«Folge des Tabubruchs von 2003»
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- Rolf Heini Hausler
- vor 8 Jahren
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1 News Aktuelles aus Politik, Wirtschaft und Recht Bundesratswahlen «Folge des Tabubruchs von 2003» Der Historiker Urs Altermatt sieht das schweizerische Regierungssystem im Umbruch. Die SVP in der Opposition wäre für die Schweiz auch eine Chance, sagt der Bundesratskenner. Herr Altermatt, geht der 12. Dezember 2007 in die Geschichte ein? Der Tag wird gemeinsam mit dem Tag der Abwahl von Ruth Metzler 2003 in die Geschichte eingehen. Beide Male wurde ein amtierender Bundesrat nicht bestätigt. Wie erklären Sie sich die Nicht-Wiederwahl von Bundesrat Christoph Blocher? Das ist schwierig zu sagen. Nach der Nichtbestätigung im 1. Wahlgang entstand eine Eigendynamik, welche dann zur Wahl von Frau Widmer- Schlumpf führte. Verschiedene Momente kommen zusammen: Die erklärten Gegner von Christoph Blocher aus dem linken Lager, plus grosse Teile der CVP, welche durch die Nicht-Wahl von Frau Metzler vor vier Jahren verletzt sind. Und offenbar gibt es auch bei den Freisinnigen Unzufriedene. Blocher ist immer sehr hart mit seinen politischen Gegnern. Kann das mit ein Grund dafür gewesen sein, dass viele Parlamentarier sagten, der Stil von Herrn Blocher passt uns nicht? Bundesratswahlen sind ja nicht nur Wahlen der Elite im Parlament. Hier gilt: Ein Mann, eine Frau, eine Stimme. Die Hinterbänkler spielen eine ganz grosse Rolle. CVP und SP bekräftigten ja, dass der SVP zwei Sitze zustehen. Das heisst, die Abwahl richtete sich konkret gegen Herrn Blocher. Genau. Alle Parteien betonen, dass sie zur Konkordanz stehen, aber es gibt offenbar verschiedene Definitionen. Was bedeutet denn Konkordanz nun wirklich? Bis zum Zeitpunkt, als die alte Zauberformel 2003 zusammenbrach, bestand eine inhaltliche Konkordanz, also ein minimaler Konsens in den Grundfragen führte man die arithmetische Proporzregierung ein. Die SVP versteht unter Konkordanz, man müsse die vorgeschlagenen Kandidaten der Parteien wählen. Das hat nichts oder nur wenig mit Konkordanz zu tun. Das Parlament wählt den Bundesrat. Schon der Ultimatums-Anspruch hat wahrscheinlich mit dazu beigetragen, dass Christoph Blocher nicht gewählt wurde. Ist die Konkordanz am Ende? In meiner Definition wurde die inhaltliche Konkordanz spätestens im Jahr 2003 begraben. FDP-Präsident Fulvio Pelli rät der SVP zu einer personellen Erneuerung ohne Fixation auf Blocher. Ist das überhaupt möglich? Fulvio Pelli und Ueli Maurer haben ja vorgeschlagen, dass die amtsältesten Bundesräte Moritz Leuenberger, Pascal Couchepin und Samuel Schmid zusammen zurücktreten sollen. Eine derartige Mehrfachvakanz würde in der Tat dazu beitragen, dass sich der Bundesrat erneuert. Das ist aber keine Frage, die an die Person Christoph Blocher gebunden ist; es ist sogar ein Fehler, sie an Bundesrat Blocher zu binden. Halten Sie eine derartige Ablösung von drei Bundesräten also für möglich? Unser System sieht vor, dass jeder Bundesrat den Zeitpunkt seines Rücktritts selbst bestimmt. Ich zweifle, dass es gelingt, eine derartige Dreiervakanz zustande zu bringen. Gesetzt den Fall, Frau Widmer-Schlumpf nimmt die Wahl an und die SVP geht in die Opposition: Was bedeutet das konkret? Das würde zuerst einmal bedeuten, dass eine grosse Partei in der Opposition ist, ähnlich wie die Sozialdemokraten in den 20er- und in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Mit dem konkreten Resultat, dass es zu mehr Volksabstimmungen und noch mehr Polarisierungen kommt. Insgesamt würde es zu einer grösseren Labilität des politischen Systems kommen. Unsicherheiten und Unwägbarkeiten würden zunehmen. Konkret heisst das: stärkere Polarisierung, stärkere parteipolitische Ausrichtung des Bundesrates, stärkere Personalisierung. Birgt ein derartiges Szenario mehr Chancen oder mehr Risiken für die Schweiz? Das kommt darauf an, ob man in der Dynamik, die neu entstehen würde und vielleicht zu einem neuen Regierungssystem führen könnte, eine Chance sieht. Sehen Sie persönlich eine Chance darin? Ja, ich würde darin durchaus eine Chance sehen, weil ich glaube, dass sich das schweizerische Regierungssystem seit Ende der 90er-Jahre sukzessive leicht verändert. Die Ereignisse vom Mittwoch sind eine Fortsetzung des Tabubruchs von Und dieser Tabubruch wird sich vermutlich fortsetzen. Es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Sie glauben also, dass die Zeiten, wie sie vor dem «Tabubruch Metzler» im Jahr 2003 waren, nicht mehr zurückkommen werden? Genau. Vereinfacht gesagt sind wir in einer Übergangsphase des schweizerischen Regierungssystems, aber auch ich weiss nicht, wo dieser Wandel genau hinführt. Aargauer Zeitung, Fragen 1. Weshalb wird der 12. Dezember 2007 in die Geschichte der schweizerischen Demokratie eingehen? 2. Wer hat der neuen Bundesrätin Frau Eveline Widmer-Schlumpf zu einer Mehrheit verholfen? 3. Wie definiert die SVP den Begriff Konkordanz? 4. Wie definieren die anderen Regierungsparteien den Begriff? 5. Die SVP hat ja immer noch zwei Sitze im Bundesrat. Weshalb will sie trotzdem in die Opposition? 6. Die SVP geht nun in die Opposition. Wie sieht das konkret aus? Welche Mittel kann sie einsetzen? Begriffe Fixation Hinterbänkler Labilität Paradigmenwechsel Personalisierung Polarisierung sukzessive Tabu Ultimatums-Anspruch
2 Bundesratswahlen Zum Film Fragen und Antworten 1. Weshalb wird der 12. Dezember 2007 in die Geschichte der schweizerischen Demokratie eingehen? Zum zweiten Mal wurde ein amtierendes Mitglied des Bundesrates abgewählt: 2003 Ruth Metzler / 2007 Christoph Blocher.
3 2. Wer hat der neuen Bundesrätin Frau Eveline Widmer-Schlumpf zu einer Mehrheit verholfen? Die erklärten Gegner von Christoph Blocher aus dem linken Lager sowie grosse Teile der CVP, welche durch die Nicht-Wahl von Frau Metzler vor vier Jahren verletzt sind, aber offenbar auch Unzufriedene bei den Freisinnigen haben zur Wahl der neuen Bundesrätin beigetragen. (Frau Widmer-Schlumpf hat 125 Stimmen erhalten.) 3. Wie definiert die SVP den Begriff Konkordanz? Die SVP versteht unter Konkordanz, die Bundesversammlung müsse die Kandidaten, die von der Bundeshausfraktion der jeweiligen Partei vorgeschlagen worden sind, wählen.
4 4. Wie definieren die anderen Regierungsparteien den Begriff? Bis ins Jahr 2003 bestand eine inhaltliche Konkordanz, was bedeutete, dass sich die Regierungsparteien auf einen minimalen Konsens in den Grundfragen einigten. Seit 2003 geht es nur noch um den arithmetischen Proporz, das heisst, die Sitze im Bundesrat werden gemäss dem Wähleranteil unter den vier grossen Parteien vergeben: je zwei Mitglieder der SVP, der SP, der FDP und ein Mitglied der CVP. 5. Die SVP hat ja immer noch zwei Sitze im Bundesrat. Weshalb will sie trotzdem in die Opposition? Die SVP will in die Opposition, weil ihr Kandidat Christoph Blocher nicht gewählt worden ist und die Bundesversammlung den Willen der Partei nicht umgesetzt hat.
5 6. Die SVP geht nun in die Opposition. Wie sieht das konkret aus? Welche Mittel kann sie einsetzen? Es werden vermehrt Referenden ergriffen und Volksinitiativen lanciert. Es erfolgt eine stärkere Polarisierung, eine stärkere parteipolitische Ausrichtung des Bundesrates, eine stärkere Personalisierung.
6 Begriffe Fixation: Die Augen fest auf etwas richten Hinterbänkler : Das sind Parlamentarier und Parlamentarierinnen, die während einer Session nicht sehr bis gar nicht in Erscheinung treten. Bei Bundesratswahlen spielen diese dann aber auch eine Rolle (one man one vote)! Labilität: Leichte Wandelbarkeit, leichte Beeinflussbarkeit Paradigmenwechsel: Wechsel von einer Grundauffassung zu einer anderen Auffassung Personalisierung: Ausrichtung auf Einzelpersonen Polarisierung: Spaltung, Trennung, sich immer mehr zu Gegensätzen entwickeln, das sich auseinander Bewegen sukzessive: allmählich, nach und nach, schrittweise
7 Tabu: Etwas, das nicht verletzt und angetastet werden darf; ein ungeschriebenes Gesetz, das aufgrund bestimmter Anschauungen verbietet, bestimmte Dinge zu tun. Ultimatums-Anspruch : Eine Forderung, die an eine Bedingung geknüpft ist. Wenn, dann! Wenn Christoph Blocher nicht gewählt wird, dann gehen wir in die Opposition.
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