Planungsgruppe Forensische Nachsorge in Dortmund. Entwicklung von Standards zur qualifizierten Überleitung von forensischen Klienten/innen
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- Christina Schuster
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1 Planungsgruppe Forensische Nachsorge in Dortmund Entwicklung von Standards zur qualifizierten Überleitung von forensischen Klienten/innen Stand: November
2 0. Einführung Der Neubau einer Maßregelvollzugsklinik in direkter Nachbarschaft zur LWL-Klinik Dortmund im Stadtteil Aplerbeck löste nicht nur in Teilen der Bevölkerung Befürchtungen aus. Auch manche psychiatrisch Tätige begleiteten die Errichtung der neuen Klinik mit Skepsis oder gar Besorgnis. Nur langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine moderne Maßregelvollzugsklinik nicht nur die stationäre Behandlung verbessern würde, sondern auch die Chance bot, die seit vielen Jahren praktizierte forensische Nachsorge weiter zu verbessern. Die Mitglieder der Planungsgruppe Forensische Nachsorge (vormals AG Nachsorge des Planungsbeirates der MRV-Klinik DO-Aplerbeck) haben sich in den letzten 4 Jahren eingehend mit den Schnittstellen in der Zusammenarbeit zwischen den forensisch-psychiatrischen Kliniken 1, den Systemen der Justiz, den allgemeinpsychiatrischen Kliniken und den psychosozialen Diensten und Einrichtungen 2 befasst. Hierbei wurde insbesondere die qualifizierte Überleitung von forensischen Klienten/innen aus dem Maßregelvollzug in eine strukturierte Nachbetreuung als verbesserungsbedürftig angesehen. Die LWL-Leitlinien zur ambulanten Nachsorge suchtkranker und psychisch kranker StraftäterInnen der forensischen Kliniken im Bereich des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom April 2005 wurden dabei berücksichtigt Qualifizierte Überleitung meint nicht nur eine zuverlässige und sicherheitsgebende (personelle) Begleitung der Klienten in der Zeit der Beurlaubung bzw. nach der bedingten Entlassung. Sie betrifft auch die verbindliche und zielgerichtete Weitergabe von Informationen in Form von Dokumenten, Berichten und mündlichen Informationen seitens des forensisch-klinischen Bereiches. Unter Mitwirkung einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung für psychisch Kranke, welche über langjährige und fundierte Erfahrungen mit der Behandlung und Betreuung von forensischen Klienten/innen verfügt, und unter Beteiligung weiterer Experten aus dem Bereich der forensischen Nachsorge hat die Planungsgruppe Standards zu einer qualifizierten Überleitung entwickelt. Diese Standards betreffen nicht nur den Übergang aus der forensischen Klinik in eine Nachsorgeeinrichtung, sondern auch den Wechsel von einer Nachsorgeeinrichtung zu einer anderen. Die nachfolgend beschriebenen Standards sollen die notwendige Transparenz und Zuverlässigkeit in der Zusammenarbeit sowohl zwischen dem klinischen und komplementären Bereich als auch in der Zusammenarbeit im Nachsorgebereich insgesamt gewährleisten. Die Abläufe sind in diesem Sinne idealtypisch und nicht statisch sondern über den gelebten Alltag und eine konstruktive Auseinandersetzung der unterschiedlichen Auffassungen weiter entwicklungsfähig. 1 Forensische psychiatrische Kliniken meint hier die abgebende oder entlassende Klinik, unabhängig davon, ob es sich um eine Maßregelvollzugsklinik oder eine Allgemeinpsychiatrische Klinik mit integrierten forensischen Plätzen handelt. 2 Psychosoziale Fachdienste und Einrichtungen meint das gesamte Spektrum an Diensten / Einrichtungen in den Funktionsbereichen Wohnen-Arbeit-Tagesstruktur/Freizeit-Rehabilitation 2
3 I. Überleitung im Rahmen Beurlaubungsstatus von der forensischpsychiatrischen Klinik in eine Nachsorgeeinrichtung (NE) 1. Von der Anfrage bis zur Aufnahmeentscheidung 1.1 Der Verfahrensablauf Erste persönliche Vorstellung des Klienten in der NE in Anwesenheit von Klient Mitarbeitenden der forensischpsychiatrischen Klinik (dies können je nach Arbeitsweise der Klinik schon Mitarbeitende der Forensischen Nachsorgeambulanz sein) Mitarbeitenden der NE Weitergabe von schriftlichen Unterlagen an die NE mit Einverständnis des Klienten: Bericht der Klinik Gerichtsurteil Gutachten Mündl. Informationsaustausch über bisherige Behandlung Delikt Deliktaufarbeitung Prüfung der Unterlagen durch NE Aufnahme des Klienten soll weiter geprüft werden: Fortführung des Aufnahmeverfahrens Rückmeldung an forensisch-psychiatrische Klinik Ablehnung der Aufnahme: Beendigung des Aufnahmeverfahrens (Benennung der Ablehnungsgründe in der Regel in mündl. Form/ auf Anforderung in Abstimmung mit forensisch-psychiatrischer Klinik als schriftl. Antwort) Rücksendung der zugesandten Unterlagen an die forensisch-psychiatrische Klinik 3
4 Zweite persönliche Vorstellung in der Nachsorgeeinrichtung in Anwesenheit von: Klient Mitarbeitenden der forensisch-psychiatrischen Klinik Mitarbeitenden der NE Diese 2. Vorstellung dient insbesondere zur Einschätzung des zukünftigen delinquenten Verhaltens Einschätzung des Krankheitsbildes, der Fähigkeiten und Fähigkeitsstörungen Eruierung der Rehabilitationsziele und Maßnahmen Entscheidung über Fortführung des Aufnahmeverfahrens innerhalb der NE unter Berücksichtigung: des Delikts des Krankheitsbildes Umsetzbarkeit der Rehabilitation und/oder Reintegration der Frage, ob die eigene NE in diesem Fall geeignet ist oder eine andere Form der Nachsorge indiziert ist Fortführung des Aufnahmeverfahrens Ablehnung der Aufnahme: Beendigung des Aufnahme- Verfahrens (Benennung der Ablehnungsgründe in der Regel in mündl. Form/ auf Anforderung in Abstimmung mit forensisch-psychiatrischer Klinik als schriftl. Antwort) 4
5 bei Fortführung des Aufnahmeverfahrens Erprobungsmaßnahme des Klienten in der NE schriftl. Verhaltensauflagen werden dem Klienten von der forensischpsychiatrischen Klinik mitgegeben (z.b. Verbot von Alkohol und Drogen) NE und Klient erhalten Merkblatt mit Telefonnummern von zuständigem Personal der Klinik für Krisenfall Tagessatz wird mit der forensischen Klinik abgerechnet Auswertung der Erprobungsmaßnahme in der NE in Anwesenheit von: Mitarbeitenden der NE plus Mitarbeitenden der forensischpsychiatrischen Klinik Auswertung dieses Gesprächs in der NE Entscheidung über Aufnahme des Klienten in der NE Mitteilung eines konkreten Aufnahmetermins an die forensisch-psychiatrische Klinik (unter Berücksichtung der aktuellen forensischen Belegung im Bereich stationärer Wohneinrichtungen) Erstellung individueller Hilfeplan seitens der forensisch-psychiatrischen Klinik (zu bestimmten Aspekten siehe in Abstimmung mit der Nachsorgeeinrichtung) Check Krisenintervention und Rückfallprophylaxe Schriftliche Verhaltensauflagen Ablehnung der Aufnahme: Beendigung des Aufnahmeverfahrens (Benennung der Ablehnungsgründe in der Regel in mündl. Form/ auf Anforderung in Abstimmung mit forensisch-psychiatrischer Klinik als schriftl. Antwort 5
6 I. Überleitung im Rahmen Beurlaubungsstatus von der forensischpsychiatrischen Klinik in eine Nachsorgeeinrichtung (NE) 1.2 Art und Umfang der schriftlichen Informationen Zur Vorbereitung einer Aufnahmeentscheidung Bericht der Klinik Gesetzliche Grundlage für den Maßregelvollzug Bekanntgabe des Delikts Diagnose und Symptomatik Krankheitsvorgeschichte Soziale Anamnese Behandlungsverlauf in der forensisch-psychiatrischen Klinik Weiterer Behandlungsbedarf Informationen über den Lockerungsstatus Informationen über den familiären Hintergrund Informationen über den schulischen und beruflichen Werdegang Informationen über die Krankheitsvorgeschichte Informationen über Rechtsverstöße bzw. das Delikt, welches zur Unterbringung im Maßregelvollzug geführt hat Einschätzung über den aktuellen Entwicklungsstand des Klienten Anmerkung: Je nach Klinik kann der Bericht aufgeteilt sein in Arzt- und Sozialbericht oder in einem einzigen Bericht der Klinik zusammengefasst sein. Entscheidend ist letztlich die Vollständigkeit der o.a. qualitativen Merkmale / Inhalte. Gerichtsurteil Gutachten 6
7 I. Überleitung im Rahmen Beurlaubungsstatus von der forensischpsychiatrischen Klinik in eine Nachsorgeeinrichtung (NE) Nach einer positiven Aufnahmeentscheidung Erstellung eines individuellen Hilfeplans mit folgenden Inhalten: zur Person / Verlauf: Befund Diagnose Behandlungsverlauf Sozio- und Milieugestaltung delinquente Entwicklung und Deliktverarbeitung chronolog. Verlauf unter bes. Berücksichtigung psychotherap. Interventionen Weitere Behandlung Organisatorischer Rahmen Prognose Besonderheiten Fallzuständigkeit Zuständige Ansprechpersonen auf beiden Seiten (Name/Telefon) Wechselseitige Erreichbarkeiten (Zeit/Ort) Vertretungsregelung (Benennung der zuständigen Personen Name/Telefon) Zusammenarbeit Angaben zur Aufgabenverteilung / Einbindung Führungsaufsichtsstelle/Bewährungshilfe Absprachen zur kontinuierlichen, fallbezogenen Information, Supervision, Hilfeplanung, gemeinsame Fallbesprechungen Angaben zur Kriseninterventions- und Rückfallprophylaxe (als Anlage) Schriftl. Verhaltensauflagen werden dem Klienten von der forensisch-psychiatrischen Klinik mitgegeben (z.b. Verbot von Alkohol und Drogen, Beachtung der Hausordnung der NE) NE und Klient erhalten Merkblatt mit Telefonnummern von zuständigem Personal der Klinik für Krisenfall 7
8 Anlage zum individuellen Hilfeplan Leitfaden Kriseninterventions- und Rückfallprophylaxe 1 Name, Vorname: Geburtsdatum: Anschrift: Telefon: Kontaktpersonen Bezugspflegeperson in der Maßregelvollzugseinrichtung Bezugsperson in der Wohneinrichtung Bewährungshelfer Gesetzlicher Betreuer Eltern Freund/Freundin Arbeitgeber etc. Notrufnummern: Stationsleiter AvD Polizei Feuerwehr Gericht Az.: Staatsanwaltschaft Az.: 63 StGB 64 StGB 20 STGB 21 StGB 67b StGB 67 d StGB Anlassdelikt: Diagnose: Beschluss/Auflagen: Checkliste Was darf sie/er auf keinen Fall?! (Wann ist sie/er möglicherweise gefährlich) Notfallplan! Was darf sie/er nicht?! (Krise) Krisenintervention! (Vorschläge der Ambulanz) Was soll sie/er?! (Bewährungsauflagen/Behandlungsplan) Pflege- und Behandlungsplan/Interventionen gemäß Auflage Was darf sie/er? Behandeln verhandeln! Was kann sie/er? Ressourcenorientierte Unterstützung! 1 entnommen aus Krisen- und Interventionsplan des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe 8
9 I. Überleitung im Rahmen Beurlaubungsstatus von der forensischpsychiatrischen Klinik in eine Nachsorgeeinrichtung (NE) 2. Kooperation zwischen der forensisch-psychiatrischen Klinik und der Nachsorgeeinrichtung nach der Aufnahme / Überleitung in bedingte Entlassung Mindestens einmal monatlich Verlaufsgespräche zwischen Klient, NE und forensisch-psychiatrischer Klinik: Reflexion des bisherigen Verlaufs der Rehabilitation / Reintegration und Nachbesprechung kritischer Situationen Planung des weiteren Rehabilitationsverlaufs / der -zielsetzung Planung weiterer Behandlungsmaßnahmen Teilnahme an Behandlungskonferenzen in der NE Im Bedarfsfall Teilnahme der entlassenden forensisch-psychiatrischen Klinik an den Fallsupervisionen der NE Veränderung des Status bei positivem Verlauf Wechsel vom Beurlaubungsstatus in den Status der bedingten Entlassung (Entlassung aus der stationären Maßregel) Überleitung des Klienten an die Führungsaufsichtsstelle / Bewährungshilfe sowie Einbindung der Forensischen Nachsorgeambulanz Klärung der forensischen Fallverantwortlichkeit Überleitung des Klienten an eine weitere Nachsorgeeinrichtung 9
10 II. Überleitung im Rahmen bedingter Entlassung von Nachsorgeeinrichtung zu Nachsorgeeinrichtung Der Verfahrensablauf Vorstellung des Klienten bei der Nachsorgeeinrichtung in Anwesenheit von: Klient MA der jetzigen NE Im Falle des Beurlaubungsstatus MA der entlassenden forensisch-psychiatrischen Klinik Im Falle einer bedingten Entlassung ggf. MA der forensischen Nachsorgeambulanz Zuständige MA der Führungsaufsicht / Bewährungshilfe Mündl. Informationsaustausch über: bisherige Behandlung Delikt und Deliktaufarbeitung Prüfung der Unterlagen durch Nachsorgeeinrichtung Weitergabe von schriftlichen Unterlagen der NE mit Einverständnis des Klienten Bericht der Klinik Gerichtsurteil Gutachten Entlassungsbeschluss Behandlungsplan/Wiedereingliederungsplan Verhaltensauflagen Verlaufsberichte der NE Bericht der Strafvollstreckungskammer Ggf. Erprobungsmaßnahme Befürwortung der Aufnahme Mitteilung eines konkreten Aufnahmetermins Rückmeldung an die vorherige NE Ablehnung der Aufnahme: Beendigung des Aufnahmeverfahrens (Benennung der Ablehnungsgründe in der Regel in mündl. Form/ schriftlicher Bescheid auf Anforderung) 10
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