Wohin geht die Reise?

Transkript

1 TRENDS & TECHNOLOGIE KOMMUNIKATION Industrial Ethernet Wohin geht die Reise? Feldbusse wie Profibus, Modbus oder ControlNet sind in der Automatisierungswelt immer noch weit verbreitet, jedoch schwindet ihre Bedeutung zunehmend zu Gunsten von Industrial Ethernet. Die Vorteile dieses Übertragungsprotokolls für die Anwender liegen auf der Hand: höhere Leistungsfähigkeit, mehr Funktionalität und größere Flexibilität. Der Beitrag informiert über die weiteren Potenziale, die das Industrial Ethernet noch in anderen Bereichen, wie dem Ex-Schutz, der Security oder Wireless-Anwendungen hat. Industrial Ethernet wird heute hauptsächlich auf der Leitebene und der Steuerungsebene verwendet, beispielsweise wenn es darum geht, einzelne Maschinen oder Fertigungsinseln zu vernetzen. Mit speziellen Realtime-Ethernet-Verfahren ist es sogar möglich, Motion ControlAnwendungen zu realisieren, die Reaktionszeiten von weniger als einer Millisekunde fordern. Solche Verfahren sind zum Beispiel CIPsync, ProfiNet IRT oder Ethernet Powerlink. Insofern kann man 34 das Realtime-Thema als gelöst betrachten. In anderen Bereichen hat Industrial Ethernet noch Entwicklungsmöglichkeiten. Einsatz in der Prozesstechnik Damit das Industrial Ethernet im Prozessbereich ebenso erfolgreich eingesetzt werden kann wie in der Fabrikautomatisierung, müssen in erster Linie die besonderen Anforderungen hinsichtlich des Explosionsschutzes erfüllt wer- den. Es gibt zwar bereits Switches mit der Zulassung für die Ex-Zone 2, für den Einsatz auf der Feldebene sind aber Anforderungen für die Zone 1 maßgebend. Da man auf teure Gehäuse verzichten möchte, wünschen sich die Anwender so ge AUTOR Dr. Klaus Zwerina ist Marketingleiter der Hirschmann Automation and Control GmbH in Neckartenzlingen. IEE 52. Jahrgang

2 KOMMUNIKATION KOMPAKT Neben der Echtzeit-Tauglichkeit ist auch das Thema Safety beim Industrial Ethernet (fast) gelöst. Geeignete Verfahren um Safety-Protokolle über Ethernet zu übertragen, wie Profisafe über Profinet oder CIP Safety über EtherNet/ IP, stehen kurz vor dem Praxiseinsatz. An Switches, die die Automatisierungssprache sprechen, wird gearbeitet. Dann kann man sie mit Standard-Tools projektieren. Auch in der Wireless-Technologie, z. B. WLAN, Bluetooth, WiMax oder Zigbee, macht Industrial Ethernet Fortschritte. Auf eigensichere Switches für den Einsatz in der Ex-Zone 1 und damit der Verbreitung in der Prozessautomatisierung wird man allerdings noch etwas warten müssen. nannte eigensichere Switches. Die hohen Bandbreiten von Ethernet nutzen zu können, ohne dabei die Eigenschaft der Eigensicherheit zu verlieren, ist allerdings schwierig zu realisieren. Deswegen wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die ersten eigensicheren Switches zum Anschluss von TP-Kabeln auf den Markt kommen. Aber sobald diese Technik verfügbar ist, wird Industrial Ethernet auch in der Prozessautomatisierung eine wesentliche Rolle spielen. Netzwerktopologien Bei den Bussystemen sind die Anwender es gewohnt, ihre Feldgeräte über Daisy- Chain-Technik zu verbinden. Deshalb machen mittlerweile Automatisierungshersteller ihre Ethernet-Geräte sozusagen Daisy-Chain-tauglich, indem sie Zwei- Port Switches in die Endgeräte integrieren. Im Vergleich zu einem externen Switch nehmen damit jedoch die Anschaltkosten bei steigender Teilnehmerzahl zu. Kaskadierte integrierte Switches haben außerdem höhere Durchlaufzeiten sowie eine eingeschränkte Bandbreite, da alle Teilnehmer über ein gemeinsames Kabel kommunizieren müssen. Der Vorteil einer Daisy-Chain-Verbindung liegt also vor allem im reduzierten Verkabelungsaufwand. Dagegen ermöglichen es externe Switches, eventuell auftretende Fehler von anderen Teilnehmern fernzuhalten, sodass ein Teilbereich weiterarbeiten kann, auch wenn der andere gestört ist. Die Form der Verkabelung hängt somit von der Anwendung und den Anforderungen ab. Sprachtraining Die großen Automatisierungshersteller verwenden eigene Ethernet-basierte Applikationsprotokolle, wie EtherNet/IP, Profinet oder Modbus/TCP. Da diese Protokolle alle TCP/IP unterstützen, kann man in diesen Anwendungen auch industrietaugliche Standard-Ethernet- Switches verwenden. Für die Konfiguration und die Diagnose von Switches wird hingegen meist das aus der Bürowelt bekannte SNMP-Protokoll verwendet. Die in der Automatisierungswelt eingesetzten Engineering-Tools sprechen jedoch kein SNMP, was die Projektierung der entsprechenden Switches erschwert hat. Einige Unternehmen gehen daher dazu über, Switches die Automatisierungssprache Vor Ort einsetzbar: Die IP67-geschützten Ethernet-Switches ermöglichen mit standardisierter M12 Technologie den Feldeinsatz wo auch immer es darum geht, keinen wertvollen Einbauraum zu verschwenden. IEE 52. Jahrgang

3 TRENDS & TECHNOLOGIE KOMMUNIKATION Ist die Zeit reif für Gbit- Das Ethernet hat sich inzwischen als 10/100-Mbit-Variante in der Industrie etabliert. Jetzt kommen Komponenten für 1-Gbit-Ethernet auf den Markt. Herr Zwerina, braucht die Automatisierungstechnik diese Übertragungsgeschwindigkeit wirklich? Gbit-Ethernet bringt gegenüber Fast Ethernet eine Performance-Steigerung um den Faktor zehn. Dadurch können Datenpakete wesentlich schneller transportiert werden, wodurch die Latenz, also die Durchlaufzeit in den Switches deutlich reduziert wird. Ein Anwendungsbereich wäre beispielsweise Motion Control. Ist ein unkomplizierter upgrade gewährleistet? Die neuen Netzwerkgeräte sind nach unten kompatibel, wodurch bisherige Komponenten problemlos in die Gbit- Welt integriert werden können. Auf der technischen Seite muss der Endgeräte- Dr. Klaus Zwerina: Zum Beispiel der Bereich Motion Control braucht GBit-Ethernet. hersteller allerdings berücksichtigen, dass die neue Technologie einen höheren Strombedarf erfordert und entsprechend mehr Hitze produziert. Sind inzwischen alle Produkte für den Aufbau eines industrie-tauglichen Gbit-Ethernet-Netzwerkes verfügbar? Sowohl aufgrund der technischen Eigenschaften als auch aufgrund des höheren beizubringen. Damit wird es dann möglich sein, einen Switch mit den bekannten Engineering-Tools genau so zu projektieren wie eine SPS, einen Antrieb oder ein I/O-Modul. Security gewinnt an Bedeutung Da Industrial Ethernet eine Durchgängigkeit der Datenkommunikation von der Leitebene bis hinunter zur Feldebene ermöglicht, müssen die Anwender nur noch eine einzige Netztechnologie beherrschen und können zugleich die Effizienz ihrer Prozesse erheblich steigern. Die einheitliche Netzwerkstruktur birgt indessen aufgrund ihrer vollkommenen Transparenz auch Risiken. So könnte beispielsweise von jedem Büroarbeitsplatz aus die IP-Adresse eines Roboters in der Fertigung manipuliert werden. Deshalb ist es wichtig, eindeutige Regeln zu definieren, wer mit wem und wann kom- munizieren darf. Insofern reicht es nicht aus, eine unternehmensweite zentrale Firewall einzusetzen, welche Angriffe von außen abwehrt. Denn oft sind es gerade unbeabsichtigte Manipulationen, die zu fatalen Fehlern oder gar Unfällen führen können. Deshalb sind in der Automatisierungswelt dezentrale Sicherheitsarchitekturen erforderlich. Dadurch lässt sich die ganze Anlage in unterschiedliche Security-Segmente unterteilen und man kann die Kommunikationsregeln zwischen den Security-Segmenten definieren. Wireless bietet neue Anwendungsmöglichkeiten Kabellose Netzwerktechnik wird heute flächendeckend in der Bürowelt in Form von Wireless LAN (Wireless Local Area Networks) verwendet. Die Vorteile der drahtlosen Kommunikation wie Mobili- 36 IEE 52. Jahrgang

4 KOMMUNIKATION Ethernet? Preises wird Gbit-Ethernet nur dort eingesetzt werden, wo man die Performance wirklich benötigt. Zurzeit gibt es nur wenige Hersteller, welche Steuerungen und Endgeräte auf Gbit-Ethernet-Basis anbieten. Von Hirschmann gibt es bereits seit längerer Zeit Gbit-Industrie-Switche. Wohin wird sich die Ethernet-Technologie weiterentwickeln? Werden wir in ein paar Jahren Daten mit 10 Gbit/s oder mehr übertragen? Zurzeit sind die Anschaltkosten von Gbit-Ethernet noch drei bis vier mal so hoch wie bei Fast-Ethernet. Die Preise werden jedoch in den nächsten zwei bis drei Jahren sicherlich stark fallen, womit Gbit-Ethernet dann in der Breite Verwendung finden wird. 10-Gbit-Technologie ist in der Automatisierungswelt dagegen noch Zukunftsmusik und wird es auch noch für die nächsten Jahre bleiben. tät und Flexibilität, vergleichsweise einfache Installation und geringer Kostenaufwand machen diese Technik auch für den Einsatz im industriellen Umfeld interessant. Typische Anwendungsbereiche sind mobile Terminals zum Bedienen und Beobachten oder ein schneller Austausch von Online-Daten in der Produktionslogistik. Die meisten industriegerechten WLAN-Geräte basieren auf den bewährten Standards gemäß IEEE b/g/a/h, die momentan bis zu 100 Mbit/s Bruttodatenrate bieten. Im 5-GHz-Frequenzband erreicht man mit geeigneten Antennen Reichweiten bis zu 20 km. Die Erweiterung dieser Standards um IEEE n wird künftig für zusätzliche Akzeptanz und Verbreitung von WLAN im Industrieumfeld sorgen. Der neue Standard, der in diesem Jahr verabschiedet werden soll, bietet mit bis zu 640 Mbit/s noch größere Bandbreite und Zuverlässigkeit selbst unter funktechnisch schwierigen Bedingungen. Er wird die bisherigen Standards ergänzen. Die neuen Geräte werden anfangs auf jeden Fall teurer sein als ihre Vorgänger, weil man zur Anbindung an das LAN eine GigabitEthernet-Plattform benötigt und die größeren Bandbreiten viel Strom verbrauchen. Aber auch oberhalb und unterhalb der Einsatzgebiete von WLAN wird die Verbreitung der Funktechnik im industriellen Umfeld zunehmen. Dies gilt beispielsweise für WiMAX (IEEE ) bei einer Datenübertragung auf Strecken von bis zu 70 km oder Bluetooth (IEEE ) und Zigbee (IEEE ) im Nahbereich. Insbesondere Zigbee scheint wegen des geringen Stromverbrauchs eine interessante Alternative für den Einsatz Kontrollierter Netzzugang: Produktionsanlagen oder Fernwartungszugänge für Produktionsanlagen lassen sich mit dem Eagle System leicht und sicher segmentieren. IEE 52. Jahrgang

5 TRENDS & TECHNOLOGIE KOMMUNIKATION Drahtlos kommunizieren: Im mobilen Einsatz und in der Fernüberwachung, als Leitwarte vor Ort und bei der variablen Produktion ergänzt die BAT-Geräteserie bestehende Lösungen und eröffnet u. a. auch bei Lagerverwaltungs-/Staplerleitsystemen und Cable Cars neue Bewegungsspielräume. im Sensorbereich zu sein. Allerdings dauert es wahrscheinlich noch einige Jahre, bis man diese Technik flächendeckend im Industrieumfeld wiederfinden wird. Trend zu höheren Bandbreiten Sowohl in kabellosen als auch in kabelgebundenen Netzwerken sind immer größere Bandbreiten erforderlich. Im industriellen Umfeld, insbesondere auf der Steuerungsebene, wird heute fast ausschließlich Fast Ethernet (100 Mbit/s) eingesetzt. In der Automatisierung und in der Bürowelt geht der Trend jedoch hin zu Gigabit Ethernet. Hierfür sprechen vor allem drei Gesichtspunkte: Erstens werden immer mehr Feldgeräte über Ethernet angeschlossen, was die Teilnehmerzahl und somit den Bandbreitenbedarf erhöht. Zweitens werden unterschiedliche Dienste wie Steuerungsdaten, IP-Telefonie oder Video-IP zunehmend in ein einziges Kabel integriert und damit übertragen. Und drittens bringt Gigabit Ethernet gegenüber Fast Ethernet eine Performance-Steigerung um den Faktor 10. Damit lassen sich dann die meisten Real - time-anwendungen mit Standard-Ethernet-Verfahren realisieren. Ähnlich wie bei den kabellosen Verfahren besteht der Hemmschuh einerseits im höheren Stromverbrauch und andererseits in den (noch) höheren Chipkosten. Allerdings wird der Einsatz von Gigabit Ethernet im industriellen Umfeld in dem Maße zunehmen, in dem sich die Kosten für die Chips künftig nach unten bewegen werden. infodirect Link zu den Produkten Flyer über Industrial Ethernet Broschüre Produktübersicht 762iee IEE 52. Jahrgang