ProDaMi Entscheidungsunterstützung im Produktionsumfeld mit Data- Mining-Werkzeugen

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1 ProDaMi Entscheidungsunterstützung im Produktionsumfeld mit Data- Mining-Werkzeugen Dr. Thomas Bernard, Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Karlsruhe Stichworte Data Mining, Prozessindustrie, Stückgutfertigung, Prozessführung und überwachung, Prozessoptimierung, Produktoptimierung, Entscheidungsunterstützung 1. Problemstellung Durch die zunehmende Automatisierung der Produktions- und Fertigungsprozesse und den verstärkten Einsatz von Sensoren fallen in immer kürzeren Zeitabschnitten immer größere Produktions- und Anlagendatenbestände an, die gegenwärtig nur ungenügend genutzt werden. Nur ca. 7 % der Daten werden für die Analyse komplexer Zusammenhänge und Trends sowie zur Optimierung von Prozessen verwendet, obwohl solche Analysen gerade für Unternehmen mit hoher Innovationsdynamik von erfolgsentscheidender Bedeutung sind. Ein wesentlicher Grund für die ungenügende Nutzung vorhandener Prozessdaten für zielgerichtete schnelle Entscheidungen in allen Unternehmensbereichen ist der Mangel an anwenderfreundlichen Softwarewerkzeugen. Zwar stehen gegenwärtig zur Gewinnung von charakteristischen Informationsmustern und Entscheidungsmodellen zahlreiche leistungsfähige Data-Mining-Methoden zur Verfügung. Deren Einführung in das Produktionsumfeld bereitet jedoch aufgrund des unverhältnismäßig großen Anpassungsaufwandes an heterogene Produktionsbereiche und IuK-Strukturen noch erhebliche Schwierigkeiten.

2 Data-Mining-Zielstellung: Aus gespeicherten Produktionsdaten neues Wissen extrahieren 2. Lösungsansatz: ProDaMi-Suite Das Ziel des Projektes ProDaMi bestehtand daher darin, mit der ProDaMi-Suite Softwarewerkzeuge zu entwickeln, die den Einsatz von Data-Mining-Methoden für komplexe Aufgaben der Online-Überwachung und Entscheidungs optimierung im Produktions umfeld erleichtern und sich sowohl in der Fertigungs- als auch der Prozessindustrie anwenden lassen. Im ProDaMi-Konsortium kooperieren die Fraunhofer-Institute IOSB (Projektleitung), IPK und ITWM, die sowohl über langjähriges Know-How aus verschiedenen industriellen Anwendungsfeldern als auch geeignterder Data-Mining-Methoden verfügen. Es wurde zunächst ein modulares Systemkonzept zur ProDaMi-Suite entwickelt, das es ermöglicht, am Markt verfügbare Data-Mining-Werkzeuge und -algorithmen leicht zu integrieren. Während die Datengrundlage und die hieraus resultierenden Datenstrukturen in den jeweiligen Industriebranchen sehr unterschiedlich sind, sind die relevanten Data-Mining-Methoden (z. B. überwachte und unüberwachte Lernverfahren) in auf vielen Anwendungen übertragbar. Daher wurde eine ProDaMi-Data-Mining-Engine entwickelt, die alle für das Produktionsumfeld relevanten Data-Mining-WerkzeugeMethoden umfasst. Da die Benutzerinterfaces (GUIs) stark von den Anforderungen ders Nutzers abhängig sind, wurden hierfür unterschiedliche Ansätze entwickelt. Das Spektrum reicht von einfachen, auf kommerziellen Entwicklungsplattformen implementierten GUIs bis zu sehr nutzerfreundlichen, Web-basierten GUIs. Zur Unterstützung des Anwenders bei der Nutzung der ProDaMi-Suite wird ein web-basierter ProDaMi-Assistent entwickelt, der eine

3 Beschreibung vonder Funktionalität, Einsatzmöglichkeiten und Limitierungen der verfügbaren Data-Mining-Funktionen vermittelt. 3. Anwendungsklassen der ProDaMi-Suite In der ProDaMi-Suite wurden Module für typische Anwendungsklassen aus der Stückgutfertigung und der Prozessindustrie entwickelt. Im Bereich Prozessführung und überwachung sind dies die Anwendungsklassen 1. Analyse und Optimierung kontinuierlicher komplexer Produktions- und Fertigungsprozesse 2. Performance und Condition Monitoring von komplexen verfahrenstechnischen Prozessen 3. Kennlinienbasierte Prognose und Prozessführung von verfahrenstechnischen Prozessen Im Bereich Produktionsplanung und -steuerung stehen zur Zeit Module für diese Anwendungsklassen zur Verfügung: 4. Kennwertekorrelationen in Fertigungsanlagen 5. Generierung und Aktualisierung der Fertigungsstammdaten Die Merkmale dieser Anwendungsklassen der ProDaMi-Suite werden im folgenden kurz beschrieben. 1. Anwendungsklasse Analyse und Optimierung kontinuierlicher komplexer Produktions- und Fertigungsprozesse Die Module dieser Klasse sind auf Produktions- bzw. Fertigungsverfahren ausgerichtet, in denen ein Produkt kontinuierlich aus ständig zugeführten Ausgangsmaterialien erzeugt wird, wie z. B. das Ziehen von Glasrohren, die Extrusion von Kunststoffprofilen oder das Spritzgießen von Formteilen. Aufgaben der Prozessführung und optimierung sind die Einhaltung definierter Qualitätskriterien der Produkte, die Minimierung des Ressourcenverbrauchs (z. B. Rohmaterial, Energie) sowie Minimierung der Produktionskosten. Da in vielen Fällen die Optimierung basierend auf rein physikalisch motivierten Prozessmodellen zu aufwendig ist, werden datengetriebene Modelle in Verbindung mit physikalischen Grob-Modellen eingesetzt.

4 Software-Modul DESIGN der ProDaMi-Suite: Versuchsplanung zur Produktoptimierung 2. Anwendungsklasse Performance und Condition Monitoring von komplexen verfahrenstechnischen Prozessen Die Überprüfung der korrekten Funktionalität, die Fehlersuche, das frühzeitige Erkennen von drohenden Störungen und insbesondere die Diagnose und das Monitoring des zugrundeliegenden physikalischen Prozesses sind von entscheidender Bedeutung für das wirtschaftliche Betreiben komplexer Produktionsprozesse in der Industrie. Da es jedoch bei verfahrenstechnischen industriellen Prozessen oft nur mit großem Entwicklungsaufwand möglich ist, ein verlässliches Prozessmodell zur Merkmalsgenerierung zu erhalten, werden deshalb Methoden des maschinellen Lernens bereitgestellt, welche es ermöglichen, auf Basis von unüberwachten Lerndatensätzen geeignete Prozessmodelle zum Performance und Condition Monitoring zu generieren. Strukturelles Wissen (z.b. Wirkzusammenhänge zwischen Stell- und Messgrößen) müssen dabei nicht eingegeben werden. 3. Anwendungsklasse Kennlinienbasierte Prognose und Prozessführung von verfahrenstechnischen Prozessen Zielstellung der Anwendungsklasse ist die Unterstützung der Prozessführung von verfahrenstechnischen Prozessen durch Data-Mining-Verfahren zur Analyse, Optimierung und Prognose von Prozessdaten. Aus historischen Messdaten werden repräsentative Kennlinien extrahiert, welche den Prozessverlauf widerspiegeln. Stehen mehrere Prozessverläufe zur Verfügung, werden diese über Korrelationsverfahren zur Überdeckung gebracht, um eine gemittelte Kennlinie aus allen Datenreihen zu erstellen. Zusätzlich werden Qualitätswerte für die finale Kennlinie berechnet, die abhängig von dem Grad der

5 Überdeckung der einzelnen Prozessverläufe bestimmt werden. Die Kennlinien dienen zur Prognose der Prozessdaten im Anlagenbetrieb. Der aktuelle Prozessverlauf kann mit den ermittelten Kennlinien in Überdeckung gebracht werden, um den weiteren Verlauf der Prozesse zu schätzen. Dadurch können bei Vorgabe eines Fahrplans verschiedene Szenarien für den Prozessverlauf durchgespielt werden, um die Fahrweisen und Arbeitspunkte der Anlage zu optimieren. 4. Kennwertekorrelationen in Fertigungsanlagen Das Anwendungsfeld dieses Szenarios sind sehr große und komplex vernetzte fertigungstechnische Anlagen wie z. B. in der Automobilindustrie. Die umfangreichen Betriebsdatenbanken mit Produktions- und Anlagedaten könnten mit entsprechenden Methoden als Erfahrungsquellen zur Verbesserung betrieblicher Strukturen und die effiziente Gestaltung der Produktion genutzt werden. Kernziel ist die Unterstützung bei der Diagnose von Wechselwirkungen und Störungen in vernetzten, verketteten komplexen Produktionsanlagen. Kernanwendung dieser Anwendungsklasse ist die Detektion und Analyse von unbekannten Korrelationen aus zeitlichen Abfolgen von Kennwerteverläufen. Typische Basiskennwerte sind hier Verfügbarkeit oder Nutzungsgrad einzelner Anlagen und Anlagenbereiche sowie daraus abgeleiteter Kennwerte wie die Gesamtanlageneffizienz. Die Produktionsleiter und Fabrikplaner als Hauptnutzergruppe sollen bei der Lösung folgender beider Fragestellungen unterstützt werden: Kennwert-Diagnose (offline): Was sind die Ursachen für die Veränderung (Verschlechterung) eines Kennwertes? Antworten: Anlagen/-bereiche, Zeiträume, Einzelkennwerte Kennwert-Prognose (online): Besteht die Gefahr eines Kennwerteeinbruchs? Antworten: Wahrscheinlichkeiten, Anlagen/-bereiche, Zeiträume, Einzelkennwerte 5. Generierung und Aktualisierung der Fertigungsstammdaten In heutigen Fertigungsunternehmen werden häufig MES (Manufacturing Execution System) eingesetzt, um Key Performance Indicators (KPI) wie Verspätungen, Rüstzeiten oder Ressourcenauslastungen zu optimieren. Grundlage hierfür sind die Fertigungsstammdaten. Diese beinhalten die Beschreibung der Fertigungsressourcen wie Maschinen oder Werkzeuge etc., deren Verfügbarkeiten sowie die Arbeitspläne, die den Produktionsprozess über verschiedene Zwischenprodukte bis zu den Endprodukten beschreiben. Die Korrektur der Fertigungsstammdaten oder das Einpflegen von Daten für neue Produkte oder Maschinen wird im Produktionsalltag häufig vernachlässigt, da hierfür sehr viele manuelle Arbeiten erforderlich sind. Diese Anwendungsklasse definiert ein Vorgehen, um den manuellen Korrekturaufwand zu minimieren oder durch eine automatische Korrektur komplett zu vermeiden. Typische Anwendungsgebiete liegen in der Produktion von Stückgütern in

6 Einzel-/Kleinserien bis hin zur Serienfertigung. Erste Anwendungsbeispiele: Platinenbestückung, Halbleiterherstellung, Turbinenfertigung. 4. Zusammenfassung Mit der ProDaMi-Suite haben die Fraunhofer-Institute IOSB, IPK und ITWM eine neue und leistungsfähige Plattform entwickelt, mit der Data-Mining-Aufgabenstellungen aus dem Produktionsumfeld effizient bearbeitet werden können. Kundenspezifische Data-Mining- Applikationen können mit relativ geringem Aufwand aus der ProDaMi-Suite generiert werden. Module der ProDaMi-Suite werden zur Zeit erfolgreich in ersten Industrieprojekten der chemischen, Kunststoff- und Glasindustrie eingesetzt. Kundenspezifische Probleme z.b. der Qualitäts- und Produktoptimierung können jedoch auch in direkter Kooperation mit einem der beteiligten Fraunhofer-Institute gelöst werden. Kontakt Dr. Thomas Bernard (Projektleiter ProDaMi) Gruppenleiter Regelungs- und Mechatroniksysteme Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB Fraunhoferstr Karlsruhe Telefon: +49 (0) 7 21/ thomas.bernard@iosb.fraunhofer.de Projekt ProDaMi: