Vorlesung: Politik und Gesellschaft

Transkript

1 Klaus Otto Schnelzer, M.A. Vorlesung: Politik und Gesellschaft Masaryk-Universität Brünn Institut für Germanistik, Nordistik und Nederlandistik Skript 1: Grundlagen der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts Stand:

2 14. Juli 1789: Beginn der Französischen Revolution Die Ideen der Französischen Revolution inspirieren ganz Europa: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit was ist damit gemeint? Vor allem die Auflösung des starren Ständesystems: Adel, Klerus und Bürgertum. Außerdem sollte der Staat auch Nichtbürgern Rechte garantieren, die sogenannten Menschenrechte.

3 Deutscher Bund: schließen sich die deutschsprachigen Fürstentümer zu einem Staatenbund zusammen, in dem das Kaiserreich Österreich und das Königreich Preußen um die politische Vorherrschaft kämpfen. Diese beiden Staaten sind jedoch autoritäre Monarchien.

4 1848/49: Paulskirchenversammlung 1848 findet die Märzrevolution in Wien und Berlin statt ihre Ziele: eine nationale Vereinigung aller deutschsprachigen Länder in einem deutschen Reich unter einer demokratischen Verfassung. Dazu wird ein erstes deutsches Parlament gegründet, das für ein Jahr in der Frankfurter Paulskirche tagt.

5 1848/49: Deutsche Frage Die Revolution wird zwar vom preußischen Heer niedergeschlagen, die Reichsverfassung von den deutschen Fürsten abgelehnt. Die Idee einer gesamtdeutschen Nation jedoch bleibt ungeklärt es stellt sich die sog. Deutsche Frage: Mit oder ohne Österreich?

6 1866: Deutscher Krieg Nach der Niederlage Österreichs im Deutschen Krieg (1866) wird der Deutsche Bund aufgelöst; die norddeutschen Staaten formieren sich unter Führung Preußens zu einem Bundesstaat, dem Norddeutschen Bund.

7 1870: Deutsch-französischer Krieg Während Österreich 1867 einen neuen Staatenbund, nämlich das Kaiserreich Österreich-Ungarn begründet, verbünden sich die süddeutschen Staaten erneut mit dem Norddeutschen Bund und besiegen 1870 das Kaiserreich Frankreich.

8 1871: Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 wird mit dem Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund das Deutsche Reich gegründet, der erste deutsche Nationalstaat mit dem preußischen König als Kaiser und Bismarck als Reichskanzler. Dieses Reich galt als kleindeutsche Lösung (ohne Österreich).

9 2. Hälfte des 19. Jh.: Arbeiterbewegung Im Kaiserreich gab es einige reiche Leute und sehr viele arme Leute (das sogenannte Proletariat), und dies hatte Auswirkungen auf das Wahlrecht: Wer reicher war und mehr Steuern zahlte, dessen Wahlstimme hatte mehr Gewicht. Anaconda Verlag GmbH, Berlin Marx & Engels kritisierten die Klassengesellschaften riefen zur Weltrevolution auf: Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Im Deutschen Reich wurde daraufhin die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) gegründet.

10 1917: Revolutionen im Russischen Reich Nach der Abschaffung der Monarchie in der Februarrevolution 1917 übernehmen die Bolschewiken unter Lenins Führung in der Oktoberrevolution 1917 im Russischen Reich die Macht. Ihr Ziel: die proletarische Weltrevolution entsteht daraus die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR, kurz: SU Sowjetunion).

11 1918: Auflösung der Reiche Nach der Niederlage des Deutschen Reichs und Österreich- Ungarns im Ersten Weltkrieg ( ) schaffen deren Bürger die Monarchien ab und gründen Republiken. Neben Deutschösterreich und der Weimarer Republik entsteht so auch die Tschechoslowakei.

12 : Das Dritte Reich Zur Zeit der Weimarer Republik geht es den Deutschen wirtschaftlich schlecht: Frankreich hält die Industrie westlich des Rheins besetzt. Massenarbeitslosigkeit und Hyperinflation infolge der Weltwirtschaftskrise 1929 führen zum Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) unter Hitler.

13 : Das Dritte Reich Nach der Umwandlung der Weimarer Republik in eine Diktatur unter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) erfolgt 1938 der Anschluss der Republik Österreich an das Deutsche Reich: Es entsteht Großdeutschland.

14 1938: Münchner Abkommen Ebenfalls 1938 werden mit Zustimmung der europäischen Großmächte (Frankreich, Großbritannien & Italien) im Münchner Abkommen die deutschsprachig besiedelten Randgebiete der Ersten Tschechoslowakischen Republik dem Deutschen Reich zugeschlagen.

15 9. November 1938: Reichspogromnacht Mit dem 9. November 1938 erreichen die Pogrome gegen die jüdischen Bürger des Deutschen Reichs ihren Höhepunkt. Schritt für Schritt werden den Juden ihre Bürgerrechte entzogen, schließlich auch ihre Menschenrechte: Der Holocaust beginnt.

16 : Holocaust Im Holocaust werden etwa 6 Millionen Menschen, v.a. jüdischer Abstammung, nach Plänen der deutschen Regierung getötet. Dieser Völkermord findet auch in zahlreichen Gebieten Europas statt, die im Zweiten Weltkrieg vom Deutschen Reich besetzt sind.

17 : Zweiter Weltkrieg Während das Großdeutsche Reich im Osten Europas einen Vernichtungsfeldzug v.a. gegen die slawischen Völker führt, wird seine Bevölkerung in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs von britischen und amerikanischen Fliegerbomben heimgesucht.

18 Nach dem Zweiten Weltkrieg: Besatzungszeit Die Alliierten und die Sowjetunion sind Siegermächte des Zweiten Weltkriegs: Sie besetzen Deutschland und Österreich mit Soldaten und teilen beide in jeweils vier Besatzungszonen.

19 Besatzungszeit Deutschland: mit anschließender Teilung in BRD und DDR Österreich: mit anschließender Gründung der Republik

20 1945: Verlust der deutschen Ostgebiete Die Gebiete Ostpreußen, Pommern und Schlesien werden der Republik Polen und der Sowjetunion zugeschlagen; die meisten Deutschen werden von dort vertrieben, ebenso wie die Sudetenund Karpatendeutschen aus der CSSR.

21 : Marshallplan Mit amerikanischem Kapital fördert die US-Regierung den Wiederaufbau des vom Krieg zerstörte Westeuropa und Westdeutschlands. Es gibt viel zu tun: Alliierte Soldaten verfolgen Nazis, deutsche Trümmerfrauen räumen auf.

22 Die Berliner Luftbrücke Mit der Blockade der Berliner Westsektoren beginnt das Kräftemessen zwischen West- und Ostblock im Kalten Krieg: Mit sogenannten Rosinenbombern versorgen die Alliierten das von der Roten Armee umschlossene Westberlin. Damit wird die Annexion Westberlins an die Sowjetzone verhindert.

23 : Der Kalte Krieg North Atlantic Treaty Organisation (NATO) vs. Warschauer Pakt (sog. Ostblock )

24 1949: Deutsche Teilung BRD (Bundesrepublik Deutschland), umgangssprachlich: Westdeutschland DDR (Deutsche Demokratische Republik) Im Kalten Krieg werden aus den vier Besatzungszonen 1949 zwei deutsche Staaten gegründet. Berlin bleibt in vier Sektoren geteilt:

25 Demokratie und Parteien Nicht jeder Staat mit Parteien ist eine Demokratie: Während Parteien in den westlichen Demokratien die Interessen der Bürger gegenüber dem Staat vertreten sollen, soll die SED das Interesse des Staates DDR vertreten. Es gab zwar auch andere Parteien in der DDR (die sog. Blockparteien) diese sollten jedoch nur politische Pluralität vortäuschen, und vertraten ab 1952 das gleiche politische Programm wie die SED: den Realsozialismus. Weil es in der DDR zwar Wahlen gab, aber keine echte Wahl, spricht man von einer Parteiendiktatur.

26 Wie funktioniert der Markt? Wie entsteht Nachfrage? Durch die Bedürfnisse der Verbraucher /Konsumenten. Wie entsteht Angebot? Durch die Produktion von Gütern und Dienstleistungen.

27 Wirtschaft: Ideologien Zwei ökonomische Ideologien konkurrieren im Kalten Krieg: Freier Markt Planwirtschaft Die Nachfrage soll über das Angebot entscheiden: Die Bedürfnisse der Konsumenten werden jedoch durch Werbung beeinflusst! Die Nachfrage soll sich nach dem Angebot richten. Das Angebot wird geplant und entscheidet, welche Bedürfnisse befriedigt werden. Die DDR entwickelt sich unter dem Wirtschaftsprogramm der SED (staatliche Kollektivierung von privatem Produktionskapital) zu einer realsozialistischen Republik.

28 17. Juni 1953: Aufstand gegen das DDR-Regime Der Aufstand vieler DDR-Bürger gegen die Planwirtschaft der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) wird von der Roten Armee der Sowjetunion niedergeschlagen.

29 1961: Bau der Berliner Mauer Um eine massenhafte Republikflucht der DDR-Bürger zu verhindern, wird 1961 die deutsch-deutsche Grenze befestigt und militärisch bewacht; Flüchtlinge werden erschossen. Manche NVA-Soldaten fliehen jedoch selbst (vgl. Bild).

30 Mauertote Und die Mauertoten? Die sind auch vom Westen provoziert weil mit Werbefernsehen, Bananen, Autos und so (ehemaliges Mitglied der soldatischen DDR-Grenztruppen, heute show vom ) was ist damit gemeint?

31 Der Eiserne Vorhang Eiserner Vorhang war der metaphorische Name für die Grenze zwischen dem Ost- und dem Westblock. Diese Grenze wurde militärisch bewacht und verhinderte den Austausch von Völkern und Waren zwischen diesen Blöcken.

32 1963: Kennedy in West-Berlin Nach dem Mauerbau besucht US-Präsident John F. Kennedy die eingeschlossene Stadt West-Berlin und hält seine berühmte Rede.

33 1963: Kennedy in West-Berlin Two thousand years ago, the proudest boast was: Civis Romanus sum. Today, in the world of freedom, the proudest boast is: Ich bin ein Berliner. All free men, wherever they may live, are citizens of Berlin. And therefore, as a free man, I take pride in the words: Ich bin ein Berliner. (John F. Kennedy) Von welcher Freiheit spricht Kennedy hier?

34 9. November 1989: Mauerfall Nach Protesten und der Massenflucht von DDR-Bürgern öffnet deren Regierung die deutsch-deutsche Grenze, kann damit aber die Massenflucht nicht eindämmen. Mit dem Fall der Mauer erreicht die sog. Wende ihren symbolischen Höhepunkt.

35 Die Banane Satiremagazin Titanic vom November 1989 Was wird hier satirisch dargestellt?

36 Text- und Bildanalyse: Titanic 11/1989 die Zone : die sowjetische Besatzungszone ( ), aus der die DDR ( ) entstand Banane: Symbol für Luxus, den es im Realsozialismus nicht gab Gurke: Symbol für die Naivität der DDR-Bürger Glück : das Glück der freien Auswahl beim Konsum? Welchen Stereotyp sehen wir in Zonen-Gaby? Den naiven Konsumenten aus dem Ostblock. Was ist der Unterschied zwischen freien Wahlen und freier Wahl?

37 FAZ: Ausgerechnet Bananen Wie die Banane zur deutschen Nationalfrucht wurde, ist immer noch ein Rätsel der Geschichte. Gerne wird Konrad Adenauer zitiert, um das Phänomen zu erklären. Die Banane ist eine Hoffnung für viele und eine Notwendigkeit für uns alle, sagte er im Wirtschaftswunderland, und von da ist es nicht mehr weit zu Otto Schily. Der zog vor 25 Jahren eine Banane aus der Tasche, um im Fernsehen das Ergebnis der ersten freien* Volkskammerwahl zu erklären. Jeder verstand sofort, was gemeint war. (FAZ, ) Was war gemeint? *Die politischen Programme waren frei.

38 FAZ: Ausgerechnet Bananen Die CDU hatte angeblich gewonnen, weil sie den Ostdeutschen versprochen hatte, was sie haben wollten: Wohlstand, Luxus, Bananen. [ ] Wolfgang Schäuble warf ihm im Bundestag vor, die Deutschen in der ehemaligen DDR zu Affen gemacht zu haben. Schily musste sich für die Bananengeste entschuldigen. Aber seine Wahlanalyse ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. (FAZ, )

39 1990: Wiedervereinigung Mit dem Beitritt der Bundesländer der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzt wird die deutsche Nation in der Bundesrepublik Deutschland vereinigt.

40 Geltungsbereich des Grundgesetzes Grundgesetz heißt ist die Verfassung der BRD; sie gilt seit 1949 für die Bundesländer der BRD (sog. alte Bundesländer), seit 1957 auch für das Saarland. Seit dem gilt das Grundgesetz auch für die neuen Bundesländer. Dieser Tag heißt darum Tag der deutschen Einheit.