Einführung in die Finanzmathematik
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- Brigitte Weiss
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1 Einführung in die Finanzmathematik Skript 1 zur Vorlesung von Prof. Dr. Michael Kohler Fachbereich Mathematik Technische Universität Darmstadt Sommersemester 21 1 Dieses Skript basiert auf Skripten von Prof. Dr. Klaus Ritter (TU Darmstadt) und Dr. Nebojsa Todorovic (Universität des Saarlandes). 1
2 1 Einführung Zentraler Begriff dieser Vorlesung: Option Definition 1 (vorläufig): Eine Option gibt dem Käufer das Recht, ein bestimmtes Finanzgut (Basiswert, underlying) bis zu einem zukünftigen Verfallszeitpunkt T (maturity) zu einem vereinbarten Ausübungspreis (AÜP) K (strike price) zu kaufen oder verkaufen. Fragestellungen: 1. fairer Optionspreis (Bewertung, Valuation) 2. Absicherung des Verkäufers der Options (sog. Stillhalters) (hedging) 3. Ausübungsstrategien des Käufers, sofern mehr als ein Ausübungszeitpunkt möglich ist Geschichtliches Anfang 17. Jhd. in Holland: Optionen auf Tulpen 1637: Zusammenbruch des Tulpenmarktes, Optionen geraten in Verruf 18. Jhd. in London: Organisierter Handel mit Optionen 1973: Gründung der Chicago Board Options Exchange Black-Scholes-Formel (explizite Formel zur Optionsbewertung) 199 in Frankfurt: Eröffnung der deutschen Terminbörse (DTB) 1997: Ökonomie-Nobelpreis für Scholes und Merton (Black 1995 ) 1998: Fusion der DTB mit der SOFFEX (Schweizer Terminbörse) zur EUREX Optionen gehören zu den sogenannten Termingeschäften. Kennzeichnend für Termingeschäfte: Zwischen Vertragsabschluss und -erfüllung liegt eine größere Zeitspanne als zur technischen Abwicklung nötig. Termingeschäfte beziehen sich auf Basisgüter (underlying assets) wie z.b.: Waren (agraische und industrielle Rohstoffe), Edelmetalle, Devisen, Wertpapiere,... Termingeschäfte unterscheiden sich hinsichtlich ihres Verpflichtungsgrades: unbedingt (Fixgeschäfte) bedingt (Optionsgeschäft): Hier hat einer der beiden Vertragspartner ein Wahlrecht. 2
3 Arten der Erfüllung: effektive Lieferung oder Differenzzahlung. Gründe für Termingeschäfte: Absicherung anderer Basisgeschäfte vor Preisschwankungen Spekulation ohne zugrunde liegendes Basisgeschäft Als Derivate bezeichnet man abgeleitete Finanzinstrumente. Beispiele für Fixgeschäfte: Forwards: individuelle Verträge, in der Regel effektive Lieferung, kein Börsenhandel, Erfüllungsrisiko. Futures: standardisiert, börsengehandelt, reduziertes Erfüllungsrisiko. Beispiele für Optionen: Definition 1 (endgültig): a) Eine Option gibt dem Käufer das Recht, ein bestimmtes Finanzgut (Basiswert, underlying) bis zu einem zukünftigen Verfallszeitpunkt T (maturity) zu einem vereinbarten Ausübungspreis (AÜP) K (strike price) zu kaufen oder verkaufen. b) Beim Kaufrecht bzw. Verkaufsrecht wird die Option als Call bzw. Put bezeichnet. c) Bei einer europäischen bzw. amerikanischen Option ist die Ausübung der Option nur zum Zeitpunkt T bzw. jederzeit bis einschließlich zum Zeitpunkt T möglich. d) Der Käufer einer Option befindet sich in einer long position, der Verkäufer in einer short position. Bezeichnung: S t = S(t) sei Wert des Basiswertes zum Zeitpunkt t [,T]. Vorgehen bei einem europäischen Call 1. Fall: S T > K: Kaufe Basiswert und verkaufe ihn sofort am Markt. Realisierter Gewinn: S T K 2. Fall: S T K: Lasse die Option verfallen. Realisierter Gewinn: Auszahlungsfunktion zum Zeitpunkt T: C T = max{,s T K} =: (S T K) + (= max{s T,K} K) Vorgeben bei einem europäischen Put 3
4 1. Fall: S T > K : Realisierter Gewinn: 2. Fall: S T K : Realisierter Gewinn: K S T Auszahlungsfunktion zum Zeitpunkt T: P T = (K S T ) + Bezeichnungen: C T bzw. P T ist payoff-funktion (kurz: payoff) von europäischem Call bzw. Put. Payoff-Funktionen a) Europäischer Call: + (S T K) K S T short position b) Europäischer Put: + (K S T) K K S T short position 4
5 Weitere Beispiele von Optionstypen 1. Strangle: Kaufe Put und Call mit gleichem Verfallszeitpunkt T und AÜP K 1 und K 2,K 2 > K 1. Wert von Strangle zum Zeitpunkt T: (K 1 S T ) + +(S T K 2 ) + payoff K 1 K1 K2 S T Käufer eines Strangles erwartet sehr große Kursschwankungen. 2. Straddle: Strangle mit K 1 = K Bull-Spread: payoff K K 2 1 K1 K2 S T Käufer erwartet steigende Kurse des underlyings. 4. Bear-Spread: payoff K K 2 1 K1 K2 S T Käufer erwartet fallende Kurse des underlyings. 5
6 payoff 1 (K 2 K 1) 2 K 1 K K 2 S T 5. Butterfly Spread: Kaufe Call C 1 und Put P 1 mit AÜP K 1 und K 2 ; Verkaufe Call C 2 und Put P 2 jeweils mit AÜP K und K 1 < K < K 2. payoff= C 1 +P 1 C 2 P 2 = (S T K 1 ) + +(K 2 S T ) + (S T K) + (K S T ) + Käufer erwartet stagnierende Kurse um K und nur geringe Schwankungen. Bemerkungen: i) Einfache Calls oder Puts werden auch als Plain Vanilla Optionen bezeichnet. ii) Beispiele 1-5 entsprechen einer Linearkombination von Plain Vanillas. iii) Optionen, die keine Plain Vanillas sind, werden als exotische Optionen bezeichnet. iv) Bei den exotischen Optionen unterscheidet man pfadabhängige und pfadunabhängige Optionen. Beispiele für exotische Optionen 1. Power Optionen, z. B. europäischer Power-Call,S T K payoff = (S T K) α, für S T > K payoff (alpha=2) K S T α = : Cash-or-Nothing-Option α = 1 : Europäischer Call 6
7 In der Regel ist α = 2 und die Auszahlung limitiert, z. B.,S T K payoff = (S T K) 2,K < S T K +M M 2,K +M < S T 2. Asiatische Optionen oder Average-Optionen payoff = 1 T T S τ dτ K + Vorteil: Schutz des Käufers vor Manipulationen des Kurses kurz vor dem Verfallstag. 2 Modellierung von Bondpreisen / Zinsrechnung Definition 2: Ein Bond ist ein risikoloses, festverzinsliches Wertpapier mit Preis b = B() zum Zeitpunkt t = und deterministischem Preis B(t) für alle Zeiten t. Sei r > die Zinsrate pro Zeiteinheit für eine Spareinlage der Größe K. Dann gilt: Guthaben zum Zeitpunkt t = 1 : K +rk = K (1+r). Werden bereits in t = 1/2 Zinsen der Höhe r/2 gutgeschrieben, so werden diese in der Zeitspanne [1/2, 1] mitverzinst Guthaben zum Zeitpunkt t = 1 : ( K + r 2 K) + ( K + r 2 K) r 2 = K (1+ r 2 )2. Analog: Zinszahlungen in t = i, i = 1,...,n (n N) führen zu einem Guthaben von n K(1+ r n )n in t = 1. Interpretiere Grenzübergang n als Zinszahlung in stetiger Zeit, so ist Guthaben in t = 1 : lim n K(1+ r n )n = K e r 1 (= B(1)) allgemein: B(t) = K e rt,t. Es gilt: Bondpreis B(t) bei stetiger Verzinsung mit konstanter Zinsrate r: B(t) = b e rt für t [,T] (2.1) Bemerkungen: Verallgemeinerung von(2.1) durch nicht-konstante, zeitabhängige, integrierbare Zinsrate r(t) B(t) = b e r(s)ds für t [,T]. ( ) 7
8 ( ) löst DGL B (t) = B(t) r(t) für t [,T] mit Anfangsbedingung B() = b. DGL kann als Integralgleichung geschrieben werden: B(t) = b + B(s)r(s)ds, t [,T]. Diskontierung (Abzinsung): Aktueller (d.h. heutiger) Wert eines Kapitals S(t) zur Zeit t >. Bei stetiger Verzinsung mit konstantem Zinssatz r wird dafür das Kapital angesetzt, dass zur heutigen Zeit (d.h. zur Zeit ) in den Bond investiert werden muss, um zur Zeit t das Kapital S(t) zu erhalten: S() = e r t S(t). Diesen Vorgang nennt man (Ab-)Diskontierung und e rt ist der so genannte Diskontierungsfaktor (zum Zeitpunkt ). 3 Arbitragegrenzen Arbitrage: Möglichkeit, ohne Kapiteleinsatz risikolosen Profit zu erzielen. Beispiel: Aktie S kostet an Frankfurter Börse 11 EURO und in New York 1 $. Wechselkurs sei: 1 $ = 1.2 EURO Arbitrage-Strategie: Kaufe Aktie S in New York und verkaufe sie in Frankfurt: = 8 EURO } {{ } Arbitrage Gewinn! Ziel: Schranken für europäische und amerikanische Optionen unter Annahme der Arbitragefreiheit. Annahmen: r konstant zum gleichen Zinssatz kann Geld geliehen sowie angelegt werden (zu jedem Zeitpunkt t [,T]) Aktie kann ohne Gebühren und in beliebiger Stückelung gekauft und verkauft werden, sowie für jeden beliebigen Zeitraum geliehen werden (was einem Aktienleerverkauf entspricht). Arbitragefreiheit 8
9 Satz 1: Sei C A (t) bzw. P A (t) der Preis eines amerikanischen Calls bzw. Puts auf Aktie S mit AÜP K. Für t [,T] gilt: a) (S t K) + C A (t) S t (3.1) b) (K S t ) + P A (t) K (3.2) Beweis: Offensichtliche Schranken: C A (t),p A (t). a) a 1 ) Zeige: (S t K) + C A (t). Angenommen, es gelte: (S t K) + > C A (t). Strategie: Kaufe Option und übe sie sofort aus. Vermögen zum Zeitpunkt t : C A (t)+s t K > Arbitragefreiheit a 2 ) Zeige: C A (t) S t. Angenommen, es gelte C A (t) > S t. Strategie: Verkaufe Call für C A (t), kaufe Aktie für S t, lege C A (t) S t > an zum risikolosen Zinssatz r. 1. Fall: Käufer des Calls übt Option nicht aus. Vermögen zum Zeitpunkt T: (C A (t) S t ) e r(t t) + S }{{} T > Arbitragefreiheit 2. Fall: Käufer übt Option aus. Vermögen zum Zeitpunkt T: (C A (t) S t ) e r(t t) + }{{} K > Arbitragefreiheit b) analog Anmerkung: Für die Preise von amerikanischen und europäischen Optionen auf den gleichen Basiswert mit gleicher Laufzeit und gleichem AÜP gilt: C A (t) C E (t) und P A (t) P E (t), (3.3) nach der Definition dieser Optionen, wobei C E (t) bzw. P E (t) Preis des europäischen Calls bzw. Puts sind. Satz 2: Sei C E (t) bzw. P E (t) der Preis eines europäischen Calls bzw. Puts auf Aktie S mit AÜP K und Verfallszeitpunkt T. Wird auf den Basiswert keine Dividende gezahlt, dann gilt für t [,T]: a) (S t e r(t t) K) + C E (t) S t (3.4) b) (e r(t t) K S t ) + P E (t) K (3.5) 9
10 Beweis: Offensichtliche Schranken: C E (t),p E (t). a) a 1 ) Zeige: C E (t) S t. Folgt aus (3.3) und (3.1). a 2 ) Zeige: (S t e r(t t) K) + C E (t). Angenommen, es gelte: C E (t) < (S t e r(t t) K) + } {{ } > Strategie: Kaufe Call für C E (t), führe Aktienleerverkauf zum Preis S t durch (d. h. leihe Aktie von einem Partner für eine gewisse Zeit aus, verkaufe sie, kaufe sie später wieder zurück und gebe sie dann an Partner zurück), lege S t C E (t) S t C E (t) e r(t t) K > an zum risikolosen Zinssatz r. VerzinstesVermögenint = T : (S t C E (t))e r(t t) > K (folgtmitannahme) 1. Fall: S T > K (t = T) ÜbeCallaus(zumZeitpunktT),kaufeAktiefürK,gleiche(denintgetätigten) Leerverkauf aus. Insgesamt: (S t C E (t))e r(t t) K > 2. Fall: S T K (t = T) Arbitragefreiheit Option nicht ausüben, kaufe Aktie für S T K, gleiche Leerverkauf aus. Insgesamt: (S t C E (t))e r(t t) S T > K S }{{} T > K K = Arbitragefreiheit K b) analog Bemerkung: Mit (3.1), (3.3) und Satz 2 a) folgt (S t e r(t t) K) + C A (t) S t. Satz 3: Sei C A (t) bzw. C E (t) der Preis eines amerikanischen bzw. europäischen Calls auf Aktie S mit gleichem AÜP K >, gleichem Verfallszeitpunkt T und gleicher Zinsrate r >. Wird auf die Aktie keine Dividende gezahlt, dann ist es nicht sinnvoll, die amerikanische Call Option vor ihrem Verfallszeitpunkt T auszuüben, da C A (t) = C E (t) für alle t [,T]. (3.6) Beweis: Mit (3.3) und (3.4) folgt C A (t) C E (t) (S t e r(t t) K) +. (3.7) Es ist nur vorteilhaft amerikanischen Call auszuüben, wenn S t > K. In diesem Falle sowie mit (3.7) und r > folgt (für t < T): C A (t) (S t e r(t t) K) + > (S t K) + = S t K (3.8) 1
11 Preis der Option ist bis Zeitpunkt T immer größer als die Auszahlung S t K. Ausüben des amerikanischen Calls kann nur im Zeitpunkt T vorteilhaft sein. Zahlungen in T sind beim amerikanischen bzw. europäischen Call gleich. Wegen Voraussetzung der Arbitragefreiheit folgt (3.6). Satz 4 (Put-Call-Parität für europäische Optionen): SeiC E (t)bzw.p E (t)derpreiseineseuropäischencallsbzw.putsaufakties mitgleichem AÜP K und gleichem Verfallszeitpunkt T. Wird auf Aktie S keine Dividende gezahlt, dann gilt: C E (t)+ke r(t t) = P E (t)+s t. Beweis: Strategie linke Seite: Kaufe Call und lege Ke r(t t) Geldeinheiten in Bond an. Vermögen in t = T : { (S T K) + K, S T < K +K = S T, S T K Strategie rechte Seite: Kaufe Put und kaufe Aktie. Vermögen in t = T: { (K S T ) + K, S T < K +S T = S T, S T K Strategien haben in t = T gleiches Vermögen. Strategien müssen in t [, T] gleiches Vermögen besitzen, da sonst Arbitragestrategie möglichwäre( Verkaufe teurereundkaufegünstigerestrategie,legepositivedifferenz an). Satz 5 (Put-Call Beziehung für amerikanische Optionen): Sei C A (t) bzw. P A (t) der Preis eines amerikanischen Calls bzw. Puts auf Aktie S mit gleichem AÜP K >, gleicher Zinsrate r > und gleichem Verfallszeitpunkt T. Wird auf Aktie keine Dividende gezahlt, dann gilt für t [,T]: S t K C A (t) P A (t) S t Ke r(t t). Beweis: Siehe übungen Bemerkung: Schranken für Preis von europäischer bzw. amerikanischer Option wurde unabhängig von mathematischer Modellierung des Aktienkurses hergeleitet. 11
12 4 Das Ein-Perioden-Modell Im Folgenden werden einige grundlegenden Eigenschaften stochastischer Finanzmarktmodelle im einfachst möglichen Modell erläutert. Definition 3. Im Ein-Perioden-Modell sind die Preise S j,t (j {1,...,g},t {,1}) von g Basisgütern zu zwei Handleszeitpunkten gegeben, wobei die Preise zur Zeit fest und bekannt sind, d.h. S j, R (j {1,...,g}), während die Preise S j,1 (j {1,...,g}) zur Zeit 1 relle Zufallsvariablen definiert auf einem gemeinsamen W-Raum (Ω, A, P) sind. Wir setzen S = S 1,. und S 1 = S 1,1.. S g, S g,1 Definition 4. Ein Portfolio ist ein Vektor x = x (1). x (g) R g. Hierbei beschreibt die i-te Komponente die (eventuelle nicht ganze bzw. eventuell auch negative) Anzahl vom Basisgut i im Portfolio. Der Wert des Portfolios zur Zeit t ist x T S t = g x (i) S i,t, dabei ist x T S der deterministische Wert des Portfolios zu Beginn der Handelsperiode und x T S 1 der zufällige Wert am Ende der Handelsperiode. Definition 5. Ein Portfolio x heißt risikofrei, falls falls für eine Konstante c R gilt: x T S 1 = c, d.h. der Wert des Portfolios am Ende der Handelsperiode hängt nicht vom Zufall ab. Ist x ein risikofreies Portfolio mit x T S > und x T S 1 = 1, so heißt B 1 = x T S 12
13 Diskontierungsfaktor im Ein-Perioden-Modell (mit zugehörigem Portfolio x). Beispiel: Wir betrachten einen Finanzmarkt, an dem es eine festverzinsliche Anlage und eine Aktie gibt. Die festverzinsliche Anlage wird mit Zinssatz ρ > verzinst. Die Aktie hat zur Zeit t = den Kurs A R + \{} sowie zur Zeit t = 1 den Kurs { u A mit Wahrscheinlichkeit p, A 1 = d A mit Wahrscheinlichkeit 1 p, wobei p (,1) und < d < u. Im Ein-Perioden-Modell beschreiben wir diesen Markt, indem wir einen W-Raum(Ω, A, P) mit Ω = {ω 1,ω 2 },A = P(Ω) und P({ω 1 }) = 1 P({ω 2 }) = p wählen. Sodann definieren wir A 1 : Ω R durch und setzen Hier ist A 1 (ω 1 ) = u A und A 1 (ω 2 ) = d A S = ( 1 A ) x = und S 1 = ( 1 1+ρ ( 1+ρ ein risikoloses Portfolio mit x T S > und x T S 1 = 1, und der zugehörige Diskontierungsfaktor ist B 1 = 1/(1+ρ). Definition 6. Ein Portfolio x heißt Arbitrage (risikoloser Profit), falls ) A 1 x T S =, x T S 1 und P[x T S 1 > ] >. Ein Modell heißt arbitragefrei, falls keine Arbitrage existiert. ). Bemerkung: Diese Annahme ist in der Praxis plausibel, weil die Existenz einer Arbitrage sofort zu Geldanlagen führen würde, die diese Arbitrage solange ausnützen, bis sich die Preise verändert haben. Fortan vorausgesetzt: Existenz eines risikolosen Portfolios mit B 1 = x T S > und x T S 1 = 1. Lemma 1: Ein Modell ist genau dann arbitragefrei, falls kein Portfolio x existiert mit x T S, x T S 1 und P[x T S 1 > x T S ] >. 13
14 Beweis: Siehe Übungen. Lemma 2: Der Diskontierungsfaktor eines arbitragefreien Modells ist eindeutig bestimmt. Beweis:Seienx 1 undx 2 zwei risikofreiesportfoliomitx T i S > undx T i S 1 = 1(i {1,2}) und Dann gilt für z = x 1 xt 1 S x T 2 S x 2: < x T 1 S < x T 2 S. z T S = und z T S 1 = 1 xt 1 S x T 2 S >. Beispiel (Fortsetzung): Im obigem Beispiel zum Ein-Perioden-Modell gilt: Modell arbitragefrei d < 1+ρ < u Begründung: Im Falle d 1 + ρ bekommen wir eine Arbitrage, indem wir Geld zum Aktienkauf leihen. Denn dann ist x = ( A,1) T wegen x T S = A +A =,x T S 1 = A (1+ρ)+A 1 A (1+ρ)+d A und P[x T S 1 > ] P[A 1 = u A ] = p > eine Arbitrage. ImFalleu 1+ρführtmandenBeweis analog,indemmansich eineaktiezurgeldanlage leiht, also z = (A, 1) T setzt. Ist die Bedingung rechts erfüllt, so kann nicht gleichzeitig x T S = und x T S 1 gelten. Definition 7. Ein Claim (Anrecht, Forderung) ist eine reellwertige Zufallsvariable C. Der zugehörige Hedge (das zugehörige Sicherungsgeschäft) ist ein Portfolio x mit x T S 1 = C. Ein Claim heißt absicherbar, falls ein zugehöriger Hedge existiert. Ein Modell heißt vollständig, falls jeder Claim absicherbar ist. 14
15 Beispiel (Fortsetzung): Das Modell aus obigem Beispiel ist vollständig. Begründung: Betrachte einen Claim C und ein Portfolio x = (x 1,x 2 ) T. Dann gilt: x ist Hedge für C x T S 1 (ω i ) = C(ω i ) (i {1,2}). Also ist x genau dann ein Hedge für C, wenn x = (x 1,x 2 ) T Lösung des linearen Gleichungssystems x 1 (1+ρ)+x 2 u A = C(ω 1 ) x 1 (1+ρ)+x 2 d A = C(ω 2 ) ist. Die Determinante dieses LGS ist (1+ρ) d A (1+ρ) u A = (1+ρ) A (d u), womit das LGS für jeden Claim eindeutig lösbar ist. Speziell: Zu einem europäischem Call mit Basispreis K > und Verfallstermin T = 1, d.h. zu C = (A 1 K) +, erhält man mit Hilfe der Cramerschen Regel den Hedge x 1 = (u A K) + d A (d A K) + u A (1+ρ) A (d u) x 2 = (1+ρ) (d A K) + (1+ρ) (u A K) + (1+ρ) A (d u) = (d A K) + u (u A K) + d, (1+ρ) (u d) = (u A K) + (d A K) +. A (u d) Wegen x 1 und x 2 bedeutet dieser Hedge anschaulich: Leihe Geld und kaufe davon die Aktie. Als nächstes wollen wir uns im obigen Modell mit dem fairen Preis eines Hedge befassen. Lemma 3. Ist C ein Claim mit zugehörigem Hedge x, so ist x T S der einzig sinnvolle Preis für den Claim, da jeder andere Preis für C zu einer Arbitrage führt. Beweis. Wird der Claim C zu einem Preis a > x T S verkauft, so führt folgende Strategie zu einer Arbitrage: 15
16 Verkaufe Claim zum Preis a und kaufe den Hedge x zum Preis x T S. Zum Zeitpunkt Null hat man dann den Gewinn a x T S >, den Claim verkauft und das Portfolio x gekauft. Zum Zeitpunkt 1 gleichen sich die Zahlungen aus Portfolio und Claim aus, man hat aber weiterhin den (verzinsten) Gewinn, was einer Arbitrage entspricht. Wird dagegen der Claim C zu einem Preis a < x T S verkauft, so führt folgende Strategie zu einer Arbitrage: Kaufe Claim zum Preis a und führe Leerverkauf des Hedges x (d.h. erwerbe z = x zum Preis z T S = x T S ) durch. Zum Zeitpunkt Null hat man dann den Gewinn x T S a >, den Claim gekauft und das Portfolio x verkauft. Zum Zeitpunkt 1 gleichen sich die Zahlungen aus Portfolio und Claim aus, man hat aber weiterhin den (verzinsten) Gewinn, was wieder einer Arbitrage entspricht. Bemerkung. Der obige Preis des Claims hängt nicht vom gewähltem Hedge ab, da sonst wieder eine Arbitragemöglichkeit besteht (analog). Definition 8. Ist C ein Claim mit Hedge x, so heißt der faire Preis des Claims C. s(c) = x T S Im Beispiel oben: Der faire Preis des europäischem Calls mit Basispreis K > und Verfallstermin T = 1 ist x T S = x 1 1+x 2 A = (d A K) + u (u A K) + d (1+ρ) (u d) + (u A K) + (d A K) +. (u d) Dieser Preis ist z.b. monoton wachsend in A und monoton fallend in K. 5 Stochastische Modellierung eines Aktienkurses in stetiger Zeit, Teil 1 Vorstellung: Aktienkurs ist nicht deterministisch, sondern ergibt sich durch eine zufällige Störung um einen Bondpreis mit anderer Zinsrate b > r (im allgemeinen). 16
17 Hierzu: Betrachte Logarithmus von Bondpreis (2.1). Für Bondpreis folgt aus (2.1) logb(t) = log(b )+r t, d. h. B(t) ist log-linear. Ansatz für Aktienkurs S(t) : logs(t) = log(s )+ b t+ Zufall (S() = s ) Für Zufall soll gelten: i) keine Tendenz, d. h. E(Zufall) = ii) ist von t abhängig iii) stellt die Summe der Abweichungen log(s(t)) (log(s )+ bt) auf t [,T] dar Definiere: Y(t) := log(s(t)) (log(s )+ bt) Aufgrund des zentralen Grenzwertsatzes ist folgende Modellierung sinnvoll: Y(t) N(,σ 2 t). Dabei heißt σ > die Volatilität und ist ein Indikator für die Größe der Schwankungen des Aktienkurses. Zusätzliche sinnvolle Forderung: 1. Y(t) Y(δ) N(,σ 2 (t δ)) für δ (,t), d. h. Varianz der Zuwächse Y(t) Y(δ) hängt nur von Zeitdifferenz t δ ab. 2. Für t 1 < t 2 t 3 < t 4 sind Y(t 4 ) Y(t 3 ),Y(t 2 ) Y(t 1 ) unabhängig. Definition 9: Sei (Ω,F,P) W-Raum. Eine Menge {(X t,f t )} t I, I geordnete Indexmenge, bestehend aus monoton wachsender Folge {F t } t I von σ-algebren F t F - so genannte Filterung - und einer Folge {X t } t I von R d -wertigen ZVn mit X t F t -messbar, heißt stochastischer Prozess mit Filterung {F t } t I. Kurzschreibweise: {X t } t I oder X t. In diesem Fall verwenden wir F t = F(X s : s t). Bemerkungen: 17
18 i) Im Folgenden: I = [, ) oder I = [,T]. ii) Für festes ω Ω wird Menge X. (ω) := {X t (ω)} t I = {X(t,ω)} t I als Funktion der Zeit t interpretiert und als Pfad oder Realisierung des stochastischen Prozesses bezeichnet. Definition 1: Ein reellwertiger stochastischer Prozess {W t } t mit stetigen Pfaden und den Eigenschaften a) W = P-f.s. (d. h. P({ω Ω : W (ω) = }) = 1) b) für alle s < t gilt: (W t W s ) N(,t s) (stationäre Zuwächse) c) für alle r u s < t gilt: (W t W s ) und (W u W r ) sind unabhängig (unabh. Zuwächse) heißt eindimensionale Brownsche Bewegung. Bemerkungen: 1) d-dimensionale Brownsche Bewegung W(t) = (W 1 (t),...,w d (t)) besteht aus d unabhängigen eindimensionalen Brownschen Bewegungen (BB). 2) {W t } t wird auch Wiener Prozess genannt (nach Norbert Wiener, der als erster BB mathematisch beschrieben hat), deshalb Abkürzung W. 3) Nachweis der Existenz des Wiener Prozesses kann durch Grenzwertbildung bei geeigneten einfachen Prozessen erfolgen. Bisheriger Ansatz für Aktienkurs S(t): log(s(t)) = log(s )+ bt+ Zufall (S() = s ) Mit Brownscher Bewegung {W t } t geeigneter Prozess gefunden um Zufall imlog-linearen Ansatz für Aktienkurse zu modellieren. Neuer Ansatz für Aktienkurs S(t): Wähle für Zufall Brownsche Bewegung mit Volatilität σ log(s(t)) = log(s )+ bt+σw t, also S(t) = s e bt+σw t (5.1) 18
19 Da log(s(t)) N(log(s )+ bt,σ 2 t)-verteilt ist, sagt man S(t) ist lognormal-verteilt. Weitere Eigenschaften von (5.1): Lemma 4: Sei b = b+ 1 2 σ2 und sei S(t) wie in (5.1). Dann gilt Beweis: E(S(t)) = s e bt. E(S(t)) = E(s e bt+σw t ) = E(s e (b 1 2 σ2 )t e σwt ) = s e (b 1 2 σ2 )t E(e σwt ) = s e (b 1 2 σ2 )t 1 2πt = s e (b 1 2 σ2 )t 1 2πt e σ2 t 2 = s e (b 1 2 σ2 )t e 1 2 σ2t e σx e (x )2 2t } {{ } dx (da W t N(,t) nach Def. 1b)) =e x2 +2xσt 2t 2t 1 2πt e (x2 2xσt+σ 2 t 2 ) 2t dx e (x σt)2 2t dx } {{ } =1, da Dichte von N(σt,t) verteilter ZV = s e bt 1 2 σ2t e 1 2 σ2t 1 = s e bt. Beachte: Im Beweis wurde gezeigt: E(e σwt ) = e 1 2 σ2t 1 E(e σwt 1 2 σ2t ) = 1 Mit obigem Lemma folgende Interpretation des Aktienkurses: S(t) = s e ( b+ 1 2 σ2 )t e σwt 1 2 σ2 t } {{ },S() = s. ZV mit EW 1 Aktienkurs ist Produkt aus mittlerem Kurs s e ( b+ 1 2 σ2 )t und einer Zufallsvariablen mit EW 1, die die zufällige Schwankung um mittleren Kurs modelliert. Andere Schreibweise: S(t) = s e (b 1 2 σ2 )t+σw t (5.2) Bezeichnung: Einen stochastischen Prozess der Gestalt (5.2) nennt man geometrische Brownsche Bewegung (gbb) mit Drift b und Volatilität σ. 19
20 6 Steilkurs: Bedingte Erwartungen und Martingale Satz 6. Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,A,P). Integrierbare ZV X: (Ω,A,P) (R,B). σ-algebra C A. Dann existiert eine ZV Z : (Ω,A,P) (R,B) mit folgenden Eigenschaften: ( ) Z ist integrierbar und C-B-messbar, ( ) C C XdP = ZdP. C C Z ist eindeutig bis auf die Äquivalenz = Rest C P-f.ü.. Beweis: Folgt aus dem Satz von Radon-Nikodym, vgl. Wahrscheinlichkeitstheorie. Definition 11. Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P). Integrierbare ZV X: (Ω, A, P) (R,B).σ-AlgebraC A.DieÄquivalenzklasse (imoberensinne) der ZVnZ: (Ω,A,P) (R,B) mit ( ) und ( ) oder auch ein Repräsentant dieser Äquivalenzklasse heißt bedingte Erwartung von X bei gegebenem C... E(X C). Häufig wird ein Repräsentant dieser Äquivalenzklasse als eine Version von E(X C) bezeichnet. Achtung E(X C) ist Zufallsvariable / messbare Abbildung! E(X C) ist Vergröberung von X. Beispiele a) C = A...E(X C) = X f.s. (beachte: E(X C) ist reellwertig, daher muss X eventuell auf der Nullmenge [ X = ] abgeändert werden). b) C = {,Ω}...E(X C) = EX (da E(X C) C B-messbar ist, muss hier E(X C) konstant sein, und mit Ω E(X C) dp = EX folgt die Behauptung). c) C = {,B,B c,ω} mit < P(B) < 1. 1 XdP =: E(X B), ω B P(B) B (E(X C))(ω) = 1 XdP, ω B c P(B c ) B c E(X B) heißt bedingter Erwartungswert von X unter der Hypothese B. Begründung Die rechte Seite ist C B-messbar und erfüllt: (Re.S.) dp = = X dp 2
21 B (Re.S.) dp = B B C (Re.S.) dp analog = B C X dp B X dp P(B) dp = = B X dp. B X dp P(B) B 1 dp Ω (Re.S.) dp = B (Re.S.) dp + B C (Re.S.) dp s.o. = B X dp + B C x dp = Ω X dp. Aus obiger Rechnung folgt auch, dass die konstanten Funktionswerte von E(X C) auf B bzw. B C eindeutig sind. Satz 7.Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,A,P).X,X i integrierbar;σ-algebrac A;c,α 1,2 R. a) C C C E(X C)dP = C X dp b) X = c P-f.s. = E(X C) = c f.s. c) X P-f.s. = E(X C) f.s. d) E(α 1 X 1 +α 2 X 2 C) = α 1 E(X 1 C)+α 2 E(X 2 C) f.s. e) X 1 X 2 P-f.s. = E(X 1 C) E(X 2 C) f.s. f) X C-B-messbar = X = E(X C) f.s. g) X integrierbar, Y C-B-messbar, XY integrierbar = E(XY C) = YE(X C) f.s. h) X,X integrierbar, XE(X C) integrierbar = E(XE(X C) C) = E(X C)E(X C) f.s. i) σ-algebra C 1,2 mit C 1 C 2 A, X integrierbar E(E(X C 1 ) C 2 ) = E(X C 1 ) f.s. E(E(X C 2 ) C 1 ) = E(X C 1 ) f.s. Hier f.s.... Rest C P-f.s. bzw. Rest C1 P-f.s. Beweis: a) Folgt unmittelbar aus der Definition. b) Klar, da die Konstante die Messbarkeits- und Integralbedingungen erfüllt. 21
22 c) C C : E(X C) dp = X dp C C (da X P-f.s.) E(X C) f.s. (da E(X C) dp 1 P[ ] E(X C) < 1 n n [E(X C)< 1 n ] also P[E(X C) < ] = lim P[E(X C) < 1] = lim =.) n n n d) Rechte Seite ist C B-messbar, integrierbar und erfüllt für alle C C: (α C 1E(X 1 C)+α 2 E(X 2 C)) dp = α 1 E(X C 1 C) dp +α 2 C E(X 2 C) dp Definition = α 1 X C 1 dp +α 2 C X 2 dp = C (α 2 X 1 +α 2 X 2 ) dp. e) X 1 X 2 P-f.s. X 2 X 1 P-f.s. c) E(X 2 X 1 C) f.s. d) E(X 2 C) E(X 1 C) f.s. f) Klar, da X C B-messbar ist und die Integralbedingung erfüllt. g) Fall I: X und Y Da Y E(X C) C B-messbar ist, genügt es zu zeigen: (1) Y E(X C) integrierbar (2) C C : Y E(X C) dp = X Y dp C C (1) folgt wegen X und Y aus (2). Nachweis von (2): Fall 1: X und Y = χ B für ein B C. Dann gilt für C C: Y E(X C) dp = E(X C) dp C B C = X dp B C (nach Definition der bedingten Erwartung und B C C) = X χ C B dp = X Y dp C Fall 2: X und Y nichtnegativ einfach. Beh. folgt mit Linearität des Integrals aus Fall 1. 22
23 Fall 3: X und Y Behauptung folgt aus Fall 2, indem man Y von unten durch nichtnegative (und C B-messbare) Funktionen appoximiert, den Satz von der monotonen Konvergenz und das Resultat aus Fall 2 anwendet. Fall II: Allgemeine X und Y. E(X Y C) = E(X + Y + X Y + X + Y +X Y C) d) = E(X + Y + C) E(X Y + C) E(X + Y C)+E(X Y C) f.s. = Y + E(X + C) Y + E(X C) Y E(X + C)+Y E(X C) f.s. (nach Fall 3, wobei alle auftretenden Produkte integrierbar sind, da X Y integrierbar ist ) = (Y + Y ) (E(X + C) E(X C)) d) = Y E(X C) f.s. h) Folgt aus g) mit Y = E(X C). i) i 1 ) E(X C 1 ) ist C 1 B-messbar und damit auch C 2 B-messbar. Mit f) folgt die Behauptung. i 2 ) E(X C 1 ) ist C 1 B-messbar, integrierbar, und es gilt für C C 1 : E(X C 1 ) dp Def. = X dp = E(X C 2 ) dp C C wobei die letzte Gleichheit aus C C 2 und der Definition von E(X C 2 ) folgt. C Definition 12. Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P). a) Integrierbare ZV X: (Ω,A,P) (R,B). ZV Y: (Ω,A,P) (Ω,A ). E(X Y) := E(X Y 1 (A ))...bedingte Erwartung von X bei gegeb. Y. } {{ } [kleinste σ-algebra in Ω, bzgl. der Y messbar ist...f(y)( A)] b) Integrierbare ZV X: (Ω,A,P) (R,B). ZVn Y i : (Ω,A,P) (Ω i,a i ) (i I) C( A) sei die kleinste σ-algebra in Ω, bzgl. der alle Y i messbar sind [C = F( i I Y 1 i (A i ))...F(Y i, i I)] E(X (Y i ) i I ) := E(X C)...bedingte Erwartung von X bei gegebenem Y i, i I. 23
24 Bemerkung. Integrierbare ZV X: (Ω,A,P) (R,B). a) σ-algebra C in A (X 1 (B),C) unabhängig = E(X C) = EX f.s. Hierbei heißen (X 1 (B),C) unabhängig, falls für alle Mengen B X 1 (B) und C C gilt: B,C sind unabhängig. b) ZV Y: (Ω,A,P) (Ω,A ) (X,Y) unabhängig E(X Y) = EX f.s. Beweis: a) EX ist als konstante Abbildung C B-messbar, integrierbar und für C C gilt: C X dp = X χ C dp = E(X χ C ) = E(X) E(χ C ) (da X,χ C unabhängig wegen X 1 (B), C unabhängig) = E(X) P(C) = C E(X) dp. b) folgt aus a) mit C = F(Y) = Y 1 (A ) Definition 13. Wahrscheinlichkeitsraum (Ω, A, P). Eine Folge (X n ) n N von integrierbaren ZVn X n : (Ω,A,P) (R,B) heißt bei gegebener monoton wachsender Folge (A n ) n N von σ-algebren A n A mit A n -B-Messbarkeit von X n [wichtiger Fall A n = F(X 1,...,X n ) (n N)] ein Martingal bzgl. (A n ), wenn [d.h. n N n N E(X n+1 A n ) = X n f.s. C A n C X n+1 dp = C X n dp]. Analog für stochastische Prozesse (X t ) t [,T] mit Filterung (F t ) t [,T]. Bemerkung. Ein Martingal (X n ) bzgl. (A n ) ist auch ein Martingal bzgl. (F(X 1,...,X n )). Begründung: Meßbarkeit ist klar.ausf(x 1 ) A 1,F(X 2 ) A 2,...undA 1 A 2... folgt F(X 1,...,X n ) A n, und daher gilt für alle C F(X 1,...X n ): X n+1 dp = X n dp. C C 24
25 Beispiel: Ein Spiel mit zufälligen Gewinnständen X n in R heißt fair, wenn gilt: X n integrierbar, EX 1 = und E(X n+1 X 1,...,X n ) = X n P f.s. für alle n N. Dies ist äquivalent zu EX 1 = und (X n ) n ist Martingal bzgl. F(X 1,...,X n ). Anwendung in der Finanzmathematik: Lemma 5. Ist σ, ist (W t ) t R Wiener Prozess, und ist die zugehörige Filterung (F t ) t R definiert durch F t = F ({ W s : s t }), so ist ( exp ( σ W t 1 2 σ2 t )) t R ein Martingal bzgl. (F t ) t R. Der Aktienkurs S(t) = s e ( b+ 1 2 σ2 )t e σwt 1 2 σ2 t } {{ },S() = s Martingal mit EW 1 ist also Produkt aus mittlerem Kurs s e ( b+ 1 2 σ2 )t und einem Martingal, das die zufällige Schwankung um mittleren Kurs modelliert. Beweis von Lemma 5. Setze X t = exp ( σ W t 1 2 σ2 t ). Sei t > s. Es ist zu zeigen: E(X t F s ) = X s. Mit X t = e σwt σws+σws 1 2 σ2 t = e 1 2 σ2t e σws e σ(wt Ws) folgt: E(X t F s ) = E(e 1 2 σ2t e σws e σ(wt Ws) F s ) = e 1 2 σ2t E(e σws e σ(wt Ws) F s ) = e 1 2 σ2t e σws E(e σ(wt Ws) F s ) (da e σws messbar bzgl. F s = e 1 2 σ2t e σws E(e σ(wt Ws) ) (da unabh. von F s ) = e 1 2 σ2t e σws e 1 2 σ2 (t s) 1 (nach Beweis von Lemma 4) = e σws 1 2 σ2s. 25
26 7 Stochastische Modellierung eines Aktienkurses in stetiger Zeit, Teil 2 Mit geometrischer Brownscher Bewegung (5.2), d.h. mit S(t) = s e (b 1 2 σ2 ) t+σ W t wurde Prozess gefunden, um Aktienkurs bei fester Zinsrate und Volatilität mathematisch zu modellieren. Wünschenswert: Aktienkurs allgemeiner formulieren mit nicht-konstanter, zeitabhängiger, integrierbarer Zinsrate b(t) = b(t) 1 2 σ2 (t) und Volatilität σ(t). Idee: Statt Logarithmus von (5.2) log(s(t)) = log(s )+(b 1 2 σ2 ) t+σw t } {{ } (b 1 2 σ2 )ds schreibe log(s(t)) = log(s )+ (b(s) 1 2 σ2 (s))ds+ σ(s)dw s wobei 1dW s = W t W = W t gelten wird. Nötig: Definition von σ(s)dw s! Berechnung bzw. Definition von σ(s)dw s führt zu dem Begriff des stochastischen Integrals oder auch Itô-Integral. Itô-Integral Zwei (naive) Ideen zur Berechnung von X s (ω)dw s (ω) (t [, )), wobei X s stochastischer Prozess ist. 1. Idee: Berechnung, falls Dichte existiert: X s (ω)dw s (ω) = X s (ω) dw s(ω) ds ds 26
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