Sozialplangestaltung. Olaf Klein: Sozialplangestaltung. Olaf Klein Direktor des Arbeitsgerichts Krefeld
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- Ute Schumacher
- vor 8 Jahren
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1 Olaf Klein Direktor des Arbeitsgerichts Krefeld Sozialplangestaltung
2 Inhalt und Zweck von Sozialplänen 112 I 2 BetrVG: Der Sozialplan regelt den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung entstehen.
3 Inhalt und Zweck von Sozialplänen Zweck Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion Zukunftsbezogen Kein zusätzliches Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Dienste ( Entschädigungsfunktion ) Weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien BAG, Urteil vom AZR 198/08 BAG, Urteil vom AZR 475/07
4 Inhalt und Zweck von Sozialplänen Beurteilungsspielraum Tatsächliche Einschätzung, welche wirtschaftlichen Folgen die Betriebsänderung für die Arbeitnehmer haben wird Zukunftsprognose erforderlich; Pauschalierende und typisierende Betrachtung zulässig Gleichbehandlungsgebot und Diskriminierungsverbot unbeachtlich, da tatsächliche Beurteilung und nicht normative Gestaltung BAG, Urteil vom AZR 475/07
5 Inhalt und Zweck von Sozialplänen Gestaltungsspielraum Festlegung, ob, in welchem Umfang und wie die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer abzumildern und auszugleichen sind Weiter Ermessensspielraum - nicht alle Nachteile müssen ausgeglichen werden - typisierende Gestaltungen sind zulässig Betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz und Diskriminierungsverbote sind allerdings zu beachten BAG, Urteil vom AZR 475/07
6 Inhalt und Zweck von Sozialplänen Was ist zu regeln? Geltungsbereich - Zeitlich: -> Zeitraum der Betriebsänderung -> Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit - Räumlich: -> Betroffener Betrieb oder Betriebsteil - Persönlich: -> Bestimmung des von der Betriebsänderung betroffenen Personenkreises -> Ausschluss leitender Angestellter -> Ausschluss personen- u. verhaltensbedingt ausscheidender Arbeitnehmer -> Eigenkündigungen und Aufhebungsverträge? Ausschluss nur zulässig, soweit sie nicht durch die Betriebsänderung veranlasst sind (Stichtagsregelung sinnvoll!) -> Ausschluss befristet beschäftigter Arbeitnehmer?
7 Inhalt und Zweck von Sozialplänen Was kann geregelt werden? Abfindungen bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen - Abfindungsformel(n) - Definition von Alter, Betriebszugehörigkeit, Bruttomonatsverdienst - Stichtagsregelung - Erhöhungsbeträge für Kinder, (Schwer-)Behinderung - Kappungsgrenzen - Fälligkeit und Zeitpunkt des Entstehens sowie Vererbbarkeit (insbesondere: Fälligkeit bei Kündigungsschutzprozess?) - Anrechenbarkeit von anderweitig vereinbarten Abfindungen und Nachteilsausgleichsansprüchen? Einrichtung eines Härtefonds und Dotierung
8 Inhalt und Zweck von Sozialplänen Was kann geregelt werden? Leistungen bei Versetzungen - Verdienstsicherungsklausel (Umfang, Befristung?) - Fahrtkostenerstattung (Umfang, Befristung?) - Erstattung oder Beteiligung an Makler- und Umzugskosten - Ausgleich höherer Mietkosten - Ortszuschlag für höhere Lebenshaltungskosten - Zusatzleistungen bei Familien - Rückkehroption?
9 Inhalt und Zweck von Sozialplänen Was kann geregelt werden? Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft - Besondere Outplacementregelungen Regelung zum vorzeitigen Ausscheiden -> Sprinterregelung - einseitiges vorzeitiges Beendigungsrecht des Arbeitnehmers - Abfindungserhöhung? / Ausschluss der Abfindungskürzung Zwischenzeugnisregelung Bezahlte Freistellung zu Vorstellungs-/ Bewerbungsgesprächen Regelung zu Dienstjubiläen und Prämien-/Bonusregelungen - Wie wirkt sich das vorzeitige Ausscheiden auf das Erreichen von Stichtagen oder bei Zielvereinbarungen aus?
10 Inhalt und Zweck von Sozialplänen Der Sozialplan hat nach 112 I 3 BetrVG die Wirkung einer Betriebsvereinbarung Normative und zwingende Wirkung Keine Tarifsperre ( 112 I 4 BetrVG) Erzwingbarkeit über die Einigungsstelle (Verteilung und auch Volumen)
11 Verhandlungsspielräume und Strategien 112 V BetrVG Abzuwägen sind die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer (= Sozialplanbedarf) & die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen (= Sozialplanvolumengrenze)
12 Verhandlungsspielräume und Strategien Wie hoch kann das Sozialplanvolumen festgesetzt werden? Sozialplanmindernde Faktoren: - Verbindlichkeiten - Negative wirtschaftliche Lage - Überschuldung / Fehlen liquider Mittel Sozialplanerhöhende Faktoren: - Personalkosteneinsparungen durch die Betriebsänderung - vorhandenes Grundvermögen - Unternehmensbeteiligungen - Gewinne, Dividenden und Gewinnausschüttungen - Berechnungsdurchgriff im Konzern? (insbesondere bei Beherrschungs-/Gewinnabführungsvertrag)
13 Verhandlungsspielräume und Strategien Wie hoch kann das Sozialplanvolumen festgesetzt werden? BAG, Beschluss vom ABR 11/02 1. Für die gerichtliche Überprüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines durch Spruch der Einigungsstelle aufgestellten Sozialplans kommt es auf die objektiven Umstände an, wie sie im Aufstellungszeitpunkt tatsächlich vorlagen. Ob diese Umstände der Einigungsstelle bekannt waren oder bekannt sein konnten, ist für die Beurteilung ohne Bedeutung. 2. Der Umfang der nach 112 Abs 5 Satz 1 BetrVG zulässigen Belastung des Unternehmens richtet sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls. Der in 112 Abs 5 Satz 2 Nr 3 BetrVG enthaltenen Grenzziehung ist zu entnehmen, dass das Gesetz bei einem wirtschaftlich wenig leistungsstarken Unternehmen im Falle der Entlassung eines großen Teils der Belegschaft auch einschneidende Belastungen bis an den Rand der Bestandsgefährdung für vertretbar ansieht.
14 Verhandlungsspielräume und Strategien Wie hoch kann das Sozialplanvolumen festgesetzt werden? Fortsetzung BAG, Beschluss vom ABR 11/02 Es sind umso größere Belastungen für das Unternehmen vertretbar, je härter die Betriebsänderung die Arbeitnehmer trifft. Schon früher hat das Bundesarbeitsgericht Aufwendungen für einen Sozialplan jedenfalls in Höhe des Einspareffekts eines Jahres für vertretbar gehalten (BAG, Beschluss vom ABR 9/86). Eine absolute Höchstgrenze ist damit nicht festgelegt. Vielmehr kann die Einigungsstelle bei Betriebsänderungen, die auf langfristige Wirkungen angelegt sind, auch einen auf einen längeren Zeitraum bezogenen Aufzehreffekt in Kauf nehmen, ohne dass aus diesem Grunde ihr Ermessensspielraum überschritten wäre. Entspricht das Sozialplanvolumen der durch die Betriebsänderung erwarteten Kostenersparnis von zwei Jahren und ist zu erwarten, dass diese Kostenersparnis sich langfristig fortsetzen wird, ist die Festlegung des Sozialplanvolumens auch wirtschaftlich vertretbar. Ein Sozialplanvolumen ist in der Höhe vertretbar, wie eine Investitionsrechnung die Durchführung der Betriebsänderung als günstiger oder zumindest als gleichgünstig wie den Verzicht auf sie ausweist. Ein Amortisationseffekt, der erst nach zwei Jahren bei gleichzeitig steigender Ertragslage des Unternehmens eintritt, erscheint dabei wirtschaftlich nicht unvertretbar.
15 Verhandlungsspielräume und Strategien Verhandlungsstrategien Zeitkomponente nutzen: - Versuch der Verbindung von Interessenausgleich und Sozialplan Informationsrechte nutzen: - Entscheidend ist die Erlangung von Informationsparität - Nutzung aller Informationsquellen (u.a. Wirtschaftsausschuss) - Einschaltung von internen und externen Sachverständigen und Beratern Koppelungsgeschäfte - Sprinter-/Turboprämienregelungen gegen erhöhtes Sozialplanvolumen (BAG, Urteil vom AZR 254/04) - Interessenausgleich mit Namensliste ( 1 V KSchG) gegen deutlich erhöhtes Sozialplanvolumen
16 Gleichbehandlungsanspruch und AGG BAG, Urteil vom AZR 475/07 Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz des 75 I BetrVG zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Daher müssen sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an den wirtschaftlichen Nachteilen orientieren, deren Abmilderung oder Ausgleich die Sozialplanleistungen zu dienen bestimmt sind. Diskriminierungsverbote verbieten grundsätzlich Differenzierungen, die an bestimmte Merkmale - wie etwa Geschlecht, Behinderung, Alter - anknüpfen ( 7, 1 AGG). Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person - gerade - wegen des betreffenden Merkmals eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt ( 3 I AGG). Um eine mittelbare Benachteiligung handelt es sich, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen bestimmter Merkmale gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziel angemessen und erforderlich ( 3 II AGG).
17 Gleichbehandlungsanspruch und AGG Sonderrechtfertigungstatbestand für altersdiskriminierende Regelungen in Sozialplänen 10 AGG Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters Ungeachtet des 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen: 6. Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des BetrVG, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.
18 Gleichbehandlungsanspruch und AGG Welche Abfindungsformeln sind danach noch zulässig? BMG x Betriebszugehörigkeit x Faktor - Es sollte dabei allerdings das Lebensalter weiterhin berücksichtigt werden, denn entscheidend ist die Beurteilung der Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt und diese sind regelmäßig auch vom Lebensalter abhängig. - Dabei keine lineare Berücksichtigung des Lebensalters, sondern in Altersgruppen, die sich an den Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt orientieren (z.b.: bis 40 Jahre, 40-50, 50-59, >59) - Ggfs Einholung von entsprechenden Auskünften durch die Bundesagentur für Arbeit empfehlenswert Punkteregelungen entsprechend
19 Aktuelle Rechtsprechung BAG, Urteil vom AZR 475/07 Die Betriebsparteien können in Sozialplänen für Arbeitnehmer, die im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf vorzeitige Altersrente haben, geringere Abfindungen vorsehen.
20 Aktuelle Rechtsprechung BAG, Urteil vom AZR 198/08 1. Sozialpläne dürfen eine nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen. Sie dürfen für rentenberechtigte Arbeitnehmer Sozialplanleistungen reduzieren oder ganz ausschließen. Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist durch 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt. 2. Die Betriebsparteien sind nicht verpflichtet, sich innerhalb eines Sozialplans auf eine Berechnungsformel zu beschränken. Vielmehr gehört es zu ihrem Gestaltungsspielraum, verschiedene Formeln zu kombinieren (vorliegend ist Sachgrund für die unterschiedlichen Regelungen, dass sich bei rentennahen Jahrgängen die zu besorgenden wirtschaftlichen Nachteile typischerweise konkreter einschätzen lassen als bei rentenfernen).
21 Aktuelle Rechtsprechung BAG, Urteil vom AZR 566/08 1. Die Betriebsparteien können eine Höchstgrenze für eine Sozialplanabfindung vorsehen. Eine solche Kappungsgrenze behandelt alle davon betroffenen Arbeitnehmer gleich. Diese Gruppenbildung ist mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar. 2. Berechnet sich die Abfindung nach der Dauer der Beschäftigungszeit und dem Verdienst, können die Betriebsparteien eine daraus resultierende überproportionale Begünstigung von Beschäftigten mit langjähriger Betriebszugehörigkeit durch eine Höchstbegrenzung zurückführen, um allen betroffenen Arbeitnehmern eine mit dem Zweck einer Sozialplanabfindung in Einklang stehende verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen zukommen zu lassen.
22 Aktuelle Rechtsprechung ArbG Düsseldorf, Urteil vom Ca 5101/08 1. Schließt ein Sozialplan Arbeitnehmer, die eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen, vollständig aus dem Geltungsbereich aus, liegt darin eine verdeckt unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung. 2. Die unmittelbare Benachteiligung kann nur nach 8 AGG gerechtfertigt werden. Die dort geregelte Voraussetzung der wesentlichen und entscheidenden berufliche Anforderung ist offensichtlich bei dem Ausschlusstatbestand nicht gegeben. 3. Selbst bei unterstellter lediglich mittelbarer Benachteiligung wegen der Behinderung ist der vollständige Ausschluss der Erwerbsminderungsrentner weder angemessen noch erforderlich und damit unwirksam, wenn sie damit unter anderem auch von Regelungen über die Gleichwohlgewährung von Jubiläumsgeldern ausgeschlossen werden. 4. Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot ist der Wegfall der diskriminierenden Sozialplanregelung ( 7 II AGG). Bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen steht dem klagenden Arbeitnehmer dann die volle Sozialplanabfindung zu.
23 Aktuelle Rechtsprechung BAG, Urteil vom AZR 1004/06 1. Bei Stichtagsregelungen in Sozialplänen ist der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. 2. An Stichtage anknüpfende Differenzierungen bei Grund und Höhe von Abfindungsansprüchen müssen nach dem Zweck des Sozialplans sachlich gerechtfertigt sein. Dieser besteht in dem Ausgleich oder der Milderung der den Arbeitnehmern durch eine Betriebsänderung drohenden wirtschaftlichen Nachteile. [hier: Unwirksamkeit einer Stichtagsregelung, die Abfindungen bei Eigenkündigungen vor dem Tag der Unterzeichnung des Sozialplans ausschloss, obwohl schon vor diesem Datum mit der Umsetzung der Betriebsänderung begonnen und u.a. der Klägerin betriebsbedingt gekündigt worden war]
I n ha l ts v er z ei ch ni s
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