Öffentliche Anhörung. zum Thema. Kernfusionsforschung in Mecklenburg-Vorpommern. am 27. März 2013

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1 Lehrstuhl für Energiewirtschaft und Anwendungstechnik Ordinarius Prof. Dr.-Ing. U. Wagner Prof. Dr. rer. nat. Thomas Hamacher (komm.) Technische Universität München Öffentliche Anhörung zum Thema Kernfusionsforschung in Mecklenburg-Vorpommern am 27. März 2013 Anstelle einer Beantwortung der Fragen im Einzelnen werde ich versuchen, einen allgemeinen Überblick über die Fusion und die Fusionsforschung zu geben, um damit die teilweise überlappenden Fragen zu beantworten. Energie für eine wachsende und wohlhabende Weltbevölkerung Güter-, Finanz- und Informationsflüsse überspannen heute den ganzen Globus. Daneben werden die Menschen immer mobiler, Auslandsaufenthalte sind z. B. für Studenten heute eher die Regel als die Ausnahme. Ein Teil meiner Arbeitsgruppe um nur ein Beispiel zu nennen sitzt heute in Singapur. Deutschland hat von dieser Internationalisierung der Märkte erheblich profitiert. Nur wenn es zur Energiediskussion kommt, verfallen Städte, Gemeinden, Regionen und ganze Bundesländer, die oft Mittelständler beherbergen, die heute schon einen beachtlichen Marktanteil auf dem chinesischen Markt halten, in eine biedermeiersche Provinzialität, die an Naivität kaum zu überbieten ist. An allen Regeln des europäischen Marktes der Grundlage unseres Wohlstandes in Deutschland ist vorbei, werden Inseln der Energieversorgung erträumt, die weder technisch noch wirtschaftlich und sicher auch nicht ökologisch optimal sind. Diese polemische Vorbemerkung soll nur dazu dienen, klar zu machen, dass wir uns von einer lokalen, auch einer rein deutschen, Betrachtung des Problems lösen müssen, wenn wir insbesondere die Ausrichtung der Energieforschung bewerten wollen.

2 - 2 - Die Treiber des zukünftigen Energieverbrauches werden oft mit den Schlagworten Wirtschaftswachstum und Bevölkerungswachstum umschrieben. Beide Entwicklungen haben in der Vergangenheit zu einem Anstieg des Energieverbrauches geführt. Ob es in Zukunft eine Entkopplung von Wirtschaftsleistung und Energieverbrauch geben wird, können wir heute nicht sicher prognostizieren; im Bereich des Stromverbrauches als einem Sonderfall sehen wir aber bis heute eine starke Korrelation. Neben diesen abstrakten Begriffen muss aber auch der Begriff des Lebensstils als wesentlicher Treiber des Verbrauchs Erwähnung finden. In den Schwellenländern hat sich dieser Lebensstil sehr schnell an westliche Gebräuche angepasst, z. B. in Bezug auf Autowunsch, Fleischkonsum und Urlaubsgewohnheiten. Selbst der Kakaokonsum hat in China deutlich zugenommen. Die erwartete deutliche Steigerung der Energienachfrage wird einen erheblichen Druck auf die Energiemärkte ausüben. Die hohen Ölpreise sind ein beredtes Zeugnis davon. Dabei sind insbesondere die Kohlevorkommen noch lange nicht erschöpft und bieten insbesondere bei hohen Energiepreisen eine langfristige Alternative insbesondere zur Stromerzeugung. Daneben werden in letzter Zeit zunehmend auch nicht konventionelle Erdgas- und Erdöl-Lagerstätten erfolgreich abgebaut. Die Bedeutung dieser Entwicklung lässt sich zurzeit nur erahnen. Sie ist aber eine Folge des Nachfragedruckes. In den USA hat diese Entwicklung zumindest in den letzten Jahren zu einer erheblichen Reduktion des Gaspreises geführt. Auf alle Fälle führen eine Ausweitung der Kohlenutzung und eine Ausbeutung nichtkonventioneller fossiler Ressourcen zu einem erheblichen Anstieg der Treibhausgasemissionen. Trotzdem wird es mit großer Wahrscheinlichkeit langfristig zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen kommen müssen. Dabei werden dann auch in der zweiten Hälft des 21. Jahrhunderts neue Technologien zur Ablösung fossiler Alternativen benötigt. Hier kann die Fusion eine wichtige Rolle spielen. Die erhebliche Verstädterung in weiten Teilen der Welt verlangt nach zentralen Kraftwerken, die Strom für die zahlreichen Millionenstädte bereit stellen können. Die Erfahrungen in Singapur zeigen, dass in einer südlichen Metropole trotz höherer Sonneneinstrahlung als in Deutschland erneuerbare Energien nur mit großen Problemen den gesamten Strom- und schon gar nicht

3 - 3 - den Energiebedarf bereit stellen können. Hier werden zentrale Fusionskraftwerke eine willkommene Alternative zu den heute vorherrschenden Kohle- und Gaskraftwerken darstellen. Daneben werden wir neue Alternativen im Verkehr finden müssen. Wasserstoffflugzeuge oder Brennstoffzellenfahrzeuge, Elektroautos oder auch transkontinentale Gütertransporte mit der Bahn werden letztlich eine erhöhte Stromnachfrage verursachen. Selbst die Ammoniak-Produktion wird langfristig mit einem deutlichen Anstieg der Stromnachfrage verbunden sein, da Wasserstoff dann nicht mehr aus Erdgas sondern über Elektroylse bereit gestellt werden muss. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Zukunft noch einmal mit einer deutlichen Steigerung des Energie-, aber insbesondere Strombedarfs zu rechnen ist. Fossile Energieträger werden dabei auch in den nächsten vierzig bis fünfzig Jahren eine bedeutende Rolle spielen. Die Bedeutung der Fusion für die zukünftige Energieversorgung Eine wesentliche Verbreitung von Fusionskraftwerken wird erst in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts erwartet. Der Zweiklang ITER und dann DEMO, begleitet von einer intensiven Materialforschung, lassen eine wesentlich schnellere Entwicklung als nicht sehr realistisch erscheinen. Wie sieht die Energiewirtschaft, aber insbesondere die Stromwirtschaft, im Jahr 2050 aus, welche Kraftwerksportfolios, welche Marktstrukturen wird die Fusion dann vorfinden und wie kann sie sich in einem solchen Umfeld behaupten bzw. welche Rolle wird sie darin spielen können? Die Entwicklung der nächsten vierzig Jahre wird nicht in allen Weltteilen gleich laufen. Hier gibt es sehr verschiedene Erwartungen und Prognosen. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt bis zu diesem Zeitpunkt die CO 2 -Emissionen um 80 % bezogen auf 1990 zu reduzieren und erwartet insbesondere im Stromsektor einen ähnlichen Beitrag von erneuerbaren Energien. Da die Potentiale von Biomasse und Wasser als beschränkt gelten, müssen insbesondere Wind und PV, eventuell Geothermie, den Hauptbeitrag leisten. Hier wird oft argumentiert, dass eine sol-

4 - 4 - che Entwicklung der Einführung von Fusion auf alle Fälle entgegenstünde. Dies muss aber nicht der Fall sein und wird entschieden davon abhängen, wie letztlich die technische Ausgestaltung des Systems aussehen wird. In einer gerade veröffentlichen Studie wurde Fusion als Bauteil in einer erneuerbaren Stromzukunft untersucht. Wesentliche Komponente zur Integration des erneuerbaren Stromes war dabei ein starkes europäisches Stromnetz. In den Optimierungsrechnungen zeigt sich, dass Fusion sehr wohl, selbst bei sehr hohen Investitionskosten, von der Optimierung neben die erneuerbaren Energien gestellt wurde und dabei den restlichen Gasverbrauch noch stärker reduzieren konnte. Die Aufgabe dieser wie auch anderer Studien ist es nicht die Zukunft vorherzusagen, sondern Möglichkeiten aufzuzeigen. Dabei zeigt sich, dass einfach konstruierte Gegensätze aufgelöst werden können. Außerhalb Deutschlands und insbesondere außerhalb Europas wird eine andere Entwicklung erwartet. Konventionelle Energieträger, insbesondere Kohle, Gas, aber auch Kernenergie, werden hier eine bedeutende Rolle spielen. Kohle hat in den letzten zehn Jahren wieder einen größeren Anteil an der Primärenergie zurück gewonnen und dieser Trend ist sicher noch nicht gebrochen. Die erwarteten Lebensdauern der Kraftwerke sind mit dreißig bis vierzig Jahren so lang, dass Fusion hier durchaus als langfristiger Ersatz in Frage kommt. Wie werden die Kosten der Fusion sein? Diese Frage lässt sich nur mit erheblichen Unsicherheiten beantworten. Fusionskraftwerke werden komplexe Kraftwerke. Als Leistungsgröße wird etwa 1 GWe erwartet. Damit sind Fusionskraftwerke mit konventionellen Kraftwerken zu vergleichen. Bei der Kostenentwicklung spielt vorab die Möglichkeit der Massenproduktion eine Rolle. Weltweit werden die großen Kraftwerkshersteller vielleicht ein oder zwei Fusionskraftwerkstypen anbieten, die in Korea genau so aussehen wie in den USA und genauso in Polen. Und wird es noch deutliche Fortschritte bei einigen der Schlüsseltechnologien geben? Werden die Spulen aus Hochtemperatursupraleitern hergestellt? Dies könnte eine erhebliche Reduktion der Kosten bedeuten. Die Fusion hat das Potential ein Eckstein in einer zukünftigen Energie- und Stromversorgung zu werden. Fusion und erneuerbare Energien können dabei in innovativen Zukunftskonzepten gemeinsam den Weg in eine nachhaltige Energiezukunft bahnen.

5 - 5 - Die Sicherheits- und Umwelteigenschaften der Fusion Die Sicherheits- und Umwelteigenschaften der Fusion werden heute zum Teil auf Basis rein physikalischer Betrachtungen und zum Teil aus Modellbetrachtungen gewonnen. Die Ergebnisse dieser Betrachtungen sind in zahlreichen Veröffentlichungen niedergelegt, die insbesondere in Europa, Japan und den USA erstellt wurden. Ohne die Details dieser Studien hier zu wiederholen, soll auf zwei wesentliche Eigenschaften der Fusion eingegangen werden: 1) Die Leistungsdichte von Fusionskraftwerken ist mit etwa 1 MW/m³ niedrig. Wegen dieser niedrigen Leistungsdichte kann selbst ein vollkommener Ausfall der Kühlung beherrscht werden, da es schon bei einer Temperatur, die deutlich unterhalb der Schmelztemperatur der Strukturmaterialen liegt, zu einer vollständigen Abgabe der erzeugten Wärme an die Umgebung kommt. 2) Menge und Qualität des radioaktiven Abfalls hängen nicht von der Fusionsreaktion an sich ab, sondern von den Eigenschaften der Strukturmaterialien, die durch die intensive Bestrahlung mit den hochenergetischen Neutronen aktiviert werden. Durch die geeignete Wahl dieser Materialien kann insbesondere die Lebensdauer der Radiotoxizität auf Größenordnungen beschränkt werden, die eine technisch sichere Aufbewahrung ohne Zweifel gewährleistet bzw. es wird möglich sein, viele der Strukturmaterialien in neuen Kraftwerken wieder zu verwenden. Weitere Ausrichtung der Energieforschung und die Bedeutung von Wendelstein 7 X in der Fusionsforschung Energieforschung soll Methoden und Techniken für Deutschland, aber auch den Weltmarkt, bereit stellen. Dabei sollen die besonderen Stärken der deutschen Industrie beachtet und gestärkt werden. Energieforschung muss versuchen die politischen Vorgaben zu erfüllen sprich, die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien effektiv zu unterstützen. Sie muss aber auch weltweite Trends beachten und sich auf Herausforderungen und Risiken einstellen, die heute

6 - 6 - nicht wirklich abgeschätzt werden können. Diversifikation ist eine wesentliche Methode zur Reduktion von Risiken. Die Investition in die Fusionsforschung ist dabei ein wichtiger Bestandteil einer solchen Strategie für Deutschland und Europa. Die Fusion kommt dabei als wirkliches High-Tech-Produkt den Stärken der deutschen Industrie entgegen, die hervorragende Ingenieurkunst mit gut ausgebildeten Facharbeitern verbindet. Solarzellen sind eben kein Hightech-Produkt, bei dem Bosch mit seiner Ingenieurskunst auftrumpfen kann (FAZ, ). Wendelstein ist das Ergebnis wissenschaftlicher Weitsicht und institutioneller Freiheit, wie sie bis heute in Einrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft gepflegt werden. Wenige herausragende Wissenschaftler haben das erhebliche Potential des Stellerators verglichen mit der Tokamak geahnt und verstanden, durch kontinuierliche Forschung dieses Potential auch sichtbar zu machen. Die Entwicklung in der Informationstechnik hat dann diese Entwicklung beschleunigt und die Entwicklung und Konstruktion des Wendelstein 7 X letztlich erst möglich gemacht. Die inhärenten Vorteile des Stellarators als Anlage, die kontinuierlich betrieben werden kann, liegen auf der Hand. Die zusätzliche Komplexität durch die notwendige Geometrie ist im Zeitalter der Industrie 4.0 sicher nur kurzfristig ein wirklicher Nachteil. Die erheblichen Anstrengungen der Industrie, Individualität und Massenproduktion zu verbinden, kommen dem Stellerator zugute.