Leseprobe Vergaberecht für Sektorenauftraggeber. Rechtslage, Praxis und Besonderheiten im Sektorenbereich

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1 Leseprobe Vergaberecht für Sektorenauftraggeber Rechtslage, Praxis und Besonderheiten im Sektorenbereich Stand Februar 2017

2 Grundsätzliches zur Ausschreibungspflicht von Sektorenauftraggebern FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Oberschwellenvergaben: Beschaffung für Sektorentätigkeit Beschaffung für Nicht-Sektorentätigkeit Alle AG nach 99, 100 GWB AG nach 99 GWB AG (nur) nach 100 GWB SektVO - VgV - VOB/-EU Keine vergaberechtlichen Bindungen Außerdem: Verpflichtung zur Anwendung von Vergaberecht durch Zuwendungsbescheide. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

3 Unterschwellenvergaben: Öffentlich beherrschte AG Nicht öffentlich beherrschte AG VOB, VOL (zukünftig: UVgO) wenn Anwendungsbefehl vorliegt (Erlass, Satzung, Gemeinderatsbeschluss etc.) Vergaberechtliche Bindung nur bei freiwilliger Unterwerfung unter VOB, VOL (zukünftig: UVgO) Außerdem: Verpflichtung zur Anwendung von Vergaberecht durch Zuwendungsbescheid FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Grundsätzliche Ausschreibungspflicht: Die Ausschreibungspflicht in der Daseinsvorsorge wird im Wesentlichen davon beeinflusst, 1. ob der Sektorenauftraggeber privatwirtschaftlich oder öffentlich beherrscht wird und 2. auf welche Tätigkeit sich der jeweilige Beschaffungsvorgang bezieht und 3. ob der angestrebte Auftrag oberhalb oder unterhalb der Schwellenwerte zur Anwendung des Kartellvergaberechts liegt. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

4 Öffentlich-rechtliche Eigentümerstruktur: Wird der Sektorenauftraggeber öffentlich beherrscht, kann ein Beschaffungsvorgang aufgrund unterschiedlicher Vorschriften ausschreibungspflichtig sein: Unterhalb der Schwellenwerte: z.b. 55 BHO/LHO i.v.m. VOB/A, VOL/A, besondere Bestimmungen in den Gesellschaftsverträgen. Oberhalb der Schwellenwerte: z.b GWB i.v.m. SektVO, VgV, VOB/A, VOL/A. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Privatwirtschaftliche Eigentümerstruktur: Wird der Sektorenauftraggeber privatwirtschaftlich beherrscht, kann ein Beschaffungsvorgang grundsätzlich nur ausschreibungspflichtig sein, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Tätigkeit auf der Grundlage besonderer oder ausschließlicher Rechte oder Beherrschung durch öffentliche Auftraggeber 99 GWB. Bezug zu einer Sektorentätigkeit. Erreichung der Schwellenwerte zur Anwendung des Kartell-Vergaberechts. Außerhalb dieser Voraussetzungen besteht in der Regel keine Ausschreibungspflicht. Mögliche Ausnahme: Verpflichtung zur Anwendung des Vergaberechts durch Zuwendungsbescheid. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

5 Bezug zur Sektorentätigkeit (I): Bezieht sich der Beschaffungsvorgang auf: Energieversorgung (Gas, Elektrizität) Trinkwasserversorgung ÖPNV Hafen- oder Flughafenwirtschaft ist eine Sektorentätigkeit betroffen. Im Geltungsbereich des Kartellvergaberechts (oberhalb der Schwellenwerte) ist jeder Auftraggeber unabhängig von seiner Beherrschungsstruktur - zur Anwendung der SektVO verpflichtet. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Bezug zur Sektorentätigkeit (II): Unterhalb der Schwellenwerte kommt es auf die Struktur des Auftraggebers an: Öffentlich-rechtlich beherrschte Auftraggeber können nach den Regeln des nationalen Vergaberechts zur öffentlichen Ausschreibung verpflichtet sein. Rein privatwirtschaftliche Auftraggeber unterliegen außerhalb des Sektorenvergaberechts grundsätzlich keinen vergaberechtlichen Vorgaben. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

6 Wichtige Änderungen im GWB FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Gliederung des 4. Teils des GWB (I): Kapitel 1: Vergabeverfahren. Abschnitt 1: Grundsätze, Definitionen und Anwendungsbereich ( 97 bis 114). Abschnitt 2: Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber ( 115 bis 135). Unterabschnitt 1: Anwendungsbereich ( 115 bis 118). Unterabschnitt 2: Vergabeverfahren und Auftragsausführung ( 119 bis 135). Abschnitt 3: Vergabe von öffentlichen Aufträgen in besonderen Bereichen und von Konzessionen ( 136 bis 154). Unterabschnitt 1: Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber ( 136 bis 143). Unterabschnitt 2: Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen ( 144 bis 147). Unterabschnitt 3: Vergabe von Konzessionen ( 148 bis 154). FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

7 Gliederung des 4. Teils des GWB (II): Kapitel 2: Nachprüfungsverfahren. Abschnitt 1: Nachprüfungsbehörden ( 155 bis 159). Abschnitt 2: Verfahren vor der Vergabekammer ( 160 bis 170). Abschnitt 3: Sofortige Beschwerde ( 171 bis 184). FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar GWB Allgemeine Grundsätze: Wettbewerbsgrundsatz. Transparenzgrundsatz. Wirtschaftlichkeitsgrundsatz. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Gleichbehandlungsgrundsatz. Berücksichtigung von Aspekten der Qualität und der Innovation sowie sozialer und umweltbezogener Aspekte nach Maßgabe des GWB. Gebot der Förderung mittelständischer Interessen durch Losbildung. Grundsatz der elektronischen Kommunikation. Anspruch der Bieter auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

8 97 Abs. 5 GWB: evergabe im Oberschwellenbereich: Die Auftraggeber sind wie folgt zur zwingenden Einführung der evergabe im Oberschwellenbereich verpflichtet: : Elektronische Bekanntmachung und offener und kostenloser elektronischer Zugang zu den Vergabeunterlagen ab Bekanntmachung für alle Auftraggeber verpflichtend : Zentrale Beschaffungsstellen dürfen nur noch elektronische Angebote zulassen. Außerdem muss die gesamte Kommunikation mit den Bietern elektronisch erfolgen : Entsprechende Pflicht für alle Auftraggeber. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar bis 101 GWB Auftraggeber (I): 99 GWB: Öffentliche Auftraggeber: Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen. Andere juristische Personen, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, sofern sie überwiegend von Auftraggebern nach 99 Abs. 1 oder 3 finanziert oder beherrscht werden. Verbände, deren Mitglieder unter 98 Nr. 1 oder 2 fallen. Unternehmen, soweit sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäude zu mehr als 50 % subventioniert werden. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

9 98 bis 101 GWB Auftraggeber (II): 100 GWB: Sektorenauftraggeber: Öffentliche Auftraggeber gemäß 99 Nr. 1 bis 3 GWB, die eine Sektorentätigkeit ausüben. Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit ausüben, wenn diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird oder öffentliche Auftraggeber gemäß 99 Nr. 1 bis 3 GWB auf die Person einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können. 101 GWB: Konzessionsgeber: Öffentliche Auftraggeber gemäß 99 Nr. 1 bis 3 GWB sowie Sektorenauftraggeber gemäß 100 GWB, die eine Sektorentätigkeit ausüben und eine Konzession zum Zweck der Ausübung dieser Tätigkeit vergeben. Sektorentätigkeiten im Bereich Wasser sind hiervon ausgenommen. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar GWB Sektorentätigkeiten (I): Sektorentätigkeiten im Bereich Wasser sind die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit sowie die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze. Sektorentätigkeiten im Bereich Elektrizität sind die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit sowie die Einspeisung von Elektrizität in diese Netze. Sektorentätigkeiten im Bereich von Gas und Wärme sind die Bereitstellung oder das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit sowie die Einspeisung von Gas und Wärme in diese Netze. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

10 4. Stufe: Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Einführung (I): Zu den rechtlichen Grundlagen siehe oben Folien 104 bis 107. Es ist insbesondere unzulässig, Eignungskriterien zu Zuschlagskriterien zu machen. Unzulässig ist auch die Wertung eines "Mehr an Eignung", z.b. die Wertung der Qualität der eingereichten Referenzen als Zuschlagskriterien. Nach der Rechtsprechung ist vielmehr eine strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien (EuGH, , C-315/01) erforderlich. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

11 Einführung (II): Das Trennungsgebot wird modifiziert durch 52 Abs. 2 Nr. 2 SektVO, wonach es zulässig ist, Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals aus Zuschlagskriterien zu werten, wenn dessen Qualität erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Das Trennungsgebot wird aber nicht aufgegeben; eine Doppelverwertung desselben Kriteriums als Eignungs- und Zuschlagskriterium ist nach wie vor unzulässig. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Fallbeispiele: Für ein größeres Bauvorhaben bereitet der Auftraggeber die Ausschreibungsunterlagen vor. Die Mitarbeiter der Vergabestelle überlegen, welche Zuschlagskriterien für die Bauleistungen und die vorausgehenden Planungsleistungen in Betracht kommen. Hierbei diskutieren sie insbesondere folgende Fragen: a) Kann bei der (abschließend beschriebenen) Bauleistung immer noch ausschließlich der Preis zur Bewertungsgrundlage gemacht werden? b) Welche sonstigen Wertungskriterien könnte man heranziehen? c) Welche Kriterien könnten sich bei der Vergabe der Planungsleistungen empfehlen? FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

12 Auswahl der Zuschlagskriterien (I): Lösung Variante a): Nach 127 Abs. 1 S. 3 GWB kann zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots "neben dem Preis und den Kosten" auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Hieraus ist zu schließen, dass solche qualitativen Kriterien zwar zusätzlich verwendet werden können, dies aber nicht verpflichtend ist. Es kann also jedenfalls bei abschließend beschriebenen Leistungen bei einer Preiswertung verbleiben, zumal sich eine solche Wahlfreiheit auch schon aus den EU-Richtlinien ergibt. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Auswahl der Zuschlagskriterien (II): Lösung Variante b): Es können weiterhin passende qualitative Kriterien herangezogen werden. Der Katalog der Zuschlagskriterien ergibt sich aus 52 Abs. 2 SektVO. Hierzu gehören neben dem Preis bzw. den Kosten u.a.: Qualität. Technischer Wert. Ästhetik. Zweckmäßigkeit. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

13 Auswahl der Zuschlagskriterien (III): Lösung Variante b): Barrierefreiheit und sonstige soziale Eigenschaften. Umweltbezogene Eigenschaften. Innovative Eigenschaften. Vertriebs- und Handelsbedingungen. Die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Verfügbarkeit von Kundendienst und technische Hilfe. Lieferbedingungen, wie z.b. Liefer- oder Ausführungsfristen. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Auswahl der Zuschlagskriterien (IV): Lösung Variante b): Bei den ausgeschriebenen Bauleistungen kommen je nach konkreter Relevanz neben dem Preis praktisch sämtliche Aspekte in Betracht, insbesondere "technischer Wert" und "Ausführungsfrist". Der Auftraggeber hat insoweit einen weiten Ermessensspielraum. Bei handwerklich oder technisch besonders anspruchsvollen Gewerken kommt auch die "Organisation, Qualifikation und Erfahrung des betrauten Personals" als Zuschlagskriterium in Betracht. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar

14 Auswahl der Zuschlagskriterien (V): Lösung Variante c): Bei den Planungsleistungen kommen folgende Zuschlagskriterien in Betracht: Preis / Honorar, jedoch Gewichtung allenfalls 10 % - 30 %, da die Preisordnung der HOAI gemäß 127 Abs. 2 GWB, verbindlich ist. Daher bleibt besonders großer Spielraum für qualitative Kriterien wie die vorgenannten. Bei Planungsleistungen kommen insbesondere noch folgende Kriterien zum Tragen: Funktionalität (des Planentwurfs). Ästhetik (des Planentwurfs). Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals. Baukosten gemäß Kostenschätzung / Kostenobergrenze. FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar Fallbeispiele: Ein Auftraggeber will für seine Ämter flächendeckend neue Computerhardware beschaffen (Prozessoren, Bildschirme, Tastaturen und Drucker). Da es sich um Standardhardware handelt, werden Qualitätsaspekte im Wesentlichen bereits durch die Anforderungen der Leistungsbeschreibung sichergestellt. Dem Auftraggeber geht es um eine nachhaltig günstige Beschaffung. Welche Bewertungsmaßstäbe bieten sich hierfür an? FORUM Institut für Management GmbH Köln 21. Februar