Sozialprozessrecht. Vorlesung an der Juristenfakultät der Universität Leipzig Institut für Arbeits- und Sozialrecht im Sommersemester 2011
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- Klaus Zimmermann
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1 Sozialprozessrecht Vorlesung an der Juristenfakultät der Universität Leipzig Institut für Arbeits- und Sozialrecht im Sommersemester 2011 Lehrbeauftragter und 18. April 2011 Sozialprozessrecht
2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 3. September 1953 I Neu gefasst durch Bek. v I 2535; zuletzt geändert durch Art. 4 G v I 453 letzte größere Novelle: Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes, wirksam seit 1. April In Kraft seit dem Erlassen im Hinblick auf Art. 19 Abs.4 und Art. 20 Abs.2 GG, wegen der Erkenntnis der Erforderlichkeit eines veritablen Rechtsschutzes durch besondere Rechtsprechungsorgane (vor eigenständigen Gerichten) und nicht bloß funktionelle Rechtsprechung durch besondere Verwaltungsabteilungen. Sozialprozessrecht 1
3 Das Sozialgerichtsgesetz steht gleichberechtigt neben den anderen Prozessordnungen. SGG VwGO FGO StPO ZPO ArbGG FGG BVerfGG Da das Sozialrecht ein besonderes Verwaltungsrecht ist, lehnt sich das SGG an die VwGO an. Da Kenntnisse der VwGO vorausgesetzt werden, liegt im Folgenden das Hauptaugenmerk auf den Unterschieden zur VwGO. Das SGG verweist an vielen Stellen auch auf die ZPO. Sozialprozessrecht 2
4 Die Sozialgerichte im Gesamtgefüge der Gerichte IGH EGMR EuGH BVerfG BAG BGH BFH BVerwG BSG EuG LAG OLG FG OVG LSG ArbG LG / AG VG SG Das Bundessozialgericht hat seinen Sitz in Kassel. Das Sächsische Landessozialgericht hat seinen Sitz in Chemnitz. Es können auch gemeinsame Landessozialgerichte errichtet werden; z.b. Berlin-Brandenburg, Niedersachsen-Bremen. In Sachsen gibt es Sozialgerichte in Chemnitz, Dresden und Leipzig. Sozialprozessrecht 3
5 Kammern bzw. Senate für Angelegenheiten der Sozialversicherung, Arbeitsförderung, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialhilfe und Asylbewerberleistungsgesetz, soziales Entschädigungsrecht, Schwerbehindertenrecht, Vertragsarztrecht und ggf. Knappschaftsversicherung Die Besetzung der Sozialgerichte BSG Senate 3 Berufsrichter 2 ehrenamtliche Richter LSG Senate 3 Berufsrichter 2 ehrenamtliche Richter SG Kammern 1 Berufsrichter 2 ehrenamtliche Richter Ehrenamtliche Richter sind gesetzliche Richter (Art. 101 Abs.1 GG); wirken jedoch nur an Entscheidungen in mündlichen Verhandlungen mit. Die ehrenamtlichen Richter (Deutsche ab 25 / 30 / 35) für die verschiedenen Kammern bzw. Senate werden aus besonderen Vorschlagslisten der Versicherungen, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Kassen-(zahn)-ärztlichen Vereinigungen, Krankenkassen, Kommunen bzw. Bundes- und Landesbehörden ausgewählt. Sozialprozessrecht 4
6 Die Zuständigkeit der Sozialgerichte, 51 SGG Grundsätzlich ist das Sozialgericht das erstinstanzliche Gericht 51 Abs. 1 SGG: öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich Alterssicherung der Landwirte der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der sozialen und der privaten Pflegeversicherung der gesetzlichen Unfallversicherung der Arbeitsförderungen und Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung der sozialen Entschädigung, außer Kriegsopferfürsorge der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes wegen der Feststellung von Behinderungen aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes für die durch Gesetz der Rechtsweg eröffnet wird. 51 Abs. 2 SGG: privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen und der privaten Pflegeversicherung (z.b. Leistungserbringerrecht). Sozialprozessrecht 5
7 Die Zuständigkeit der Landessozialgerichte, 29 SGG Berufungen, Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Berufung und sonstige Beschwerden gegen Entscheidungen der Sozialgerichte Erster Rechtszug bei Klagen gegen Entscheidungen von Schiedsämtern und -stellen nach SGB V, XI, XII sowie bei Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Sozialversicherungsträgern, Kassen-(Zahn)-ärztlichen Vereinigungen und Aufwendungserstattungen der Optionskommunen bei KdU-Satzungskontrollanträgen LSG NRW Erster Rechtszug bei Streitigkeiten betreffend den Risikostrukturausgleich, strukturierte Behandlungsprogramme und Gesundheitsfond sowie Finanzausgleich der gesetzlichen Pflegeversicherung und Ausgleich zwischen gewerbl. Bgen LSG B-B Erster Rechtszug bei Klagen betreffend Bewertungsausschuss und Gemeinsamen Bundesausschuss. Sozialprozessrecht 6
8 Die Zuständigkeit des Bundessozialgerichts, 39 SGG Revisionen und Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision und sozialrechtliche nicht-verfassungsrechtliche Bund./. Länder- und Länder./. Länder-Streitigkeiten; hält das BSG Streitigkeit für verfassungsrechtlich, legt es die Sache dem BVerfG vor. Der Große Senat wahrt die Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Senate ( 41 SGG). Sozialprozessrecht 7
9 Besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Sozialgerichtsbarkeit in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte ausgeübt wird. Übergangsbestimmungen bis Ende 2008 im Hinblick auf die frühere Rechtslage. Sozialprozessrecht 8
10 Allgemeiner Klageartenkanon (im öffentlichen Recht) Leistungsklage Verpflichtungsklage Gestaltungsklage Feststellungsklage Verurteilung zu einem Tun; z.b.: Zahlungsklage Gerichtet auf Erlass eines VA Gerichtet auf die unmittelbare Veränderung einer Rechtsbeziehung; z.b.: Anfechtungsklage: Aufhebung eines VA Feststellung des Nicht- oder Bestehens einer bestimmten rechtlichen Beziehung Fortsetzungsfeststellungsklage Feststellung der Rechtswidrigkeit nach Erledigung des VA bei besonderem Interesse Die Feststellungsklage ist grundsätzlich subsidiär gegenüber den anderen Klagearten. Vorverfahren und Klagefrist sollen nicht umgangen werden. Sozialprozessrecht 9
11 Sozialprozessuale Besonderheiten oft: kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage: 54 Abs.4 SGG oft kombiniert mit Grundurteil: 130 SGG seltener: isolierte Leistungsklage (Bsp. öffr Vertrag, Erstattungsstreitigkeit) Anfechtungs- und Verpflichtungsklage regelmäßig nur wenn kein Rechtsanspruch besteht, also eine Ermessensleistung (und keine Ermessensreduktion auf Null) vorliegt Klage gegen Aufsichtsmaßnahme echte Untätigkeitsklage: Verurteilung zum Erlass eines VA: 88 SGG nach 6 Monaten im Ausgangs- bzw. 3 Monaten im Widerspruchsverfahren, wenn kein zureichender Grund vorliegt; nach Fristablauf trägt die Behörde objektive Beweislast für zureichenden Grund für Nichtentscheidung keine Normenkontrollklage bis auf KdU-Satzungskontrollklage, 55a SGG Klagerücknahme führt zur Erledigung des Rechtsstreits, 102 Satz 2 SGG; auf Antrag entscheidet das Gericht über die Kosten, 102 Abs.3 SGG. Klagerücknahmefiktion nach drei-monatigem Nichtbetreiben trotz Belehrung, 102 Abs.2 SGG. jüngere Verwaltungsakte führen zu einer gesetzlichen Änderung des Klagegegenstandes: 96 SGG ( 86 SGG im Widerspruchsverfahren) Sozialprozessrecht 10
12 Klage Die Klage ist in Schriftform oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Anfechtungsklagen sind nur binnen eines Monats ab Zustellung des (Widerspruchs-)bescheides, drei Monate ab Auslandsbekanntgabe, eines Jahres bei unterbliebener oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung zulässig. Fristwahrung bei Eingang bei anderer inländischer Behörde, bei Versicherungsträger oder bei deutscher Konsularbehörde oder einem deutschen Seemannsamt; der Begriff der Behörde umfasst alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, mithin auch Gerichte und Organe der gesetzgebenden Körperschaften (BT, BR, Petitionsausschuss etc.). Ggf. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand auf Antrag oder von Amtswegen wenn Nachholung und ggf. Antrag binnen Monatsfrist; z.b. nach bisheriger Rechtsprechung nach Prozesskostenhilfeentscheidung. Das Klagebegehren muss erkennbar sein, ein ausformulierter Klageantrag ist nicht erforderlich. Jedoch ausschließende Wirkung von Ergänzungsaufforderung mit Fristsetzung. Die Klagebefugnis bei Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte. Rechtsschutzbedürfnis ist erforderlich. Sozialprozessrecht 11
13 Vorverfahren, 77ff SGG Widerspruchsverfahren ist grundsätzlich Zulässigkeitsvoraussetzung für Anfechtungsund Verpflichtungsklagen. Dient der Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens: -> SGG nicht SGB X. Kostenregelungen für das Widerspruchsverfahren finden sich jedoch im SGB X. Widerspruch in Schriftform oder zur Niederschrift binnen Monatsfrist bzw. Drei- Monatsfrist bei Auslandsbekanntgabe. Abhilfe oder Erlass eines (schriftlichen, mit Begründung versehenen) Widerspruchsbescheides. Bei anschließenden Klageverfahren muss ggf. beantragt werden, die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren festzustellen. Öffentliche Bekanntgabe durch Allgemeinverfügung (nur) bei ruhend gestellten Widersprüchen nach einer die Behörde bestätigenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Sozialprozessrecht 12
14 Amtsermittlungsgrundsatz, 103 SGG I. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz Nicht: Beibringungs- und Dispositionsgrundsatz Objektive Beweislast Nicht: Darlegungs- und Beweislast II. Durchbrechungen des Amtsermittlungsgrundsatzes 106a, 157a SGG: nach Fristsetzung ggf. Zurückweisung verspäteten Vorbringens und Entscheidung ohne weitere Ermittlungen. Antrag nach 109 SGG. Auf Antrag muss ein bestimmter Arzt ggf. nach Vorschussleistung - gutachtlich gehört werden. Für jedes medizinische Fachgebiet einmal im Instanzenzug. Ablehnung bei Verzögerung und Verschleppungsabsicht oder grober Nachlässigkeit; ungeschriebene Monatsfrist. Sozialprozessrecht 13
15 Verfahrensbeteiligte, 69 SGG Kläger Beklagter Beigeladene Sozialprozessuale Besonderheit: Verurteilung von beigeladenen Versicherungsträgern, SGB II und XII-Trägern, Ländern in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts gemäß 75 Abs.5 SGG (ggf. auch in Abwesenheit und in der II. Instanz)! Beteiligtenfähigkeit, 70 SGG natürliche und juristische Personen nicht-rechtsfähige Personenvereinigungen Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt gemeinsame Entscheidungsgremien von Leistungserbringern und Krankenkassen oder Pflegekassen Sozialprozessrecht 14
16 Prozessfähigkeit, 71 SGG Die Fähigkeit, einen Prozess vor einem Sozialgericht zu führen, haben Beteiligte, soweit sie sich durch Verträge verpflichten können, Minderjährige, soweit sie nach bürgerlichem oder öffentlichem Recht als geschäftsfähig anerkannt werden; 36 SGB I, ab 15, zur Rücknahme von Rechtsbehelfen bedarf es Zustimmung des gesetzlichen Vertreters Sozialprozessrecht 15
17 Urteil Das Verfahren wird regelmäßig durch Stuhlurteile der Kammer nach mündlicher Verhandlung beendet. Rechtsmittelfristen beginnen jedoch erst mit Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils. Gerichtsbescheid Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach Anhörung der Beteiligten, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Rechtsbehelfe wie gegen Urteil; wenn Berufung nicht gegeben ist, Antrag auf mündliche Verhandlung binnen eines Monats. Sozialprozessrecht 16
18 Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde Zulassungsbedürftigkeit, wenn eine Klage eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung betrifft und der Beschwerdewert 750 nicht übersteigt bzw. wenn bei einer Erstattungsstreitigkeit der Beschwerdewert von nicht übersteigt und es nicht um laufende Leistungen für über ein Jahr geht. Zulassung bei Rechtssache mit grundsätzlicher Bedeutung Abweichen von obergerichtlicher Rechtsprechung Verfahrensmangel Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde sind binnen Monatsfrist schriftlich oder zur Niederschrift beim SG oder beim LSG zu erheben. Lässt das LSG Berufung zu, wird das Beschwerde- als Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Berufung ist im Grundsatz eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz. Sozialprozessrecht 17
19 Revision und Nichtzulassungsbeschwerde Zulassung durch LSG oder BSG bei Rechtssache mit grundsätzlicher Bedeutung Abweichen von obergerichtlicher Rechtsprechung Verfahrensmangel Sprungrevision bei Zustimmung des Gegners und Zulassung durch SG. Revision und Nichtzulassungsbeschwerde sind binnen Monatsfrist schriftlich beim BSG einzulegen und binnen eines weiteren Monats zu begründen. Vor dem BSG besteht außer im PKH-Verfahren - Vertretungszwang durch einen Prozessbevollmächtigten bzw. Behördenvertreter mit Befähigung zum Richteramt; nur diese sind postulationsfähig. Sozialprozessrecht 18
20 Beschwerde, Erinnerung, Anhörungsrüge Gegen das Verfahren beendende Entscheidungen des Sozialgerichts, die nicht mit der Berufung angefochten werden können, ist binnen Monatsfrist die Beschwerde statthaft. Keine Beschwerde gegen Aufklärungsanordnungen, Beweisbeschlüsse etc. Beschwerde ist ausgeschlossen im einstweiligen Rechtsschutz, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre, gegen Kostengrundentscheidungen, Kostenentscheidungen bei einer Beschwer bis 200 und Prozesskostenhilfeablehnungen wegen fehlender Bedürftigkeit. Gegen Entscheidungen des Rechtspflegers ist die Erinnerung statthaft. Verfahrensfortführung, wenn kein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf gegeben ist, eine Gehörsverletzung vorliegt und binnen zwei Wochen Anhörungsrüge erhoben wurde. Sozialprozessrecht 19
21 Musterverfahren, 114a SGG Ist die Rechtmäßigkeit einer behördlichen Maßnahme Gegenstand von mehr als 20 Verfahren an einem Gericht, kann das Gericht vorab Musterverfahren durchführen und die übrigen Verfahren aussetzen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Nach rechtskräftiger Entscheidung der Musterverfahren kann das Gericht in den ausgesetzten Verfahren einstimmig durch Beschluss entscheiden, wenn der Sachverhalt geklärt und keine wesentlichen Besonderheiten vorliegen. Die in Musterverfahren erhobenen Beweise können eingeführt und neue Beweisanträge abgelehnt werden. Gegen die Beschlüsse sind die Rechtsmittel zulässig, die gegen ein Urteil gegeben wären. Sozialprozessrecht 20
22 Einstweiliger Rechtsschutz I. Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit oder Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage: 86b Abs.1 SGG Nur statthaft, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft wäre. Ausgangspunkt: 86a SGG: Grundsätzlich haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Dies gilt nicht bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung derselben einschließlich Nebenkosten in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen, in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, bei Anordnung der sofortigen Vollziehung (im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines Beteiligten) Sozialprozessrecht 21
23 Einstweiliger Rechtsschutz Das Interesse des Antragstellers an der Anordnung oder Aussetzung der aufschiebenden Wirkung muss dasjenige des Antragsgegners überwiegen. Bei der Interessenabwägung ist nicht bloß auf die Erfolgsaussichten abzustellen; soweit diese nach der im Rahmen dieses Verfahrens nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung absehbar sind, sind sie zu berücksichtigen. Bei offensichtlich rechtmäßigem VA regelmäßig kein anerkennungswürdiges Interesse des Betroffenen. Kein besonderes öffentliches Interesse an der Vollziehung bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des VA. Sind die Erfolgsaussichten nicht absehbar, muss eine Folgenabschätzung unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte vorgenommen werden. Sofern Rechtsschutzbedürfnis vorliegt, kommt auch Feststellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht. Sozialprozessrecht 22
24 Einstweiliger Rechtsschutz II. Sicherungs- und Regelungsverfügung: 86b Abs. 2 SGG Nur statthaft, wenn in der Hauptsache keine Anfechtungsklage statthaft wäre. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen gemäß 920 Abs.2 ZPO (idr durch eidesstattliche Versicherung) glaubhaft gemacht werden. Amtsermittlungsgrundsatz ist jedoch nicht aufgehoben. Ergeht nach summarischer Prüfung der Sachlage auf der Grundlage einer vorläufigen Einschätzung der Rechtslage aufgrund einer Interessenabwägung, wenn die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. III. Instanzenzug Da durch Beschluss entschieden wird, endet im sozialprozessualen einstweiligen Rechtsschutz der Instanzenzug beim LSG. Beschwerde ist nur zulässig, wenn in der Hauptsache Berufung zulässig. Z.T. einschränkende Rspr. zu 929 Abs.2 ZPO (Vollziehung binnen Monatsfrist gegenüber Behörden). Sozialprozessrecht 23
25 Antrag nach 55a SGG - Satzungskontrollantrag Das SGG kannte bislang keine Normenkontrollverfahren. Als Reaktion auf die vielen Klagen wegen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Rahmen des SGB II ( Hartz IV ) und den vielen unangemessenen Unangemessenheitsbestimmungen wurde den Ländern erlaubt, den Kommunen eine Satzungsermächtigung zu erteilen. Bei dem Landessozialgericht kann unbefristet beantragt werden, die Gültigkeit einer KdU-Satzung zu überprüfen. Ggf. stellt das Landessozialgericht die Unwirksamkeit der Satzung allgemein verbindlich fest. Rechtskräftige sozialgerichtliche Entscheidungen bleiben von der Feststellung der Unwirksamkeit unberührt. Antragsbefugt ist jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Anwendung der Satzung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Das Landessozialgericht kann einstweiligen Rechtsschutz gewähren. Andere Rechtsstreitigkeiten können im Hinblick auf Kontrollverfahren ausgesetzt werden. Ob sich die Hoffnung der Kommunen, dass das Bundessozialgericht ihnen im Rahmen der Satzungsermächtigung einen Einschätzungsspielraum zubilligt, bleibt abzuwarten. Sozialprozessrecht 24
26 Kosten Gerichtskostenfreiheit für Sozialleistungsempfänger i.ü. GKG Pauschalgebühr für alle übrigen Kläger und Beklagten SG: 150,-, LSG 225,-, BSG 300,- Außergerichtliche Kosten der Behörden und Körperschaften und Anstalten des öffr sind nicht erstattungsfähig, in Höhe der Betragsrahmengebühren nach dem RVG sind erstattungsfähig. Missbrauchsgebühr bei verschuldeter Vertagung und missbräuchlicher Rechtsverfolgung, nach Hinweis auf die Möglichkeit der Auferlegung. Missbrauchsgebühr bei missbräuchlicher Anfechtungsklage gegen Bescheid wegen Praxisgebühr (Zuzahlung nach 28 IV SGB V). Ermittlungsnachholungsgebühr gegen nachlässige Behörde. Von Amts wegen Kostengrundentscheidung durch Richter. Auf Antrag Kostenfestsetzung durch Rechtspfleger. Sozialprozessrecht 25
27 Ich danke für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit! Sozialprozessrecht
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