Regionalbischof Michael Grabow
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- Viktor Hoch
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1 Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern Büro des Regionalbischofs Michael Grabow Fuggerstraße 11 D Augsburg Telefon Zentrale: 0821/ Telefax: 0821/ regionalbischof.augsburg@elkb.de Regionalbischof Michael Grabow Predigt in Evang. St. Ulrich zur Christvesper an Heiligabend 2014 Liebe Gemeinde, Überall auf den Straßen und Plätzen leuchten festliche Girlanden, glitzernde Weihnachtssterne und Posaunenengel. Die Friedhofskirche / Ulrichskirche ist feierlich geschmückt, und nach dem Gottesdienst wird der Christbaum in unseren Stuben hell erstrahlen. Wir genießen dieses heimelige Leuchten, weil es uns warm ums Herz macht. Aber wir wissen auch, dass es nur ein äußerliches Licht ist. In ein paar Tagen werden die Kerzen niedergebrannt und die Straßendekoration abgebaut sein. Wir wissen auch, dass es längst nicht überall so hell strahlt. Für manchen ist das Licht der Weihnacht nur ein verlorenes Lichtlein in der Dunkelheit, weil ein geliebter Mensch gestorben ist, weil man sich vor Sorgen nicht mehr hinaussieht, weil die Einsamkeit am Heiligen Abend am bittersten ist. Das Volk, das im Finstern wandelt Tausende Menschen wandeln in Dresden seit Wochen jeden Montag im Finstern. Sie sind getrieben von einer diffusen Angst, die einen Sündenbock suchte und diesen Sündenbock gefunden hat in den Muslimen, die es doch in Dresden fast gar nicht gibt: nur ein Promille, einen unter Tausend. Und diese Muslime sind ganz normale Menschen wie Du und ich. Sie sind Opfer einer perfiden Kampagne. Sie werden nur benutzt und wir können nur hoffen, dass nichts Schlimmeres daraus entsteht. Aber auch die vielen unbescholtenen Bürger, die da mitmarschieren, werden nur benutzt. Der Spiegel hat Verbindungen einiger Organisatoren zu rechtsnationalen und sogar zu extremen Gruppen nachgewiesen (Der Spiegel, Nr. 51 v ). Derzeit reden alle von der diffusen Angst dieser Demonstranten. Wer Postfach München Telefon: 089 / ; Telefax ; poep@elkb.de; Seite 1
2 aber redet von der Angst derer, die aus Not zu uns gekommen sind und sich nun auch bei uns bedroht fühlen? Das Volk, das im Finstern wandelt Ganze Völker wandeln im Finstern in diesem Jahr. Sie leiden unter Terror, Verfolgung und Krieg. Und IS wird nicht heute die Waffen schweigen lassen und mit Kurden, Christen und Jesiden zwischen den Schützengräben Weihnachten feiern. Das weihnachtliche Wunder aus dem ersten Weltkrieg, das sich vor hundert Jahren ereignete, dieses Wunder wird sich 2014 nicht wiederholen: damals krochen die Soldaten aus den Schützengräben und übten für ein paar Stunden Frieden, bevor das Morden vier lange Jahre weiterging. Heute geht das Morden auch in dieser Heiligen Nacht weiter. Das Volk, das im Finstern wandelt. Wenn wir bei dieser Botschaft stehenblieben, könnten wir wohl nicht Weihnachten feiern. Und wir hätten dieses Fest wohl auch schon lange aufgegeben. Doch die Botschaft geht ja weiter: Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, es scheint hell... Denn uns ist ein Kind geboren... Hier geschieht etwas ganz Neues. Mitten im Leben mit all seinen Sorgen, Nöten und Ängsten geschieht ein neuer Anfang. Man könnte sagen, hier geschieht mitten im Leben eine Neugeburt. So als könne es mit uns noch einmal ganz neu beginnen, kindlich neu. Ein Kind ist uns geboren! Und nun überschlagen sich die Bilder, nun überschlägt sich die Sprache: Wunder-Rat Gott-Held Ewigvater Friede-Fürst. Und seine Herrschaft wird groß werden und der Friede wird nicht enden... durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Jesaja träumt einen großen Traum. Dieser Traum ist viel zu groß, als daß er sich sofort in die Tat umsetzt, und doch ist er wahr und wirklich. Deshalb wurde der Traum nicht vergessen. Er hatte sich festgesetzt in den Herzen der Menschen. Sie spürten: Wir brauchen solch einen Ewig-Vater. Wir brauchen solch einen Friede-Fürst. Wir brauchen solch ein Kind, das Licht bringt in all unsere Finsternis. Und so ging dieser Traum nicht verloren. Er war wirklicher, fester, dauerhafter als all das, was es in der finsteren Realität alles gab: Not, Sorge, Einsamkeit, Krieg. Ja, dieser Traum war wirklicher als all das, was wir in unserm Alltag Wirklichkeit nennen. Und dann gab es, 800 Jahre nach Jesaja, wieder solch eine Zeit. Wieder war dunkle Zeit. Not und Verfolgung bewegte die Menschen all das, was wir auch nur zu gut kennen. Ein ganzes Land kam in Bewegung, weil der Kaiser es befahl. Die Ausgaben wuchsen Jahr um Jahr, die Steuern sowieso. Postfach München Telefon: 089 / ; Telefax ; poep@elkb.de; Seite 2
3 Die Menschen kamen nicht mehr mit. Sie hatten Hunger, sie wurden krank und fanden kaum noch Hoffnung. Warum das alles? Und wie soll es, wie kann es weitergehen? In solch einer Zeit wurde Jesus erwartet, in solch einer Zeit wurde Jesus geboren. Lukas erzählt die Geschichte seiner Geburt so: Lesung Lk. 2,1 7 Liebe Gemeinde, welche Hoffnung bietet diese Weihnachtsgeschichte jenen Menschen, die auch heute keinen Raum in der Herberge finden? Welche Hoffnung bietet die Weihnachtsgeschichte jenen Unzähligen, die sich wie später Maria und Josef mit dem Jesuskind auf die Flucht nach Ägypten machen müssen? Unzählige sind es. Fünfzig Millionen Menschen weltweit sind auf der Flucht. Millionen Menschen leben in Syrien, in der Türkei, im Libanon in dünnen Zelten, kaum vor Kälte und Winter geschützt. Nach Bayern kommen bis Jahresende ca Flüchtlinge. Vergleicht man die Zahl der Asylbewerber mit der Einwohnerzahl der europäischen Länder, so liegen Schweden, Malta und die Schweiz verhältnismäßig auf den ersten Plätzen. Deutschland befindet sich im Vergleich erst auf Platz zehn. In Bayern sind es Flüchtlinge auf 12,5 Millionen Einwohner da kommen auf jeden Einwohner 0,0002 Flüchtlinge, zwei Promille. Wie gehen wir mit diesen Menschen um, die oft traumatisiert, verstört und hilflos bei uns ankommen? Sehen wir in diesen Flüchtlingen Menschen oder nur lästige Störenfriede? Sehen wir in Ihnen gar Christus selbst, der einmal gesagt hat: Ich bin ein Fremder gewesen, und Ihr habt mich aufgenommen. Und was Ihr dem geringsten unter meinen Schwestern und Brüdern getan habt, das habt Ihr mir selbst getan? Empfangen wir sie herzlich, als wären sie Christus selbst? Welche Hoffnung bietet diese Weihnachtsgeschichte jenen Menschen, die auch heute keinen Raum in der Herberge finden? Es ist die Hoffnung, die wir ihnen geben, damit sie sich willkommen fühlen und bei uns leben können, solange sie in ihrer Heimat bedroht sind an Leib und Leben. Es ist aber auch die Hoffnung, die die Geburt des menschgewordenen Gottes ihnen aufzeigt. In dem Kind Jesus wird Gott selbst Mensch unter Menschen, in aller Niedrigkeit als Säugling im Futtertrog, dann als Flüchtling in Ägypten und schließlich als Verbrecher hingerichtet. Gott kommt in der Niedrigkeit zu uns, und er bleibt auch in dieser Niedrigkeit. Er bleibt bei den Besitzlosen, Entrechteten, Ausgestoßenen. Das ist die zentrale Botschaft von Weihnachten: Dass wir Menschen werden können, weil Gott es uns vorgemacht hat. Postfach München Telefon: 089 / ; Telefax ; poep@elkb.de; Seite 3
4 Wir können von Gott lernen, was es heißt, wirklich Menschen zu sein, freie Menschen zu sein, mehr noch: menschliche Menschen zu sein. Wir können von Gott lernen, was es heißt, anderen zum Menschen zu werden und ihnen so zum eigenen Menschsein zu verhelfen Wenn Gott selbst in dem Menschen Jesus Partei nimmt für die Niedrigen, die Fremden und die Hungrigen, dann deshalb, damit sie satt werden und in Würde und ohne Furcht leben können. Damit niemand Feuer legt wie in Vorra, sondern wir aufstehen und Stopp sagen und die Menschen schützen, die unter uns leben. Das ist unsere Aufgabe: Gesicht zu zeigen gegen Fremdenhass und Ausgrenzung andersdenkender. Deshalb gilt den Fremden in Zelten, Höhlen und Ställen das, was die Engel auf dem Felde den Hirten sagten: Fürchtet euch nicht! Und es gilt auch uns in unseren Häusern: Fürchtet Euch nicht. Deshalb können wir froh und fröhlich singen: Lied: Nun singet und seid froh, 35, 1 3 Lesung Lk. 2, 8 14 Liebe Gemeinde, Friede von einem kleinen Kind? Friede für unsere friedlose Erde? Friede, wo doch alle Menschen nur Krieg und Unterdrückung sahen? Die Botschaft der Engel nimmt die alte Sehnsucht auf, die Jesaja schon bewegt hatte. Kein Gewaltiger, kein Machthaber, kein Herrscher konnte den Frieden bringen. Nur ein Kind konnte ihn bringen. Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt: und er heißt Ewig-Vater, Friedefürst. Die diese Botschaft der Engel hörten, sie erinnerten sich an die alten Worte des Jesaja, und sie stellten staunend fest: Seht an dies Kind in der Krippe, in Windeln gewickelt. Seht es an, runzlig rot, armselig. Seht an Maria, seine Mutter, die alles, was sie hört, in ihrem Herzen bewegt. Seht an Joseph, der sie umsorgt und umhegt. Seht an die Hirten, die da hörten Fürchtet euch nicht große Freude für alles Volk der Heiland ist geboren Friede auf Erden. Seht an diese Hirten, einfache Menschen, die dies glaubten und eilend liefen zum Stall, um dies Kind zu sehen. Ja, seht alle an... und glaubt, glaubt es einfach, dass hier in diesem Kind der Friede für uns alle ausgebrochen ist. In diesem Kind, das dann ein Mann wurde, der Mann Gottes. Postfach München Telefon: 089 / ; Telefax ; poep@elkb.de; Seite 4
5 Nehmt sie ernst, die Botschaft der Engel. Probiert aus, ob sie Euer Leben trägt. Und so erkannten die Hirten: Jetzt, ja jetzt ist die Zeit erfüllt: Ab jetzt gilt es, dass der Friede Gottes wirklich Einzug gehalten hat in unser Leben, in unser so graues und dunkles Leben. Ja, der uralte Traum des Jesaja, er ist jetzt wirklich in Erfüllung gegangen in diesem kleinen Kind im Stall. Und so versammelten sie sich um dieses Kind. Um dieses Kind, in dem Gott noch einmal neu anfing mit ihnen; in dem sie sich selbst wie neu geboren erlebten: Neugeburt mitten im Leben. Sie schöpften neue Hoffnung. Sie sahen ein Licht. Sie sahen ihr eigenes inneres Licht und fingen an, mit diesem Licht die dunkle Welt um sich herum zu erleuchten. Sie vertrauten darauf; und ihr Vertrauen war größer als ihre Furcht. Nicht groß und mächtig fing es an, sondern klein und unscheinbar. Kind Stall Krippe. Da fing es an. Kein Wunder, dass die Engel sangen. Lied: Vom Himmel hoch. 24, Lukas 2, Liebe Gemeinde, Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kind gesagt war. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Was hindert uns, liebe Gemeinde, darauf zu vertrauen, dass im Verborgenen und Niedrigen der Friede auch bei uns beginnt, wie damals im Stall von Bethlehem. Was hindert uns daran, darauf zu vertrauen, dass Gottes Licht in unsere dunkle Welt hineinleuchtet? Es liegt an uns selbst, der Weihnachtsbotschaft zu vertrauen. Es liegt an uns selbst, die Geschichte vom Kind in der Krippe, das zum Retter der Welt werden soll, für uns wahr werden zu lassen. Das kann ganz klein beginnen. Im Unscheinbaren beginnt das Licht zu brennen, und sei es noch so klein. Und wenn es nicht in uns zu brennen beginnt, dann wird es auch nicht in der großen Welt brennen. So dürfen wir getrost in dieser Heiligen Nacht die Lichter am Christbaum entzünden und uns an ihnen erfreuen. Diese Lichter am Christbaum weisen uns darauf hin, dass wir Gottes Licht sehen dürfen gerade wenn wir im Finstern wandeln. Wir können darauf vertrauen, dass der Gott-Held, Friede-Fürst, Ewig-Vater unter uns ist, ganz real und wirklich. Und dass der Friede auf Erden heute beginnt, gerade heute, gerade in uns. Lasst uns diesen Frieden, lasst uns dieses Licht in uns selbst entzünden. Lasst es uns in die Welt hinaustragen, damit die Finsternis hell wird. Postfach München Telefon: 089 / ; Telefax ; poep@elkb.de; Seite 5
6 Unsere Welt hat das Licht, das ihr leuchtet, bitter nötig. Unsere Welt hat es bitter nötig, Lichterketten bis ans Ende der Welt zu bilden, die da künden vom Frieden auf Erden damals und heute. Denn wenn wir der Finsternis nicht wehren, wird sie sich ausbreiten, ob in Vorra, in Dresden oder in Syrien und Irak. Lasst uns das Wort ausbreiten, dass die Weihnachtsbotschaft mehr ist als eine sentimentale Geschichte für einen Abend. Lasst uns weitersagen, dass hier der Retter der Welt verkündet wird, der Ewig-Vater und Friedefürst. Und lasst uns selbst zu Menschen werden, weil Gott Mensch geworden ist: denn Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, Amen. Postfach München Telefon: 089 / ; Telefax ; poep@elkb.de; Seite 6
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