Chancen im Bereich Fremdkapitalinvestitionen

Transkript

1 Infrastruktur 18

2 Chancen im Bereich Fremdkapitalinvestitionen In der Vergangenheit haben sich Investoren vor allem durch Eigenkapitalinvestitionen im Rahmen ihrer Alternative Growth- bzw. renditeorientierten Portfolios an Infrastrukturprojekten beteiligt. Diese Anlagestrategie beruhte unter anderem darauf, dass es an Investmentmöglichkeiten in andere Kapitalstrukturen mangelte. Die einzige Ausnahme waren ausgewählte Investitionen ins Mezzaninekapital oder in strukturierte Finanzierungen von Projektportfolios durch Projekt-CLO-Strukturen. Doch es entwickeln sich Alternativen. 19

3 INFRASTRUKTUR AUTOREN: DEBORAH ZURKOW & PHILIP DAWES Institutionelle Investoren, die auf der Suche nach kalkulierbaren, langfristigen Cashflows sind, interessieren sich zunehmend für erstrangige Schuldpapiere für Infrastrukturfinanzierungen. Solche Infrastrukturanleihen können in der derzeitigen Phase der finanziellen Repression sogar höhere reale Renditen als Staatsanleihen höchster Bonität bieten. Die stabilen und nachhaltigen Cashflows dieser realen Vermögenswerte ermöglichen relativ hohe Fremdkapitalquoten. Das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital liegt typischerweise zwischen 75:25 und 90:10. Dementsprechend ist das Volumen an erstrangigen Schuldpapieren für Infrastrukturfinanzierungen größer als das an Eigenkapital- oder Mezzaninekapitalinstrumenten. Da sich Kreditinstitute (mit einigen Ausnahmen) aus der langfristigen Finanzierung zurückziehen, können institutionelle Investoren aus dem Euroraum (und Großbritannien) das zusätzliche Angebot nutzen und solche Schuldpapiere zu Asset Liability Matching-Zwecken einsetzen. Allianz Global Investors entwickelt derzeit Produkte und Strategien, um diese Nachfrage zu bedienen. Höhere Renditen durch Illiquiditätsprämie Die Finanzkrise hat deutlich aufgezeigt, wie groß der Finanzierungsbedarf für den Aufbau von Verkehrs-, Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur ist. Allein die Europäische Kommission hat ein Paket für den Ausbau einer integrierten europäischen Infrastruktur geschnürt, das bis 2020 Gesamtinvestitionen in Höhe von mehr als einer Billion Euro erfordern wird. Infrastrukturprojekte in unterschiedlichen Regionen bzw. mit unterschiedlichen Zwecken weisen zwar durchaus gemeinsame Eigenschaften auf, aber dennoch ist jedes Projekt einzigartig. Die Finanzierungen sind naturgemäß langfristig und illiquide. Die Kunden profitieren wiederum von der Illiquiditätsprämie, aufgrund derer die Renditen oft höher als bei Staatsanleihen oder gedeckten Schuldverschreibungen sind. Sofern die Investoren akzeptieren, dass ihre Investitionen in erstrangige Infrastrukturfinanzierungen illiquide sind, bieten sich derzeit in Europa attraktive Anlagechancen in den Bereichen regulierte Versorger, öffentlich-private Partnerschaften und andere Projekte mit stabilen Cashflow-Erwartungen (Flughäfen, Mautstraßen, etc.), die aufgrund ihrer Eigenschaften als interessante Alternative zu Staatsanleihen anzusehen sind. Erstrangige Schuldpapiere für Infrastrukturfinanzierungen weisen in der Regel folgende Eigenschaften auf: Attraktive Festverzinsung möglich, Spreads von Basispunkte gegenüber dem EURIBOR. Lange Laufzeit über die Lebensdauer der Projekte hinweg. Geringeres Risiko erstrangiger Schuldpapiere im Vergleich zur übrigen Kapitalstruktur. Niedrige bzw. vernachlässigbare Ausfallquoten 1. Planbare Erträge im Gegensatz zu anderen Ebenen der Kapitalstruktur. Regelmäßige Emissionen und per Definition attraktive ESG-Eigenschaften 2, da die Projekte einen gesellschaftlichen Nutzen haben (z. B. Straßen, Eisenbahnen, Schulen und Krankenhäuser). [1] Wie die Studie Moody s Default and Recovery Rates für Project Finance Bank Loans belegt. [2] ESG = Environmental, Social, Governance. 20

4 > 1 Billion Euro Allein die Europäische Kommission hat ein Paket für den Ausbau einer integrierten europäischen Infrastruktur geschnürt, das bis 2020 Gesamtinvestitionen in Höhe von mehr als einer Billion Euro erfordern wird. 21

5 INFRASTRUKTUR Schuldpapiere mit Infrastrukturfinanzierungen sind als Alternative zu langfristigen festverzinslichen Staatsanleihen oder besicherten Schuldverschreibungen anzusehen, da sie für das Asset Liability Matching in Frage kommen. Primäre und sekundäre Finanzierungen Bei primären, erstrangigen Finanzierungstransaktionen, die auch Baurisiken beinhalten (Projekte auf der grünen Wiese ), bestehen beträchtliche Chancen. Um diese Chancen zu nutzen, muss der Investmentmanager für die Finanzierung im Rahmen des Erwerbsverfahrens für die Vermögenswerte häufig auf das jeweilige Projekt abgestimmt und zuweilen sehr intensiv mit den potenziellen Kreditnehmern zusammenarbeiten. Beispiele sind öffentliche Beschaffungsverfahren für soziale Infrastrukturprojekte, bei denen noch Baumaßnahmen erforderlich sind, oder Fusionen und Übernahmen von ökonomisch tragbaren Infrastrukturprojekten. Primäre Finanzierungen können von vornherein so strukturiert werden, dass sie Investment Grade -Qualität haben. Allgemein wird davon ausgegangen, dass sich das Rating verbessern sollte, wenn ein Projekt fertiggestellt ist und die Betriebsphase plangemäß abläuft. Bei sekundären Finanzierungen, die z. B. nach der Bauphase stattfinden, wird der Vermögenswert während der Betriebsphase erworben. Dann hat die Ratingverbesserung bereits zum großen Teil stattgefunden, sodass die Spreads enger sind. Auch ist nicht so klar, welche sekundären Finanzierungen überhaupt zum Kauf verfügbar sind. Bei Verkauf und Kauf bestehender Portfolios besteht die Herausforderung darin, einen angemessenen Preis zu finden, zu dem die Banken zum Verkauf bzw. die Investoren zum Kauf bereit sind. Verringertes Ausfallrisiko in der Bauphase Die Inhaber erstrangiger Schuldpapiere sind bei Infrastrukturprojekten nicht mit denselben Baurisiken konfrontiert wie bei Gewerbeimmobilien. Beim Bau von Infrastrukturprojekten werden diverse Schutzmaßnahmen ergriffen, die dazu beitragen, das Ausfallrisiko in der Bauphase zu verringern. So beginnt der Bau bei Infrastrukturvorhaben erst, wenn das Projekt vollständig finanziert ist, also genügend Fremd- und Eigenkapital für den vollständigen Abschluss der Bauarbeiten von Finanziers mit einem Investment Grade -Rating zugesagt wurde und/ oder entsprechende Sicherheiten mit einem Investment Grade - Rating vorhanden sind. Außerdem wird das Baurisiko an sich vom Hauptauftragnehmer getragen, der ein schlüsselfertiges Bauwerk zu einem fixen Preis und einem festgelegten Datum zusagt. Da der Hauptauftragnehmer erst im Nachhinein bezahlt wird, werden die entsprechenden Risiken für die Fremdkapitalanleger zusätzlich gemildert. In der Regel handelt es sich bei den Hauptauftragnehmern um große, häufig börsennotierte Unternehmen. Im Zuge einer 22

6 angemessenen Analyse werden im Rahmen der Due Diligence für die Investoren auch die Art der Verträge und die Qualität des Bauunternehmens geprüft. Selbst bei einem Zahlungsausfall des Auftragnehmers ist jedoch ein Totalverlust für die Fremdkapitalanleger unwahrscheinlich. Dies ist einer der Hauptgründe dafür, dass die Assetklasse so attraktiv ist. Die Eigenkapital- und Bürgschaftsgeber werden bei Verlusten als erste herangezogen. Dieses Kapital reicht in der Regel zur Fertigstellung des Projekts aus, wenn der betroffene Auftragnehmer ausgetauscht wird. Weil die Investoren bei primären Transaktionen von Anfang an eingebunden sind, ist es möglich, Einfluss auf die Strukturierung zu nehmen, sodass die Investment Grade -Kriterien sowohl in der Bau- als auch in der Betriebsphase erfüllt sind. Gleichzeitig bestehen in der Betriebsphase dieser Transaktionen durchaus Risiken. Und ein aktives Management ist erforderlich, um sicherzustellen, dass die erstrangigen Fremdkapitalgeber auch im Problemfall weiterhin von stabilen und zuverlässigen Cashflows profitieren können. Zusammenfassung Schuldpapiere für Infrastrukturfinanzierungen sind als Alternative zu langfristigen, fest verzinslichen Staatsanleihen oder Pfandbriefen anzusehen, da sie für das Asset Liability Matching in Frage kommen. Infrastrukturprojekte haben in der Regel eine lange Laufzeit, und ihre Cashflows weisen eine geringe Korrelation mit anderen Risikofaktoren auf. Die Spreads sind bisher hoch, werden es aber nicht für immer bleiben, wenn institutionelle Investoren zunehmend in diese Assetklasse vorstoßen. Institutionelle Investoren, die in Infrastruktur investieren wollen, sollten zunächst eine Strategie entwickeln, die die Eigenschaften eines Infrastructure Debt-Portfolios definiert. Dann müssen sie im Rahmen der passenden Projekte eine sinnvolle Kapitalstruktur wählen. Die EU-Kommission erwartet ab eine interessante Entwicklung dieser neu entstehenden Assetklasse sofern Investoren über die erforderliche Erfahrung für die Investition in solche Vermögenswerte, ihre Strukturierung und Verwaltung verfügen. Philip Dawes stieß im Mai 2001 als Direktor zu Allianz Global Investors/RCM und war dort als Leiter für das Geschäft mit institutionellen Kunden in Großbritannien zuständig. Seit 2012 verantwortet er als Co-Head das neugeschaffene pan-europäische Consultant-Relations-Team. Philip Dawes ist Mitglied im European Executive Distribution Committee (EDC) von Allianz Global Investors Europe. Er verfügt über einen Masterabschluss in Geographie vom Kings College der Universität London. Sein Investment-Management- Zertifikat (IMC) erwarb Philip Dawes im Jahr Deborah Zurkow ist CIO, Head Of Infrastructure Debt von Allianz Global Investors. Vor ihrem Wechsel war sie CEO von Trifinium Advisors Limited und Leiterin des Bereiches Public Finance EMEA bei der MBIA UK Insurance Limited. Sie war für die allgemeine Aufsicht über neue Geschäftsangelegenheiten im Bereich Infrastruktur verantwortlich. Dieser Bereich umfasste staatsnahe Unternehmen, Transport- und Versorgungsunternehmen sowie Finanzierungen über Public Private Partnerships (PPP)/Private Finance Initiative (PFI). Zuvor war Deborah Zurkow im Vorstand der MBIA UK Insurance Limited und Vorsitzende der MBIA Assurance S.A. Die Leitung der Pariser Niederlassung von MBIA zuvor umfasste die Verantwortlichkeit sowohl für Geschäfte mit strukturierten Produkten als auch mit öffentlichen Unternehmen. In diesem Rahmen war sie unter anderem für eine Reihe von Verbriefungen in Frankreich und Finanzierungen von europäischen Regierungsprojekten auf kommunaler Ebene zuständig. Davor arbeitete sie bei J.P. Morgan Securities in der Abteilung Public Finance. Deborah Zurkow hat einen MBA an der Yale School of Management und einen BA am Wellesley College absolviert. Sie ist Mitglied des Verwaltungsausschusses der International Project Finance Association (IPFA). [3] http.//europa.eu/rapid/press-release_speech _en.htm?locate=en 23