Kapitel II Grundlagen des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements
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- Katharina Schneider
- vor 8 Jahren
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1 Vorlesung Risikomanagement Kapitel II Grundlagen des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 1 Inhaltliche Gliederung der Vorlesung I. Einleitung II. Grundlagen des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements (Begründung; Risikodefinition, -quellen, -träger; Prozess des Risikomanagements) III. Finanzwirtschaftliches Risikomanagement von Einzelrisiken 1. Marktpreisrisiken a. Einführung und Überblick b. Zinsänderungsrisiken (Duration, Value at Risk, Zinsderivate) 2. Wechselkursrisiken 3. Bonitätsrisiken 4. Liquiditätsrisiken 5. Operationelle und sonstige Risiken IV. Management von Gesamtrisikopositionen V. Finanzwirtschaftliches Risikomanagement aus Sicht regulierender Institutionen VI. Zusammenfassung und Repetitorium Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 2
2 Lernziele des zweiten Kapitels Einführung in wesentliche Grundlagen (Begriffe und Strukturen des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements), Überleitung zur Analyse der unternehmerischen Perspektive. Antworten auf folgende Fragen: Wie definiert man Risiko? Welche wesentlichen Risikoquellen sind zu unterscheiden? Kann man spezifische Träger von Risiken identifizieren? Wie ist der finanzwirtschaftliche Risikomanagement-Prozess strukturiert? Nur scheinbar trivial: Warum sollten (wertorientiert geführte) Unternehmen finanzwirtschaftliches Risikomanagement betreiben? Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 3 Definition des Risikobegriffs I Vor einer Messung und Steuerung muss ihr Gegenstand abgegrenzt werden Festzulegen ist, was unter Risiko verstanden werden soll. Begriffsbestimmung ist nicht trivial, da sie in Theorie und Praxis variiert: Risiko = Gefahr einer Katastrophe Risiko = Unerwünschtes Gesamtergebnis Risiko = Abweichung der Zielgröße vom Soll (negativ / positiv?) Risiko = Streuung der Rendite [Portfolio-Selection-Theory, Markowitz] Risiko = Beta Risiko = Downside-/Shortfall-Risk Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 4
3 Definition des Risikobegriffs II Wortstamm: Das Wort»Risiko«leitet sich vom frühitalienischen risicare ab, das»wagen«bedeutet, dementsprechend meint Risiko eher eine Wahlentscheidung als etwas Schicksalhaftes. (Bernstein, 2007, S. 17f.). Grundlegende ökonomische Abgrenzung seit Frank H. Knight (1921): Unsicherheit: (fundamental) unvollständiges Wissen darüber, welches Resultat auf diese oder jene Handlung folgen wird. Ungewissheit: begrenzte Unsicherheit, da exakt eine von mehreren bekannten Zukunftslagen eintreten wird. Risiko: i.e.s. eine idealisierte, als Schwankungsmaß bestimmbare Ungewissheit, i.w.s. Beschreibung dafür, dass ein Mensch nicht alles beherrscht, was das Erreichen eigener Absichten betrifft (nach Dieter Schneider) Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 5 Risikomanagement Risikomanagement = Gesamtheit der Maßnahmen zur planmäßigen und zielgerichteten Analyse, Steuerung und Kontrolle von Risikopotentialen sowie Risikoträgern (Risikoposition). Quelle: Horsch/Schulte (2010), S. 35f. Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 6
4 Die unternehmerische Risikoposition Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 7 Begründung für ein finanzwirtschaftliches Risikomanagement I Auf einem vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkt gibt es keine Begründung für eine aktive Gestaltung der Finanzpolitik der Unternehmung ( Vorlesung Investitions- und Finanzierungstheorie). Kapitalstruktur- / Finanzierungsentscheidungen können den Gesamtkapitalmarktwert einer Unternehmung (bzw. finanziellen Nutzen ihrer Eigentümer) nicht steigern, sie sind irrelevant für die Wertschaffung in der Unternehmung ( Irrelevanztheorem von Modigliani/Miller). Begründung: Akteure besitzen unter den geltenden Prämissen die gleichen Möglichkeiten wie Unternehmen auf dem Kapitalmarkt, und können entsprechende Finanzierungshandlungen (ohne zusätzliche Transaktionskosten) zur Nutzung von Arbitragechancen duplizieren. Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 8
5 Begründung für ein finanzwirtschaftliches Risikomanagement II Unter neoklassischen Prämissen ist auch ein finanzwirtschaftliches Risikomanagement ( Variante von Finanzstrukturmaßnahmen zur Stabilisierung des im Unternehmen generierten Cashflows) sinnlos: In der MM-Welt gäbe es keinen Grund, zusätzliche (Opportunitäts-)Kosten in der Unternehmung für ein Risikomanagement aufzuwenden: Akteure (insbes.: Eigentümer) könnten entsprechende Maßnahmen präferenzabhängig durchführen, die Vollständigkeit des Marktes würde die gewünschte Zahlungsstromstruktur garantieren. Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 9 Begründung für ein finanzwirtschaftliches Risikomanagement III Prämissenabhängigkeit (Nur) Unter den Bedingungen des vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkts sind die abgeleiteten Ergebnisse folgerichtig. Umgekehrt: unvollkommene Märkte bes. Organisations- / Transaktionskosten, Informationsasymmetrien, diskriminierende Besteuerung finanzwirtschaftliches Risikomanagement einer Unternehmung ist nicht sinnlos. Denn existieren Unvollkommenheiten / Unvollständigkeiten, haben Unternehmen Organisations-, Wissens- (Informationen/Anwendungs-Know-how im Humankapital), also insgesamt (Transaktions-)Kostenvorteile dabei, finanzwirtschaftliche Risikomanagementmaßnahmen auf Märkten durchzuführen. Konsequenz: risk management matters. Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 10
6 Ziel des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements Konzept der wertorientierten Unternehmensführung als Ausgangspunkt übergeordnetes Ziel des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements: Stabilisierung des geplanten Wertziels (Shareholder Value). Ausgangspunkt: finanzwirtschaftliche Sphäre der Unternehmung Ziel i.e.s. wäre die Verhinderung adverser Wirkungen aus Finanzkontrakten. Da alle unternehmerischen Maßnahmen die Liquiditätsebene als zentrale Steuerungsebene des Finanzmanagements direkt oder indirekt betreffen, ist finanzwirtschaftliches Risikomanagement i.w.s. als umfassende Managementunterstützung zu begreifen. Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 11 Verhinderung von Störungen des Shareholder-Value-Plans Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 12
7 Risikomanagement aus interner und externer Perspektive Risikopotenzial = Verlustgefahren Risikoschutz = Verlustausgleichsreserven Interne Perspektive Unternehmung Bank Gesamte Risikoposition Kapitalkosten = Geforderte EK- Rendite = Diskontierungszins Erfolg = Erzielte EK- Rendite = Absolute Erfolgsgröße EK Externe Perspektive Kapitalmarkt Wertorientierung Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 13 Zerlegung des Gesamtrisikos in Teilrisiken Systematisches Risiko Kapitalmarkttheoretische Sicht des Gesamtrisikos (CAPM) Unsystematisches Risiko Gesamtrisiko Gegenstand des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements i.e.s. Erste Zerlegung des Gesamtrisikos in Teilrisiken Finanzwirtschaftliche Risiken (Finanzkontrakte ) Leistungswirtschaftliche Risiken (gesamter Leistungsbereich ) Zweite Zerlegung nach Wirkungsebenen beim Eintritt des Risikos Erfolgsrisiken (Ende: Insolvenz ) Integration und damit Erweiterung des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements (i.w.s.) Liquiditätsrisiken (Ende: Illiquidität ) Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 14
8 Integration von erfolgs- und liquiditätsrechnerischer Ebene Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 15 Aufspaltung der finanzwirtschaftlichen Erfolgsrisiken Finanzwirtschaftliche Erfolgsrisiken Gegenparteirisiken Marktrisiken (Kredit-)Ausfallrisiken Währungsrisiken Aktienkursrisiken Rohstoffpreisrisiken... Zinsänderungsrisiken Aus klassischem bilanzwirksamem Geschäft oder aus der Nutzung von Finanzinnovationen (z.b. Optionen, Futures, Swaps oder Mischformen der Finanzierung ) Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 16
9 Risikoträger innerhalb der Risikoposition Risikoposition konfrontiert Risikopotential und -träger. Risikoträger auf Liquiditätsebene: Bestand, Zuflüsse, abrufbare liquide Mittel. Risikoträger auf Erfolgsebene: EK der Unternehmung (Abgrenzung?) Zur Bestimmung der Risikoposition zu klären: Welche Risikoquellen werden betrachtet (Erfolgs-, Liquiditätsrisiken)? Welche Träger bilden diesbezüglich das Auffangpotential (Ausgleichsfunktion, keine faktische oder juristische Beschränkung)? In welchem institutionellen Rahmen wird welche Definition für welches Auffangpotential akzeptiert? Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 17 Verlustausgleichsfunktion des Risikoträgers Eigenkapital I Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 18
10 Verlustausgleichsfunktion des Risikoträgers Eigenkapital II Bilanz Ansprüche der Kapitalgeber ( Buchungsvermerk ) AV zu Buchwerten (z.b. 100) Stille Reserven im AV (z.b. 50) Grundkapital GewRL/KapRL Anspruch EK aus Aufdeckung stiller Reserven 50 EK (bilanziell) -> =50 Grundkapital (25) GewRL/KapRL (25) Aufdeckung stiller Reserven (50) 4. Verteidigungslinie 3. Verteidigungslinie 2. Verteidigungslinie Potenziell auffangbarer Maximalverlust (100) UV (z.b. 150) FK (z.b. 200) Kalkulierter Gewinn 1. Verteidigungslinie Verlustausgleichsfunktion des Eigenkapitals (und der aufdeckbaren stillen Reserven ) zur Vermeidung der Insolvenz Anmerkung: In der typisierenden Darstellung wird von stillen Lasten sowie von Eigenkapitalsurrogaten abstrahiert. Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 19 Substanzwertorientierter Eigenkapitalbegriff Vermögensgegenstände Substanzwertorientierter EK-Begriff Vermögen Ansprüche Anlage- und Umlaufvermögen: Einzelbewertung zu (fortgeführten) Anschaffungsund Herstellungskosten (vorsichtige Schätzung des Gegenwerts materieller Potenziale), aber: Fortführungswerte (Going-Concern-Prinzip)! Substanzwert des Eigenkapitals (bilanzielles Eigenkapital plus Verwertungsanspruch an den stillen Reserven (netto)) = Stille Reserven (netto stille Lasten) Fremdkapital = priorisierter Verwertungsanspruch an Gegenwert auf der Aktivseite der Bilanz./. rechensystematischer Weg bei potenzieller Verwertung (keine Differenzierung zwischen Going-Concern- und Liquidationswerten)! Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 20
11 Marktwertorientierter Eigenkapitalbegriff Substanzwertorientierter EK-Begriff Vermögen Ansprüche Eigenkapitalmarktwert = Shareholder Value = Gesamtbewertung der aus dem Einsatz der Unternehmenspotenziale erwirtschafteten zukünftigen (zahlungswirksamen) Erfolge, die den Eigenkapitalgebern zustehen. Rechentechnisch über Bruttooder Nettoverfahren ermittelt. Anlage- und Umlaufvermögen: Einzelbewertung zu (fortgeführten) Anschaffungsund Herstellungskosten (vorsichtige Schätzung des Gegenwerts materieller Potenziale), aber: Fortführungswerte (Going-Concern-Prinzip)! Stille Reserven (netto stille Lasten) Substanzwert des Eigenkapitals (bilanzielles Eigenkapital plus Verwertungsanspruch an den stillen Reserven (netto))./. = Fremdkapital = priorisierter Verwertungsanspruch an Gegenwert auf der Aktivseite der Bilanz + oder./. Goodwill (in Abhängigkeit von der Aufdeckung stiller Reserven bei Erwerbsvorgängen) Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 21 Regulatorischer Eigenkapitalbegriff Aufsichtsrechtlich definiertes Haftkapital regulatorisches Eigenkapital. Bestandteil 1: Kapitalien, die auch der bilanziellen Abgrenzung entsprechen (z.b. eingezahltes Grundkapital) und deshalb als Kernkapitalien bezeichnet werden ( Tier 1-Capital ). Bestandteil 2: Auffangpotentiale, die (bilanz-)rechtlich FK (z.b. nachrangige Verbindlichkeiten) oder nur Ansprüche ausdrücken (z.b. fallweise Ansprüche gegen Gesellschafter wie genossenschaftliche Haftsummenzuschläge) und aufgrund ihrer naturgemäß eingeschränkten Haftungswirkung Ergänzungskapital (Tier 2) oder (zeitweise) Drittrangmittel (Tier 3-Capital) heißen. Bedeutung im Rahmen staatlicher Finanzaufsicht über Finanzintermediäre. Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 22
12 Risikokapitalbegriff Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 23 Festlegung des Risikokapitals I Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 24
13 Festlegung des Risikokapitals II (Fundamentale) Unsicherheit weitere Sicherheitspuffer für Worst-Case-/ Stress-Szenarien nötig Bestimmung des Risikokapitals und Abstimmung mit (handels-)bilanz- und aufsichtsrechtlich akzeptierten Größen schwierig. Instrument: Einen möglichen Quantifizierungsmaßstab der zudem theoretisch die substantielle Frage der Portfolio-Effekte in den Risiken lösen kann behandelt das nächste Kapitel: Value-at-Risk(VaR)-Modelle. Organisation: Die Risikokapitalmessung muss in eine abgestimmte Aufbauund Prozessorganisation des Risikomanagements integriert sein. Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 25 Ökonomische Analyse der Risikoposition I 1 2 Risikoanalyse : Risikoidentifikation und -deskription (Welche Risikoart? Worin besteht das spezifische Risiko?) Risikoklassifizierung (Lassen sich relativ homogene Risikogruppen abgrenzen?) Risikomessung und -bewertung (Festlegung der Quantifizierungsmethodik, Beurteilung des Risikopotenzials) Risikokontrolle : Reporting Risikoüberwachung und ggf. (institutionalisiertes) Einleiten von Analyse- und dann (Gegen-)Steuerungsmaßnahmen 4 Risikosteuerung : Strategien zum Umgang mit dem quantif. Risiko: (1) Vermeidung (2) Reduzierung (Limits, Besicherung) (3) Teilung (Überwälzung) (4) Abgeltung (Risikoprämien) (5) Kompensation (Hedge, Versicherung, Vorsorge) (6) Diversifikation Risikotragfähigkeitskalkül Ermittlung von potenziellen (Maximal-)Belastungen Risiko-Rentabilitäts-Kalkül Positionsbestimmung des Managements in diesem Trade-off, bewusste (Rest-)Risikonahme 3 Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 26
14 Ökonomische Analyse der Risikoposition II Risikotragfähigkeitskalkül Risikochancenkalkül Risikoschutz Risiko?! Chance-Risiko- Position Risikotragfähigkeitskalkül Risk-Return-Performance Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 27 Ökonomische Analyse des Risikomanagements Kosten (sachgerecht wohl als Barwert definiert) Gesamtkosten Kosten für Risikomanagementmaßnahmen Kosten durch Risikoeintritte Optimaler Sicherheitsgrad ( Zielzone ) Gewählter Sicherheitsgrad (durch subj. Wahrscheinlichkeiten der Entscheider bestimmt) Orientiert an: Schierenbeck/Lister (2002), (2001), S Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 28
15 Ergänzende Literaturhinweise Grundsätzlich zum Risikoverständnis: Knight (1921): Risk, Uncertainty, and Profit, Boston. Schneider (2011): Betriebswirtschaftslehre als Einzelwirtschaftstheorie der Institutionen, Wiesbaden, S Einführungen ins Risikomanagement: Oehler/Unser (2002): Finanzwirtschaftliches Risikomanagement, 2. Aufl., Berlin u.a., S Schierenbeck/Lister/Kirmße (2008): Ertragsorientiertes Bankmanagement Bd. 2: Risiko- Controlling und integrierte Rendite-/Risikosteuerung, 9. Aufl., Wiesbaden, S Schierenbeck/Lister (2002): Value Controlling Grundlagen wertorientierter Unternehmensführung, 2. Aufl., München u.a., S Vertiefung der Zusammenhänge von Risiko- und Wertmanagement: Frenkel/Hommel/Rudolf (eds., 2005): Risk Management Challenge and Opportunity, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg, S Risikomanagement (I&F III) Kapitel II Folie 29
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