100 Jahre Luise Chevalier
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- Susanne Brodbeck
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1 100 Jahre Luise Chevalier Der Name Luise Chevalier ist in Syke mit den Begriffen deutschfranzösische Freundschaft und Partnerschaft mit La Chartre-sur-le Loir verbunden. Seine Trägerin gehörte zu den Pionieren der Bemühungen um eine Aussöhnung mit Frankreich und engagierte sich auch nach Besiegelung der Partnerschaft mit La Chartre bis ins hohe Alter dafür, ihren Mitbürgern die französische Sprache und Kultur nahezubringen. Zur Sicherung dieser Zielsetzung gründete sie schließlich den Deutschfranzösischen Freundeskreis Syke e.v., dessen Vorsitz sie fünf Jahre lang innehatte. Ihr Engagement für die Völkerverständigung beschränkte sich aber nicht nur auf die Beziehungen zu Frankreich, am Ende ihres Wirkens versuchte sie auch, die Aussöhnung mit dem Nachbarland Polen anzustoßen. Luise Chevaliers Leistungen wurde im Laufe ihres Lebens vielfach gewürdigt: 1974 erhält sie das Bundesverdienstkreuz für ihren Einsatz für die Aussöhnung mit Frankreich wird ihr unermüdliches Engagement für die Partnerschaft durch die Ernennung zur Ehrenbürgerin von La Chartre-sur-le-Loir gewürdigt wird ihr für Verdienste um die französische Kultur von der République Française der Orden Palmes académiques verliehen verleiht ihr der polnisch Staat in Anerkennung ihrer Verdienste um die deutsch-polnischen Beziehungen das Offizierskreuz des Verdienstordens der polnischen Republik, einen der höchsten Orden Polens benennt die Stadt Syke eine Straße nach ihrer verdienten Bürgerin (im Rahmen der Feiern zum 30-jährigen Bestehen der Partnerschaft).
2 1993: Ernennung zur Ehrenbürgerin von La Chartre am 20. Jahrestag der Partnerschaft Brigitte Haase (Bürgermeisterin in Syke), Michèle Pissot (Bürgermeisterin in La Chartre), Sabine Sondermann, Luise Chevalier, Joel Girard, Dr Roland Lebrun, Josette Ribot, Martin Erbe Luise Chevalier war eine begeisterte Lehrerin, die sich stets weiterbildete und es bis ins hohe Alter verstand, andere Menschen für die Dinge zu interessieren, die ihr wichtig waren. Aber bis sie diese Berufung ausleben konnte, vergingen fast 40 Jahre, wie die folgende Biographie zeigt: Luise Berta Adelheid Wagner wird am in Zeesen bei Berlin als drittes von vier Kindern eines Lehrers geboren. Sie legt 1934 in Königswusterhausen das Abitur ab, kann danach aber aus finanziellen Gründen viele Jahre lang das angestrebte Pädagogikstudium nicht realisieren, sondern ist als Nachhilfelehrerin und im Haushalt tätig heiratet sie Hans-Georg Chevalier, der Ehe entstammen 6 Kinder, von denen eines bereits 1943 stirbt. Die Familie lebt zunächst in Berlin, wird aber 1943 aus der bombenbedrohten Stadt in den damaligen Warthegau (Teil des besetzten Polen), wo Luise Ch. die Leiden und Demütigungen der polnischen Bevölkerung erlebt.1944 flieht sie mit ihren 5 Kindern unter Lebensgefahr in die Oberpfalz (Bayern), wo sie ihren Mann wiedertrifft. Erst 1947 kann die Familie nach Berlin zurückkehren und wohnt ab 1949 in Ostberlin. Ab September 1950 haben beide Eltern endlich die Möglichkeit, ihren Traum von einem Pädagogikstudium zu realisieren: sie nehmen an der Pädagogischen Hochschule in Berlin (im Ostteil der Stadt) ein Studium als Gewerbelehrer auf; gleichzeitig müssen sie auch schon unterrichten. Neben Studium und Unterricht sind auch noch der Haushalt und die fünf Kinder zu versorgen.
3 Nach dem mit Sehr gut abgeschlossenen Studium (1953) arbeiten beide hauptamtlich als Gewerbelehrer, Luise Ch. arbeitet zusätzlich in der Lehrplankommission des Ministeriums für das Hoch- und Fachschulwesen mit sowie im Deutschen Zentralinstitut für Pädagogik, ab 1954 außerdem im Verlag "Volk und Wissen". Anschließend ist sie Stellvertetende Direktorin in der Technischen Betriebsberufsschule "Bergmann-Borsig". Aber im Laufe der Zeit nehmen Probleme und Schwierigkeiten mit der SED und der ständigen Bevormundung durch das kommunistische System in der DDR zu, die nicht nur die Eltern Chevalier, sondern auch die inzwischen älteren Kinder gefährden. Daher flieht die Familie im Juni 1957 in die Bundesrepublik und findet in Syke eine neue Heimat, wo Hans-Georg Ch. an der Kreisberufsschule als Gewerbelehrer angestellt wird, während Luise zunächst an einer Bremer Grundschule unterrichtet, bevor sie 1960 an die Volksschule Syke wechselt, an der sie bis zu ihrem Ruhestand (1978) wirkt. Luise und Hans-Georg Chevalier bei ihrer Goldenen Hochzeit Luise Ch. und ihr Mann arbeiten sehr bald zusammen mit anderen Syker Bürgern am Aufbau erster Kontakte zu Frankreich mit, die zu einer Versöhnung mit den einstigen Feinden führen sollen. Anfangs (ab 1959) in der Kriegsgräberpflege mit Jugendgruppen, die sie in die Sarthe führt. Es folgen Austauschmaßnahmen für Schüler, Lehrergruppen, Feuerwehren, Lebenshilfe, Gewerkschaften. Wegen ihrer guten Kenntnis des französischen Sprache fungiert Luise Ch. zunächst als Dolmetscherin, bald setzt sie sich auch als Organisatorin ein. Ab 1966 arbeitet sie im Komitee Niedersachsen Normandie in Hannover mit, ab 1972 als Vizepräsidentin. Mit Schulleiter Martin Erbe (auf deutscher Seite) und Josette Ribot (auf französischer Seite) bereitet sie die Schul-Partnerschaft zwischen der Hauptschule Syke und dem Collège Ronsard in La Chartre-sur-le-Loir vor, die bereits 1968 besiegelt wird und immer noch aktiv betrieben wird. Fünf Jahre später, 1973, wird die Städtepartnerschaft zwischen der Stadt Syke und dem Canton La Chartre-sur-le-Loir geschlossen, an der Luise Ch. bis zu ihrem Tode großen Anteil nimmt. Sie arbeitet jahrelang im Partnerschaftskomitee Syke La Chartre mit, um diese Partnerschaft beständig zu fördern.
4 Aus der intensiven Zusammenarbeit mit französischen Partnern werden lebenslange Freundschaften, besonders mit Dr. Roland Lebrun, dem damaligen Bürgermeister von La Chartre, und seiner Frau sowie mit der Lehrerin Josette Ribot. (Dr Lebrun und Jo Ribot sind ihrerseits von der Stadt Syke zu Ehrenbürgern ernannt worden.) In Syke arbeitet die Pädagogin Luise Ch. engagiert daran, ihre Mitbürger für Aussöhnung und Freundschaft mit den Bewohnern des Nachbarlandes gewinnen. Sie richtet ab 1972 kostenlose Französisch-Sprachlehrgänge ein, die gut besucht werden; denn sie weiß, wie wichtig Gespräche für partnerschaftliche Begegnungen und für den Abbau von gegenseitigem Misstrauen sind und dass das gegenseitige Verstehen häufig durch gewaltige Sprachbarrieren verhindert wird. Und die Scheu vor dem fremden Nachbarland will sie abbauen, indem sie Gruppenreisen dorthin organisiert; ab 1979 führt sie alle zwei Jahre Studienreisen durch verschiedene Regionen Frankreichs durch, die ihr Ehemann sorgfältigst vorbereitet. Dabei können die Teilnehmer Frankreich, seine Bewohner und seine Kultur hautnah erleben und auch ihre erworbenen Sprachkenntnisse anwenden schließlich gründet Luise Ch. mit Gleichgesinnten den "Deutschfranzösischen Freundeskreis Syke e.v.", um ihr Lebenswerk, die Arbeit für das gegenseitige Verstehen zwischen Deutschen und Franzosen, auf eine breitere Basis zu stellen und für die Zukunft zu sichern. Dieser Verein widmet sich ausdrücklich nicht nur der Partnerschaft mit La Chartre, sondern will allgemein an der Vertiefung partnerschaftlicher, freund-schaftlicher und kultureller Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich mitwirken. Dazu gehören die Sprachzirkel, die Studienreisen und kulturelle Veranstaltungen verschiedenster Art, die den Sykern französische Lebensart und Kultur nahebringen sollen. Luise Ch. wird zur 1. Vorsitzenden gewählt, ein Amt, das sie 1993 an Ute Krumnack abgibt, um noch mit 80 Jahren auf einem anderen Feld aktiv zu werden:
5 Sie setzt nämlich ihr ganzes Engagement, ihre Erfahrungen und ihre vielfältigen Kontakte im In- und Ausland dafür ein, nun auch Möglichkeiten der Annäherung und der Freundschaft zu Deutschlands Nachbarn im Osten, zu Polen, zu schaffen. Ihre Idealvorstellung war eine Dreier-Partnerschaft zwischen Franzosen, Deutschen und Polen; und es gelang ihr sogar, mit Vertretern dieser drei Völker gemeinsame Reisen durchzuführen - wenn auch ihr Traum von einer Syker Partnerschaft mit der polnischen Stadt Brodnica sich nicht realisierte. Nach der Ordensverleihung mit polnischen Freunden (1998) Ab 1997 muss Luise Ch. ihre Aktivitäten infolge eines unglücklichen Sturzes einstellen und übersiedelt in ein Altenwohnheim. Als sie am stirbt, kommen zu ihrer Beisetzung auch die Freunde aus Frankreich und Polen, die in bewegenden Reden von ihr Abschied nehmen. Und viele Menschen in allen drei Ländern denken mit Dankbarkeit an diese engagierte und liebenswürdige Frau.
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