Strassenverkehrsrechts-Tagung Juni 2014
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- Kasimir Acker
- vor 8 Jahren
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1 Strassenverkehrsrechts-Tagung Juni 2014, Advokatin, Lenz Caemmerer, Lehrbeauftragte für Privatversicherungsrecht an der Universität Bern
2 Sachverhalt Der Versicherungsnehmer einer kollektiven Krankentaggeldversicherung beantragte zwei Monate nach Vertragsschluss die Ausrichtung von Krankentaggeldern wegen vollständiger krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Der Versicherer richtete zunächst Leistungen aus. Nachdem weitere Abklärungen das Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung bestätigt hatten, kündigte der Versicherer den Vertrag und stellte die Versicherungsleistungen ein. 2
3 Wissenszurechnung Überträgt der Versicherer die Abklärung seiner Leistungspflicht einem Dritten, so ist ihm dessen Wissen anzurechnen. Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen der Versicherung und dem Vertrauensarzt. Keine alternative Berufung auf Art. 23 ff. OR Ist der Tatbestand von Art. 6 VVG erfüllt, ist dem Versicherer die Berufung auf die allgemeinen Regeln der Art. 23 ff. OR (Irrtum bzw. Täuschung) abgeschnitten. 3
4 Sachverhalt Ein selbstständiger Architekt war für Kranken-Lohnausfall taggeldversichert. Als er die Prämie nicht bezahlte, wurde er vom Versicherer aufgefordert, innert 14 Tagen seit Absendung der Mahnung die offene Prämienrechnung inklusive Mahnspesen zu begleichen, andernfalls Verzugsfolgen einträten. Erst ein knappes dreiviertel Jahr später hat der Architekt die Prämie bezahlt. Am selben Tag hat er sich in eine stationäre psychiatrische Behandlung begeben. Wenige Tage darauf machte er beim Versicherer auf der Basis der seit einem halben Jahr krankheitsbedingt bestehenden Arbeitsunfähigkeit Taggeldleistungen im Umfang von 70 % geltend. Der Versicherer verweigerte die Leistung unter Berufung auf einen bis zur Prämienzahlung bestehenden Deckungsunterbruch. 4
5 Neuabschluss des Versicherungsvertrages Vorbehaltlose Entgegennahme der Prämie nach Ablauf der Frist von Art. 21 Abs. 1 VVG führt zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages auf der Basis der bisherigen Versicherungsbedingungen. Verbot der Rückwärtsversicherung gemäss Art. 9 VVG Keine Deckung für vor Vertragsschluss eingetretene Erkrankung: keine Taggeldleistungen (auch nicht pro futuro). 5
6 Sachverhalt Ein Zahnarzt hatte eine Taggeld-Kollektivversicherung abgeschlossen. Der Vertrag enthielt folgende Klausel: "In Abänderung von AVB Artikel D4 reduzieren sich die versicherten Leistungen infolge psychischer Erkrankungen und deren Folgen nach 180 Tagen auf die Hälfte des versicherten Taggeldes." Ein paar Jahre später wurde der Versicherungsnehmer aufgrund einer mittel- bis schwergradigen Depression arbeitsunfähig. Es kam zur Auseinandersetzung über die Gültigkeit der beschriebenen Klausel. 6
7 Keine Branchenkundigkeit Ärzte und Zahnärzte haben sich beruflich nur mit der Frage zu befassen, welche medizinischen Leistungen durch Krankenversicherungen gedeckt sind. Sie gelten daher hinsichtlich von Krankenversicherungen nicht grundsätzlich als geschäftserfahren bzw. branchenkundig. Keine Branchenüblichkeit Eine hälftige Leistungsverminderung bei psychischen Krankheiten ist bei Krankentaggeldversicherungen nicht verbreitet und damit auch nicht branchenüblich. Verstoss gegen berechtigte Deckungserwartungen Eine derartige Reduktion verstösst gegen die berechtigten Deckungserwartungen, bei allen Krankheiten, seien diese körperlicher oder psychischer Natur, den Verdienstausfall auf gleiche Weise ersetzt zu erhalten. 7
8 Sachverhalt Die Versicherte war über ihre Arbeitgeberin in einem Kollektivvertrag nach VVG krankentaggeldversichert. Ungefähr ein Jahr nach Antritt der Arbeitsstelle erfolgte die Krankschreibung der Versicherten. Nach Ablauf der Wartefrist erbrachte der Versicherer während rund eines Jahres die vertraglich vereinbarten Krankentaggeldleistungen. Nachdem das Arbeitsverhältnis aufgelöst worden war, stellte der Versicherer die Leistungen ein. 8
9 Arbeitslosigkeit nach Krankheitseintritt Verliert die versicherte Person ihre Arbeitsstelle durch Kündigung zu einem Zeitpunkt, wo sie bereits aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig ist, wird vermutet, dass sie - wie vor Krankheitsbeginn - erwerbstätig wäre, wenn sie nicht erkrankt wäre. Die Leistung von Krankentaggeldern kann nur verweigert werden, wenn konkrete Indizien gegeben sind, dass die versicherte Person, auch wenn sie nicht erkrankt wäre, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen würde. 9
10 Arbeitslosigkeit vor Krankheitseintritt Ist die versicherte Person erkrankt, nachdem sie bereits arbeitslos geworden ist, wird vermutet, dass sie auch keine Erwerbstätigkeit ausüben würde, wenn sie nicht erkrankt wäre. Diese Vermutung lässt sich durch den Nachweis entkräften, dass die versicherte Person ohne Erkrankung überwiegend wahrscheinlich eine konkrete Stelle angetreten hätte. 10
11 Sachverhalt Ein Arbeitnehmer war über einen Kollektiv-Krankenversicherungsvertrag der Arbeitgeberin krankentaggeldversichert. Wegen einer Beruhigungsmittelabhängigkeit sowie Depression des Versicherten erbrachte der Versicherer zunächst Leistungen basierend auf einer Arbeitsunfähigkeit von 100 %. In der Folge ergab ein medizinisches Gutachten, dass die Arbeitsfähigkeit lediglich zu 50 % eingeschränkt war und der Arbeitnehmer nach Absetzen der Beruhigungsmittel im Idealfall nach drei Wochen einer gut geführten antidepressiven Behandlung seine volle Arbeitsfähigkeit wiedererlangen könnte. Der Versicherer richtete ab sofort nur noch Taggeldleistungen von 50 % aus. Gleichzeitig kündigte er an, dass nach Ablauf von vier Wochen von einer Arbeitsfähigkeit von 100 % ausgegangen werde. In der Folge stellte der Versicherer die Taggeldzahlungen fristgemäss ein. 11
12 Übertragung der Rechtsprechung zum zumutbaren Berufswechsel auf Heilbehandlungen (Art. 61 VVG) Erwartet der Versicherer vom Anspruchsberechtigten einen schadenmindernden Berufswechsel, muss er eine angemessene Frist setzen, damit sich der Anspruchsberechtigte anpassen und eine neue Stelle finden kann. In analoger Anwendung der Rechtsprechung zum Berufswechsel hätte der Versicherer den Versicherten auffordern müssen, die empfohlenen Behandlungsmassnahmen innert einer angemessenen Frist umzusetzen, mit der Androhung, dass widrigenfalls bei Fristablauf von der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ausgegangen werde. 12
13 Sachverhalt Bei einem Sturz hatte sich der Versicherte eine Gehirnerschütterung sowie eine Ellenbogenkontusion zugezogen. In einem Kurzbericht führt das behandelnde Spital aus, dass hinsichtlich des Schädels ein bekannter, bereits medizinisch betreuter Altbefund vorliege. Einige Monate darauf löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Versicherten auf. Ein knappes Jahr später stellte die SUVA ihre Leistungen ein, weil keine anspruchsrelevante Invalidität vorlag. Rund zweieinhalb Jahre nach dem Unfall forderte der Versicherte vom Kollektiv-Krankentaggeldversicherer der ehemaligen Arbeitgeberin die Ausrichtung von Krankentaggeldern. 13
14 Praxisänderung: Keine Verjährung des Stammrechts Einzelne Ansprüche auf Taggeldleistungen verjähren fortlaufend. Aufgabe der bisherigen Praxis, wonach Taggeldleistungen zwei Jahre nach dem Beginn der Leistungspflicht gesamthaft verjähren. 14
15 Sachverhalt Rückwirkende Ausstellung der ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten für eine bereits abgelaufene Zeitdauer. Beginn der Verjährungsfrist von Art. 46 Abs. 1 VVG Die Verjährung beginnt im Zeitpunkt des Vorliegens der ärztlichen Bescheinigung. 15
16 Sachverhalt Der Versicherte hatte beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Klage gegen den Versicherer auf Bezahlung von Taggeldleistungen erhoben. Ein Schlichtungsverfahren war vor Klageeinreichung nicht durchgeführt worden. Schlichtungsverfahren nicht erforderlich Für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung, für welche die Kantone eine einzige kantonale Instanz nach Art. 7 ZPO bezeichnet haben, ist kein vorgängiges Schlichtungsverfahren durchzuführen. Die Klage kann direkt beim Gericht anhängig gemacht werden. 16
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