen Kassen auf kantonale «Reservetöpfe» im Verhältnis zum Prämienvolumen. Die unterschiedliche Entwicklung der Versichertenbestände in den einzelnen Kantonen hatte Auswirkungen auf die Höhe der im Jahr 1996 gebildeten «Reservetöpfe». Auch wenn die Versicherten kostendeckende Prämien bezahlten, führten rasch steigende Versichertenzahlen bei einzelnen Versicherern in einigen Kantonen zu sinkenden Reservequoten; umgekehrt führten sinkende Versichertenzahlen zu steigenden Reservequoten. Trotz fehlender gesetzlicher Grundlagen für kantonale Reserven wirft die Politik den Versicherern immer wieder vor, unnötig hohe und kantonal ungleiche Reserven zu äufnen oder die Kantone ungleich zu behandeln, indem mit den hohen Reserven gewisser Kantone die Prämienzahler in Kantonen mit zu tiefen Reserven quersubventioniert würden. Diese Kritik stammt insbesondere aus Kantonen mit hohen Reserven (z.b. VD, GE, ZH) sowie von der politischen Linken. Diese fordert auch eine strikte Kantonalisierung der Reserven. Eine kantonale Betrachtungsweise der Reserven würde allerdings dazu führen, dass jeder Versicherer für jeden Kanton als eigenständiger Risikoträger zu betrachten wäre. Dies widerspricht jedoch jeglicher versicherungsmathematischen Logik und dem eigentlichen Sinn der Reservenbildung der Krankenkassen: «Ein Versicherer, der seine Reserven pro Kanton halten muss, handelt im Widerspruch zum Gesetz der grossen Zahl. Gemäss diesem Gesetz ist das Risiko und damit auch die notwendige Reserve umso kleiner, je grösser das betrachtete Kollektiv ist. Umgekehrt steigen Gesamtrisiko und Reservehaltung, wenn ein grosses Kollektiv in viele kleine Teilkollektive unterteilt wird» (Beck 2009).
7 Reserven der Krankenversicherer 7 Braucht es neben einem Minimalsatz für die Reserven auch einen Maximalsatz? Eine Maximalreserve ist nicht nötig, denn der Wettbewerb unter den Krankenversicherern verhindert, dass Krankenversicherer ihre Reserven künstlich hoch halten. Die Reserve muss nach versicherungsmathematischen Grundsätzen für das Unternehmen Sicherheit bieten. Es macht keinen Sinn, politisch definierte Maximalreserven vorzuschreiben. Der Wettbewerb hält die Krankenversicherer längerfristig davon ab, zu hohe Reserven zu horten. Und: Wenn Versicherte mit der Reservepolitik ihrer Krankenversicherer nicht einverstanden sind, steht es ihnen frei den Versicherer zu wechseln. Braucht es im Bereich der Reserven weitere Reformen? Die CSS begrüsst das vom Bundesrat 2012 in Kraft gesetzte solvenz- bzw. risikobasierte Reservemodell. Die alte Regelung mit der Anbindung der Reserven an die Prämien war kein adäquater Spiegel der finanziellen Risiken eines Versicherers, denn sie berücksichtigte lediglich die Grösse des Versicherers als alleiniges Risiko. So stellt denn nun die aktuelle Reservebildung richtigerweise auf ein Modell ab, welches aufgrund einer umfassenden Analyse der vom Krankenversicherer eingegangenen Risiken (Versicherungs-, Geldmarkt- und Kreditrisiken) die Mindestreserven individuell berechnet, wie das die FINMA für den Zusatzversicherungsmarkt schon seit Jahren kennt. Diese Reform wird hoffentlich die ebenfalls notwendige Entpolitisierung der Bildung von Reserven vorantreiben, was wiederum die Gefahr von künftigen Prämiensprüngen mindert. Die CSS unterstützt auch die Verankerung der risikoorientierten Reserven im bestehenden Krankenversicherungsgesetz. Literatur K. Beck (2009): «Sind portable Reserven eine Alternative zur Reservekalkulation pro Kanton? Vorund Nachteile portabler Reserven in der Krankenpflege-Grundversicherung», CSS-Institut für empirische Gesundheitsökonomie, Luzern,
8 Wir dokumentieren Sie gerne mit Fakten und zusätzlichen Informationen. Kontakt: CSS Versicherung Riccarda Schaller Gesundheitspolitik Telefon Impressum Herausgeber: CSS Gruppe, Luzern Produktion: Riccarda Schaller, Leiterin Gesundheitspolitik Matthias Schenker, Fachspezialist Gesundheitspolitik Übersetzung: CSS Versicherung, Übersetzungsdienst Druck: CSS Versicherung, Lettershop
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