"Schule soll nicht weh tun"
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- Rudolf Adler
- vor 8 Jahren
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1 MA BILDUNG "Schule soll nicht weh tun" Eltern müssen darauf schauen, was ihrem Kind in den nächsten Jahren gut tut - nicht nur darauf, was es später werden soll, rät ein Psychologe Herr Heidecke, gibt es Entscheidungshilfen für Eltern, wenn sie nach einer passenden weiterführenden Schule suchen? ANDREAS HEIDECKE Zunächst einmal sollten die Eltern bei ihrer Entscheidung immer im Hinterkopf behalten: Welche Schulform entspricht dem Wohl des Kindes? Das Kind sollte eine Schule besuchen, die seinen Möglichkeiten entspricht und wo es Hilfen bekommt, die es braucht. Viele Eltern haben einen zu weit in die Zukunft gerichteten Blick und überlegen zum Beispiel, was das Kind später mal werden soll. Wichtig ist aber zunächst, was das Kind im nächsten Jahr braucht, um erfolgreich zu sein. Die Leitfrage lautet: Wo ist mein Kind im nächsten Jahr sicher erfolgreich? Welche Rolle sollte die Grundschulempfehlung bei der Schulwahl spielen? HEIDECKE Die Grundschulempfehlung ist eine Beratung, die nicht den eigenen Entscheidungsspielraum schmälert. Die Empfehlungen der Grundschullehrer haben eine gute Vorhersagekraft. Sie fußen auf langjähriger Erfahrung und auf Beobachtungen im Unterricht, die Eltern oft fehlen. Für Eltern ist die Empfehlung eine wichtige Information, die sie ernst nehmen sollten. Vor allen Dingen, wenn sie mit ihren eigenen Beobachtungen übereinstimmt. Natürlich können Eltern davon abweichen, sie entscheiden ja am Ende. Bekannte Schwächen des Kindes sollten dabei nicht ausgeblendet werden. Wie sollten diese Schwächen bei der Schulwahl berücksichtigt werden? Viele Eltern sagen ja: "Erstmal Gymnasium. Wenn was schief geht, können wir immer noch wechseln." HEIDECKE Ich rate von dieser Einstellung ab, das Scheitern eines Kindes in der Schule hat meist weitreichende Folgen. Zunächst einmal kann Überforderung zu einem Einbruch der Lernmotivation führen. Und auch nach einem Wechsel ist das Selbstvertrauen des Kindes so beschädigt, dass die Angst vor Misserfolgen bleibt. Weiterhin weichen Kinder durch die Überforderung in Fehlverhalten aus, stören im Unterricht. Andere leiden unter psychosomatischen Störungen wie Kopfschmerzen und Erbrechen. Mein Rat ist: Schule soll nicht weh tun! Das Kind sollte Freude an ihr haben und genug Freizeit. Und nicht permanent am Rande seiner Leistungsfähigkeit arbeiten. Die Durchlässigkeit unserer Schulformen ist groß: Selbst die Wahl einer Hauptschule schließt das Abi nicht aus. Auf der anderen Seite: Wie kann ich mein Kind unterstützen, wenn es erfolgreich ist und etwa auf das Gymnasium wechseln kann? HEIDECKE Die Schule selbst muss aktiv auf die Eltern zukommen, wenn ein Wechsel sinnvoll erscheint. Sie stellt dann auch den Kontakt zur neuen Schule her und wird das Kind dementsprechend unterstützen. Ein Wechsel ist dann sinnvoll, wenn er für das Kind eine zusätzliche Motivation darstellt. Denn der Erfolg auf einer Schule spricht ja zunächst einmal für die aktuelle Schule. Darf das Kind denn mitentscheiden bei der Wahl der Schulform? HEIDECKE Eindeutig: Nein. Die Wahl der Schulform treffen die Eltern, und nur die Eltern. Denn nur sie können, nach Beratung durch die Schule, entscheiden, wo das Kind im nächsten Jahr erfolgreich sein kann. Es ist in dem Fall auch nicht als nett zu werten, wenn Eltern den Wünschen von Kindern nachgeben, die versprechen: "Ich streng mich auch an". Wenn es nach der Wahl der Schulform um die Wahl der passenden Schule geht, sollten Eltern jedoch das Anliegen ihrer Kinder respektieren - etwa wenn Freunde auf eine bestimmte Schule gehen. Dann ist es sinnvoll zu fragen: Was meinst du, wo du dich wohlfühlst? Wie weit sollten denn die Neigungen und Fähigkeiten des Kindes in die Wahl der Eltern mit einfließen? "Schule soll nicht weh tun" 1
2 HEIDECKE Natürlich sollten die Fähigkeiten eines Kindes bei der Wahl berücksichtigt werden. Gymnasien zum Beispiel verlangen eine gute Grundausstattung des Kindes. Das heißt: Es sollte sich gut selbst organisieren können und Interesse an Sprachen haben - schließlich ist hier eine Fremdsprache das vierte schriftliche Hauptfach. Für Kinder, die noch viel Hilfe bei der Selbstorganisation brauchen und viel Leitung beim Lernen, die möglicherweise noch Lücken im Gelernten haben, wäre zum Beispiel eine Hauptschule zu empfehlen. Hier bekommen sie die Hilfe, die sie benötigen. Und die Hauptschule ist ein kleineres, überschaubareres System als etwa ein Gymnasium. Aber ist die Hauptschule nicht ein Sammelbecken für Schüler mit Misserfolg? HEIDECKE Nein, das ist ein Vorurteil. Hauptschulen realisieren Hilfen für manche Schüler, die sie nirgends sonst so bekommen würden. Die Lehrer dort leisten eine hervorragende pädagogische Arbeit. Viele Eltern sehen diese Schulform als Strafe, nach dem Motto: Wenn du es nicht schaffst, landest du in der Hauptschule. Tatsache ist aber: Die Lehrer dort kämpfen um den Erfolg jedes Kindes. Sie wissen, wie schwierig es ist, Kinder, die viele Misserfolge wegstecken müssen, zu erreichen. Die homogenen Lerngruppen der Hauptschulen entlasten diese Kinder. Und es ist auch wichtig zu wissen, dass Hauptschülern bei entsprechender Leistung das Abitur nicht verwehrt bleibt. In der Vergangenheit sind 6 bis 8 Prozent der Kölner Hauptschüler aus den 10. Klassen in die Gymnasiale Oberstufe gewechselt. An welchen Typ Schüler richten sich die anderen Schulformen? HEIDECKE Die Realschule begleiten ihre Kinder sehr verbindlich, dort haben sie, neben anderen, die Möglichkeit, als 4. Hauptfach eine Naturwissenschaft oder zum Teil auch Informatik zu wählen. Gesamtschulen oder Sekundarschulen richten sich wiederum an alle Kinder. Sie geben viele Hilfen und bieten viel Spielraum an. Viele Gesamtschulen, zumindest in Köln, sind allerdings sehr groß - für sehr ängstliche oder ausufernde Kinder kann das schwierig sein. Wie wichtig ist der Ruf einer Schule? Sollte er ein Kriterium für die Wahl der Eltern sein? HEIDECKE Der Ruf ist nicht entscheidend. Viel wichtiger ist, ob die Schule und ihr Angebot zum Kind passen und es unterstützen. Das Prinzip "Ich gehe zu dieser Schule, da kriegt man viel mehr" ist eine fatale Einschätzung und geht an der Frage vorbei, ob das "Mehr" auch hilfreich für das Kind ist. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass - egal, wie der Ruf einer bestimmten Schule ist - der Fahrtweg zu ihr für das Kind verträglich ist. Gibt es denn weitere Fallen, in die Eltern bei der Schulwahl treten können? HEIDECKE Tatsächlich lässt der Mythos des Spätzünders viele Eltern in die falsche Richtung laufen. Das Phänomen gibt es: Ein Spätzünder kann zum Beispiel ein Kind sein, das mit durchschnittlichen Leistungen auf die Realschule kommt und dort nach einiger Zeit sehr gute Leistungen erreicht und später Abitur machen kann. Viele Eltern versuchen, diese Initialzündung künstlich mit Druck zu erzeugen. Etwa, indem sie sich sagen: Ich war auch Spätzünder. Das muss man bei meinem Kind nur herauskitzeln. Das aber ist der falsche Weg. Denn das "Spätzünden" funktioniert ja vor allen Dingen bei Kindern, die auf der Basis von gutem Erfolg Selbstvertrauen und dann eine hohe eigene Motivation entwickeln. Aus diesem Grund sollten Eltern darauf achten, eine Schul form für ihr Kind zu wählen, auf der ein Erfolg sicher ist, wo das Kind seine Möglichkeiten bestmöglich ausschöpft. So kommt das "Zünden" am wahrscheinlichsten. Was können Eltern tun, die trotzdem noch unsicher sind bei der Wahl der richtigen Schule? HEIDECKE Sobald Eltern unsicher sind, sollten sie keine Scheu haben, beim Schulpsychologischen Dienst anzurufen. Sie können sich jederzeit für eine kurzfristige telefonische Beratung an uns wenden, sobald sie wichtige Informationen wie die Empfehlung der Grundschule zusammengetragen haben. In Einzelfällen machen wir auch eine schulpsychologische Diagnostik. DAS GESPRÄCH FÜHRTE MARTIN GÄTKE Motiviert sind Kinder nur, wenn sie nicht überfordert sind - das sollten Eltern beachten. Bild: R. Kneschke/Fotolia Zur Person Andreas Heidecke ist Diplom-Psychologe und arbeitet beim Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln. Das Prinzip»Ich gehe zu dieser Schule, da kriegt man viel mehr«ist eine fatale Einschätzung und geht an der Frage vorbei, ob das»mehr«auch hilfreich für das Kind ist. Eltern müssen darauf schauen, was ihrem Kind in den nächstenjahren gut tut - nicht nur darauf, was 2 es spä
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4 kps ma a Andreas Heidecke, Schulpsychologischer Dienst Copyright by Christian Knieps, Tieckstr. 102, D Köln Deutsche Bank Köln (BLZ ), Kto Tel honoriert zur Veröffentlichung ausschließlich im Kölner Stadt-Anzeiger. Weitergabe an Dritte nur nach Absprache mit dem Urheber. Sind Personen auf den Fotos abgebildet, so ist der Lizenznehmer verpflichtet, soweit erforderlich, Einwilligung nach dem Par. 22 ff. KUG einzuholen. Darueber hinaus ist jede Haftung gegenueber dem Vertragspartner, die aus der Verletzung von Persoenlichkeits- oder sonstigen Rechten herruehrt, ausgeschlossen. Ausgenommen vom Haftungsausschluß ist lediglich die Haftung wegen grober Fahrlaessigkeit oder Vorsatz. keine Werbung! DAS GESPRÄCH FÜHRTE MARTIN GÄTKE - High resolution isolated wooden ruler, clipping path included. Extreme detailed. Medien 4
5 Motiviert sind Kinder nur, wenn sie nicht überfordert sind - das sollten Eltern beachten. Bild R. Kneschke/Fotolia - Robert Kneschke - Fotolia Viele Schüler heben ihre Hände im Unterricht Alle Rechte vorbehalten - Redaktionsarchiv M. DuMont Schauberg Medien 5
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