Beitrag: Ungerechte Strompreise Verbraucher zahlen wieder drauf
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- Werner Busch
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1 Manuskript Beitrag: Ungerechte Strompreise Verbraucher zahlen wieder drauf Sendung vom 20. November 2012 von Steffen Judzikowski und Hans Koberstein Anmoderation: Irgendwie haben sich die Energieversorger gegen den Verbraucher verschworen. So fühlt es sich jedenfalls an: Strom wird ab Januar so teuer wie noch nie. Versorger schlagen dann durchschnittlich 12 Prozent drauf. Aber ärgern muss man sich erst dann so richtig, wenn man eins kapiert: Lauter florierenden Unternehmen gewährt die Politik Preisvorteile. Angeblich um sie zu schonen. Über ungerechte Stromrechnungen - und fragwürdige Rabatte für die anderen: Steffen Judzikowski und Hans Koberstein. Text: Jan Steinhauer macht eigentlich alles richtig: Immer wenn sein Stromanbieter die Preise erhöhen wollte, wechselte er, entging so bisher jeder Steigerung. Doch diesmal sitzt er in der Strompreisfalle. O-Ton Jan Steinhauer, Strom-Verbraucher: Jetzt habe ich ein Problem: Die Netzgebühren steigen, die Netzanteile steigen, die sind gesetzlich festgeschrieben, ich kann den Netzbetreiber nicht wechseln und bin jetzt in der Situation, dass ich jetzt Preiserhöhungen von über zehn Prozent im Netzgeldanteil schlucken muss. Denn die steigenden Kosten für das Stromnetz treffen jeden Verbraucher. Auf sie rollt eine beispiellose Preissteigerungswelle zu, warnt das Stormpreisportal Verivox. Über 550 Versorger wollen zum 1. Januar die Preise erhöhen. O-Ton Jürgen Scheurer, Verivox: Also, es ist die deutlich höchste Strompreiswelle der letzten Jahre, wir haben durchschnittlich 12 Prozent. In der
2 Vergangenheit waren es mal 6,7 Prozent. Das war der bislang höchste Wert. Wo sind die größten Steigerungen? O-Ton Jürgen Scheurer, Verivox: Die größten Steigerungen haben wir in Berlin, in Hamburg, aber auch in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden- Württemberg. Da haben wir die meisten Erhöher und zum Teil auch die höchsten Erhöhungen. Größter Kostenblock: die sogenannten Netzentgelte. Die muss jeder Verbraucher mit seiner Stromrechnung bezahlen. Sie machen rund 25 Prozent des Strompreises aus und steigen weiter um 8 Prozent und 2013 wird das Netzentgelt noch einmal um 12 Prozent teurer. Denn für die Energiewende muss das Netz ausgebaut werden. Die Kosten werden auf die Verbraucher umgelegt, aber dabei gibt es Gewinner und Verlierer. Die Belastungen sind ungleich verteilt, manche müssen gar nichts bezahlen. O-Ton Jürgen Scheurer, Verivox: Bei den Netzentgelten kommt natürlich erschwerend hinzu, dass wir Befreiungen haben für die energieintensive Industrie und die Umlage dafür hat sich fast verdoppelt und das trägt der Endverbraucher. Und wer sind die Gewinner? Jeder, der viel Strom verbraucht. Wir haben mal alle aufgelistet, die den Rabatt beantragt oder schon bekommen haben: es sind fast 3000 Unternehmen. Die Liste ist 60 Meter lang. Sie alle wollen beim Rabatt-Spiel gewinnen nicht nur die Industrie: die Westdeutsche Spielbanken GmbH, die Aldi-Filialen in vielen deutschen Städten, die Deutsche Rentenversicherung Bund und alle möglichen Kaufhäuser von C&A. Alle angeblich rabattbedürftig. Wir zeigen die Liste Gero Lücking vom Ökostrom-Anbieter Lichtblick. Lücking ist sauer, denn Normalverbraucher müssen
3 mehr bezahlen, die Wirtschaft aber stiehlt sich aus der Verantwortung für die Energiewende. Was heißt das für Ihre Stromkunden? O-Ton Gero Lücking, Lichtblick: Die Zeche hat der kleine Verbraucher, der Haushalt zu bezahlen, das ist nicht gerechtfertigt, und im Grund ist es ich sage es mal salopp eine Schweinerei, dass diese Unternehmen diese gesetzliche Regelung so für sich ausnutzen. Und immer mehr Unternehmen wollen zu den Profiteuren gehören. Etwa die Kreissparkasse Steinfurt, diverse Golf-Clubs außerdem das Bischöfliche Ordinariat Erfurt, das Autohaus Südhannover und der Deutsche Wetterdienst. Absurde Ausnahmen. O Ton Gero Lücking, Lichtblick: Die Regelung war gedacht für Wirtschaft, die im internationalen Wettbewerb steht, diese ganzen Unternehmen - Golfplätze, Bistümer und Justizanstalten - stehen nicht im internationalen Wettbewerb, nachweislich nicht. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler schert das nicht. O-Ton Philipp Rösler, FDP, Bundeswirtschaftsminister am : Der deutsche Wetterdienst ist zwar kein produzierendes Unternehmen in der einen Form, aber ich weiß nicht, ob Sie das wissen, für die Voraussagen von Wetter brauchen sie Rechnerleistung. Das machen sie nicht alles mit Kopfrechnen. Die Logik: Die Kleinen zahlen, Stromfresser bekommen Rabatt. O-Ton Philipp Rösler, FDP, Bundeswirtschaftsminister am : Und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es geht nicht
4 nur darum, energieintensive Unternehmen insgesamt zu entlasten, sondern die gesamte deutsche Wirtschaft. So hat die Bundesregierung die gesamte deutsche Wirtschaft dazu eingeladen, sich vor den Netzentgelten zu drücken. Und wie sehen das die Unternehmer? Wir fragen viele an. Nur einer will sich äußern: Bäckermeister Becker aus Hamburg. Für Becker läuft vieles schief bei der Energiewende, auch die vielen Ausnahmen. Aber als Mittelständler nimmt er mit, was er kriegen kann. Könnten Sie es sich leisten, darauf zu verzichten? O-Ton Peter Becker, Bäckermeister: Wenn es die gesetzliche Möglichkeit nicht gebe, hätte ich es natürlich nicht, aber freiwillig darauf zu verzichten und meine Kunden stärker zu belasten, sehe ich auch nicht ein. Becker spart 3000 Euro im Jahr und gehört damit zu den kleinen Profiteuren. Und dann erst die Großen. Zum Beispiel: die Allianz Deutschland in München Euro spart das Unternehmen Nötig hätte die Allianz solche Geschenke nicht. Denn der Konzerngewinn lag bei 2,8 Milliarden Euro. Noch mehr bekommt der Chemiekonzern Dow geschenkt: 11,9 Millionen Euro. Auch Dow bräuchte das eigentlich nicht: Nettogewinn zuletzt 2,1 Milliarden Euro. Und die Linde-Gruppe freut sich über 3,8 Millionen Euro Rabatt aufs Netzentgelt. Ein Geschenk für den Profit. Der lag zuletzt bei rund 1,2 Milliarden Euro. Klar, dass die Unternehmen auf die schönen Rabatte nicht verzichten wollen. Schriftlich antwortet uns Linde; Zitat:
5 Für die betroffenen Betriebe sind die Entlastungen kein Privileg: Sie dienen nicht dem Profit der Unternehmen, sondern dem Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Noch ein Beispiel: die Technischen Glaswerke im thüringischen Ilmenau. Auf unserer Liste sparen sie 2011 über Euro. Geld, das die örtlichen Stadtwerke allen anderen Kunden in Rechnung stellen. O-Ton Prof. Thomas Mayen, Rechtsanwalt Stadtwerke Ilmenau: Das bedeutet zunächst mal unmittelbar, dass die Erlöse aus den Netzentgelten, die normalerweise die Stadtwerke vereinnahmen könnten, den Stadtwerken entgehen und in dem konkreten Fall hier hat das zur Folge, dass sämtliche anderen Netzkunden der Stadtwerke Ilmenau mit dem Kostenblock aus diesen entgangenen Einnahmen belastet werden. Ein Betrieb spart und alle übrigen im Ort müssen dafür zahlen. Diese Umverteilung ist ungerecht, sagt Thomas Mayen und klagt dagegen im Auftrag der Stadtwerke kosten alle Ausnahmen zusammen 440 Millionen Euro. Nächstes Jahr werden es voraussichtlich fast doppelt so viel sein: 805 Millionen Euro. Und das alles zu Lasten der kleinen Verbraucher. Wir zeigen die ausufernde Liste der Ausnahmen dem Präsidenten der Bundesnetzagentur. Seine Behörde bewilligt die Rabatte. Auch den Aufsehern fällt inzwischen die Flut der Anträge unangenehm auf. Jetzt wollen sie doch mal genauer hinschauen. O-Ton Jochen Homann, Präsident Bundesnetzagentur: Wir als Bundesnetzagentur, die wir ja dann die Genehmigung aussprechen oder auch nicht, sind im Moment dabei noch mal zu durchforsten, die Kriterien, und die Kriterien noch mal schärfer zu fassen, um eben bestimmte Fälle auszuschließen, und da mag dann der Golfclub am Ende dazugehören. Aber sicher können Sie das nicht sagen?
6 O-Ton Jochen Homann, Präsident Bundesnetzagentur: Die Arbeit läuft ja noch, wir müssen ja die Kriterien erst mal definieren, aber es ist die klare Absicht, dort etwas restriktiver zu sein, als das in der Vergangenheit gewesen ist. O-Ton Bärbel Höhn, B 90/ Grüne, MdB, Verbraucherpolitische Sprecherin: Das finde ich sehr ungewöhnlich, dass die Bundesnetzagentur jetzt sagt, sie will jetzt strenger prüfen - heißt das, dass sie in der Vergangenheit nicht streng genug geprüft hat? Hat jeder da eine Ausnahme bekommen? Der entscheidende Punkt ist doch, dass man diese unmöglichen Ausnahmeregelungen endlich zurücknimmt. O-Ton Jan Steinhauer, Strom-Verbraucher: Ja, es ärgert mich. Es ärgert mich kolossal, dass hier Firmen draufstehen, wo ich mich frage, warum kriegen die hier einen Preis geschenkt und wir Verbraucher wieder nicht. So bleiben die Netzentgelte vor allem bei Verbrauchen wie Jan Steinhauer hängen der Bundesregierung sei Dank. Abmoderation: Fast die Hälfte aller Deutschen hat noch nie den Stromversorger gewechselt. Und zahlt deshalb teure Grundtarife. Dabei kann Wechseln bis zu 400 Euro jährlich sparen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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