Kraftfeldmethoden von der Energieminimierung zur Moleküldynamik. Frank Cordes
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- Miriam Fiedler
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1 Kraftfeldmethoden von der Energieminimierung zur Moleküldynamik Frank Cordes Vorlesung Algorithmische Bioinformatik, WS 2004/ Januar 2005
2 Konformationsgenerierung: Levinthal Paradoxon Ein Protein mit 101 Residuen auf kubischem Gitter => 5 Möglichkeiten auf 100 Bindungen ergibt 5 10 Möglichkeiten bei Zustandstests pro Sekunde würde es Jahre dauern alle Möglichkeiten durchzuprobieren. Residue i Residue i+1 Es gibt auf einem kubischen Gitter 5 Möglichkeiten ein neues Residuum zu platzieren
3 Levinthal Paradoxon Proteinfaltungen laufen im Experiment im Milli bis Sekundenbereich ab. Ein Protein ist in dieser Zeit offensichtlich nicht in der Lage alle Faltungsmöglichkeiten auszuprobieren Lösung Der energetische Unterschied zwischen korrekten und falschen Faltungen führt dazu, dass gar nicht alle Möglichkeiten durchprobiert werden müssen.
4 Das ist klassische Moleküldynamik Kurze Zeitskala, niedrige Temperatur lange Zeitskala, hohe Temperatur Moleküle existieren in verschiedenen Formen
5 Typische Fragestellungen experimentelle Strukturanalyse: Informationszuwachs (Optimierung) Konformationsdynamik: Identifikation wesentlicher 3d-Strukturen, ihrer Lebensdauer sowie der Übergangsraten (Statistik & Dynamik) Faltung: beliebige Ausgangsstruktur Faltungszustand (Optimierung) Kinetik des Bindungsprozesses (Dynamik) Bindungsaffinität beim Docking (Energiedifferenz) Energieerwartungswerte (Statistik) qualitative Unterstützung der chemischen Intuition
6 Wo kommen solche Fragestellungen vor? Unterstützung von High Throughput Screening künstlicher Medikamentenentwurf Unterstützung experimenteller Strukturanalyse Bewertung von Reaktionswegen Strukturvorhersage von Komplexen Strukturvorhersage von Biomolekülen (virtuelles Screening) (drug design) (simulated annealing) (Katalysatoren) (docking) (Homology Modelling / Threading)
7 Was braucht man alles? 1. 3d Struktur des Moleküls 2. Physikalisches Modell für die Energiefunktion 3. Mathematisch/physikalisches Modell für die Dynamik 4. Die Randbedingungen 5. Numerisches Verfahren zur Simulation 6. Numerische Verfahren zur Analyse
8 3d Struktur des Moleküls z.b. PDB-Datenbank: The Protein Data Bank (PDB) is an archive of experimentally determined three-dimensional structures of biological macromolecules. The archives contain atomic coordinates, bibliographic citations, primary and secondary structure information, as well as crystallographic structure factors and NMR experimental data. Zitat von der homepage
9 3d Struktur des Moleküls z.b. pharmazeutische Wirkstoffbibliotheken: Millionen von Molekülen, die - syntetisierbar - erwerbbar - vorstellbar - patentierbar sind, liegen vorwiegend als Strukturformel (Topologie) vor: (Zimtsäure)
10 Was braucht man alles? 1. 3d Struktur des Moleküls 2. Physikalisches Modell für die Energiefunktion 3. Mathematisch/physikalisches Modell für die Dynamik 4. Die Randbedingungen 5. Numerisches Verfahren zur Simulation 6. Numerische Verfahren zur Analyse
11 Die Energiefunktion / Das Kraftfeld V (q) Atompositionen (Orte) y pro Atom (x,y,z) Position 3 x Anzahl Atome viele Positionen z x
12 Die Energiefunktion / Das Kraftfeld z.b. V (q) Rotation um Bindungen Wechselwirkungspotential (Kraftfeld) Frage: Warum beschreibt man die Wechselwirkung nicht quantenmechanisch? elektrostatische Kräfte Abstoßungskräfte Bindungsschwingung
13 Verbreitete Programmpakete und Kraftfelder Die Entwicklung brauchbarer Kraftfelder ist eine Wissenschaft für sich! AMBER; Assisted Model Building and Energy Refinement) CHARMM; Chemistry at HARvard Macromolecular Mechanics) GROMOS (GROningen MOlecular Simulation package) MMFF94, the Merck Molecular Force Field Tripos, the force field of the Sybyl molecular modeling program um nur einige Programmpakete/Kraftfelder zu nennen. Unterschiede: Modellierung von Wasserstoffbrückenbindungen, des Lösungsmittels, physikalische Terme, Anwendungsgebiete (Proteine, Nukleinsäuren, etc.)
14 Bestandteile des Kraftfelds P.J. Steinbach Introduction to Macromolecular Simulation source:
15 Bestandteile des Kraftfelds P.J. Steinbach Introduction to Macromolecular Simulation source: z.b.
16 Bestandteile des Kraftfelds P.J. Steinbach Introduction to Macromolecular Simulation source: z.b.
17 Bestandteile des Kraftfelds P.J. Steinbach Introduction to Macromolecular Simulation source: z.b.
18 Bestandteile des Kraftfelds P.J. Steinbach Introduction to Macromolecular Simulation source: z.b.
19 Bestandteile des Kraftfelds P.J. Steinbach Introduction to Macromolecular Simulation source: z.b. Wechselwirkung geladener Atome
20 Bestandteile des Kraftfelds P.J. Steinbach Introduction to Macromolecular Simulation source: z.b. Wechselwirkung aller Atome
21 Bestandteile des Kraftfelds II P.J. Steinbach Introduction to Macromolecular Simulation und so sieht s in Formeln gegossen mit R=(q,p) aus: [ ] < + = = + = j i ij j i ij ij ij ij nonbonded torsions n impropers angles bonds l bonded nonbonded bonded r q q r b r a R V n A k k l l k R V R V R V R V ) ( ) cos( (1 ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( r r r r r φ φ ω ω α α ω α (n bezeichnet Anzahl der Minima) Zur Kraftfeldberechnung werden die kartesischen Atomkoordinanten in internen Freiheitsgrade/Variablen (Bindungslängen, Winkel, etc.) umgerechnet werden.
22 Was braucht man alles? 1. 3d Struktur des Moleküls 2. Physikalisches Modell für die Energiefunktion 3. Mathematisch/physikalisches Modell für die Dynamik 4. Die Randbedingungen 5. Numerisches Verfahren zur Simulation 6. Numerische Verfahren zur Analyse
23 Die Dynamik z.b.: Hamilton-Dynamik: & q p& = Anm: der Punkt über einer Variablen symbolisiert die Ableitung nach der Zeit: Gegeben Bewegungsgleichungen x & = dx dt p = DV (q) Gesucht q( t), p( t) Lösung (Atompositionen und Impulse) in der Zeit t, also die Dynamik des Moleküls Probleme: (1) Welche Anfangswerte wählt man? (2) Wie ist das Kraftfeld zu wählen?
24 andere Modelle für die Dynamik Hamilton-Dynamik: q& = p p& = DV (q) die Vorhersagekraft und die Anwendungsbereiche der verschiedenen Modelle werden durchaus kontrovers diskutiert. Langevin-Dynamik: q & = p, p & = DV( q) γ p + σ W& (Hamilton + Reibung + Stochastik) Markov-Ketten-Monte-Carlo: π ( x ) P( x, ) (, ) min(1, k 1 k xk 1 Q xk x + + = k + 1 π ( x... und es gibt durchaus noch weitere Modelle. k ) ) (nicht zeitlich interpretierbar)
25 Die Dynamik Hamilton-Dynamik: q& = p p& = DV (q) das Kraftfeld: die negativen Vektoren, die sich aus der Ableitung des Wechselwirkungspotentials nach den Koordinaten ergeben (negativer Gradient des Potentials)
26 Ein Modell etwas detaillierter Hamilton-Dynamik: & q p& = p = DV (q) Impulse (Geschwindigkeit, Masse) Masse M Geschwindigkeit v Impuls: p=m v (auch hier: 3 x Anzahl Atome viele Impulse)
27 Was braucht man alles? 1. 3d Struktur des Moleküls 2. Physikalisches Modell für die Energiefunktion 3. Mathematisch/physikalisches Modell für die Dynamik 4. Die Randbedingungen 5. Numerisches Verfahren zur Simulation 6. Numerische Verfahren zur Analyse
28 Explizite Randbedingungen: das Lösungsmittel Die Struktur und Eigenschaften eines Moleküls können entscheident von dem umgebenden Lösungsmittel abhängen (z.b. kehren sich die hydrophilen Teile eines Proteins in Wasser nach außen). Modellierung: 1. explizit innerhalb des Kraftfeldes Aufwand steigt 2. Ankopplung vereinfachter Lösungsmittelmodelle (z.b. Poisson-Boltzmann) Kopplung & Genauigkeit? Preisfrage: Wieviel Lösungsmittel simuliert man?
29 Explizite Randbedingungen: das Lösungsmittel Die Struktur und Eigenschaften eines Moleküls können entscheident von dem umgebenden Lösungsmittel abhängen (z.b. kehren sich die hydrophilen Teile eines Proteins in Wasser nach außen). Modellierung: 1. explizit innerhalb des Kraftfeldes Aufwand steigt 2. Ankopplung vereinfachter Lösungsmittelmodelle (z.b. Poisson-Boltzmann) Kopplung & Genauigkeit? Preisfrage: Wieviel Lösungsmittel simuliert man?
30 Explizite Randbedingungen: das Lösungsmittel Die Struktur und Eigenschaften eines Moleküls können entscheidend von dem umgebenden Lösungsmittel abhängen (z.b. kehren sich die hydrophilen Teile eins Proteins in Wasser nach außen). Periodische Randbedingungen
31 Randbedingungen thermodynamische Randbedingungen (später)
32 Was braucht man alles? 1. 3d Struktur des Moleküls 2. Physikalisches Modell für die Energiefunktion 3. Mathematisch/physikalisches Modell für die Dynamik 4. Die Randbedingungen 5. Numerisches Verfahren zur Simulation 6. Numerische Verfahren zur Analyse
33 Energieminierung Einfaches Beispiel: steepest descent (steilster Abstieg) ist einfachste und häufig verwendete Methode Folgt jeweils dem negativen Gradienten DV(q) (steht senrecht zu Äquipotentiallinien) also der Kraft und damit dem steilsten Abstieg des Potentials lege minimalen und maximalen Wert für die Verschiebung fest je nach Steilheit des Gradienten wird die Schrittweite vergrößert oder verkleinert schnelle Methode, wenn man schlechte Startgeometrie besitzt konvergiert langsam in der Nähe des Minimums (Gradient null) kann um das Minimum oszillieren Äquipotentiallinien eines 2dimensionalen Potentials Bessere Ansätze in Numerik I Vorlesung
34 Dynamik: Numerische Integratoren Problem: Analytisch kann man die Bewegungsgleichungen i. A. nicht lösen (komplizierte Potentiale, viele Freiheitsgrade) numerische Approximation q& = p p& = DV (q) q& R & = = p & f (R) Idee: um von t=0 (Startzeit) zu t=t (Endzeit) zu kommen, gehe in vielen kleinen Zeitschritten vor. t 2 t 3 t t R R R R L R = 0 m t R T Bsp: expliziter Euler (1. Ordnung) R& R t+ t t R t R t + t = R t + t f ( R t ) Wichtige Fragen: Genauigkeit, Effizienz, Erhaltungseigenschaften => Numerik I
35 Dynamik: Leapfrog/Verlet DAS Verfahren in der Moleküldynamik ist der Leapfrog- oder Verlet-Integrator: (der in unterschiedlichen Varianten vorkommt) gegeben: q t, p t q, t+ t p t+ t gesucht Hilfsvariable q p t+ 0.5 t = qt t+ t = pt t t p DV t ( qt t ) q t+ t = qt+ 0.5 t t p t+ t Vorteile: explizit, nur eine Potentialauswertung, symplektisch (erhält Volumen und Energie im Mittel)
36 Was macht einem das Leben schwer? (1) unterschiedliche Zeitskalen: schnellste Dynamik: Bindungsschwingung (fs) Konsequenz: Schrittweite (2) unterschiedliche Zeitskalen: t 1fs Bindungsschwingung (fs) Faltung/globale Konformationsänderungen (ms) Verhältnis wie 1sec Jahre Konsequenz: Langzeitintegration (sehr viele Simulationsschritte) (3) Kondition des Problems Langzeitintegration ist schlecht konditioniert (kleine Anfangsfehler können große Auswirkungen auf dasendresultat haben) Konsequenz: Reformulierung in viele Kurzzeitsimulationen
37 Das ist auch klassische Moleküldynamik kleine Störungen können große Folgen haben
38 Was macht einem das Leben schwer? (4) Dimension des Problems Proteine haben zehntausende Freiheitsgrade Konsequenz: z.b. Einfrieren schneller Freiheitsgrade (5) Aufwand der Simulation Berechnung langreichweitiger Wechselwirkungen (Elektrostatik) proportional (Anzahl Atome) 2 Konsequenz: Vereinfach der langreichweitigen Potentialterme durch sog. Cut-Off (6) Metastabilität/ trapping problem zerklüftete Potentiallandschaft mit vielen Energie-Barrieren Konsequenz: z.b. Simulation bei höheren Temperaturen
39 Worth Thinking About Moleküldynamik liefert aufgrund sehr vieler Näherungen qualitative Ergebnisse und Veranschaulichungen. Quantitative Ergebnisse erfordern einen sehr hohen Aufwand und eine genaue Kenntnis der Näherungen.
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