1% für die Zukunft. Innovation zum Erfolg bringen. Deutscher Biotechnologie-Report 2014

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2 Impressum Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung von Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger oder einem anderen Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Sys teme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Wiedergabe von Gebrauchs- und Handelsnamen sowie Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten, die im Rahmen einer Primärdatenerhebung sowie Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in diesem Report wiedergegebenen qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit hoher Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt der Herausgeber keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der An-gaben. Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Theodor-Heuss-Anlage 2, Mannheim April 2014 Layout und Produktion: magenta Kommunikation, Design und Neue Medien GmbH & Co. KG, Mannheim

3 Inhalt Vorwort 2 Perspektive 4 Wachrütteln! 5 Alignment Erfolgsfaktor für Biotech im Partnering-Modus 8 Alignment Erfolgsfaktor für Biotech-Finanzierung 18 Alignment Erfolgsfaktor für Open Innovation und Clusternetzwerke 19 1% für die Zukunft Der Bedarf: Wiederbelebung der Kapitalnahrungskette 20 1% für die Zukunft Das Modell 23 1% für die Zukunft Das Potenzial: Heal, Fuel and Feed the World 30 Kennzahlen 34 Potenzial vorhanden Call to Action 35 Zahlen und Fakten Deutschland 38 Finanzierung 40 Hot Topic: IPO 41 Zahlen und Fakten Deutschland 46 Zahlen und Fakten Europa 51 Zahlen und Fakten USA 58 Transaktionen 60 Technologieplattformen weiter im Aufwind 61 Zahlen und Fakten Deutschland 64 Zahlen und Fakten International 68 Produkte 72 Innovative Technologieplattformen auf dem Vormarsch 73 Neugründungen mit innovativen Ideen 78 Zahlen und Fakten Deutschland 80 Zahlen und Fakten Europa 82 Biotech-Standort Deutschland 84 Neues Spiel, neues Glück? 85 BioRegionen mit Best Practice in der Personalisierten Medizin 87 Danksagung 93 Anhang 94 Methodik und Definitionen 94

4 Vorwort Von der positiven Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage weltweit kann die Biotech-Branche hierzulande nicht entsprechend profitieren. In unserer letztjährigen Studie war deshalb unter dem Titel Umdenken gefordert worden, dass die Bedeutung des Sektors für die Zukunft gerade auch der deutschen Volkswirtschaft neu zu bedenken sei. Da allerdings in der bisherigen Rückschau wirkliche Erfolgsstorys hierzulande zu selten waren, ist das Bild des Innovationsmotors für die Zukunft immer noch schwer nachzuvollziehen. Die Folge ist die inzwischen chronisch ausgeprägte Unterfinanzierung der Unternehmen. Dies zwingt sie zu drastischen Sparmaßnahmen und zu opportunistischen Geschäftsmodellen für das reine Überleben. Die optimale Nutzung von eigentlich vorhandenen Wertschöpfungspotenzialen bleibt auf der Strecke. Diese Entwicklung ist volkswirtschaftlich sehr bedenklich. Vor dem Hintergrund enormer und richtiger Investitionen des Staates in die akademische Forschung kann dies nicht weiter akzeptiert werden. Vielmehr zwingt die volkswirtschaftliche Betrachtung zur besseren wirtschaftlichen Nutzung des Potenzials durch Schaffung von Rahmenbedingungen für eine optimierte Wertschöpfung. Dr. Siegfried Bialojan Diese Situation wiegt umso schwerer, als gerade hinsichtlich der Finanzierung die Kapitalmärkte in den USA eine fulminante Wiederbelebung erfahren, Investoren wieder große Summen in den Sektor stecken und damit den Unternehmen erlauben, die Wertschöpfung aus Biotech-Aktivitäten weiter zu steigern. Mit Blick auf diese immer weiter auseinanderklaffende Lücke macht es allerdings wenig Sinn, ständig mit Neid über den Teich zu schauen und zu hoffen, dass der Aufschwung dort mit einem gewissen Automatismus zeitversetzt auch in Europa und Deutschland ankommt. Aufgrund der inzwischen über einige Jahre erfolgten Anpassungen an den Überlebensmodus ist die Vergleichbarkeit der Sektoren und der sie tragenden Unternehmen fragwürdig. Hinzu kommen fundamentale Unterschiede vor allem in der Bedeutung und Mobilisierbarkeit privaten Kapitals, die ebenfalls ein Kopieren des US-Modells erschweren.

5 Als Konsequenz ist ein eigener Ansatz für Biotech in Deutschland gefragt, der sowohl das unbestritten vorhandene hohe Innovationspotenzial der Unternehmen aufgreift als auch Rahmenbedingungen schafft, damit privates Kapital für den Sektor mobilisiert werden kann. Mit dem Titel des aktuellen Deutschen Biotechnologie-Reports 1% für die Zukunft Innovation zum Erfolg bringen wird genau diese Forderung nach einem Biotech-Modell für Deutschland explizit zum Ausdruck gebracht. Im Kern der Überlegungen steht die Forderung an den Staat, Innovation nicht nur im Bereich der Forschung zu parken und dies durch immer neue und teure Förderprogramme weiter zu untermauern. Wichtiger ist, Innovationen auch in den Markt zu bringen, damit sie den volkswirtschaftlichen Zweck der Innovationsförderung erfüllen können. Dazu sind Förderprogramme als Instrumente nicht geeignet. Es bedarf vielmehr effektiver Maßnahmen, die die Mobilisierung privaten Kapitals für die Finanzierung der typischen HighTech / HighRisk-Geschäfte von Biotech-Unternehmen bewirken. Das im Detail beschriebene Modell bringt mit vertretbarem Aufwand für alle Beteiligten Vorteile: Der Staat profitiert von neuem Wirtschaftswachstum, Investoren erhalten die seit langem geforderten Anreize zur Etablierung neuer Eigenkapitalfonds und Unternehmen kommen aus der Finanzierungsfalle heraus. Unser globaler Biotechnologie-Report Beyond borders vertieft in diesem Jahr das Thema der notwendigen Kapitaleffizienz weiter und adressiert Maßnahmen der Effizienzsteigerung wie Biomarker und Companion Diagnostics sowie adaptive klinische Studien-Designs. In unserer alljährlichen Publikation Pulse of the industry werden Wege zur Aufrechterhaltung der Innovationskraft im Medizintechnik-Sektor vor dem Hintergrund limitierter finanzieller Ressourcen, neuer regulatorischer Herausforderungen und der stärkeren Berücksichtigung einer wertbasierten Gesundheitsversorgung diskutiert. Schließlich adressieren wir im neuen globalen Pharma-Report Progressions die Herausforderung für Pharma-Unternehmen, ihre Interaktion mit den Kostenträgern als wichtigen Kunden neu zu überdenken. Vor dem Hintergrund einer wertbasierten Gesundheitsversorgung und einem stärkeren Fokus auf der Erstattungsfähigkeit erlangt dieses Thema immer mehr Bedeutung. Das Zusammenwirken aller Disziplinen der Life-Science-Industrie zu verstehen, wird zu einer unabdingbaren Kernkompetenz für den Aufbau des patientenorientierten Gesundheitssystems der Zukunft. Die gedankliche Auseinandersetzung mit diesen Zusammenhängen, unzählige Gespräche mit allen Beteiligten sowie ein fundiertes Wissen der Fakten schaffen eine solide Basis für eine Beratungsexpertise, die wir unseren Kunden im gesamten Life-Science- Bereich zur Verfügung stellen. Mit diesem Vorausblick hoffe ich, dass Ihnen die vorliegende Studie hilfreiche Anregungen liefert und würde mich freuen, darüber hinaus den Dialog mit Ihnen fortsetzen zu dürfen. Beyond borders Biotechnology industry report Pulse of the industry Medical technology report Progressions Global Pharmaceutical Report Dr. Siegfried Bialojan EY Life Science Center Mannheim Das PDF der Studie finden Sie unter

6 Perspektive 4 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

7 Wachrütteln! Klettertour Umdenken der Titel im letzten Jahr forderte erstmals eine andere Sicht auf die Rolle der Biotechnologie: unverzichtbare Technologiebasis und zukünftiger Innovationsmotor in einer Welt der Biologisierung. Damit sollte im Wesentlichen das Potenzial der Biotechnologie weiter in den Vordergrund gerückt und die gesellschaftliche Anerkennung gezielt gestärkt werden. Es ging auch darum, vor diesem zukunftsträchtigen Hintergrund die besondere Relevanz gerade für die deutsche Volkswirtschaft zu adressieren, die Notwendigkeit für entsprechende Rahmenbedingungen herauszustellen und deren Verbesserung zu forcieren. Wenngleich die neue Rollenbeschreibung absolut zutreffend und höchst relevant ist, so muss dennoch eingeräumt werden, dass der Umdenkansatz mit Blick auf die aktuelle Lage der Biotechnologiebranche in Deutschland ein Versuch ist, das Beste aus der Not zu machen. Die Biotech-Unternehmen in Deutschland und Europa passen sich demnach weiter den nach wie vor katastrophalen Finanzierungsgegebenheiten an. Als relativ gesehen besser aufgestellt erweisen sich deshalb Unternehmen mit produktgenerierenden Technologieplattformen, wie im Detail im letztjährigen Report beschrieben. Dabei zeigt sich als positive Konsequenz dieser Positionierung einerseits eine größere Flexibilität durch den möglichen Geschäftsmodell-Mix (Service, Partnering, Produktvermarktung). Andererseits ergibt sich daraus für die Unternehmen die Perspektive, eigene Produkte bis zur Markteinführung zu entwickeln, um zumindest zeitverzögert, sozusagen sequenziell, diesen lukrativsten Teil der Pharma-Wertschöpfungskette realisieren zu können. Doch dieser Weg, den viele Unternehmen beschreiten müssen, um das Gipfelkreuz zu erreichen, gleicht einer beschwerlichen Klettertour, bei der es viele Hindernisse zu überwinden gilt. Zwischen diesen beiden Betrachtungsweisen Biotech als innovativer Technologielieferant mit grandioser Zukunft oder aber als chronisch unterfinanzierte Branche im Überlebenskampf klafft eine große Lücke, die auf Dauer nicht hinnehmbar ist. Die erzwungene, zunehmende Einnistung der Unternehmen in Service- und Partnering- Modellen, sowie die fast schon schicksalsergebene Akzeptanz einer allenfalls zeitverzögerten Wertschöpfungsoptimierung haben einen signifikanten Wertverlust zur Folge, der volkswirtschaftlich durchaus relevant ist. Hinzu kommen teure Förderprogramme in die exzellente akademische Forschung, deren Früchte in Form von kommerzieller Wertschöpfung immer häufiger in Märkten außerhalb Deutschlands geerntet werden. Insbesondere für eine auf Innovation und Brainpower basierte Volkswirtschaft wie Deutschland muss diese Situation ein lautes Alarmsignal sein. Wenn Deutschland im Bereich der Lebenswissenschaften rund um Nahrungsmittel, Energie und innovative Medikamente eine Rolle spielen möchte, ist ein radikaleres Umdenken, ein Wachrütteln gefordert: nicht punktuelle Maßnahmen, um die Überlebensstrategie weiter zu sichern, sondern effektive Ansätze zur Beschleunigung der Klettertour und ein grundsätzliches Nachdenken über neue Instrumentarien und politische Rahmenbedingungen, damit am Ende die desolate Finanzierungssituation von innovativen Hightech-Unternehmen wieder verbessert werden kann. Es ist bekannt, wie hoch der Finanzierungsbedarf einer erfolgreichen Biotech-Industrie ist, die innovative Produkte bis zur Marktreife bringt. An den Finanzierungsvolumina, die beispielsweise in den USA aufgerufen werden, ist abzulesen, welche Summen konkret benötigt werden. Hierbei ist nicht nur die absolute Summe entscheidend, sondern vielmehr die strukturierte und nachhaltige an Erfolg gekoppelte Versorgung der Unternehmen mit Kapital. Es bedarf einer funktionierenden Kapitalnahrungskette. Im oben angeführten Bild der Klettertour lassen sich die denkbaren Ansätze anschaulich darstellen. Warten im Basislager auf Nachschub und besseres Wetter Diese Haltung charakterisiert am ehesten die gegenwärtige Lage der Biotech-Branche in Deutschland und Europa insgesamt. Die Nahrungskette der Finanzierung für Biotech ist sowohl im Bereich der privaten Unternehmen als auch am Kapitalmarkt fast zum Erliegen gekommen. Beide Elemente bedingen sich gegenseitig. Unternehmen haben, um das Überleben zu sichern, ihr Geschäftsmodell zwangsweise hin zu mehr Dienstleistungen modifiziert. Im Biotechnologiebereich wecken solche Geschäftsmodelle nicht unbedingt das Interesse von Investoren, weder aus dem VC-Segment noch am Kapitalmarkt als potenzielle IPO-Kandidaten. Diese Unternehmen profitieren allenfalls vom Outsourcing-Trend großer Life-Science-Firmen, die Teile der Wertschöpfungskette extern in Auftrag geben. Hierbei ist ein Dienstleistungsmarkt entstanden, der von Biotech besetzt wird. Allerdings tragen in diesem Modell vor allem Technologiezulieferer trotz geringer Marge das Risiko, mit immer schnelleren Technologieentwicklungen Schritt halten zu müssen. Grundsätzlich ist die Existenz von reinen Service-Unternehmen nicht zu kritisieren und es ist unbestritten, dass wir in Deutschland eine signifikante Zahl von Beispielen haben, die erfolgreich auf dem Weltmarkt operieren. Für solche Service-Unternehmen allerdings, die durch eigene Produktentwicklungen bis in den Markt ihre Technologien deutlich besser nutzen könnten, stellt die erzwungene Akzeptanz der Dienstleisteroption einen klaren Wertschöpfungsnachteil bei gleichzeitig signifikantem unternehmerischem Risiko dar. Da zudem viele dieser Unternehmen während ihrer Seed- und ersten Entwicklungsphase mit Fördergeldern auf den Weg gebracht wurden, erscheint der Wertschöpfungsverlust auch in volkswirtschaftlicher Hinsicht relevant. Perspektive 5

8 Schneller aufsteigen Wenn schon Unternehmen aufgrund der miserablen Finanzierungslage nur schrittweise und zeitverzögert bis zur optimalen Wertschöpfung vorankommen können, so gilt es, diesen Weg nach Möglichkeit wenigstens zu beschleunigen. Dies erfordert in erster Linie striktes Alignment darunter ist die optimale Abstimmung, die Synchronisation mit Partnern zu verstehen. Dies bezieht sich zum einen auf die Synchronisation von Partnern in Transaktionen. Trotz der immer wichtiger werdenden Allianzen als Wertschöpfungsschub und Finanzierungskomponente gestalten sich die Verhandlungen mit Transaktionspartnern meist langwierig und zäh, weil die inhaltlichen Anforderungen und Erwartungen oft zu weit auseinander liegen und das Thema Alignment zu spät bedacht wird. Alignment bezieht ebenso die spezifische Synchronisation von Geschäftsplan und Kriterien der Investoren mit ein; auch hier liegen Erwartungen und Ist-Zustand oftmals weit auseinander. Schließlich spielt Alignment die Hauptrolle in den immer wichtiger werdenden Netzwerken und Clustern, die gemeinsam komplexe Themen angehen. Wenn also im Rahmen der zuvor beschriebenen zeitverzögerten und sequenziellen Abfolge von Geschäftsmodellen bis zur eigenen Marktpräsenz Verbesserungen ansetzen sollen, dann ist Alignment der entscheidende Erfolgsfaktor. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Thema Alignment folgt im nächsten Abschnitt.» Innovation kann man nicht einfach im Forschungsministerium parken und als Erfolg verbuchen, nur weil die Ergebnisse kostspieliger Förderprogramme in wissenschaftlichen Publikationen hochgelobt werden. «Ein neuer Weg: Im Speed Lift an die Spitze Die Hinnahme der aktuellen Gegebenheiten bedeutet nicht nur einen Verzicht auf signifikante Wertschöpfung durch ineffektives und ineffizientes Ausschöpfen des Potenzials der hervorragenden akademischen Forschung in Deutschland. Vielmehr stellt es auch die Sinnhaftigkeit der massiven Forschungsförderung in Deutschland aus volkswirtschaftlicher Sicht in Frage. Neben der rein volkswirtschaftlichen Betrachtung ist mit Bezug auf den medizinischen Bereich der Biotechnologie auch die Verantwortung für Patienten zu sehen, denen man innovative Entwicklungen und Therapieoptionen vorenthält. Innovation kann man nicht einfach im Forschungsministerium parken und als Erfolg verbuchen, nur weil die Ergebnisse kostspieliger Förderprogramme in wissenschaftlichen Publikationen hochgelobt werden. Einen Automatismus zu erwarten, demzufolge sich die kommerzielle Seite von selbst die innovativen Ideen pickt und aktiv vorantreibt, ist ebenfalls Illusion. Demzufolge ist es explizit Aufgabe der Politik, im Rahmen einer konsequenten Innovationsstrategie das Gesamtbild im Auge zu behalten und den nachhaltigen Innovationserfolg anhand tatsächlicher Wertschöpfung am Markt zu messen. Dies bedeutet, dass die Verantwortung für eine erfolgreiche Innovationspolitik darin besteht, den kompletten Innovationsprozess von der Forschung bis in den Markt mit jeweils geeigneten Maßnahmen zu begleiten. Für die kommerzielle Seite stellen offensichtlich die gegebenen Rahmenbedingungen erhebliche Hindernisse dar. Dies betrifft vor allem die Kapitalknappheit für risikobehaftete, langwierige Entwicklungen im Biotech-Sektor. Das Fehlen von Kapital steht dabei in einem krassen Missverhältnis zu dem tatsächlich vorhandenen privaten Vermögen in einer der erfolgreichsten Volkswirtschaften der Welt. Alle Lobbyaktivitäten waren mit ihren Forderungen nach Steuererleichterungen für Unternehmen und Investoren bislang mehr oder minder erfolglos. Meist waren die mangelnde Vereinbarkeit von Subventionen mit EU-Recht bzw. die Einschränkungen für KMU entscheidende Gründe für die letztendlich nicht erfolgreiche Weiterverfolgung auf der politischen Ebene. Vielleicht vielfach auch die nicht ausreichende Kohärenz der unterschiedlichen Ministerien hinter dem gemeinsamen Ziel der richtigen Innovationsförderung von der Forschung bis zum Markt? 6 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

9 Hier muss ein grundsätzlich neuer Weg beschritten werden, der sich zum Ziel setzt, Kapitalanlagen in besonders risikoreiche und langwierige Geschäfte zu incentivieren anstatt sie gerade aufgrund der Risikokomponente zu verbieten. Es geht darum, die unterbrochene Kapitalnahrungskette wieder zu beleben und nachhaltig zu sichern. Um dies zu erreichen, ist ein neues Konzept von Nöten. Dieses beinhaltet als Grundidee die Forderung: 1% für die Zukunft der Innovation in Deutschland Dahinter steht die Möglichkeit, bis maximal 1% des Vermögens sowohl von institutionellen Investoren wie z. B. Banken und Versicherungen als auch von privaten Kleinanlegern zu mobilisieren und speziell in HighTech / HighRisk-Anlagen zu investieren. Das nachfolgende im Detail ausgeführte Konzept sieht dafür ein neues Steuerbefreiungsmodell vor, für dessen volkswirtschaftliche Relevanz vor allem die zukünftige Rolle von Hightech (mit Biotech an der Front) als Innovations- und Wertschöpfungstreiber im Vordergrund steht. Gebirge mit vielen Gipfeln Ein wesentliches Argument für die stärkere Gewichtung der Biotechnologie, sowohl in der Gesellschaft als auch in der politischen Diskussion, ist die wachsende Biologisierung vieler Industriebereiche. Biotech hat inzwischen Klettertouren auf viele Gipfel im Programm; Best-Practice-Beispiele als Beleg für die Erstbesteigungen liegen vor. Dies war bereits im letztjährigen Bericht qualitativ beschrieben worden. Eine quantitative Betrachtung unter Einbeziehung des Biotechnologieanteils am Wertschöpfungsprozess dieser Industrien steht aus. Gerade aber als Begründung für neue Wege in der Finanzierung von Bio-Technologien ist es erforderlich, hier realistische Zahlendimensionen aufzuzeigen. Biotech kann nicht weiter als eine kleine, innovative Branche von Start-ups charakterisiert werden, die nur in den seltensten Fällen den Status von signifikanten Wirtschaftsunternehmen mit gesellschaftlicher Wahrnehmung als Teil einer Schlüsselindustrie erreichen. Die Charakterisierung als Querschnitts- und Schlüsseltechnologie mit Anwendungen in vielen der großen Industrien gibt die Bedeutung für die Gesellschaft der Zukunft deutlich besser wieder. Daraus lässt sich auch eine plausiblere Rationale für ein aktiveres politisches Engagement für den Hightech-Bereich untermauern. Perspektive 7

10 Alignment Erfolgsfaktor für Biotech im Partnering-Modus Erfolgsfaktor Transaktionen Die Rückbesinnung der Biotechnologie auf ursprüngliche Stärken im Bereich der Bio- Technologien war im Report 2013 im Detail beschrieben worden. Als Konsequenz aus dieser Entwicklung ergab sich einerseits eine größere Flexibilität hinsichtlich der Wahl des Geschäftsmodells. Die Vielzahl positiver Best-Practice-Beispiele für erfolgreiche Transaktionen basierend auf innovativen Technologieplattformen führten andererseits zur Definition eines neuen Erfolgsfaktors für diese Aufstellung: Der Markt würdigt innovative Technologieplattformen mittels entsprechend lukrativer Transaktionen, die somit zum wichtigsten Erfolgsfaktor aufsteigen. Trotz der herausragenden Beispiele im Bereich der Top-Allianzen ist festzustellen, dass hinsichtlich der Gesamtzahl an Allianzen kein signifikanter Durchbruch erfolgt ist, der die zunehmende Ausrichtung auf Technologieplattformen reflektiert hätte. In einer Befragung wurden Biotech-Firmen in Europa und den USA konkret auf ihre Erfahrungen mit dem Thema Alignment im Rahmen von Allianzen angesprochen. Als die drei wichtigsten Allianzbremser wurden von den Befragten erwartungsgemäß Verhaltensweisen der großen Partner (Strategie- und Prioritätenwechsel; Sensitivität hinsichtlich Risiko) herausgestellt sowie natürlich die mit der unzureichenden Kapitalausstattung verbundene schwache Verhandlungsposition seitens Biotech. Hierin wird ersichtlich, dass die Schuld für ineffizientes Deal Making insbesondere beim Deal-Partner oder äußeren Umständen gesehen wird und weniger in Faktoren, die der Unternehmer selbst beeinflussen kann. An zweiter Stelle steht die Interaktion der Menschen, die aus verschiedenen Unternehmenskulturen kommen und oft nicht kompatibel sind oder ungenügend Vertrauen zueinander haben. Nicht zuletzt spielen auch prozessuale Aspekte eine wichtige Rolle. Hinsichtlich einer Beschleunigung der Prozesse hin zu einer optimalen Wertschöpfung im Markt beinhaltet der Erfolgsfaktor Transaktionen insbesondere eine effizientere Umsetzung durch optimiertes Alignment mit den Partnern. Alignment bei Allianzen Die Erfahrung aus vielen Transaktionsverhandlungen zwischen Biotech- und anderen Industriepartnern zeigt, dass hier oft sehr unterschiedliche Welten aufeinandertreffen und deshalb das Zusammenbringen (Alignment) der unterschiedlichen Vorstellungen eine vielschichtige und komplexe Aufgabe darstellt. Folgende Aspekte gilt es aufeinander abzustimmen: Zeitfenster Einer der kritischsten Faktoren ist das geeignete Zeitfenster für gegebene Themen und Deal-Vorstellungen. Wie Karsten Henco in seinem Beitrag schreibt, war es bei den meisten der bisherigen Deals seiner Portfoliofirmen am wichtigsten, das richtige Timing für die Verhandlung mit Partnern zu erwischen (s. Artikel von K. Henco). Gerade in unserer schnelllebigen Zeit mit hoher Dynamik in der Technologie- und Themenentwicklung können verpasste Zeitfenster das Auslassen lukrativer Chancen bedeuten. Insofern ist das richtige Gespür für relevante Zeitfenster als Kernkompetenz guter Dealmaker zu benennen. Paradebeispiele hierfür sind gerade in der Historie der Der Großteil der Befragten empfindet die genannten Faktoren als Allianzbremser Biotech-Unternehmen, international (n = 427) Strategie- und Prioritätenwechsel 33 % 56 % 11 % 0 % Risikoaversität eines Partners 30 % 54 % 15 % 0 % Fehlende Verhandlungsmacht aufgrund von Kapitalmangel 33 % 48% 18 % 1 % Inkompatibilität zwischen beteiligten Personen 28 % 52 % 19 % 2 % Nichterfüllung vereinbarter Ziele 21 % 55 % 23% 1 % Mühsame und lange Verhandlungen 26 % 47 % 26% 1 % Mangelndes Vertrauen zwischen den Partnern 23 % 48 % 26 % 2 % Mangel an Koordination 15 % 46 % 35 % 3 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Trifft voll zu Trifft zu Trifft weniger zu Trifft nicht zu Quelle: EY Befragung von Biotech-Unternehmen, international 8 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

11 » Die zeitlichen Oppurtunitätsfenster, eine neue Technologie oder einen medizinischen Wirkstoffkandidaten zu einem attraktiven Preis zu verkaufen, sind selten größer als zwei Jahre, tendenziell eher kürzer. «Dr. Karsten Henco, HS LifeSciences GmbH Pharma-Unternehmen haben routinemäßig deutlich umfangreichere Testprogramme in Forschung und Präklinik, um die wissenschaftlichen Hypothesen bestmöglich zu prüfen und dadurch eine bessere Chancenund Risikoeinschätzung zu erhalten. Mit diesem Umfang können Biotech-Unternehmen schon aufgrund der finanziellen Limitationen nur selten mithalten. Dies erschwert die Verhandlungen, erfordert umfangreiches Nacharbeiten auf Pharma-Seite und drückt schließlich deswegen auch die Preise. Die logische Konsequenz im Sinne der Effizienzoptimierung wäre ein deutlich früheres Einsteigen von Pharma-Unternehmen, um die entsprechenden Anforderungen bereits rechtzeitig einplanen zu können. Henco-Firmen Evotec und DIREVO auszumachen. Der Grundgedanke der gerichteten Evolution zur Herstellung funktionsoptimierter Moleküle von Manfred Eigen fand erst in der Gründung von DIREVO den richtigen Zeitpunkt zur Umsetzung, während Evotec einen anderen Weg einschlug. Market Need und Wettbewerb Die Erkenntnis, dass für manche Innovationen die Zeit noch nicht reif ist, führt häufig dazu, dass bestimmte Themen vermeintlich inhaltlich das Interesse von möglichen Partnern verfehlen. Diese Problematik stellt sich vermutlich häufiger als man denkt. Ursachen liegen einerseits darin, dass die innovativen Ideen noch weit außerhalb der gängigen Ansätze liegen, der konkrete Market Need noch nicht definiert ist und ihnen somit noch zu viel Risiko anhaftet. Andererseits sind die Inhalte (Technologien, Pathways, Targets, Therapieansätze, Produktideen etc.) häufig noch nicht genügend mit experimentellen Daten abgesichert. Die Dynamik hinsichtlich des Interesses für bestimmte Inhalte ist vielfach auch durch externe Faktoren beeinflusst: Die Bewertung von Unternehmen an der Börse macht andere Firmen mit ähnlicher Ausrichtung attraktiv Eine erfolgreiche Transaktion (als First Mover) um ein Target / Asset weckt Bedarf bei Konkurrenten Technologie-Deals erhöhen die Aufmerksamkeit für die jeweilige Plattform Ansprechpartner Die attraktive Positionierung von Inhalten mag aber auch daran scheitern, dass die falschen primären Ansprechpartner die Relevanz nicht erkennen. Je weiter das Verhandlungsobjekt von Mainstream-Vorstellungen und dazu passenden Produktideen entfernt ist, desto wichtiger wird es, als primäre Ansprechpartner die Wissenschaftler der Forschungsabteilung selbst statt der Business Developer anzugehen. Alignment in dieser Hinsicht bezieht sich also auch auf die Vermittlung der Inhalte an die richtigen Personen auf Partnerseite. Überraschend, dass nur die Hälfte der Unternehmer in unserer Umfrage die Implementierung einer Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Management in Allianzen in Erwägung zieht. Die Interaktion mit den Fachexperten findet de facto oft erst auf der Due-Diligence- Stufe statt; dazu ist aber die primäre Hürde (meist das Business Development) zunächst einmal zu überwinden. Anforderungsprofil F&E Der weitaus problematischste Alignment- Bedarf besteht ohne Zweifel darin, unterschiedliche Anforderungsprofile in den Bereichen der Forschung sowie der präklinischen und klinischen Entwicklung zur Übereinstimmung zu bringen. Der Übergabepunkt Proof of Concept (POC) sollte nicht weiter als Dogma im Raum stehen. Dem steht leider nach wie vor die Risikoaversität von Pharma-Unternehmen im Hinblick auf frühe Projekte ebenso im Weg wie die Befürchtung seitens der Biotech-Unternehmen und ihrer Investoren, zu früh auszulizenzieren und damit unter Wert zu verkaufen. Die Realität holt möglicherweise beide ein Stück weit ein. Pharma- Unternehmen mit ihrem enormen Innovationsbedarf können ihre Pipelines mangels eigener Projekte nicht nur mit teuren Late- Stage-Produkten auffüllen. Biotech auf der anderen Seite ist alleine schon durch die Kapitalknappheit gezwungen, für jede Offerte offen zu sein. Technologieplattformen durchbrechen vielfach die POC-Schwelle, wie eine Vielzahl sehr lukrativer Allianzen in der letztjährigen Analyse gezeigt hat (z. B. der Top-Deal von Molecular Partners mit Allergan) oder auch Beispiele in diesem Jahr (immatics mit Roche) belegen. Hier muss der Partner abwägen: zwischen der nachhaltigen Lieferung von innovativen Wirkstoffkandidaten einer definierten Klasse und dem höheren Risiko, in einer früheren Entwicklungsphase zum Abschluss zu kommen. Natürlich wirkt hier auch der Druck durch die Konkurrenten beschleunigend, da sich viele Unternehmen den Zugang zu einer innovativen, vielversprechenden Plattform sichern wollen. Perspektive 9

12 Anforderungsprofil Market Access Alignment schließt heute immer stärker auch den Blick auf den Marktzugang mit ein. Im Gegensatz zu früher wird heute die Erstattungsfähigkeit von zukünftigen Produkten viel früher im Beurteilungsprozess nachgefragt. Die Erstattungsfähigkeit zu erlangen, stellt sich aufgrund der sehr unterschiedlichen nationalen Regularien für die Kosten-Nutzen-Beurteilung sowie der Anerkennung des Innovationsgrades als komplexe Herausforderung dar. Biotech- Unternehmen stehen dabei unter einem neuen Erwartungsdruck, weil diese Aspekte bisher nicht ihrer Kernkompetenz entsprechen. Es ist aber unumgänglich, in diesem Bereich Expertise aufzubauen bzw. extern einzukaufen. Hier etablieren sich eindeutig neue Wertetreiber, die insbesondere in den Partnering-Modellen immer wichtiger werden. Ebenso unvermeidlich sind eine stärkere und frühzeitige Einbeziehung individueller Patienten und deren Health Outcome als zukünftige Wertetreiber. Dies schließt beispielsweise frühe Überlegungen zu Biomarkern ein, mit deren Hilfe nicht nur die klinische Entwicklung effektiver werden kann, sondern vor allem im Markt die richtigen Patienten mit der richtigen Medikation behandelt werden (siehe Beitrag von humatrix im Kapitel Produkte). Der Aspekt Patientenfokussierung ist eigentlich häufig bei Biotech-Unternehmen angelegt, die schon immer stärker in Nischenindikationen (z. B. Orphan Diseases) dachten. Im Zuge der zunehmenden Bedeutung der Personalisierten Medizin rücken dabei immer mehr Krankheitsbilder in den Bereich der Orphan Diseases, was für Biotech- Unternehmen eine neue, starke Konkurrenz aus dem Pharma-Bereich entstehen lässt.» Den meisten Biotech-Unternehmen fehlt die Zeit zum Verhandeln. Meist ist die nächste Kapitalzufuhr kurzfristig erforderlich und so existenziell, dass ein Abschluss fast um jeden Preis angestrebt werden muss. «Health IT Die Generierung und Vernetzung von Daten entlang des gesamten F&E-Prozesses sowie auch zusehends die Einbeziehung von Marktdaten (Patienten, Ärzte, Anwendungsdaten, Wettbewerb, Social-Media-Plattformen etc.) mit den entsprechenden technischen Möglichkeiten haben das Zeitalter von Big Data eingeläutet. Die sehr viel breitere Integration von Daten unterschiedlichster Quellen und immer größerer Datenmengen ermöglichen fundierte Aussagen, die gegebene Projekte besser profilieren können. Insofern stellen sie mittlerweile bereits eigenständige Wertetreiber dar, die zu beachten sind. Unter dem Aspekt Alignment geht es auch hier um Fragen der Kompatibilität von Systemen, Datenquellen und dem Zusammenführen von Daten in relevante Aussagen. Verhandlungsmacht und Deal Terms Das Zusammenbringen von Menschen und innovativen Konzepten zur richtigen Zeit sowie die Aussagekraft der Daten sind wichtige Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Allianzen. Dennoch werden sie in aller Regel nicht 1:1 in die Deal Terms übersetzt. Übergeordnet sind immer noch Umweltfaktoren, die die Balance der Verhandlungsmacht nach der einen oder anderen Seite verschieben können. Die miserable Finanzierungslage für Biotech-Unternehmen wiegt in Deutschland und Europa allgemein so schwer, dass Allianzen meist durch den größeren Partner als Käufer in einem dadurch geprägten Käufermarkt dominiert werden. Dass der Mangel an Kapital tatsächlich der entscheidende Faktor für die einseitige Verschiebung der Verhandlungsbalance darstellt, zeigen viele Beispiele in den USA, aber auch in Deutschland. Der spektakuläre Deal zwischen AiCuris und Merck & Co. (MSD) im Jahr 2012 sowie der noch größere Vertrag, den immatics 2013 mit Roche unter Dach und Fach bringen konnte, demonstrieren beide, wie wichtig ein starker Investor im Rücken den Verhandlungsprozess und -ausgang beeinflussen kann. Das Family Office Strüngmann (Athos in AiCuris und immatics) sowie das Family Office Dietmar Hopp (dievini Hopp BioTech Holding in immatics) haben es beiden Unternehmen ermöglicht, starke Verhandlungspositionen einzunehmen und vor allem die Zeit zu haben, diese auch durchzusetzen. Den meisten Biotech-Unternehmen fehlt die Zeit zum Verhandeln. Meist ist die nächste Kapitalzufuhr kurzfristig erforderlich und so existenziell, dass ein Abschluss fast um jeden Preis angestrebt werden muss. 10 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

13 Alignment Der wichtigste Erfolgsfaktor für Biotech-Unternehmen Klassisches Biotech-Geschäftsmodell nur noch Ausnahme Das klassische Biotech-Geschäftsmodell insbesondere im Bereich der Medikamentenentwicklung mit Venture Capital bis zum Erreichen des Proof of Concept (POC) in der Klinik und nachfolgenden Allianzen mit Pharma-Firmen bis zu einem Exit per IPO oder Trade Sale ist heute allenfalls noch die Ausnahme für einige wenige Unternehmen. Einerseits wird die Risikokapitalseite ihrer eigentlichen Aufgabe zur finanziellen Überbrückung der kritischsten Unternehmensphase bis zum Erreichen des POC nicht mehr gerecht; andererseits funktioniert der Kapitalmarkt für Life-Science-Unternehmen nicht als Exit-Kanal sowie für die weitere Unternehmensfinanzierung. Nur in den USA scheinen sich beide Aspekte gegenwärtig wieder zum Besseren zu wandeln. In diesem Dilemma bedarf es neuer Ansätze, die beide Problemaspekte adressieren. Investitionen mit beachtlichem Track Record HS LifeSciences verfolgt seit einiger Zeit eine alternative Strategie. Sie beginnt damit, innovative, kommerzialisierbare wissenschaftliche Resultate so früh wie möglich das heißt oft direkt aus der Akademie heraus zu identifizieren und ihr wissenschaftliches wie kommerzielles Potenzial zu validieren. Sobald sich nach überschaubarer Finanzierung eine überzeugende, belastbare Datenlage ergibt, unterstützen wir die Managements bei der Bildung industrieller Allianzen mit schnellen Cash-Rückflüssen. Wir scheinen mit unserem Investitionsmodell erfolgreich zu sein. Es ist auf die Randbedingungen abgestimmt, die durch unseren relativ kleinen Fonds und die begrenzte Skalierbarkeit unseres persönlichen, operativen Engagements bei unseren Beteiligungsunternehmen gesetzt sind. HS LifeSciences investiert nur allein, nicht in Konsortien. Wir setzen uns zum Ziel, bereits nach einer Investitionsrunde ohne weitere Eigenkapitalzufuhr erfolgreich zu sein. Dieses Vorgehen kann mittlerweile einen beachtlichen Track Record aufzeigen. Insgesamt neun Unternehmen, sowie zwei weitere außerhalb des Fonds-Portfolios, haben teils den kritischen Schritt in die Pharma-Partnerschaft geschafft (z. B. Neuroimmune, Ethris) oder stehen in fortgeschrittenen Verhandlungen. Alignment als wesentlicher Erfolgsfaktor Aus diesem Erfahrungshintergrund lassen sich auch die wesentlichen Erfolgsfaktoren ableiten, die auf dem bisherigen Weg entscheidend waren. Der gemeinsame Nenner lässt sich gut unter dem Begriff Alignment zusammenfassen, d. h. dem optimalen Zusammenbringen der Interessen von Partnern. Der erste und weitaus wichtigste Aspekt auf diesem Weg ist das richtige Timing: Die zeitlichen Opportunitätsfenster, eine neue Technologie oder einen medizinischen Wirkstoffkandidaten zu einem attraktiven Preis zu verkaufen, sind selten größer als zwei Jahre, tendenziell eher kürzer. Zwischen den erzielbaren Preisen vor diesem Fenster, im Peak und danach können zwei Größenordnungen liegen. Preis bedeutet nach unserem Modell nicht unmittelbaren Reichtum für die Shareholder, aber ein finanzielles Commitment eines Partners zur Übernahme der unvermeidlichen Entwicklungskosten bis zum Markteintritt. Die Datenqualität muss das Risiko für einen Partner einschätzbar machen. Wertschöpfung ist am Ende für alle Beteiligten nur mit einer Kenngröße verbunden: Time-to-Market. Diese sollte die unternehmerischen Entscheidungen leiten. Es bedeutet auch, dass Wirkstoffentwickelnde junge Biotech-Unternehmen nicht unbedingt in klinische Studien einsteigen müssen. Neben dem Opportunitätsfenster gilt es, auch inhaltlich den richtigen Zeitpunkt für die Verpartnerung zu treffen. Je nach Wertschöpfungsschritt ist die Projektführerschaft besser beim Partner aufgehoben. Wir als HS LifeSciences bezahlen keine Lernkurven zum Aufbau von Produktionskapazität oder Kompetenz im Umgang mit klinischen Studien. Ohnehin genügen nur selten klinische Studien junger Start-ups in Umfang und Qualität den Ansprüchen der internationalen Pharma-Welt oder der FDA. Gründer müssen dadurch nicht zwangsweise unter Wert abgegolten werden. Im Gegenteil, oft haben Gründergesellschafter in der Vergangenheit Hemd und Hose verloren, wenn sie sich von Finanzierungsrunde zu Finanzierungsrunde hangelten. Unser Konzept schützt sie vor Verdünnung. Wir sind vom Moment der Finanzierungsrunde an gemeinsame Partner und werden auch als solche von den Gründern wahrgenommen. Ein Anteil von Viel kann immer noch viel sein. Alles von Nichts oder Nichts von Viel sollte man eher vermeiden. Dr. Karsten Henco, Managing Partner and Chairman of the Board, HS LifeSciences GmbH Schlaue Power-Point-Konzepte reichen nicht mehr aus Der Inhalt muss sich auf die Bedürfnisse eines möglichen Zielkunden abbilden, welcher für einen raschen positiven Cashflow beim Start-up sorgen soll. Bei uns ist nicht ein B-Runden-Finanzinvestor der Kunde für das Management, sondern z. B. ein Pharma- Unternehmen. Um künftige Partner zu gewinnen, ist es wichtig, nicht nur geschmeidige Power-Point-Folien, sondern belastbare Problemlösungen vorweisen zu können. Daneben geht es um prädiktive Daten, wissenschaftliche Qualität, Alleinstellungsmerkmale und um eine überzeugende Patentposition. Wir interessieren uns für Daten in Verbindung mit wissenschaftlicher Exzellenz, nicht für schlaue Konzepte. Über eine bestechend überzeugende, humane Datenlage kann man manchmal auch bereits vor dem Start der klinischen Testphasen verfügen. Gründerpersönlichkeit weiterhin wichtig Die meisten Unternehmen scheitern nicht am Inhalt, sondern am Management. Auch Lebenserfahrung schließt hier keine neuerlichen Fehleinschätzungen aus. Erfolgreiche Investoren wie Moshe Alafi haben ihre Entscheidung einzig von der Einschätzung der Gründerpersönlichkeiten abhängig gemacht heute verstehen wir sie. Von Bedeutung ist ein klar differenziertes Stärken-Schwächen- Profil, in dem sich die Kompetenzprofile des Managements optimal komplementieren. Wichtig ist ebenfalls die Fähigkeit des Managements, mit dem Investor so zeit- und realitätsnah wie möglich offen zu kommunizieren. Perspektive 11

14 Alliance Management Der Erfolg von Allianzen hängt schließlich auch von effizienten Prozessen ab sowie von den Menschen, die diese aktiv steuern. Beide die Menschen und die Prozesse stehen sowohl in der Verhandlungsphase als auch im Verlauf der Allianz im Mittelpunkt der Alignment-Bemühung. Die Anpassung von Prozessen geht sicherlich einher mit dem Abgleich der entsprechenden Anforderungsprofile. Knackpunkte sind häufig ganz konkrete Differenzen in der Handhabung einzelner Prozessschritte, der Qualitätssicherung, Datensysteme etc. Hier muss das Alliance Management im Schulterschluss mit dem Projektmanagement ansetzen und von vornherein klare Prozessabsprachen treffen, damit Ergebnisse am Ende von beiden Seiten auch akzeptiert werden können. Schließlich triggert erst die Compliance in Bezug auf die Prozesse und Ergebnisse entsprechende Zahlungen. Alliance Management muss aber auch das Alignment der Führungsstrukturen für eine gegebene Zusammenarbeit sichern. Dazu gehören die Zusammenführung der Manager in Steering Committees ebenso wie auch in diesem Rahmen abgestimmte Entscheidungsprozesse für das erfolgreiche Steuern der Kollaboration. Alignment-Maßnahmen vor dem Deal Grad der Umsetzung 84 % 70 % 68 % 67 % 43 % Klare Definition der eigenen Ziele Allokation der internen Ressourcen Alignment vor dem Deal Vor Einstieg in die Verhandlungen gibt es wichtige Voraussetzungen, die deren Erfolg entscheidend beeinflussen. In der Branche sind diese allerdings noch sehr unterschiedlich weit in der Implementierung vorangeschritten. Im Schnitt setzen ca. drei Viertel der befragten Unternehmen die Relevanz der Formulierung der eigenen Ziele sowie die Entwicklung einer klaren Positionierung der Firma in der langfristigen Allianz (Allokation der Ressourcen und Kontrollübertragung) hoch an. Die Ernennung eines Allianzmanagers hingegen wird von mehr als der Hälfte der Unternehmer als weniger wichtig erachtet ein klares Manko in den immer komplexer werdenden Kollabora- Bewusstsein der eigenen Firmenkultur Ausmaß der Kontrollübertragung Ernennung eines Allianzmanagers Quelle: EY Befragung von Biotech-Unternehmen (international, n = 427) Berücksichtigung der Antworten bereits implementiert und sehr wahrscheinlich tionsnetzwerken. Die Aufgaben eines Allianzmanagers umfassen unter anderem die Beziehungspflege unter den an der Allianz beteiligten Personen, die Planung und Koordination der Umsetzungsaktivitäten bei Partnern und internen Einheiten, das Lösen von eventuell aufkommenden Problemen auf der operativen Ebene und die regelmäßige Berichterstattung an das Management. Vor allem seine Rolle als Vermittler zwischen den wertschöpfenden Einheiten beider Unternehmen ist bei aufkommenden Problemen ein entscheidender Vorteil. In kritischen Situationen wird so das Management entlastet, um Entscheidungen effizienter treffen zu können. 12 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

15 Verhandlungsaspekte Grad der Umsetzung Fokus auf das Beziehungsmanagement legen. Dieses Manko erschwert nicht nur die Zusammenarbeit der beteiligten Menschen, sondern setzt auch die Adhärenz zu vereinbarten Zielen aufs Spiel. Verwunderlich ist, dass 36 Prozent der Unternehmen die Durchführung regelmäßiger Health Checks, d. h. die Messung von Erfolg bzw. Misserfolg, im Projekt für nicht unbedingt erforderlich halten. Auch die nicht vorhandenen Werkzeuge / Strukturen (die im Rahmen eines Eskalationsprozesses festgelegt werden) passen zu diesem Bild so gaben lediglich 15 Prozent der Befragten an, solche Werkzeuge in ihren Allianzen bereits etabliert zu haben. 84 % 82 % 59 % 59 % 56 % Entscheidungsträger am Verhandlungstisch Klare Kommunikationslinien Verhandlungsaspekte Ebenso fällt auf, dass wichtige Alignment- Aspekte während der Verhandlung nicht ausreichende Berücksichtigung finden. Beispielsweise wenn es um die Definition von eindeutigen Erfolgsfaktoren und die Formulierung spezifischer Exit Points für beide Seiten geht. Auch hält rund ein Drittel der Befragten die Etablierung eines Eskalationsprozesses in ihren Allianzverhandlungen für nicht unbedingt erforderlich. Dies sind allerdings Faktoren, die helfen, eventuell aufkommende Risiken besser und schneller bewerten zu können und Entscheidungen schneller abzuleiten. Weiterhin besteht bei der Besetzung der Verhandlungsteams mit Fachleuten an der Schnittstelle zur Wissenschaft und zu den Anwälten noch Nachholbedarf. Spezifische Exit Points für beide Seiten Eskalationsprozess Schnittstelle zwischen Science und Management Quelle: EY Befragung von Biotech-Unternehmen (international, n = 427) Berücksichtigung der Antworten bereits implementiert und sehr wahrscheinlich Alliance Maintenance Die Rolle und die Ausstattung des Allianzmanagements sind bei laufenden Kooperationen am schwächsten aufgebaut bzw. zu einem großen Teil noch gar nicht vorgesehen, obwohl 73 Prozent der Befragten den Allianzmanagement Grad der Umsetzung Insgesamt zeigen die analysierten Aussagen deutlich auf, dass die Bedingungen für erfolgreiche Kooperationen komplex sind. Es bedarf einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den dargestellten Alignment-Anforderungen. Insbesondere sollte die Implementierung eines Allianzmanagers abgewogen werden, ganz gleich wie groß das gesamte Team ist. Eine Instanz, die außerhalb der Geschäftsführung als Vermittler fungiert, bringt für die Allianz mehr Vorteile als Nachteile mit sich. Auch die klare Definition von Exit Points und die Etablierung eines Eskalationsprozesses sind Aspekte, die in den Verhandlungen festgelegt werden sollten, da sie zur Komplexitätsreduktion in schwierigen Phasen beitragen. 73 % 64 % 64 % 55 % Fokus auf persönliche Beziehungen Kontinuierliche Messung von Erfolg und Misserfolg Einhaltung der Kommunikationskanäle Werkzeuge zur Korrektur von Misserfolgen Quelle: EY Befragung von Biotech-Unternehmen (international, n = 427) Berücksichtigung der Antworten bereits implementiert und sehr wahrscheinlich Perspektive 13

16 Bewertung von Technologieplattformen Die Auswirkungen von Kapitalengpässen oder aber auch Kapitalverfügbarkeit auf den Verhandlungsprozess ( Negotiation Power ) sind evident. Umso wichtiger wäre es deshalb, die Position als Anbieter von Produkt- oder Technologieentwicklungen (insbesondere in Zeiten knapper Kassen) durch eine fundierte Bewertung mit transparenter Dokumentation der Bewertungsindikatoren zu stärken. Für Produktentwicklungen existieren anerkannte Standardmodelle der Bewertung, die ein Marktpotenzial (Marktgröße, Marktanteil, Marktdurchdringung) über plausible Erfolgswahrscheinlichkeiten und Abzinsungen über die Entwicklungszeit in Net Present Values (NPVs) überführen können. Die Aufgabe wird komplexer, wenn Projekte in frühen Entwicklungsphasen oder Technologien auf den Prüfstand kommen. Bisher gibt es auf dem Markt keine etablierten / belastbaren Bewertungsmethoden für Unternehmen, die als Key Asset eine Technologieplattform aufweisen. Hier geht es um Potenziale, die eine Unternehmung vorweisen kann. Es geht um die Bewertung von Produkten, die es noch gar nicht gibt. Doch genau in diesem Potenzial liegt der entscheidende Wert der Plattform, der Wert des Unternehmens. Um dieses Potenzial quantifizierbar zu machen, setzt ein neues Modell an, dass EY in Zusammenarbeit mit einem Technologieunternehmen der Biotech-Industrie (BRAIN) ausgearbeitet hat; das Modell wird in seinen Grundzügen nachfolgend von Dr. Matthias Schmusch (EY Valuation & Business Modelling) beschrieben. 14 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

17 Dr. Matthias Schmusch (EY Valuation & Business Modelling)» Um das Potenzial einer Technologieplattform zu demonstrieren, bedarf es eines Modells, das den Wertbeitrag aus zukünftig erreichbaren Cashflows berücksichtigt. «Bewertung von Technologieplattformen Biotechnologieunternehmen, gleich welcher Couleur, stehen regelmäßig vor der Herausforderung, das inhärente Wertpotenzial ihrer Technologien zu bemessen. In der Start-up-Phase ist dies für die anstehenden Finanzierungsrunden von besonderer Bedeutung, aber auch von besonderer Schwierigkeit, da naturgemäß den fehlenden oder geringen Umsätzen hohe Verluste gegenüberstehen. Die aufgelaufenen Kosten allein können aber den Wert des Unternehmens oder einer Technologie in der Regel nicht korrekt wiedergeben, gilt es doch als eines der wichtigsten Prinzipien der Unternehmensbewertung, die Orientierung an zukünftigen Erträgen oder Cashflows zu beachten. In diesem Zusammenhang werden oft vereinfacht Multiplikatorbewertungen herangezogen, die jedoch aufgrund der meist mangelnden Vergleichbarkeit der Bewertungsobjekte allenfalls zur Plausibilisierung taugen. Dementsprechend zeigt auch eine Stage-Charakteristika Profitabilität Stage 1 Research Negative Cashflows Stage 2 Development Negative Cashflows Stage 3 Emerging profitability Positive Entwicklung R&D-Phase Research Development Post-Launch / Reinvestment Aktivität Plattform / Research Entwicklung Kommerzialisierung Investment-Phase Research Development Phase starken Wachstums Portfolio Präklinik bis Phase I Präklinik bis Phase II Bewertungsmethoden DCF Einzelprojektion 10 % 50 % 60 % 75 % DCF Multiple Szenarien / Simulation 45 % 70 % 80 % 90 % Vergleichbare Transaktionen Financial Multiples 10 % 30 % 50 % 70 % Vergleichbare gelistete Unternehmen Financial Multiples 10 % 30 % 50 % 70 % Vergleichbare Transaktionen Operational / Pipeline Multiples 30 % 50 % 60 % 60 % Vergleichbare gelistete Unternehmen 30 % 50 % 60 % 60 % Operational / Pipeline Multiples Investment Cost Analysis 55 % 25 % 10 % 5 % Investor Exit IRR 30 % 35 % 30 % 20 % Stage 4 Growth profitability Volle Profitabilität Reife Maximierung des Marktanteils Phase geringeren Wachstums Quelle: EY Perspektive 15

18 Das traditionelle Service-Modell Gewinn ( ) Erlöse des Plattforminhabers sind auf eine fixierte Service Fee beschränkt Entrepreneur trägt initiale Kosten und erhält gesamten wirtschaftlichen Gewinn Produktions-/Marketing-Partner Zeit Cashflow aus Service Fee Positive Cashflows nach Markteinführung Kosten Produktions-/Marketing-Partner Quelle: EY Das Investor-/Entrepreneur-Modell Gewinn ( ) Aufteilung der Benefits Entrepreneur trägt initiale Kosten und erhält einen großen Teil des wirtschaftlichen Gewinns Plattforminhaber wird nach erfolgreicher Markteinführung belohnt Das Unternehmen besteht weiter als Going Concern Zeit Plattforminhaber Investor oder Produktions-/Marketing-Partner Quelle: EY Schätzung des relevanten Marktanteils Gewinn ( ) Outlet 4 Outlet 3 Outlet 2 Outlet 1 Gesamtmarkt Plattform Traditionelles Service-Modell Zeit Gesamtmarkt Neue Anwendungen Neue Player Große Chemiekonzerne Skaleneffekte in der Technologieentwicklung Plattform Kofinanziert für die meisten Anwendungen Geteilte Risiken und Chancen Basierend auf Projekt-Pipeline und Marktwachstum (angepasst an Kapazitätsbeschränkungen) Eigene Produktion/Marktansprache als mögliche Alternative Traditionelles Service-Modell Nur limitierter Zugang zu Marktchancen Quelle: EY 16 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

19 Analyse der angewandten Bewertungsmethoden im Verlauf der frühen Phasen des Lebenszyklus von Technologieunternehmen eine deutliche Dominanz der Discounted- Cash-Flow-Verfahren. Die Anwendung nimmt mit fortgeschrittener Reife des Bewertungsobjekts zu, wie die Abbildung auf Seite 15 unten aufzeigt. Die Kernprobleme der Anwendung von Discounted-Cash-Flow-Verfahren zeigen sich dabei in der Prognose der künftigen finanziellen Überschüsse sowie in der Auswahl eines risikoäquivalenten Kapitalisierungszinssatzes für die Diskontierung. Die Prognose der Cashflows hat bei der Bewertung einzelner Technologien bzw. Entwicklungsprojekte dem erwarteten Lebenszyklus des daraus entstehenden Produktes Rechnung zu tragen. Dies wird beispielsweise im Bereich der roten Biotechnologie durch detaillierte Prognosen von betroffener Population, Krankheitshäufigkeit, Marktanteil, Preis- und Kostenannahmen sowie Erfolgswahrscheinlichkeiten der klinischen Phasen auf dem Zeitstrahl von der Generierung bis zur Gegenwart quasi zurück gerechnet ( epidemiologischer Ansatz). Die Grundprinzipien dieser Prognose gelten dabei auch für die Bewertung von Entwicklungsprojekten und Technologien im Bereich der weißen und grünen Biotechnologie. Technologieplattformen Herausforderung an die Bewertung Was ist aber nun zu beachten, wenn wir es bei der Bewertung nicht mit einer einzelnen Technologie bzw. mit einem Entwicklungsprojekt zu tun haben sondern mit einer sogenannten Technologieplattform? Eine solche Plattform ist dadurch gekennzeichnet, dass sie beispielsweise in der Lage ist, eine Vielzahl möglicher Produktkandidaten hervorzubringen und somit das Universum der Anwendungsmöglichkeiten zum Bewertungsstichtag noch nicht bekannt ist und bisweilen unbegrenzt scheint. Ein Beispiel aus dem Bereich der weißen Biotechnologie sind Plattformen, die auf Datenbanken für Mikroorganismen bestehen. Unternehmen mit Plattformtechnologien stehen dementsprechend vor besonderen Herausforderungen, wenn es darum geht, ihren Wertbeitrag, beispielsweise im Rahmen von Kooperationsverhandlungen, zu demonstrieren. Zu oft ist es der Fall, dass der Plattforminhaber bei einer Kooperation auf Basis eines Service-Modells entlohnt wird, das heißt, dass beispielsweise nur die anfallenden Aufwendungen zuzüglich einer Gewinnmarge entgolten werden. Dies spiegelt jedoch in der Regel nur völlig unzureichend den Wertbeitrag des Plattformunternehmens wider und widerspricht dem dargestellten Bewertungsgrundsatz der Orientierung an zukünftigen Cashflows (aus der Kooperation). Die Abbildung zeigt auf, wie das Service-Modell zu einer unzureichenden Aufteilung des zukünftigen Erfolges führen kann. Das Modell Um dementsprechend das Potenzial einer Technologieplattform zu demonstrieren, bedarf es eines Modells, das den Wertbeitrag aus zukünftig erreichbaren Cashflows berücksichtigt. Die Ermittlung dieses Wertbeitrages kann sich auf eine einzelne Anwendung beziehen (bspw. für eine anstehende Kooperationsverhandlung) als auch das gesamte Unternehmen betreffen. Um ein einzelnes Projekt zu bewerten, muss demnach nach den oben dargestellten Grundprinzipien des epidemiologischen Ansatzes das gesamte, für beide Kooperationspartner realisierbare Wertpotenzial aufgeteilt werden. Dies würde in der schematischen Darstellung zu dem im Investor- / Entrepreneur-Modell dargestellten Bewertungsergebnis führen. Übertragen auf das Gesamtunternehmen als Bewertungsobjekt gilt es demgegenüber, eine realistische Abfolge zukünftiger Projektkandidaten zu identifizieren und zu bewerten. Für das Anwendungsbeispiel der weißen Biotechnologie haben wir auf Basis von Expertenrunden mit der Firma BRAIN ein Standardmodell entwickelt, welches einen transparenten Einblick in das Wertpotenzial des Plattformunternehmens gewährleisten soll. Ausgangspunkt sind neben dem Gesamtwachstum der Branche die Abfolge der identifizierten Produktkandidaten sowie die vorhandene Realisierungskapazität. Die Kandidaten werden unter Berücksichtigung der Kapazitätsbeschränkungen in zeitlicher Abfolge bewertet. Nach Ablauf eines Detailplanungszeitraums folgt die weitere Entwicklung eines am Branchenwachstum angelehnten Expansionspfads. Schematisch lässt sich das in nebenstehender Abbildung dargestellt zeigen, wobei erkennbar ist, wie die bekannten Einzelkandidaten in der zeitlichen Abfolge realisiert werden. Die Entwicklung des Unternehmenswertes ist an der gelben Linie erkennbar, ebenso die Gegenüberstellung mit dem klassischen Service-Modell (untere graue Linie). Orientierung an klassischen Methoden Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Biotechnologieunternehmen sich zur effektiven Kommunikation ihres wahren Wertbeitrages mehr auf die klassischen Prinzipien der Unternehmensbewertung der Orientierung an zukünftigen Zahlungsströmen konzentrieren sollten. Insbesondere in Kooperationsverhandlungen kann damit das Potenzial zukünftiger Anwendungen fairer aufgeteilt werden. Gleichwohl stellt die Bewertung von Entwicklungsprojekten und Plattformtechnologien eine der schwierigsten Herausforderungen der Unternehmensbewertung dar. Es empfiehlt sich daher, auf eine nachvollziehbare Methodik abzustellen, die auch den Anteil einer jeden Partei am zukünftigen Erfolg transparent macht. Das links dargestellte Modell kann nur einen groben Einblick in die Komplexität des Bewertungsproblems geben. Auf den individuellen Fall zugeschnitten kann es aber eine starke Argumentationshilfe in Verhandlungen wie auch zur Darstellung der Equity Story sein. Perspektive 17

20 Alignment Erfolgsfaktor für Biotech-Finanzierung Diversität der Investoren Das klassische VC-Investorenmodell kann in der aktuellen Situation der Biotech-Branche in Deutschland und Europa als weitgehend gescheitert angesehen werden (siehe Kapitel Finanzierung). Bestehende Fonds sind größtenteils damit beschäftigt, ihre verbleibenden Portfolio- Unternehmen zum Exit zu bringen. Es gibt nur wenige Fonds, die erfolgreich frisches Kapital einwerben konnten; weder private noch institutionelle Geldgeber sehen im Life-Science-Feld attraktive Investitionsmöglichkeiten bei überschaubarem Risiko. Ebenso fehlen in Deutschland Anreize und die gesetzlichen Möglichkeiten, damit große institutionelle Investoren in Life- Science-Fonds ( high-risk / high-tech / long timeslines ) investieren (siehe das im weiteren Verlauf vorgestellte Modell 1% für die Zukunft ) In der Vergangenheit, als die VC-Investorenklasse der typische Investor für Biotech- Unternehmen war, die üblicherweise den Lead der Finanzierungsrunden zusammen mit anderen Geldgebern hatten, konnten Geschäftspläne noch eher uniformer nach einem vorgegebenen Muster mit breiter Akzeptanz vorgelegt werden: Story: Wissenschaft Geschäftsidee Unternehmen Markt Investment Opportunity: Investment Finanzplan Return Exit: Trade Sale oder IPO Mit dem weitgehenden Ausfall von VC schieben sich die bisher allenfalls als Co- Investoren aktiven Geldgeber an die vorderste Front: Family Offices Privatinvestoren Business Angels Regionale Fonds (Sparkassen, regionale Förderbanken etc.) Public-private-Partnerships Corporate VC Corporates Stiftungen, Non-Profit-Einrichtungen Dabei wird evident, dass diese alternativen Kapitalquellen sehr divergent sind; sie unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht: Kapitalvolumen Zeitschiene für die Investments Investitionskriterien Erfolgskriterien Exit-Erwartung Alignment bei Finanzierungen Abgesehen davon, dass diese Situation nur als Notnagel in einer ansonsten desaströsen Lage der Unternehmensfinanzierung gesehen werden kann, bleibt den kapitalsuchenden Biotech-Firmen keine andere Wahl, als sich auf diese Diversität der Investoren einzustellen. Alignment hält demnach, ebenso wie bei den Transaktionen, als wichtigster Treiber auch bei den Finanzierungsbemühungen Einzug. Alignment Investortyp Dies bedeutet, dass zunächst für die verfolgte Geschäftsidee der dafür geeignetste Investortyp zu identifizieren ist. Hier spielen vor allem die Abstimmung des Kapitalbedarfs sowie die relativ beste Übereinstimmung der Idee mit den Zielen individueller Investoren die entscheidende Rolle. Als Konsequenz mag sogar die Notwendigkeit entstehen, für unterschiedliche Investortypen (in einer Finanzierungsrunde) die Schwerpunkte der Geschäftsstrategie bzw. des resultierenden Geschäftsplans entsprechend anzupassen. Alignment Asset-Priorisierung Hier macht sich zwangsweise eine eher opportunistische Vorgehensweise breit, die z. T. wichtige Unternehmensziele zumindest in ihrer Priorisierung den vermeintlich wichtigeren Vorstellungen eines Investors unterordnet oder sie zurückstellt. Aus den gleichen Gründen werden (selbst in der Diskussion mit vermeintlich potenten Investoren) F&E-Aktivitäten deutlich eingeschränkt, um das Investitionsvolumen dem Finanzierungshorizont des Investors anzupassen. Die Anpassung der Geschäftsidee an die Präferenzen und das Finanzierungspotenzial des Investors ist eine sehr schwierige Herausforderung. Einerseits erhöht die Reduzierung der möglichen Projekte das unternehmerische Risiko insgesamt; andererseits wird die Wahl zu einem entsprechend frühen Zeitpunkt sehr schwierig sein. Ebenso kann die Einschränkung auf einen bestimmten Investortyp auch den Blick von den wirklich interessanten Patientenpopulationen ablenken auf Märkte, die möglicherweise kleiner, aber schneller anzugehen sind. 18 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

21 Alignment Erfolgsfaktor für Open Innovation und Clusternetzwerke Komplexität der Fragestellungen Generell hat der Erkenntnisgewinn im Life- Science-Sektor während der letzten Jahrzehnte rasant zugenommen. Das breitere Wissen über viele naturwissenschaftliche Zusammenhänge offenbart aber auch eine sehr viel größere Komplexität, die hinter den relevanten Fragestellungen der Naturwissenschaft steht. Dies betrifft einerseits Fragestellungen im Bereich der Medizin, wie zum Beispiel zu Krankheitsursachen und der molekularen Pathologie. Die erhöhte Komplexität betrifft ebenso Fragestellungen der industriellen Biotechnologie, wenn es beispielsweise um Werkstoffe mit neuen Eigenschaften oder innovative Mikroorganismen für die Bewältigung vollkommen neuer Aufgabenstellungen (z. B. Rauchgasnutzung, Abfallverwertung) geht. Über all diesen Erkenntnissen steht der neue Begriff der Big Data, der zum Ausdruck bringt, dass immer größere Datenmengen aus unterschiedlichsten Informationsquellen technisch gehandhabt werden müssen, damit sie verwendbares Wissen erzeugen. Biotech spielt in all diesen Bereichen eine Rolle: als Initiator von Ideen, kreativer Technologielieferant und Produktentwickler. Dennoch bedingt die Komplexität der Daten und Fragestellungen immer mehr, dass sich Netzwerke um definierte Themen bilden oder geografische Cluster stärker um thematische Inhalte etabliert werden. Kein einzelner Player wird der Datenfülle und der dahinterstehenden Komplexität allein Herr werden. Ebenso stellt sich die Frage, ob man sich die durch abgeschottetes Parallelarbeiten hinter verschlossenen Türen entstehenden Redundanzen zukünftig leisten kann. Die Bewältigung der Komplexität erfordert aber umso mehr auch eine Ordnung in der Zusammenarbeit. Alignment wird also auch zum Erfolgsfaktor der Zusammenarbeit in Netzwerken und Clustern. Thematische Cluster auf dem Vormarsch In dieser Serie von Biotechnologie-Reports wurden bereits mehrfach Cluster in Deutschland vorgestellt und ihre thematische Ausrichtung beschrieben. Vor allem hat auch die politische Incentivierung durch Förderprogramme (z. B. der Spitzencluster-Wettbewerb oder die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung) den Trend zur Ausbildung thematischer Cluster vorangetrieben. Nur einige Beispiele seien hier genannt: m 4 in München mit klarem Bekenntnis zur personalisierten Medizin Ci3 in Mainz mit Fokus auf der individualisierten Immuntherapie HealthCapital / Health 3.0 in Berlin mit Fokus auf der Integration von Health IT mit Naturwissenschaft und Klinik BioRN in Heidelberg mit Schwerpunkt auf Cell-based & Molecular Medicine Auch international haben sich Netzwerke gebildet, die sich der Vision einer holistischeren Herangehensweise an die komplexen Problemlösungen im Gesundheitsbereich verschrieben haben. Dazu gehört u. a. die auf EU-Ebenen ins Leben gerufene Innovative Medicines Initiative (IMI), die z. B. unter dem Motto New Drugs for Bad Bugs zur Zusammenarbeit in der Entwicklung neuer Antibiotika aufruft. Diese Initiative, die anfänglich stärker auf Pharma- Unternehmen ausgerichtet war, wirbt in Nachfolgeprogrammen explizit auch für die Einbindung von Biotech-Unternehmen in Europa. Alle genannten Netzwerke funktionieren nur dann, wenn die Zusammenarbeit durch klare Absprachen geregelt ist und professionelle Clustermanagement-Strukturen das Alignment der Partner im Verbund koordinieren. Allerdings ist man in den allermeisten Fällen noch weit von einem HOLnet (Holistic Open Learning Network) entfernt. Zu oft beinhalten die Programme der Cluster noch One-to-one- Kooperationen in gemeinsamen Projekten. Des Weiteren beobachtet man allenfalls die Zusammenarbeit, wenn es um prozessuale Optimierungen geht, z. B. die Evaluierung klinischer Studienzentren oder die gemeinsame Nutzung von Datenbanken. Am nächsten am Bild eines thematischen Clusters ist das NEU 2 -Modell angesiedelt (siehe Beitrag von Dr. Timm-H. Jessen im Deutschen Biotechnologie-Report 2012). Hier ist die thematische Fokussierung viel enger entlang einer zentralen Wertschöpfungskette angeordnet. Alignment bedeutet hier die Zuordnung von Funktionen und Rechten in einem gemeinsamen Partnernetzwerk hinter einem gemeinsamen Projekt. Der wirkliche Durchbruch zu einer Open-Innovation-Kultur ist wohl nach wie vor noch Vision. Dies vor allem deshalb, weil die wesentlichen Alignment-Inhalte nach wie vor nicht zu lösen sind: Knowledge Sharing bzgl. interner Arbeiten IP Sharing bei gemeinsamen Entwicklungen Offene Zusammenarbeit in kompetitiven Feldern Es gibt sicherlich auch hier Ansatzpunkte in präkommerziellen Bereichen, die mit der Zeit mehr Vertrauen in eine offene Zusammenarbeit schaffen können: Gemeinsame Entwicklung von Technologien (z. B. Imaging) Gemeinsame Entwicklung von Biomarkern Gemeinsame Etablierung von Biobanken, Datenbanken Gemeinsame Entwicklung von Big-Data- Strategien Perspektive 19

22 1% für die Zukunft Der Bedarf: Wiederbelebung der Kapitalnahrungskette Die Kapitalnahrungskette Biotech Neben den Effizienzsteigerungen durch besseres Alignment in derzeit vorherrschenden Geschäftsausrichtungen ist offenkundig, dass eine Optimierung der Wertschöpfung in der Biotechnologie vor allem an der Kapitalknappheit scheitert. Die alleinige Feststellung des Kapitalmangels greift allerdings zu kurz. Vielmehr lässt sich die Situation differenzierter darstellen in Form einer Kapitalnahrungskette, mit definierten Instrumenten für bestimmte Phasen der Wertschöpfungskette. In dieser Konstellation sind auch die konkreten Lücken und Abbrüche entlang der Kapitalnahrungskette klar zu erkennen und erklärbar.» Unser Vorschlag betrifft die Dynamisierung des Finanzierungssystems für den notwendigen Umbau der Wirtschaft, wobei die Einfachheit und der enorme Nutzen parteiübergreifend faszinieren sollten. «Dr. Holger Zinke, BRAIN AG Startkapital und Seed Financing Dieser Bereich ist in Deutschland insgesamt gut ausgestattet; verschiedene Instrumente mit starkem Engagement von staatlicher Seite (HTGF, GO-Bio etc.) tragen dafür Sorge, dass Gründern mit innovativen Ideen genügend Kapital zur Verfügung steht. Dass dennoch die Gründungsdynamik im Biotech-Sektor in den letzten Jahren nachgelassen hat, zeigt klar in Richtung der Nahrungskette. Wenn nachfolgende Instrumente nicht im gleichen Ausmaß vorhanden sind und funktionieren, werden auch in den theoretisch gut aufgestellten Vorphasen Bremsklötze aufgefahren und potenzielle Gründer eher abgeschreckt. Valley of Death Bereits der martialische Begriff des Valley of Death deutet auf das entscheidende Problem in der Kapitalnahrungskette für Biotech-Unternehmen hin. Gemeint ist die finanzielle Überbrückung des Tals nach der Startphase bis zum Erreichen der Wachstumsphase. Bei Biotechnologieunternehmen insbesondere im Segment der Therapeutikaentwicklung ist diese Unternehmensphase durch den noch fehlenden Proof of Concept, hohes Risiko und durch einen signifikanten Kapitalbedarf gekennzeichnet. In genau dieser Phase ist der Finanzie- rungsbedarf am dringendsten. Die meisten VC-Investoren sind hier bereits ausgestiegen und die verbleibenden Investoren (Privatinvestoren, Business Angels, regionale Förderbanken etc.) können diese Lücke nur in Einzelfällen füllen. Gleichzeitig hemmt das in dieser Phase noch inhärente große Risiko des Scheiterns die erfolgreiche Verpartnerung mit großen Industriepartnern, die zur Deckung des Finanzierungsbedarfs in Frage kommen könnten. Auch greifen hier viele der staatlichen Förderprogramme nicht ausreichend. Vor allem die auf dem Prinzip des Matchings beruhende Förderung dem Zugang zu staatlicher Förderung nur in Verbindung mit der Einbringung von zusätzlichem privatem Kapital. Die KMU in diesem Bereich haben in der Mehrheit nicht die Mittel, die geforderte Kofinanzierung zu stemmen. Wachstumsphase Unternehmen, die es geschafft haben, das Todestal zu überwinden, finden theoretisch wieder besseren Zugang zu Kapital. Sei es über die verbliebenen Risikofinanzierer mit verschobenem Fokus auf reifere Unternehmen oder durch Allianzen mit Partnern, die ebenfalls den vollzogenen Proof of Concept erwarten und jetzt zuschlagen. Kapitalmarkt Im Zuge der Schwierigkeiten in der Finanzierung privater Biotech-Unternehmen haben sich Exit-Chancen und auch die Finanzierung über den Kapitalmarkt deutlich verschlechtert. Dazu kommt das offenkundige Desinteresse des Kapitalmarktes am Biotech-Sektor, das sich im Ausbleiben von IPOs (seit 2006) und dem Fehlen substanzieller Kapitalerhöhungen widerspiegelt. Im Gegensatz zu den USA, wo IPOs im letzten wie in diesem Jahr neue Rekordmarken setzten und setzen, fehlen hierzulande die Spezialisten als Investoren, die die Bedeutung von Biotech und vor allem die interessanten Storys verkaufen können. Möglicherweise fehlt auch in Deutschland ein Börsensegment mit besserem Zuschnitt für die besonderen Belange der Hightech-Branchen. 20 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

23 Deutschland ist Schlusslicht hinsichtlich der Ausstattung mit Risikokapital Die Analyse der spezifischen Risikokapitalintensität in einzelnen Ländern zeigt eindrücklich die Problematik der Kapitalnahrungskette anhand harter Fakten in Deutschland auf. Im Vergleich der Top-10-Länder in Europa bzgl. des im Berichtsjahr 2013 investierten Risikokapitals ist Deutschland mit einem Betrag von 0,55 Millionen US- Dollar pro Biotech-Unternehmen (unabhängig vom Geschäftsmodell) mit Abstand das Schlusslicht. Demgegenüber steht Biotech-Unternehmen in den USA fast vier Mal so viel Kapital zur Verfügung; ebenso beachtlich sind die Unterschiede zu den anderen Ländern in Europa, wie beispielsweise der Schweiz (3,5-mal), die international mit an der Spitze steht. Auf den ersten Blick drängt sich eine einfache Erklärung für diese Statistik auf: die langjährige Finanzierungsflaute hat in Deutschland die Schwerpunkte hin zu Hinsichtlich Risikokapitalintensität: Deutschland ist Schlusslicht... Risikokapital 2013 / Anzahl Unternehmen (Mio. US$) 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 0,55 Deutschland 0,77 Frankreich 0,90 UK 0,94 Österreich 1,04 Niederlande 1,10 Dänemark 1,17 Norwegen 1,40 Belgien 1,93 Schweiz 2,52 Irland 2,07 USA Quelle: EY, BioCentury and VentureSource... auch unter den Therapeutikaentwicklern Risikokapital 2013*/ Anzahl Therapeutikaentwickler (Mio. US$) 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 1,35 Frankreich 1,41 Deutschland 1,46 Österreich 1,47 UK 1,70 Dänemark 1,74 Norwegen 1,81 Niederlande 2,31 Belgien 2,53 Schweiz 3,18 Irland 2,36 USA * Risikokapital, das an Therapeutikaunternehmen geflossen ist Quelle: EY, BioCentury and VentureSource Perspektive 21

24 weniger VC-abhängigen Modellen (z. B. Service, Tools etc.) verschoben, was die Anzahl der tatsächlich von VC abhängigen Unternehmen vornehmlich im Therapeutikabereich deutlich reduziert (nur 33 % der privaten deutschen Biotech-Firmen entwickeln Therapeutika). Demzufolge ist die höhere Risikokapitaldichte in den USA durch den dort signifikant höheren Anteil an Therapeutikaentwicklern (65 %) nachzuvollziehen. Gleiches gilt auch für die Schweiz mit einem Anteil von 64 Prozent an Therapeutikaentwicklern. Irland stellt hier eine Extremsituation dar, weil 79 Prozent der dort existierenden Biotech-Firmen dem Therapeutikasegment zufallen. Alle Segmente sind betroffen Risikokapital 2013 / Anzahl Unternehmen (Mio. US$) 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 0,49 1,44 0,40 1,68 0,39 0,35 1,64 0,10 0,003 2,36 1,32 1,41 Grüne & industrielle Biotechnologie Diagnostika Services, Technologies & Tools Therapeutika Dennoch liegt dieser Rangfolge nicht nur der Geschäftsmodellfaktor zugrunde. Die Rangfolge bleibt auch bei der Eingrenzung der Zahlen auf Therapeutikaentwickler alleine weitgehend unverändert. Lediglich die absolute Höhe des zur Verfügung stehenden Kapitals verändert sich. Würde man das 2013 in Therapeutikaentwickler investierte Kapital auf alle Medikamentenentwickler aufteilen, könnte jedes Unternehmen 1,4 Millionen US-Dollar verbuchen, ein Unternehmen in den USA dagegen fast 70 Prozent mehr. USA EU Deutschland Quelle: EY, BioCentury and VentureSource Eine weitere Analyse der Finanzierungsereignisse unterteilt nach Segmenten ergibt eindeutig, dass in den USA neben dem Therapeutikabereich auch andere Sparten signifikant am VC-Kapital profitieren, während Deutschland und Europa insgesamt nicht nur bzgl. der Finanzierung von Medikamentenentwicklern sondern auch in anderen Segmenten (z. B. Diagnostika, Services & Tools) deutlich abfallen. Vor allem das Segment Services, Technologies & Tools zeigt die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA unmissverständlich auf. Während die Unternehmen dieses Segments in Deutschland nahezu kein VC-Kapital einwerben, übertreffen USamerikanische Unternehmen sogar den Betrag, der den deutschen Therapeutikaentwicklern zukommt. Das Gleiche gilt für die Diagnostikunternehmen. Die Investoren variieren ihre Finanzierungshöhe in den USA zwar auch je nach Geschäftsmodell, jedoch nachweislich nicht so stark wie in Deutschland oder Europa. 22 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

25 1% für die Zukunft Das Modell 1% für die Zukunft Wiederbelebung der Kapitalnahrungskette für Biotech Dieses Schlagwort betitelt eine Idee, die in einem Kreis von Biotech-Geschäftsführern geboren und inzwischen weiter ausgearbeitet wurde (siehe Expertenbeitrag von Dr. Kremoser und Dr. Zinke). Mobilisierung von Privatkapital Die hier beschriebene Initiative zielt darauf ab, Privatkapital sowohl von institutionellen Investoren als auch privaten Kleinanlegern durch steuerliche Incentivierung zu mobilisieren. Die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervorteile ist die Kapitalanlage in (nach Möglichkeit) offene Eigenkapitalfonds, deren Investments ausschließlich zertifizierten HighTech / HighRisk- KMU vorbehalten sind. Risikobegrenzung durch 1%-Limit Ein wesentlicher Bestandteil des Modells ist die Limitierung der Anlage auf 1% des verfügbaren Vermögens der Anleger. Damit soll das Risiko bei Totalausfall eingegrenzt werden. Die Begrenzung der Anlage auf 1% verhindert den spekulativen Umgang mit dem Kapital von Kunden der institutionellen Investoren ebenso wie die Gefahr, dass Kleinanleger etwa durch unqualifizierte Beratung zu große Verluste erleiden. Durch die Vorgaben von Basel III und Solvency ist es für institutionelle Investoren bisher wenig lukrativ in HighRisk-Anlagen zu investieren, da diese Investments eine hohe Risikoeinstufung erhalten und somit mit viel und teurem Eigenkapital hinterlegt werden müssen. Die Einschränkung auf die 1%-Marke könnte ein Ansatz für Ausnahmeregelungen im Rahmen dieser Bestimmungen sein. Anlagevehikel Eigenkapitalfonds Als Anlagevehikel sind Eigenkapitalfonds vorgesehen, die sich frei am Markt etablieren könnten. Bevorzugt wären offene Fonds, um größere Flexibilität in den Laufzeiten der Investments im Abgleich mit den Unternehmensentwicklungen gewährleisten zu können. Die wesentliche Anforderung an Modell: 1 % für die Zukunft Investoren Unternehmen Privatanleger Institutionelle Anleger Verzicht auf Kapitalertragsteuer 1 % Limitierung der Anlage auf des Vermögens Rendite Sonderklasse Offene HighTech / HighRisk-Eigenkapitalfonds Staat beschränkt auf Investments in Rendite Zertifizierte Unternehmen KMU HighTech / HighRisk-Komponente Firmensitz Europäische Union Einnahmen aus aktiver Geschäftstätigkeit durch Gewerbe- / Lohnsteuer Quelle: EY Perspektive 23

26 die Fonds besteht in einer klaren Definition ihrer Investmentstrategie, insbesondere hinsichtlich der Targets für ihre Beteiligungen. Die Target-Unternehmen sollten daher einem klaren Zertifizierungsprozess unterzogen werden. Eine denkbare Zertifizierungsstelle könnte die KfW darstellen. Steuerbefreiung Die steuerliche Incentivierung der Investments erfolgt durch eine Befreiung von der Kapitalertragsteuer. Die technische Umsetzung der Steuerbefreiung in ein Modell mit einer Laufzeit von zehn Jahren oder Steuerbefreiung nach einer Haltefrist von zehn Jahren ist den Fachleuten in den politischen Entscheidungsgremien vorbehalten. Die letzgenannte Modalität einer Steuerbefreiung nach zehn Jahren Haltefrist würde den Charakter einer Zusatzversorgung, ähnlich den Gegebenheiten bei einer Lebensversicherung, einnehmen. Vorteile für alle Beteiligten a) Der Staat Der wichtigste Beteiligte für das Gelingen des Modells ist der Staat. Ein wesentlicher Vorteil ist, dass der Staat, im Gegensatz zu den existierenden Förderprogrammen, in diesem Modell kein Kapital zur Verfügung stellen muss. Allerdings besteht die Forderung an den Staat, neben den erforderlichen Neuregelungen zu Risikoanlagen (1%) den Verzicht auf die Kapitalertragsteuer zu akzeptieren. Aufgrund des vorherrschenden niedrigen Zinsniveaus fallen diese Steuereinkünfte aktuell eher bescheiden aus. Geht man von einer Summe von 500 Milliarden Euro an privatem Kapital aus, das in kurzfristigen Verbindlichkeiten angelegt ist beispielsweise festverzinsliche Wertpapiere und sieht man von diesem Kapital 1%, d. h. fünf Milliarden Euro, für die beschriebene Investmentklasse vor, so muss der Staat auf einen doch eher bescheidenen Anteil von ca. 30 bis 50 Millionen Euro an Einkünften pro Jahr verzichten. Demgegenüber kann das so mobilisierte und in deutschen Unternehmen angelegte Kapital aktiv arbeiten und würde über die Aktivitäten der finanzierten Unternehmen deutlich höhere Rückflüsse in Form von Einkommenund Lohnsteuer (neue Arbeitsplätze) sowie Gewerbe- und Umsatzsteuer aus der Geschäftstätigkeit gewährleisten. b) Die Anleger Die Anleger profitieren durch die Steuerbefreiung und haben darüber hinaus die Möglichkeit (wenngleich unter dem Risikovorbehalt), signifikant höhere Renditen aus den Anlagen zu erzielen als dies mit konservativen Papieren derzeit möglich ist. Dies betrifft vor allem auch die Versicherungen, die mit Hilfe einer erzwungenermaßen konservativen Anlagestrategie zunehmend Schwierigkeiten bekommen, selbst die Garantiezinsen für ihre Kunden zu erwirtschaften. c) Die Unternehmen Klarer Gewinner der Kapitalmobilisierung sind auf alle Fälle die KMU im HighTech / HighRisk-Sektor. Allein die theoretisch geschätzte Summe an neuem Eigenkapital übersteigt die gegenwärtig verfügbaren Mittel um ein Vielfaches. d) Die Volkswirtschaft und Gesellschaft Neben den bereits erwähnten Vorteilen für den Staat seitens der Steuereinkünfte repräsentiert die vorgesehene Anlageklasse explizit die Zukunftsausrichtung einer modernen Gesellschaft. Eindeutig liegen die Zukunftsperspektiven des Wirtschaftsstandorts Deutschland in der Innovationskraft der Hightech-Industrien. KMU waren und sind der Motor der Innovation in Deutschland. Eine gezielte Stärkung dieses Sektors liegt also explizit in volkswirtschaftlichem Interesse: Mit Blick auf das Kriterium HighRisk rücken hier vor allem die Biotech- Unternehmen in den Vordergrund, die nachhaltig die Bereiche Medizin, Bioökonomie und andere Zukunftsthemen bearbeiten. Die Investments schaffen darüber hinaus hochqualifizierte Arbeitsplätze, insbesondere in diesen Zukunftsbranchen. Schließlich wäre die Anlageform mit einer Steuerbefreiung nach zehn Jahren eng angelehnt an etablierte Altersvorsorgemodelle (z. B. Lebensversicherungen) und kann als sinnvolles weiteres Ergänzungselement mit spezifischer Zukunftsausrichtung und entsprechender Risikokomponente aufgebaut werden. 24 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

27 Steuerbefreiungen erfordern fundierte Begründungen und Evaluierung der Modelle Bei all den genannten Vorteilen für die beteiligten Stakeholder ist mit dem Begriff Steuerbefreiung immer das ebenso wichtige und übergeordnete Prinzip der Steuergleichheit verbunden. Insofern ist es absolut nachvollziehbar, dass Ausnahmen von der Steuergleichheit nur aus Gründen erfolgen können, die ein außerordentliches volkswirtschaftliches Interesse darstellen. Des Weiteren ist die Evaluierung der angestrebten Effekte (ex ante) ebenso wie die technische Evaluierung des konkreten Steuermodells (ex post) eine unumgängliche Vorbedingung für die erfolgreiche Etablierung. Die rein argumentative Begründung ist für den Bereich Biotech sicherlich leicht zu führen. In der Betrachtung von Biotech wird heute mehr und mehr erkannt, dass die Eingrenzung auf eine kleine Eine-Milliarde- Euro-Branche von Start-up-Firmen mit hohem Innovationspotenzial ihrer wahren Bedeutung nicht gerecht wird. Die amerikanische Biotechnology Industry Organisation (BIO) überschreibt ihren jährlichen Weltkongress regelmäßig mit Healing, Fueling and Feeding the World und bringt damit den wahren Stellenwert der Branche bereits viel besser zum Ausdruck. Hierzulande kommt diese Diskussion erst allmählich über die Bioökonomieinitiative sowie über Aktivitäten der industriellen Biotechnologie in Gang. Im Bereich der Medizin sind die Beiträge der Biotechnologie eher akzeptiert, werden allerdings durch Vorbehalte gegenüber neuen Technologien wie Stammzellen- oder Gentherapie zum Teil auch sehr kritisch gesehen. In einer quantitativen Abschätzung wird dies eindrucksvoll unterstrichen (siehe Abbildungen im nächsten Abschnitt). Biotech sichert demzufolge als Querschnittstechnologie die Innovation in einer Multi- Milliarden-Wirtschaftskraft durch ihre Beiträge im Life-Science-Bereich, in chemienahen Industrien und anderen großen Industriezweigen (z. B. Nahrungsmittel-, Energie-, Kraftstoff-, Verbrauchsgüterindustrie). Daran vorbeizuschauen, kann sich ein rohstoffarmer Standort wie Deutschland nicht leisten und ist deshalb aufgefordert, kreativer an die Lösung der Kapitalisierung dieser Innovationskraft heranzugehen. Diese Argumentation kann sicherlich auf weite Hightech-Bereiche ausgedehnt werden; darüber hinaus trifft für die meisten dieser Bereiche das Attribut high-risk zu. Die Bundesregierung trägt diesem Gedanken sogar bereits Rechnung durch eine umfangreiche Hightech-Strategie. Insofern ist es sicherlich angebracht, über neue Instrumente zur effektiven Umsetzung nachzudenken. Präzedenzfall E-Auto Schließlich gibt es bereits Präzedenzfälle, in denen Steuerbefreiung für Entwicklungen gewährt werden, welche in einem besonderen Interesse der Volkswirtschaft stehen: Die Elektromobilität, d. h. die Nutzung von Elektroautos, fällt hierunter. Im Zuge der Debatte um zukünftige Energiequellen, nachhaltigen Umweltschutz und Ressourcenschonung wird der Elektromobilität existenzielle Bedeutung zugesprochen, die offensichtlich den Ausnahmestatus durch Steuerbefreiung rechtfertigt. Genau die gleiche existenzielle Bedeutung kann für die Biotechnologie mit dem Slogan Heal, Fuel and Feed the World dargelegt werden. Perspektive 25

28 1% für die Zukunft Ein neuer Ansatz, die Finanzierungssituation für Technologieunternehmen in Deutschland grundlegend zu verbessern Der Global Competitiveness Report 2013 /14 des World Economic Forum listet Deutschland an Platz vier; das schafft wohlige Zufriedenheit. Die Statistik beschreibt zwar einen positiven derzeitigen Status, zeigt aber auch eklatante Schwächen auf: Dringt man tiefer in die 551 Seiten ein, so wird bei der Möglichkeit, über die Börse Eigenkapital zu schöpfen, Platz 34 (nach Ghana), bei der Verfügbarkeit von Venture Capital Platz 33 (nach Bolivien) und bei regulatorischer Unterstützung von Unternehmensgründungen Platz 104 (nach Gabun), von 148 untersuchten Nationen belegt. Der Entwicklungsgrad des deutschen Kapitalmarkts als Ganzes wird abgeschlagen auf Platz 29 eingeordnet und der Access to financing neben Arbeitsmarkt und Steuersystem als das Effizienzproblem der Volkswirtschaft herausgearbeitet. Tatsächlich lebt die deutsche Volkswirtschaft von den Unternehmen und Erfindungen der Gründerzeit, nirgendwo gibt es mehr so viele jahrhundertalte und so erfolgreiche Unternehmen wie in der Deutschland AG. Wir leben gut vom Export hochwertiger Gebrauchsgüter wie Premiumautomobile (nicht etwa Spitzentechnologien) und gerade wegen der verbreiteten Zufriedenheit derzeit muss angesichts der Endlichkeit dieser Phase gefragt werden: Was kommt danach? Förderprogramme laufen ins Leere In diesem Kapitalmarkt- und Gründungsumfeld kann es nicht gut um die Biotech-Industrie in Deutschland und Europa stehen. Tatsächlich: Während US-Biotech-Unternehmen immer neue Rekorde bei Zulassungen, Finanzierungsvolumina und Marktkapitalisierung an der NASDAQ erzielen, tritt die deutsche Biotech-Industrie seit über einem Jahrzehnt auf der Stelle. Von 66 Biotech-IPOs mit 4,2 Milliarden US-Dollar Erlös weltweit im Jahr 2013 fanden 42 in den USA statt, sie erzielten alleine 3,3 Milliarden US-Dollar. Zählt man die übrigen Eigen- und Fremdkapitalfinanzierungen hinzu hat die US Biotechindustrie eine Rekordsumme von 25,2 Milliarden US-Dollar darstellen können. Zum Vergleich: die deutschen Biotech-Firmen konnten insgesamt lediglich 325 Millionen Euro an Gesamtfinanzierungen (private und public) erzielen. Woran liegt das? Es liegt sicher nicht an Förderprogrammen, die gut gemeint die akademische Forschung z. B. auf dem Gebiet der Gesundheitsforschung unterstützen (etwa die 700-Millionen-Euro- Gesundheitsinitiative) oder an diversen Programmen, um einzelne Projekte oder Ausgründungen im Biotech-Sektor mit Zuschüssen zu unterstützen (BioRegio, BioChance, Clusterinitiative, GO-Bio, High-Tech Gründerfonds, etc.). All diese Maßnahmen sind durchaus mit signifikanten Mitteln für Forschung ausgestattet, doch sie laufen nach der Forschungsförderperiode häufig ins Leere, weil ein Kapitalmarkt für private Anschlussfinanzierung fehlt. Innovationen müssen und werden aber von Unternehmen, nicht von akademischen Zentren an den Markt gebracht.» Der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann. «Technologieorientierter Kapitalmarkt Deutschland? Es gibt indes nur noch wenige Biotech-Neugründungen; und, was noch viel schlimmer ist, die jungen Gründer, die den Start in die Selbstständigkeit gewagt haben, finden keine Anschlussfinanzierungen, so dass sie entweder auf ein frühes Verpartnern ihrer Technologien und Patente unter Wert angewiesen sind, auf ein Service-Geschäftsmodell zurückfallen, das wenig Wachstumspotenzial bietet, oder gar trotz hervorragender Entwicklungen schlicht in die Insolvenz laufen. Warum gibt es in Deutschland keinen technologieorientierten Kapitalmarkt? Warum gelingt es uns in Deutschland und größtenteils auch in Europa nicht, eine nachhaltig florierende KMU-Biotech- Industrie aufzubauen, obwohl die grundlegenden Technologien häufig von deutschen Wissenschaftlern erfunden wurden (etwa das Konzept der monoklonalen Antikörper), die daraus entwickelten Biologicals in den medizinischen Anwendungen hunderte von Milliarden an Umsätzen erzielen und etliche Milliarden (vornehmlich in den USA) Gewinn abwerfen, obwohl die Biologisierung weiter Bereiche der Industrieproduktion und der Produktpalette auch für Endverbraucher erhebliche ökonomische und ökologische Vorteile verspricht? Kapitalbindung und Risiko in Biotech Aus unserer Sicht gibt es eine wesentliche Antwort darauf: Es fehlt hierzulande an einem Ökosystem der Finanzierung. Die biopharmazeutische Produktentwicklung oder auch der Aufbau von Technologieplattformen für z. B. die weiße Biotechnologie erfordern hohe Investitionen über lange Jahre. Summen von hohen zwei- bis niedrigen dreistelligen Millionenbeträgen sind realistische Beträge, die investiert werden müssen und das über Investitionszeiträume von zehn Jahren oder mehr, bis ein nachhaltiger Return erwartet werden kann. So entstehen neue Industrien. Man scheut aber in Deutschland dieses Risiko aus langer Kapitalbindung in Kombination mit dem unleugbaren und auch schwer einschätzbarem Markt- und Technologierisiko. 26 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

29 Dr. Holger Zinke, Gründer und CEO BRAIN AG, Zwingenberg Dr. Claus Kremoser, Gründer und CEO Phenex Pharmaceuticals, Ludwigshafen Warum funktioniert es in den USA? Nun, auch wenn dort generell eine wesentlich höhere Risikobereitschaft und vielleicht auch mehr Optimismus aufgebracht werden, so sind US-amerikanische Marktteilnehmer dennoch keine Hasardeure, sondern meist kühle, rationale Rechner. Der entscheidende Unterschied zwischen Europa und Amerika sind die boomenden Kapitalmärkte auf der anderen Seite des Atlantiks. Frühphasen-, Venture-Capital- oder Private-Equity-Investoren sind in den USA nicht darauf angewiesen, über die gesamte Produktentwicklungs- zeit zu investieren. Spätestens nach klinischen Phase-II-Studien ist ein Börsengang und damit ein Exit für die Frühphaseninvestoren möglich. Bei der Börsennotierung erfolgt dann nach und nach die Wachablösung durch große Private-Equity- oder Pensions-Fonds. Die langjährige Verfügbarkeit von Fonds hat dazu geführt, dass u. a. diese Public Investors sehr tiefe Taschen besitzen und für hohen Appetit auf Biotechund andere Hightech-Firmen sorgen. Damit üben diese Public Investors einen Sogeffekt auf Frühphasen-Investments, ja sogar hinein in die akademische Forschung aus. In Nordamerika existiert somit eine gut funktionierende Kapitalnahrungskette innerhalb des Finanzökosystems für HighTech / HighRisk- Firmen. Investoren können auf jeder Stufe ihren Return finden, Erfinder und Unternehmer können frühzeitig belohnt werden, dieser Sektor zieht in den USA die besten und umtriebigsten Köpfe an. Der Venture-Capital-Markt ist tot Der Aufbau einer Kapitalnahrungskette wurde in Ansätzen zur Zeit des Neuen Marktes zwischen 1998 und 2001 erprobt, damals aber sofort für windige Börsengänge missbraucht und daher ist diese Nahrungskette nun zusammengebrochen. Trotz des bewiesenen großen ökonomischen und transformierenden Potenzials der Biotechnologie als Querschnittstechnologie und Basis für ein biobasiertes Wirtschaftssystem Bioökonomie, wie sie die EU-Kommission in ihren wirtschaftspolitischen Papieren beschreibt gibt es in Deutschland keinen Markt für privates Risikokapital mehr: ein klassischer Fall von Marktversagen. Was können wir in dieser Situation tun? Wir müssen die Kapitalnahrungskette wieder neu aufbauen und zwar nicht mit staatlichen, sondern mit privaten Mitteln. Wir müssen einen Rahmen schaffen, der wieder Lust auf private Technologie-Investments macht. Wenn man grob abschätzt, dass in Deutschland ca. 500 Milliarden Euro in Form von Sichteinlagen, Lebensversicherungen oder sonstigen Formen von Sparanlagen oder Altersversorgungsmodellen auf der hohen Kante liegen, dann ist unser konkreter Vorschlag, mindestens 1% dieses Volksvermögens, also ca. fünf Milliarden Euro, für Hightech-Investments zu mobilisieren. Wie soll das geschehen? Unser Vorschlag ist ganz einfach: 1% jedes privaten Vermögens oder 1% aller Lebensversicherungsanlagen dürfen und sollen in eine spezielle Klasse von HighTech /High- Risk-Unternehmen investiert werden und die Erträge aus diesen Investitionen sollen für zehn Jahre steuerfrei gestellt werden*. Der Anreiz hier ist klar: Zwar haben diese HighTech / HighRisk-Firmen eine hohes Verlustrisiko; aber auch, wenn nur wenige dieser Unternehmen Erfolg haben, bringen sie einen so hohen Return, dass dieser die Verluste auf Portfolioebene auffangen kann und erwirtschaften darüber hinaus eine Rendite, die über die mageren Renditen der klassischen Anlageformen deutlich hinausgehen sollten. In Nordamerika und Israel wird mit Hightech und Biotech trotz des hohen intrinsischen Risikos sehr viel Geld verdient, dort sogar ohne besondere steuerliche Anreize. Würde dieses (einfache) Modell umgesetzt werden, ergäben sich schnell positive Effekte: 1. Großanleger wie Lebensversicherer und große Publikumsfonds, aber auch Stiftungen würden gezielt nach Anlagen im HighTech / HighRisk-Sektor und damit auch in Biotech- Unternehmen suchen, es stünde wieder investives Kapital zu Verfügung. Das Verlustrisiko würde durch breite Anlagenstreuung und auch die Begrenzung auf maximal 1% des Vermögens eingedämmt. 2. Es entstünde ein gesunder Anlagedruck ; vorhandene Start-ups mit guten Technologien oder Produktideen können sich wieder refinanzieren, es würde eine Einstellungswelle für qualifizierte Wissenschaftler, Laboranten, aber auch Fondsmanager, Analysten, etc. entstehen. Laborgerätehersteller und andere Zulieferer sowie Dienstleister würden einen Aufschwung erfahren. Ein Hightech- Ökosystem würde wieder entstehen. * Dieses auf den Ertrag abzielende einfache Incentive kann von Steuerrechtlern oder ordnungspolitischen Bedenkenträgern gerne durch andere Konstruktionen ersetzt werden. Wir schlagen es hier vor allem aus Gründen der einfachen nachfolgenden Kosten/Nutzen-Berechnung vor. Wir wollen deutlich machen, dass mit etwas gesundem politischem Willen mit minimalem Aufwand ein hoher volkswirtschaftlicher Nutzen darstellbar ist. Perspektive 27

30 3. Der Staat und die Gesellschaft würden direkt und unmittelbar von diesem Wachstumseffekt profitieren. Die momentanen Kapitalanlagen der Deutschen sind größtenteils volkswirtschaftlich unproduktiv und z. T. nicht einmal gesellschafts- und umweltpolitisch wünschenswert. Die in Aussicht genommenen 1% des verfügbaren Einkommens der Anleger entsprechen ungefähr fünf Milliarden Euro und ergäben für die Anleger bei ca. zwei Prozent Rendite p. a. nur bescheidene 100 Millionen Euro Gewinn p. a. Davon würde der Staat 25 Prozent Kapitalertragsteuer, also 25 Millionen Euro, einbehalten. In unserem Modell müsste der Staat also nur auf 25 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr initial verzichten, um innerhalb eines Jahres einen Hightech-Wachstumsschub auszulösen. Wenn die fünf Milliarden Euro in HighTech / HighRisk-Unternehmen investiert würden, werden konservativ gerechnet zehn- bis zwanzigtausend hochqualifizierte, gutbezahlte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse entstehen. Das wäre eine Verdoppelung der derzeitigen F&E-Stärke der Branche. Allein die Einkommensteuer aus diesen neugeschaffenen Beschäftigungsverhältnissen würde in Sozialkassen und beim Fiskus den Verzicht auf die marginale Kapitalertragsteuer bei Weitem überkompensieren. 4. Die Finanzindustrie hätte die Möglichkeit, neue Anlageprodukte aufzulegen etwa zertifizierte Spezialfonds, die sich auf High- Tech / HighRisk-Beteiligungen spezialisieren. Es könnte eine Möglichkeit bieten renditestarke Ergänzungen zu den klassischen Formen der Altersvorsorge (bspw. Lebensversicherungen) mit ihren marginalen Renditen aufzulegen. Bioökonomie verwirklichen Zusammengefasst könnte Deutschland wieder eine Spitzenposition bei der Entwicklung neuer Biotech-Produkte und bei der Biologisierung klassischer Industrien und damit Zukunftsfähigkeit erlangen. Eine Bioökonomie könnte Wirklichkeit werden. Wir sind explizit der Auffassung, dass vor allem Biotechnologie-KMU zu bahnbrechenden Innovationen fähig sind. Das Beispiel der Einführung der Biologicals in den Pharma- Markt zeigt, dass diese grundlegenden Therapieverbesserungen und das damit verbundene Pharma-Wachstum (leider im Ausland) nahezu ausschließlich durch in den letzten Jahrzehnten neugegründete Biotechnologieunternehmen begründet wurde. Ein einfaches Modell, das funktioniert Durch diese einzige grundlegende Maßnahme Verzicht des Staates auf marginale Kapitalertragsteuer bei HighTech / HighRisk- Investments könnte ein erheblicher Innovationsschub und damit ein Wachstumsund Beschäftigungsimpuls mit sofort messbaren positiven volkswirtschaftlichen Effekten ausgelöst werden. Deutschland exportiert derzeit nicht nur Premiumautomobile, sondern in enormen Größenordnungen anlagesuchendes Kapital. Dieses Kapital arbeitet im Ausland, der Staat und damit auch die Volkswirtschaft und letztlich die Bürger partizipieren lediglich an der Kapitalertragsteuer etwaiger Renditen. Es ist nicht zuletzt eine Frage der politischen Vernunft, Kapital an der Ausgestaltung der Zukunft der eigenen Volkswirtschaft arbeiten zu lassen. Das sollten Gründe genug sein, eine konkrete Ausgestaltung und Umsetzung dieser Maßnahme anzugehen. Wir meinen, dass ein einfach konzipiertes 1%-Modell besser politisch umsetzbar sein wird als zahlreiche gutgemeinte Förderinitiativen auf Bundes- und Länderebene, die immer wieder als Feigenblatt für engagierte Technologiepolitik benutzt werden. Unser Vorschlag betrifft die Dynamisierung des Finanzierungssystems und hat daher nicht den Fördergedanken, sondern die Mobilisierung von privatem Kapital für den notwendigen Umbau der Wirtschaft zum Gegenstand. Die Einfachheit des Vorschlags und der enorme Nutzen sollten parteiübergreifend faszinieren und zum Handeln anregen. $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ 28 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

31 Perspektive 29

32 1% für die Zukunft Das Potenzial: Heal, Fuel and Feed the World Biologisierung und Bioökonomie Die etwas sperrigen Begriffe der Biologisierung und Bioökonomie, die kaum von Fachleuten klar definiert werden können, sind wenig geeignet, in der öffentlichen Wahrnehmung die Bedeutung der Biotechnologie für unsere Gesellschaft herauszustellen. Hier sind uns die Amerikaner weit voraus: Heal, Fuel and Feed the World sehr plakativ und mit starken Schlagworten, die in der Gesellschaft als die relevanten Herausforderungen der Zukunft sofort breite Zustimmung finden. Bringt man Biotech damit in Verbindung, wird sofort ersichtlich, dass in dieser Technologie die Lösung vieler Zukunftsprobleme liegen kann. Daraus resultiert eine positive Reputation, einhergehend mit aktiver Unterstützung durch Politik, Kapital und Gesellschaft. Die Öffnung der Perspektive ist bei uns in Deutschland absolut notwendig, damit Biotechnologie nicht weiterhin als eine kleine Start-up-Branche gesehen wird. Diese immer noch vorherrschende Sichtweise behindert förmlich auch die Lobbyarbeit der aktiven Verbände: Warum sollte sich die Politik und vor allem die Wirtschaftsund Finanzresorts für dieses Thema interessieren, wenn die volkswirtschaftliche Relevanz der knapp Mitarbeiter mit einem Umsatzvolumen im niedrigen einstelligen Milliardenbereich neben den bedeutenden traditionellen Wirtschaftszweigen förmlich im Fehlerbalken der Wirtschaftsstatistik verschwindet. Aktuell geschätzter Umsatz und Mitarbeiter biobasierter Industriesektoren in der EU Sektor Umsatz (Mrd. ) Mitarbeiter (in Tausend) Lebensmittelindustrie Forstwirtschaft* Mio. Jobs in der Industrie, 16 Mio. Waldbesitzer Papier- und Zellstoffindustrie Agrarindustrie Biochemie- und Bioplastikindustrie Fischerei und Aquakultur 0, Zuckerindustrie (161 Zuckerrübenerzeuger) Stärkeindustrie 8 16 Biokraftstoffe Enzymindustrie 0,8 5 Insgesamt *Daten für die EU-25 Eine plakative Aussage allein wird hierzulande allerdings auch nicht konkret weiterhelfen; allenfalls mag dies in der gesellschaftlichen Diskussion hilfreich sein. Für politische Zwecke wie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben werden Fakten und Zahlen benötigt, die diese Perspektive quantitativ untermauern. Die Europäische Kommission hat eine Studie veröffentlicht, die sich genau dieses Themas Quelle: Europäische Kommission, cepi annimmt: Die Erläuterung des Begriffs der Bioökonomie und die Beschreibung von Methoden, Bioökonomie greifbar zu machen. All das mit dem Ziel, deren Potenzial besser abschätzen zu können. So zeigt die Studie für einige der biobasierten Sektoren geschätzte Umsatz- und Mitarbeiterzahlen auf, um das Potenzial der Biotechnologie in den einzelnen Industriezweigen darzustellen. Mit einem geschätzten Jahresumsatz von rund 2 Billionen Euro und mehr als 22 Millionen Beschäftigten rund neun Prozent der Erwerbstätigen in der EU hat die europäische biobasierte Industrie eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung.» Mit einem geschätzten Jahresumsatz von rund 2 Billionen Euro und mehr als 22 Millionen Beschäftigten hat die europäische biobasierte Industrie eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. «Industriezweige, die stark von den Entwicklungen der modernen Biotechnologie profitieren, sind neben der Life-Science-Industrie die chemische Industrie, die Nahrungsund Futtermittelindustrie sowie der Bereich der biobasierten Kraftstoffe. Anhand von Studien soll zumindest ansatzweise ein Zugang zur quantitativen Abschätzung des Biotechnologie-Potenzials im Rahmen der zu erwartenden Biologisierung in diesen Industriezweigen versucht werden. 30 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

33 Umsatz von Chemieprodukten aus biotechnologischen Prozessen (Mrd. ) Green Chemicals Quelle: Festel et al. Wenngleich das aktuelle Marktvolumen der stofflichen Nutzung im Bereich der chemischen Industrie und von ihr versorgten Industriezweigen (z. B. Papier-, Leder-, Konsumgüterindustrie) noch nicht stark ausgeprägt ist, so zeigen die Prognosen für das nächste Jahrzehnt eine sehr dynamische Entwicklung. Eine Studie von Festel errechnet für das Jahr 2010 einen Umsatz von Produkten im Bereich der Chemie, die auf Basis von biotechnologischen Prozessen hergestellt werden, von 91,9 Milliarden Euro, ein Anteil von 6,2 Prozent am Gesamtmarkt. Für das Jahr 2020 wird der Umsatz von biobasierten Produkten auf gigantische 515 Milliarden Euro geschätzt. Die prognostizierten Wachstumsraten von 2015 auf 2020 werden mit 18 Prozent angenommen, wobei die biobasierten Polymere und Fasern das größte Wachstum erfahren und 2020 Umsätze von rund 167 Milliarden Euro erzielen. Die Bedeutung der Biotechnologie im Bereich der APIs (83 Mrd. Umsatz in 2020) begründet sich auf die Produktion von komplexen chiralen Molekülen. Sowohl die FDA in den USA als auch die EMA in Europa verlangen die Elimination der falschen Enantiomere in der Produktion therapeutischer Wirkstoffe, ein großes Potenzial für biotechnologische Methoden. Von den 100 wichtigsten Medikamenten sind bereits mehr als die Hälfte reine Enantiomere. Fuel the World Biofuels In ähnlichen Analysen kann man für den Energiesektor die zunehmende Bedeutung von Second Generation Biofuels quantifizieren. Hierbei kommen als Treiber neben dem technischen Fortschritt vor allem der Impact auf den Umweltschutz (Abgase) sowie das Thema der nachwachsenden Rohstoffe in Zeiten knapper werdender fossiler Brennstoffe hinzu. Dem steigenden Bedarf an Biosprit weltweit entspricht ein ebenso rasant wachsendes Umsatzvolumen, das von 82,7 (2011) auf 185,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 ansteigen wird (Pike Research). Allerdings wird für die dynamische Weiterentwicklung die Lösung der mittlerweile erkannten Probleme gerade im Umgang mit nachwachsenden Rohstoffen (Thema: Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion) sowie dem Umweltschutz (Thema: Abholzung von Wäldern für den Anbau nachwachsender Rohstoffe) unabdingbar sein. Der bio-technologische Produktion von Second Generation Biofuels (Mrd. Liter pro Jahr) ca ca Quelle: MIT Fortschritt hat auch hier bereits die Lösungen parat, indem neue Generationen von Technologien in der Lage sind, Biotreibstoffe aus Lignozellulose, welche beispielsweise aus Ernteresten, Holz oder Gras gewonnen wird, oder durch Algen, Cyanobakterien oder Wasserlinsen zu produzieren. Diese Second Generation Biofuels werden die prognostizierte Marktentwicklung vornehmlich treiben, und der Biotechnologie kommt in diesem Segment eine wachsende Bedeutung zu, da zur Herstellung der neuen Generation von Biokraftstoffen noch mehr biotechnologisches Know-how erforderlich ist. Perspektive 31

34 Umsatz von Enzymen für die Nahrungs- und Getränkeindustrie (Mrd. US$) Umsatz von Biologicals (Mrd. US$) Umsatz von Molekulardiagnostika (Mrd. US$) 1,2 2, ,1 5, Quelle: BBC Research Quelle: IMS Health Quelle: Datamonitor Feed the World Nahrungsmittel Biotech spielt in der Tat auch bereits eine wichtige Rolle im Bereich der Futtermittelund Nahrungsmittelzusätze. Ergänzungen wie Vitamine und Enzyme werden vorwiegend biotechnologisch hergestellt und stellen signifikante Märkte dar. BBC Research prognostiziert für 2016 über zwei Milliarden US-Dollar Umsatz. Darunter fallen Geschmacksstoffe und -verstärker, alternative Süßstoffe und vor allem Nutraceuticals und Functional-Food-Produkte, bei deren Produktion Biotech eine gewichtige Rolle spielt (z. B. Probiotika, Vitamine). Wenngleich genetisch modifizierte Pflanzen vor allem im Zusammenhang mit Lebensmitteln in Europa fast zum Tabuthema geworden sind, ist die weltweite Verbreitung unaufhaltsam und im Sinne der zukünftigen Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung auch nicht vermeidbar. Heal the World Biopharmazeutika und Molekulardiagnostik Für den Life-Science-Bereich führen die Statistiken schon lange den Anteil an biotechnisch hergestellten Therapeutika an. Dieser hat in den letzten Jahren drastisch zugenommen. In den Top 20 der weltweit meistverkauften Therapeutika nehmen Biologicals inzwischen bereits einen Anteil von 50 Prozent ein und kommen beim Umsatz sogar auf 58 Prozent (fast 68 Mrd. US$). Die Top-10-Umsatzträger in Pharma sind sogar zu 70 Prozent Biologicals mit einem Umsatzanteil von 71 Prozent. Für den globalen Arzneimittelmarkt rechnet IMS Health für das Jahr 2017 mit einem Umsatz von bis Milliarden US-Dollar, von denen dann ein Anteil von 18 bis 20 Prozent den Biologicals zufällt. Der Biological-Marktanteil wird dann ein Volumen von ca. 221 Milliarden US-Dollar haben, mit einer jährlichen Steigerungsrate von rund 15 Prozent im Zeitraum von 2002 bis In Deutschland nehmen Biologicals bereits einen Anteil von 21 Prozent des gesamten Pharma-Marktes ein, wie eine Studie des vfa bio zeigt. Biologicals (+10,8 %) wachsen dabei auch deutlich dynamischer als der Gesamtmarkt (+2,4 %), weshalb die relative Bedeutung der Biotechnologie in den nächsten Jahren zahlenmäßig weiter zunehmen wird. Immerhin entsprechen die Biologicals hinsichtlich der absoluten Wertschöpfung einem Wert von über sechs Milliarden Euro alleine in Deutschland. Diese Zahlen betreffen nur die Verkaufszahlen von biotechnisch hergestellten Produkten. Weitaus größer wenngleich quantitativ schwieriger zu erfassen ist der Impact der Biotechnologie, wenn man bedenkt, dass kein Medikament in seiner langen F&E-Phase ohne Biotechnologie auskommt: von der Forschung mit Methoden der molekularen Genetik über transgene Tiermodelle bis zur Klinik mit weitreichendem Einsatz von molekularbiologischen Analysemethoden. 32 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

35 Der Gesamtmarkt der Molekulardiagnostik kann zum Großteil der Biotechnologie zugerechnet werden, da ohne das Methodenarsenal der Molekularbiologie dieser Markt nicht existent wäre. Im Zuge des immer stärker ausgeprägten Trends zur personalisierten Medizin zeigen Entwicklungen im Bereich der Biomarker und Companion Diagnostics hohe Zuwachsraten mit direkter Beteiligung von Biotech-Unternehmen. Das prognostizierte Marktvolumen im Jahr 2016 beträgt demnach 5,3 Milliarden US- Dollar allein für die Molekulardiagnostik, welche weitestgehend auf Bio-Technologien beruhen. Biotech erfüllt die Erwartungen Allein die genannten Bereiche im Sinne von Heal, Fuel and Feed the World zeigen das Milliardenpotenzial, zu dessen Realisierung Biotech zweifelsohne einen signifikanten Beitrag leistet. Wenngleich der exakte quantitative Anteil nicht immer genau beziffert werden kann, wird deutlich, dass Biotech insgesamt ein entscheidender Treiber in Multi-Milliardenmärkten ist. Die Hälfte der Top-20-Pharmazeutika sind Biologicals Marke Wirkstoff Typ 2013 Umsatz weltweit (Mrd. US$) Humira Adalimumab Monoklonaler Antikörper Enbrel Etanercept Rekombinantes Protein Fluticasone / Advair Diskus / Niedermolekular Seretide Salmeterol Abilify Aripiprazone Niedermolekular Lantus Insulin glargine Rekombinantes Protein Rituxan Rituximab Monoklonaler Antikörper Remicade Infliximab Monoklonaler Antikörper Avastin Bevacizumab Monoklonaler Antikörper Herceptin Trastuzumab Monoklonaler Antikörper Crestor Rosuvastatin Niedermolekular Cymbalta Duloxetine Niedermolekular Gleevec Imatinib Niedermolekular Lyrica Pregabalin Niedermolekular Spiriva Tiotropium Niedermolekular 4.580* bromide Januvia Sitagliptin Niedermolekular Neulasta Pegfilgrastim Rekombinantes Protein Copaxone Glatiramer- Peptidgemisch acetat Revlimid Lenalidomide Niedermolekular Lucentis Ranibizumab Monoklonaler Antikörper *Umsatz im Jahr 2012 Quelle: EY und Medtrack Perspektive 33

36 Kennzahlen 34 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

37 Potenzial vorhanden Call to Action Neugründungen deutscher Biotech-Unternehmen, 2012 / 2013 Name Stadt Segment Gründungsjahr Allecra Therapeutics Lörrach Drug Development 2013 BianoScience Zwickau Drug Development 2012 biovariance München Contract Research 2012 Blackfield Köln Contract Research 2012 CAP-CMV Köln Drug Development 2013 CLS Cell Line Service Eppelheim Contract Research 2012 da-cons Eggenstein-Leopoldshafen Bioinformatics 2013 Drug Response Dx (aka DRDx) Hennigsdorf In Vitro Diagnostics 2012 ecseq Bioinformatics Leipzig Bioinformatics 2013 Erdmann Technologies Berlin Drug Development 2013 ImmunOligo Bonn Drug Development 2012 InoCard Heidelberg Drug Development 2013 metasysx Potsdam Genomics 2012 Molox Berlin Contract Manufacturing 2012 Multiplexion Heidelberg In Vitro Diagnostics 2012 Myelo Therapeutics Berlin Drug Development 2013 OMEICOS Therapeutics Berlin Drug Development 2013 Peacock Pharma Goch Drug Development 2012 Replibone Perleberg Tissue Engineering 2012 Rheacell Heidelberg Tissue Engineering 2012 Sciomics Heidelberg Proteomics 2013 sitools Biotech Martinsried Contract Research 2013 Trianta Immunotherapies Planegg Drug Development 2013 Yumab Braunschweig Contract Research 2012 Quelle: EY Neugründungen mit Potenzial Die Liste der Neugründungen eine Zusammenfassung der aktuellen Firmen-Startups 2013 und nachträglich identifizierten Neustarts aus 2012 zeichnet ein Bild, das eigentlich dem allseits beklagten Finanzierungsengpass in keiner Weise entspricht. Von 24 Start-ups belegt die Hälfte das Geschäftsmodell der Therapeutikaentwicklung (inkl. Tissue Engineering). Demgegenüber belegen auf derselben Liste Service-Unternehmen mit zehn Gründungen eine weniger prominente Position im Gegensatz zur Gesamtliste der bestehenden deutschen Biotech-Unternehmen. Hierin zeigt sich ein doch beträchtliches Potenzial an Ideen für neue Produkte in lukrativen Märkten. Es impliziert weiterhin, dass offenbar zu diesem frühen Zeitpunkt ausreichend Startkapital zur Verfügung steht, um dieses Potenzial wenigstens auf die Schiene zu setzen. Umso schmerzlicher ist doch aber, die harte Zukunft dieser Neustarts absehen zu müssen, wenn diese am Rande des Valley of Death angelangt sind und vor der Herausforderung stehen, eine Weiterfinanzierung zu akquirieren. Kennzahlen 35

38 Attraktive Therapieproduktplattformen mit Potenzial Deutsche im Therapiesektor Der Therapeutikasektor im weitesten Sinne macht auf der Gesamtfirmenliste der Biotech-Branche in Deutschland immerhin fast 50 Prozent aus. Davon sind 41 Prozent reine Therapeutikaentwickler während 59 Prozent über den Weg unterschiedlicher Technologieplattformen das Endziel Therapeutika verfolgen. Bei der Mitarbeiterstärke fällt letzteres Segment sogar noch stärker ins Gewicht, mit immerhin 80 Prozent der im Biotech-Therapeutikasektor Beschäftigten. Anzahl Firmen (n=203) 1 % 8 % 16 % 41 % Anzahl Mitarbeiter (n=3830) 8 % 17 % 20 % 23 % Trotz der vielfach demonstrierten positiven Aufstellung der Tech@Companies nehmen diese mit der Wahl ihres Modells vielfach Verzögerungen ihrer Unternehmensentwicklung in Kauf, indem sie sich zunächst mit Partnerschaften finanzieren und erst zu einem späteren Zeitpunkt in eigene Produktentwicklungen einsteigen. Diese Konstellation schreit nach besserer Nutzung des vorhandenen Potenzials durch eine nachhaltigere Kapitalnahrungskette (siehe Kapitel Perspektive). 34 % Therapeutikaentwicklung Tech@Process Tech@MPO Tech@Disease Tech@Translation 32 % Deutsche Tech@Companies im Diagnostiksektor Quelle: EY Auch im Diagnostiksektor und dem Bereich der Big Data existieren attraktive Plattformen, die insgesamt ebenfalls 59 Prozent des Samples ausmachen und ebenso Produktpotenzial haben. Anzahl Firmen (n=89) 25 % Anzahl Mitarbeiter (n=1880) 17 % Call to Action Das beschriebene Potenzial, abgeleitet aus den zahlreichen Neugründungen sowie der Verteilung von Plattformen mit Produktperspektiven, kann einer innovationsorientierten Gesellschaft nicht gleichgültig sein. Weder kann hingenommen werden, dass hoffnungsvolle Neugründungen ins offene Messer einer ausgetrockneten Kapitalnahrungskette laufen, noch ist der Wertschöpfungsverlust durch zu langsame Entwicklungsfortschritte und Umwege über Plattform-Deals hinzunehmen. Deshalb ist an dieser Stelle der laute Call to Action, wie er im Kapitel Perspektive angemahnt und in den Grundzügen beschrieben wurde, umso notwendiger. 34 % 41 % 40 % Disease Detection & Monitoring Tech@BigData Tech@CompanionDiagnostics 43 % Quelle: EY 36 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

39 Kennzahlen 37

40 Zahlen und Fakten Deutschland Kennzahlen der deutschen Biotech-Industrie private Unternehmen börsennotierte Unternehmen Gesamtindustrie Allgemeine Kennzahlen Anzahl Unternehmen % % % Anzahl Beschäftigte % % % Finanzdaten (Mio. ) Umsatz % % % F&E-Ausgaben % % % Verlust % % % Quelle: EY und Capital IQ Die Kennzahlen für den Biotech-Sektor in Deutschland zeigen insgesamt nur geringfügige Änderungen gegenüber dem Vorjahr. Summa summarum ergibt sich das Bild eines Sektors, dem Wachstumsimpulse fehlen und die Möglichkeit genommen ist, in Innovation zu investieren. Wie im Nachfolgenden beschrieben, sind die meisten der auffallenden Kennzahlenänderungen auf distinkte Treiber zurückzuführen. Mitarbeiterrückgang durch Verkauf und Liquidation Für die Mitarbeiterreduktion bei den börsennotierten Unternehmen ist insbesondere die Veräußerung der Forschungsantikörpersparte AbD Serotec von MorphoSys an Bio-Rad ausschlaggebend: MorphoSys verringerte seinen Mitarbeiterstamm im vergangenen Geschäftsjahr um insgesamt 123 Beschäftigte. Hinzu kommt das Minus von immerhin 52 Mitarbeitern der sich in Liquidation befindlichen Agennix. Umsatzrückgang nach Wegfallen einmaliger Deal-Zahlungen Die Reduktion der Umsätze entspringt vor allem der Seite der privaten Firmen (-9 %) und findet dort ein Einmalereignis als Ursache: AiCuris hatte im Vorjahr eine außergewöhnlich hohe Upfront-Zahlung aus seinem sehr erfolgreichen Deal mit Merck & Co. (MSD) als Einkommen verbucht. Zieht man diese 110 Millionen Euro vom Umsatz 2012 ab, so resultiert die diesjährige Rechnung sogar in einer Steigerung von beinahe vier Prozent (für die gesamte Branche immerhin 3 %). Geringere F&E-Ausgaben und Verlustabbau durch Firmenschließung Schließlich finden auch die signifikanten Sprünge bei den F&E-Ausgaben und dem Verlustabbau konkrete Ursachen. Allein die Schließung des Geschäftsbetriebs von Dynamik bei den Kennzahlen privater Unternehmen Änderungsrate 2012 / % 20 % 10 % 0 % -10 % -20 % -30 % -40 % -50 % Umsatz F&E-Ausgaben Verlust Anzahl Beschäftigte Services, Technologies & Tools Agennix führte im Bereich der börsennotierten Firmen zu einem Rückgang der F&E- Ausgaben von über 36 Millionen Euro sowie zu einer Reduzierung der Verluste um über 146 Millionen Euro. Beide Faktoren drücken entsprechend die Gesamtstatistik. Daneben trugen auch die privaten Unternehmen zu einer signifikanten Reduzierung der Verluste bei, was insbesondere durch gute Bilanzen bei den Anbietern von Services, Technologies & Tools getrieben wurde. Therapeutika Quelle: EY 38 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

41 Der leichte Rückgang der Unternehmenszahl um fünf (weniger als 1 %) kommt dadurch zustande, dass die insgesamt 18 durch Insolvenzen, Übernahmen o. ä. aus der Statistik gefallenen Firmen durch die lediglich 13 Neugründungen nicht kompensiert werden. Allerdings zeigt die Rückschau auf vergangene Jahre, dass Neugründungen vielfach erst nachträglich im Verlauf des Jahres bekannt werden und dann die Statistik wieder egalisieren. Hervorzuhebender Neuzugang ist die gelistete Formycon aus Martinsried, die nach Übernahme der Assets der Scil Technology im Oktober 2012 aus der ehemaligen Nanohale hervorging und sich nunmehr der Entwicklung und Vermarktung von Biosimilars widmet. Ihre Neuaufnahme in die Statistik kompensiert in der Firmenstatistik den Wegfall der sich in Liquidation befindlichen Agennix und bringt somit zum ersten Mal seit dem IPO von WILEX im Jahr 2006 frischen Wind in die Riege der börsennotierten deutschen Unternehmen. Fluktuation bei deutschen Biotech-Unternehmen Anzahl Firmen Insolvenzen / Auflösungen M&As Nicht aktiv und Sonstige Neugründungen Quelle: EY Kennzahlen 39

42 Finanzierung 40 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

43 Hot Topic: IPO Diskontinuität der Nahrungskette Bereits im Kapitel Perspektive war auf den Begriff der Kapitalnahrungskette eingegangen worden. Dieser Begriff wurde gewählt, weil er die Notwendigkeit der Kontinuität am besten symbolisiert eine unterbrochene oder gestörte Nahrungskette führt in der Regel zu Störungen im Ökosystem mit weitreichenden Folgen. Am distalen Ende einer Störung kommt es zu Ausfällen und Defiziten, am vorgelagerten Abschnitt zu Stau und Überkapazitäten. Die Diskontinuität der Nahrungskette hat schwerwiegende Folgen für das Überleben einer Population; ergo: Reden wir über das Überleben der Biotech-Population, das Überleben der Biotechnologie als Industrie in Deutschland? Die Nahrungskette für Biotech hat mehrere ganz konkrete Schwachstellen: Mangelnde Überbrückung des Valley of Death, d. h. Finanzierung privater Unternehmen in der kritischen Phase vor Erreichen des Proof of Concept für ihre Produktentwicklungen Schwierige Wachstumsfinanzierung nach dem Überschreiten des kritischen Todestals zur Bildung börsentauglicher Unternehmungen Fehlender liquider Kapitalmarkt für den Aufbau und das Wachstum reiferer Biotech-Unternehmen Diese Schwachstellen bedingen einander und hängen eng zusammen. Mangelnde Risikobereitschaft der Investoren aufgrund der Risikoaversität der Fonds-Investoren und ein gescheitertes VC-Modell trocknen die Pipeline zunehmend aus. Davon betroffen sind Unternehmen, die nicht das Kapital erhalten, um aus eigener Kraft die Marktfähigkeit ihrer Produkte unter Beweis zu stellen (Proof of Concept). Dies hat inzwischen insgesamt zu einer Ausdünnung an Unternehmen geführt, die sich auf einen dynamischeren Wachstumskurs begeben könnten. An den Baustellen hat sich im Berichtsjahr keine wesentliche Änderung des Gesamtbilds ergeben: Die private Finanzierung leidet weiter an Unterkapitalisierung; die Zahlen fluktuieren aufgrund weniger Finanzierungsevents und wegen Einzelereignissen (wie z. B. der Family-Office- Aktivitäten) Der Kapitalmarkt ist weiterhin nicht an Biotech interessiert; mittlerweile ist die Börsentür in Frankfurt für Biotech im siebten Jahr fest geschlossen Gerade die letzte Feststellung ist deswegen zunehmend dramatisch, weil im internationalen Kontext Bewegung in die Kapitalmärkte gekommen ist. Dies verlangt nach einer genaueren Analyse. Kapitalmärkte boomen weltweit Das Ausbleiben von Biotech-Börsengängen in Deutschland konnte bis vor drei Jahren noch als makroökonomische Konsequenz der allgemeinen Finanzkrise bedauernd hingenommen werden. In Zeiten, in denen nicht einmal in den USA erfolgreiche Börsenstarts gelangen, konnte man dies in Deutschland schon gar nicht erwarten. Deswegen nahm die Betrachtung von IPOs auch wenig Raum in der Branchendiskussion ein. In den letzten Jahren allerdings hat sich ein völlig anderes Bild entwickelt, das immer mehr Anlass zur Sorge liefert. Insofern ist es umso wichtiger, die Hintergründe näher zu beleuchten. Das Berichtsjahr 2013 wird als ein sehr erfolgreiches in die Annalen der Aktienmärkte weltweit eingehen. Überall auch in Frankfurt sind die Aktienindices unaufhaltsam gestiegen und DAX und NASDAQ erreichten historische Höchststände. Weltweit hatte es 2013 mit 884 IPOs ein rasantes Wachstum gegeben, mit einem Emissionsvolumen von insgesamt über 165 Milliarden US-Dollar (+ 27 %). Allein in Europa waren dabei acht IPOs mit Volumina über einer Milliarde Euro gezeichnet worden. Deutschland konnte von diesem Boom zwar weniger profitieren, doch immerhin waren in Deutschland unter den insgesamt sieben IPOs 2013 einige große Marken (LEG Immobilien / Bastei Lübbe), die erfolgreich an die Börse gegangen sind. Finanzierung 41

44 Biotech in den USA kann dem Börsentrend folgen Seit drei Jahren kann man in den USA wieder Börsengänge von Biotech-Unternehmen verfolgen. Anfangs wurden diese IPOs vor allem durch wenige spezialisierte Investoren getrieben. Dies motivierte im letzten Jahr die Generalisten, die gemeinsam mit den Spezialisten die volle Aufmerksamkeit des Börsenparketts auf sich gezogen haben. Sie sorgten für ein fulminantes IPO-Feuerwerk, bei dem 3,3 Milliarden US-Dollar an Kapital neu aufgenommen werden konnten. Der Kurvenverlauf der Zwölfjahresstatistik erinnert 2013 schon fast an die Verhältnisse während des IPO- Booms um die Jahrhundertwende. Wann erreicht die Börsenbegeisterung Biotech in Europa und Deutschland? Die Antwort auf diese Frage war in der Vergangenheit meist auf wenige Monate eingrenzbar, als derartig ausgeprägte Börsenfenster fast einem Automatismus folgend von den USA nach Europa und auch nach Deutschland durchschlugen. Fehlanzeige heute! Es gibt keine Anzeichen, dass dies in der gegenwärtigen Situation ebenfalls geschehen könnte. Einerseits sind die Investoren in Deutschland über alle Branchen hinweg deutlich weniger von der weltweiten IPO-Begeisterung angesteckt, wie die verhaltene Entwicklung der IPOs in Deutschland insgesamt zeigt. Andererseits fehlt hierzulande immer noch die kritische Masse an (erfolgreichen) Unternehmen, die es rechtfertigen würde, ein erfahrenes Netzwerk an Spezialisten und Experten für das Life-Science-Segment auf Seiten der Investmentbanken aufrechtzuerhalten bzw. wieder zu etablieren. Nur vereinzelt werden deshalb Meinungen geäußert hinsichtlich eines sich öffnenden Börsenfensters: Die lange Flaute an sich und die vorwiegende Beschäftigung mit konventionelleren Modellen könnten den Appetit auf mehr Technologie und Risiko neu anfachen. Angesichts der eher verhaltenen Prognosen für den gesamten deutschen IPO-Markt für 2014 scheint jedenfalls Optimismus hinsichtlich neuer Börsengänge für Biotech eher unangebracht. Alternative US-Börsengang? In dieser Situation kommen kreative Alternativvorschläge immer gut an. Einer dieser Vorschläge ist die wieder stärker gefragte Empfehlung an europäische IPO-Aspiranten, den Börsengang in den USA zu wagen, um von dem dort vorherrschenden Boom zu profitieren. Bei diesem Plan darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die Anforderungen der NASDAQ im Vergleich zu europäischen Börsenplätzen deutlich höher sind und dass man klare Vorstellungen entwickeln muss, wie eine ausreichende Visibilität für ein bislang in den USA unbekanntes Unternehmen erreicht werden kann. Ansatzpunkte dafür wären: ein signifikantes Emissionsvolumen (> 100 Mio. US$) eine bereits etablierte Marktpräsenz in den USA herausragende Kernkompetenzen und / oder Kennzahlen Auf alle Fälle sollte eine sehr gründliche Vorbereitung auf diesen Schritt im Sinne von IPO Readiness die Leitlinie sein. Immerhin haben im vergangenen Jahr einige europäische Biotech-Unternehmen den Gang an die US-Börse gewagt. Einige davon in echten IPOs, andere in Form eines sekundären Listings in den USA nach bereits erfolgtem Börsengang in Europa (z. B. Evogene, GW Pharmaceuticals). Allen voran erzielte Prosensa, ein Unternehmen aus Amsterdam mit einer innovativen RNA-basierten Genregulationsplattform, mit 65 Millionen US-Dollar ein stattliches Ergebnis und damit viel Publizität. Von den insgesamt 15 Börsengängen europäischer Biotech-Unternehmen waren allein sechs (40 %) an der NASDAQ oder NYSE. Allerdings waren vier der Unternehmen aus Israel, einem Land mit traditionell höherer Affinität zum US-Börsenmarkt. Diese gelten somit nicht als die typischen europäischen Vertreter. Weitere sechs Unternehmen wählten Börsenplätze in Europa mit Anbin- In den USA boomt der Markt für Biotech-IPOs Volumen (Mrd. US$) Anzahl IPOs Volumen Anzahl IPOs Quelle: EY, Capital IQ, BioCentury und VentureSource 42 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

45 IPO-Performance europäischer Biotech-Unternehmen zeigt nach oben Aktienkursentwicklung vom IPO bis zum 31. Dezember 400 % 300 % 200 % 100 % 0 % -100 % RNA ENZY CARD ADHD ERYP KDST IMMU SER EVGN KMDA GWP Quelle: EY, Capital IQ und finance.yahoo.com dung an die NASDAQ (z. B. OMX First North in Kopenhagen) oder NYSE (z. B. Euronext in Brüssel). Als rein europäische Börsendebüts verbleiben damit lediglich drei, die einerseits klein ausfielen (4,2 Mio. an der TASE bzw. 0,5 Mio. an der Osloer Börse) oder lediglich Listings waren. Die entscheidende Frage nach dem nachhalti- gen Erfolg der US-IPOs europäischer Biotech-Firmen bleibt zu beantworten. Eine erste Bestandsaufnahme der NASDAQ-IPOs und ihrer Performance bis zum Ende des Jahres 2013 ergab erfreulicherweise sehr positive Resultate: Im Mittel lagen die Schlusskurse 2013 fast 90 Prozent über den Startkursen am IPO-Tag. Diese durchschnitt- lichen Performance-Werte stehen der Gesamt-Performance der US-Biotechnologiefirmen in nichts nach (50 % Zugewinn). Ob aufgrund dieser Informationen eine breite Empfehlung an europäische Biotech- IPO-Kandidaten gegeben werden kann, bleibt eine interessante Frage, die Experten im nachfolgenden Round Table diskutieren. Börsengänge europäischer Biotech-Unternehmen, 2013 Unternehmen Land Volumen (Mio. ) Datum Börse Art Prosensa Niederlande 67,5 8. Juli NASDAQ IPO Enzymotec Israel 53,5 28. September NASDAQ IPO Cardio3 BioSciences Belgien 26,5 4. Juli NYSE Euronext Brussels IPO Alcobra Pharma Israel 18,8 22. Mai NASDAQ IPO ERYtech Pharma Frankreich 17,7 7. Mai NYSE Euronext Paris IPO Kadimastem Israel 4,2 10. Juni TASE IPO Immunicum Schweden 2,5 22. April NASDAQ OMX First North IPO Serodus Norwegen 0,5 25. März Oslo Børs IPO Evogene Israel 63,9 23. September NYSE Secondary IPO Kamada Israel 44,7 5. Juni NASDAQ Secondary IPO GW Pharmaceuticals UK 24,6 30. Mai NASDAQ Secondary IPO Medical Prognosis Institute Dänemark 8. Oktober NASDAQ OMX First North Listing Celsus Therapeutics UK 9. Februar OTCQB Listing Diamyd Medical Schweden 20. Mai NASDAQ OMX First North Listing Immune Pharmaceuticals Israel 26. August NASDAQ OMX First North Reverse IPO Quelle: EY, BioCentury, Capital IQ und VentureSource Finanzierung 43

46 Round Table: Kommt der Aufschwung der Biotech-IPOs in den USA auch nach Europa? Woher kommt der plötzliche Biotech-IPO-Hype in den USA? MS: Nach einer Periode mit bemerkenswerten Real-Estate-IPOs in den USA und Europa und Fokus auf einem Value Investment Style zeichnet sich ein Trend ab, der stärker durch Growth Investments gekennzeichnet ist und damit einhergeht, dass Investoren wieder mehr Risiko beimischen werden. Davon können explizit auch Technologiewerte profitieren. Zu den Technologien, die ganze Industrien umzuwälzen vermögen, gehört mit Sicherheit auch Biotech. Allerdings hinkt Europa im Primärmarkt den USA oft hinterher. JZ: Neben dem weltweit tiefen Zinsniveau hat in den USA auch der JOBS Act (Jumpstart our Business Startups Act) dazu beigetragen, dass junge und schnell wachsende Unternehmen (wie Biotech-Unternehmen) leichteren Zugang zum Kapitalmarkt finden. MS: Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass in den USA die Vermarktung von Initiativen wie dem JOBS Act besser funktioniert und zu positiven Effekten auf die IPO-Aktivität beiträgt, obwohl wir in Europa bereits seit langem ähnliche Instrumente wie Confidential Filing haben, die den Börsenzugang erleichtern. ME: Ich denke auch, dass wir trotz des JOBS Act auf der regulatorischen Seite in Europa noch einige Vorteile gegenüber den USA vorweisen können. Leider reicht dies alleine aber nicht aus, um den derzeitigen Boom in den USA zu replizieren. Warum bleibt das in früheren Zeiten zu beobachtende zeitversetzte Übergreifen eines IPO-Aufschwungs derzeit in Europa aus? MS: Europa braucht definitiv ein besseres Marketing. Die vorhandenen hocheffizienten Handelsnetzwerke, die im Highspeed- Takt Abschlüsse mit Zugang zu den USA und nach Asien ermöglichen, machen die physische Lokation der Investoren weniger wichtig. Roadshows werden zudem unabhängig von der IPO-Destination in den wichtigsten Finanzzentren durchgeführt. ME: Die Investoren, vor allem die Life- Science-Spezialisten, haben sich aufgrund der Entwicklung im Sektor zu Beginn der Finanzkrise in Europa etwas zurückgezogen, wenngleich sie nicht verschwunden sind. Cross-Border Listing Das Listing der Aktien eines Unternehmens an einer anderen als ihrer Heimatbörse, respektive Börse des Hauptsitzlandes. Equity Home Bias Die Tendenz von Investoren, Anlagen auf dem Heimatmarkt überproportional zu gewichten. JOBS Act Der im April 2012 unterzeichnete Jumpstart Our Business Startups Act beinhaltet eine Vielzahl von regulatorischen Erleichterungen, die die Kapitalaufnahme über die Börse fördern sollen. Dazu zählen für IPO-Kandidaten u. a. die Möglichkeit des vertraulichen Prozesses der SEC- Registrierung, die Notwendigkeit von nur zwei Abschlüssen für sogenannte Emerging Growth Companies (EGC) im Prospekt und die Gewährung von Übergangsperioden für die Erfüllung der strengen Regeln des Sarbanes Oxley Act. Vielfach äußert sich dies auch darin, dass die Sektor-spezifischen Research-Abteilungen bei den Investmentbanken geschlossen wurden. Der Biotech-Sektor, beispielsweise in der Schweiz, ist nach wie vor attraktiv, und einige Kandidaten kommen für einen IPO in Frage. Dennoch werden die Track Records und der Entwicklungsstatus der Unternehmen spezifischer und kritischer hinterfragt als noch vor der Finanzkrise, also vor sieben bis neun Jahren. Es wird sicherlich aber darauf ankommen, dass man die Generalisten unter den Investoren wieder mehr überzeugt, da diese auch in den USA die treibende Kraft hinter dem aktuellen Boom zu sein scheinen. Wir sehen aber schon, dass das IPO-Fenster sich auch bei uns wieder etwas weiter öffnen könnte. Haben wir dann tatsächlich auch genügend gute Storys, um das Fenster bedienen zu können? ME: Es gibt sie schon, allerdings weniger als früher, wenn man die höheren Anforderungen der Investoren mit einbezieht. Insofern ist vermutlich keine große IPO-Welle im Biotech-Sektor zu erwarten. Wir brauchen einen Icebreaker, aber leider sind die Kandidaten extrem vorsichtig. Insbesondere hält sich jeder zurück, der sich privat finanzieren kann, um die zusätzlichen Anforderungen und Aufwände einer Kotierung zu vermeiden. JZ: Hier kommt auch der Vergleich zum Trade Sale hinzu, bei dem es sofort Cash für die Investoren und Unternehmer gibt. Es geht also auch darum, wie dringend man auf Kapital angewiesen ist. Gerade in Niedrigzinsphasen sind Trade Sales attraktiver für Private-Equity-Investoren, da das dadurch freigesetzte Kapital sofort neu investiert werden kann und nicht erst das Ende des Lock-ups abgewartet werden muss. MS: Außerdem kommen hier auch Kulturunterschiede zum Tragen. Während in den USA eher die Vision und Praxis vorherrscht, ein Unternehmen hochzuziehen, um es dann möglichst gewinnbringend zu verkaufen bzw. an die Börse zu bringen, sind die Gründer in Europa oft enger mit ihrem Lebenswerk verbunden. 44 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

47 Marco Estermann (ME), Head Issuer Relations, SIX Swiss Exchange Ltd., Zürich Dr. Martin Steinbach (MS), EMEIA IPO Leader, EY Eschborn Jürg Zürcher (JZ), EMEIA Biotechnology Leader, EY Basel Wodurch müssen die IPO-Kandidaten sich dann besonders auszeichnen? ME: Es wird am wichtigsten sein, wieder nachhaltig eine starke Investorennachfrage zu kreieren. Dazu braucht man einen glaubwürdigen Investment Case sowie ein Management mit überzeugendem Track Record. Bedauerlich ist, dass Europa sich dabei schwerer tut und offensichtlich lieber mit einem längeren Gedächtnis auf verlorenes Geld zurückschaut, anstatt wie vor allem in den USA mit einer stärker Retailgeprägten Investorenmentalität nach vorne zu schauen, auf neue Chancen und kurzfristigere Anlagen. JZ: Starke Technologien sind eine solide Basis für eine gute Story. Die Anforderungen werden allerdings deutlich höher liegen, etwa in puncto Firmenreife, Produktstatus und Qualität. Könnte auch ein alternatives Marktsegment in Europa speziell für Technologieunternehmen die Hemmschwelle senken und Börsengänge ankurbeln? ME: Das sehe ich eher skeptisch. Fast jede Börse hat heute ein solches alternatives Segment; allerdings sind diese nur bedingt erfolgreich, da aufgrund der bewusst niedriger angesetzten Transparenz und der Notierungsanforderungen auch das Investorenvertrauen nicht so einfach zu gewinnen ist. Ein solches Segment macht meines Erachtens nur Sinn, wenn es klar auf die Bedürfnisse der Investoren zugeschnitten ist. MS: Ein europäisches Börsensegment wäre begrüßenswert und regulatorisch im Primärmarkt machbar. Dazu wäre es allerdings wichtig, im Sekundärmarkt die Liquidität in einem Handelssystem zu konzentrieren und dies bedarf einer Einigung der Börsen in Europa. Nach wie vor existieren zu unterschiedliche Eigentümer- und Governance- Strukturen und Interessenlagen von Börsen, die dies besonders im Kerngeschäftsfeld des Trading erschweren. Wie sehen Sie die Chancen für ein Cross- Border Listing europäischer Biotech- Unternehmen in den USA? ME: Die entscheidende Frage ist, wie man in einem Cross-Border Listing ausreichende Visibilität bei den lokalen Investoren erreichen kann: Eine Firmenpräsenz in den USA, das Vorhandensein einer entsprechenden Peer Group, ein signifikant großes Emissionsvolumen sowie auch eine Aufnahme in relevante (Sektor)indices sind die Grundvoraussetzungen. JZ: Wichtiger und interessanter wäre es, ausländische Investoren nach Europa zu bekommen, denn die Konkurrenz für Pre-IPO-Finanzierungen ist weniger groß und würde einer neuen IPO-Welle Vorschub leisten. MS: Die Frage nach dem richtigen Listing- Platz wird immer öfter gestellt. Präferenzen von Auswahlkriterien, unterschiedliche Perspektiven und unternehmensspezifische Strategien geben oft keine eindeutige Antwort. Nach wie vor ist weltweit der Heimatmarkt bei ca. 89 Prozent der IPOs auch der Listing-Standort. Für den Heimatmarkt spricht viel, z. B. eine oft bessere Visibilität im Kapitalmarkt und eine häufig nachhaltig höhere Liquidität, die sich zusätzlich aus dem Equity Home Bias der Investoren speist. Ein US-Listing stellt in der Regel immer noch höhere Anforderungen an das Unternehmen. Und es ist die Frage von Investoren zu beantworten, warum man diesen Weg geht besonders in Märkten mit effizienten und weltweit vernetzten Börsenorganisationen. In vielen Fällen wird dies deshalb genauer im Rahmen eines IPO Destination Assessments analysiert und eine fundierte Entscheidung getroffen. Meine Herren, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch. Finanzierung 45

48 Zahlen und Fakten Deutschland Die Gesamtstatistik der Biotech-Finanzierungen mit einem Volumen von 325 Millionen Euro impliziert zumindest eine Stabilisierung. Mit zehn Prozent Steigerung wurde der Vorjahreswert von 294 Millionen Euro geringfügig übertroffen. Dennoch ist diese Aussage nicht ohne Vorbehalt zu treffen, denn aufgrund der geringen Anzahl an Finanzierungsereignissen sowohl im privaten als auch im börsennotierten Segment hängen die konkreten Zahlen sehr stark von Einzelereignissen ab, was eher die für die letzten Jahre zutreffende Interpretation der Fluktuation untermauert. Außerdem bleibt das Gesamtergebnis nach wie vor deutlich (35%) hinter den erfolgreicheren Vorkrisenjahren (durchschnittlich 500 Mio / 2007) zurück. Finanzierung in Deutschland bleibt auf niedrigem Niveau Summe (Mio. ) Kapitalerhöhungen an der Börse Börsengang Risikokapital Quelle: EY, BioCentury, Capital IQ und VentureSource Family Offices prägen weiterhin die deutsche Statistik Summe (Mio. ) Risikokapital mit Family-Office-Beteiligung Die Fortschreibung der dramatischen Finanzierungssituation wird erneut deutlich in der differenzierteren Betrachtung privater Finanzierungsereignisse und Fokussierung auf den Einfluss der dominierenden Family Offices allen voran die Brüder Strüngmann. Bei Finanzierungsrunden mit Sonstiges Risikokapital deren Beteiligung liegt weiterhin das Gros des Finanzierungsvolumens (79 %). Die Fluktuation der Gesamtstatistik ist ebenfalls hier begründet, wenn allein die beiden größten Finanzierungsrunden bei Ganymed Pharmaceuticals (45 Mio. ) und immatics biotechnologies (34 Mio. ) als Einzelereignisse bereits 48 Prozent der gesamten Risikokapitalfinanzierung in Deutschland ausmachen. Das verbleibende Venture- Capital-Volumen ist wie in den letzten Jahren mit nur 35 Millionen Euro vernachlässigbar klein und bleibt stabil auf äußerst niedrigem Niveau. Keine der Top-Runden mit FO-Beteiligung wurde allerdings von diesen alleine gestemmt; Konsortialpartner der Strüngmann-Brüder sind weiterhin vorwiegend die MIG Fonds (Ganymed Pharmaceuticals, immatics biotechnologies, Isarna Therapeutics). Es kommen aber auch bekannte VC-Investoren wie Wellington Partners (immatics biotechnologies) und BioMedPartners (SuppreMol) dazu. Das Family Office Hopp (dievini Hopp BioTech holding) war nach verfügbaren Pressemitteilungen nur in der Runde für immatics biotechnologies aktiv, hier zusammen mit Strüngmann. Schließlich traten als weitere Family Offices Aeris Capital (Klaus Tschira) und CD-Venture (Christoph Boehringer) mit einer Investition in Curetis in Erscheinung, beide mit mehreren VC-Partnern im Konsortium. Quelle: EY, BioCentury und VentureSource 46 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

49 Finanzierung 47

50 Risikokapitalfinanzierungen deutscher Biotech-Unternehmen, 2013 Unternehmen Volumen Bekanntgabe Runde Investoren (Mio. ) Ganymed Pharmaceuticals 45,0 November 5 ATS Beteiligungsverwaltung, FCPB Gany, MIG Fonds immatics biotechnologies 34,0 September 4 AT Impf, dievini Hopp BioTech holding, MIG Fonds, Wellington Partners Allecra Therapeutics 15,0 April 1 Edmond de Rothschild Investment Partners, Forbion Capital Partners, EMBL Ventures Isarna Therapeutics 13,0 November 7 AT NewTec, MIG Fonds Curetis 12,5 April 4 HBM Partners, Aeris Capital, BioMedPartners, CD-Venture, Forbion Capital Partners, KfW, LSP Life Sciences Partners, Roche Venture Fund Amphivena Therapeutics 10,5 Juli 1 MPM Capital, Aeris Capital, Affimed Therapeutics SuppreMol 9,5* Mai 3 BioMedPartners, MIG Fonds, Santo Holding, FCP Biotech Holding, Max-Planck-Gesellschaft advancecor 6,5 April 1 MIG Fonds, Bayern Kapital, Bio M, HTGF, KfW vasopharm 5,0 Juni 6 EF Investments, HeidelbergCapital, Bayern Kapital, Hanseatic Asset Management, Dr. Andrew Clark Lophius Biosciences 4,0 Januar 4 Bayern Kapital, HTGF, S-Refit, VRD, WIC, Business Angels evocatal 3,5 Juni 2 HTGF, LANXESS, NRW.Bank, Sirius Venture Partners, private Investoren DIREVO Industrial Biotechnology 3,5 März 3 Danisco, Mulligan BioCapital, NRW.Bank, SKB Kapitalbeteiligungsgesellschaft KölnBonn, TVM Capital, private Investoren CAP-CMV 0,8 August Seed Peppermint VenturePartners, CREATHOR VENTURE, KfW, NRW.BANK, Business Angels OMEICOS Therapeutics 0,5 Dezember Seed HTGF, Investitionsbank Berlin AyoxxA Biosystems 0,4** Januar 1 KfW Drug Response Dx (DRDx) Januar 1 QIAGEN, HTGF Dynamic Biosensors Februar 1 Bayern Kapital, Bio M, EXTOREL, UnternehmerTUM-Fonds Management m2p-labs November 3 FIDURA Private Equity Fonds, HTGF Myelo Therapeutics September 1 Eckert Wagniskapital und Frühphasenfinanzierung, IBB Beteiligungsgesellschaft, JSC Valenta Pharmaceuticals SIRION Biotech März 4 Aumenta, Bayern Kapital, CREATHOR VENTURE, HTGF, KfW, ungenannte Investoren * 2. Tranche bringt die 2012 begonnene Finanzierungsrunde auf insgesamt 16 Mio. ** 2. Tranche bringt die 2012 begonnene Finanzierungsrunde auf insgesamt 3 Mio. Quelle: EY, BioCentury und VentureSource 48 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

51 In der Liste des halben Dutzends an zweistelligen Finanzierungsrunden stechen zwei Unternehmen besonders heraus: 15 Millionen Euro als Erstrundeninvestment in Allecra Therapeutics verdient Aufmerksamkeit, schon deshalb, weil hier ein klassisches VC-Konsortium mit Edmond de Rothschild Investment Partners, Forbion Capital Partners und EMBL Ventures in einem sehr frühen Stadium der Unternehmensentwicklung (Phase I) eingestiegen ist. Die Hintergründe liegen dabei sicherlich im Schwerpunkt der Aktivitäten im Bereich Infektionserkrankungen, wo die Entwicklungschancen des Therapieansatzes möglicherweise einfacher einzuschätzen sind und überdies eine Renaissance des Marktes für Anti-Infektiva reizt. Weiterhin fällt die Finanzierung von Amphivena Therapeutics als Ausgründung von Affimed unter Beteiligung der Mutterfirma sowie von MPM Capital und Aeris Capital auf. Janssen und Affimed hatten sich zunächst über eine Kooperation zur Nutzung der Affimed-eigenen Plattform zur Entwicklung eines TandAb -Antikörpers gegen ein spezifisches Target von Janssen verständigt. Umgesetzt wird diese Kooperation nun über die eigenständige Projektgesellschaft Amphivena. Affimed hat als Sacheinlage eine TandAb -Lizenz im Rahmen der Gründung in die Amphivena eingelegt. Janssen selbst hält keine Anteile an der Amphivena, hat aber die Option, die Firma mit Erteilung einer Zulassung zur klinischen Prüfung der Substanz zu erwerben. Somit entspricht diese Finanzierungsrunde eher dem Typ des asset-focused funding Projektfinanzierungen, die wir in den Vorjahren mit Beispielen von TVM Capital oder Index Ventures beschrieben hatten. Des Weiteren konnte Evocatal zwei neue Investoren hinzugewinnen: Die NRW.BANK und der Spezialchemiekonzern LANXESS helfen mit ihrem Kapital die Technologieplattform und das Produktportfolio weiter auszubauen. LANXESS investiert hier zum ersten Mal direkt in ein Unternehmen des High-Tech Gründerfonds (HTGF) mit dem Ziel, die Zusammenarbeit mit dem industriellen Biotech-Unternehmen weiter auszubauen. Der untere Teil der Finanzierungsliste umfasst einstellige Runden, die als Investoren durchweg regionale Fonds aus Bayern (Bio M, Bayern Kapital, S-Refit), NRW (NRW.BANK, SKB Kapitalbeteiligungsgesellschaft KölnBonn) oder Berlin (IBB Beteiligungsgesellschaft, Eckert Wagniskapital und Frühphasenfinanzierung) im Konsortium mit dem HTGF, wenigen VCs (wie z. B. CREATHOR VENTURE, TVM Capital, Peppermint VenturePartners) oder kommerziellen Unternehmen (z. B. LANXESS, QIAGEN, Danisco, JSC Valenta Pharmaceuticals) haben. Aktivster Investor bleibt weiterhin der HTGF mit sieben Investments. Finanzierung 49

52 Nachdem bereits im Vorjahr die Kapitalaufnahme börsennotierter Firmen in Deutschland um das Doppelte zugelegt hatte, gab es 2013 erneut eine Verdoppelung des Kapitalvolumens. Dies verwundert im Zusammenhang mit der zuvor diskutierten Schwäche des Kapitalmarkts und seinem angeblichen Desinteresse an Biotech. Der Blick auf die Liste der konkreten Finanzierungen klärt auf: Der Anstieg beruht einzig auf der großen Kapitalerhöhung durch MorphoSys, welche allein mit den erlösten 84 Millionen Euro aus einer Privatplatzierung (PIPE) den Unterschied zum Vorjahr erklärt. Diesen Erfolg führt das Unternehmen vor allem auf seine erfolgreich entwickelte HuCAL -Antikörperplattform zurück, die sich mittlerweile nicht nur durch hochattraktive Partnerschaften auszahlt, sondern eben auch die Sichtbarkeit für internationale Investoren erhöht. Zusammen mit der ebenfalls überdurchschnittlichen Kapitalerhöhung von Evotec (30 Mio. ) machen diese beiden Posten über 70 Prozent des Gesamtvolumens aus. Das heißt, dass auch hier eher die Einzelereignisse die Statistik dominieren, als dass man von einem soliden Aufwärtstrend sprechen könnte. Immerhin ist es erfreulich zu sehen, dass Epigenomics, das mitten in der Marktvorbereitung für seine Methyl-DNA-basierten Tests für die Voraussage von Darmkrebsrisiken steht, gleich dreimal erfolgreich Kapital einsammeln konnte und auf diese Weise insgesamt 13,3 Millionen Euro erlöste. Ebenso trifft dies für Formycon zu, die Folgefinanzierungen börsengelisteter deutscher Biotech-Unternehmen, 2013 Unternehmen Volumen (Mio. ) Datum Art MorphoSys 84,0 19. September PIPE Evotec 30,0 30. August PIPE Formycon 9,4 4. Dezember PIPE Formycon 8,0 11. Januar PIPE Biofrontera 7,5 22. März PIPE Epigenomics 5,0 29. Dezember Wandelanleihe PAION 5,0 17. Dezember Rights offering Epigenomics 5,0 7. Januar Rights offering Epigenomics 3,3 27. Oktober PIPE SYGNIS 3,1 2. Oktober Rights offering co.don 0,5 6. Februar Wandelanleihe die Technologieplattform der ehemaligen Scil Proteins weiterführt und in der Herstellung und Entwicklung von Biosimilars agiert. Neben der Kapitalerhöhung über zwei PIPEs von insgesamt 17,4 Millionen Euro, an denen als Hauptaktionär die Brüder Strüngmann aktiv beteiligt waren, fiel das Unternehmen 2013 auch durch einen Deal mit der Santo Holding (Strüngmann) auf, wobei Formycon das Family Office für die Finanzierung einer Biosimilar-Entwicklung gewinnen konnte. Auch die Leverkusener Biofrontera konnte einen neuen Investor für sich gewinnen: Maruho Deutschland GmbH, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Maruho Co.,Ltd., ein in Japan ansässiges Pharma-Unternehmen, investierte im Rahmen eines PIPE 7,5 Millionen Euro. Biofrontera und Maruho prüfen derzeit eine mögliche Zusammenarbeit hinsichtlich eines wechselseitigen Vertriebsabkommens und / oder die Etablierung gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Neben der Beteiligung im Jahr 2013 hat sich Maruho Deutschland im Rahmen einer neuen Privatplatzierung mit bis zu 10 Millionen Euro beteiligt. In diesem im Februar 2014 geschlossenen PIPE konnten die Leverkusener insgesamt 15,3 Millionen Euro zusätzliches Kapital einnehmen. Quelle: EY, BioCentury und Capital IQ 50 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

53 Zahlen und Fakten Europa Die Gesamtfinanzierung des europäischen Biotech-Sektors erreichte im Jahr 2013 ein Sechsjahreshoch von über vier Milliarden Euro. Für diesen signifikanten Sprung sind neben Börsengängen vornehmlich Folgefinanzierungen an der Börse sowie Fremdkapitalfinanzierungen verantwortlich. Die Risikokapitalfinanzierung hingegen zeigt keine wesentlichen Änderungen und übersteigt den Nachkrisenmittelwert von rund einer Milliarde Euro nur um zehn Prozent. Somit liegen die privaten Finanzierungsrunden weiterhin signifikant unter dem Vorkrisenniveau von 2006 / Finanzierung in Europa mit positiven Tendenzen Summe (Mrd. ) 6 0,23 5 0,22 4 1,65 3,35 2,50 3 1,39 0,30 0,47 0,29 2 0,68 1,34 1,35 0,74 0,07 1,36 0,59 0,84 0,91 0,19 1 0,08 0,17 0,04 0,03 0,10 1,64 1,35 1,05 0,81 1,05 0,99 0,99 1, Fremdkapital Börsengang Kapitalerhöhungen an der Börse Risikokapital Quelle: EY, BioCentury, Capital IQ und VentureSource Europäische Risikokapitalausstattung auch auf Länderebene stabil Summe (Mio. ) Deutschland UK Schweiz Frankreich Niederlande Dänemark Belgien Irland Österreich Norwegen Auch bei Betrachtung einzelner europäischer Länder zeigt sich die VC-Szene recht stabil und weist zum ersten Mal seit den Krisenjahren für acht der gezeigten zehn Länder nach oben. Deutschland und die Niederlande bilden in diesem Bild die traurige Ausnahme. Quelle: EY, BioCentury und VentureSource Finanzierung 51

54 Top-Risikokapitalfinanzierungen europäischer Biotech-Unternehmen, 2013 Unternehmen Land Volumen Bekanntgabe Runde Investoren (Mio. ) Kaiima Israel 48,9 Juni 4 Draper Fisher Jurvetson, DFJ Tamir Fishman Ventures, Exalta Investments, Horizons Ventures, Infinity Group, International Finance, Kleiner Perkins Caufield & Byers, Mitsui Global Investment, Musea Ventures, Oberlee Ganymed Pharmaceuticals Deutschland 45,0 November 5 ATS Beteiligungsverwaltung, FCPB Gany, MIG Fonds Symphogen Dänemark 41,0* Mai 7 Novo, Danica Pension, Pensionskassernes Administration Auris Medical Schweiz 38,3 April 3 Sofinnova Partners, Sofinnova Ventures Opsona Therapeutics Irland 36,0 April 3 BB Biotech Ventures, Novartis Venture Fund, Amgen Ventures, Baxter International, EMBL Ventures, Fountain Healthcare Partners, Omnes Capital, Roche Venture Fund, Seroba Kernel Life Sciences, Sunstone Capital Covagen Schweiz 34,1 Dezember 5 Gimv, Ascent Biomedical Ventures, Edmond de Rothschild Investment Partners, MP Healthcare Venture Management, Novartis Venture Fund, Seroba Kernel Life Sciences, Ventech immatics biotechnologies Deutschland 34,0 September 4 AT Impf, dievini Hopp BioTech holding, MIG Fonds, Wellington Partners GenSight Biologics Frankreich 32,0 April 1 Abingworth Management, Index Ventures, Novartis Venture Fund, Versant Ventures Merus Niederlande 31,0** Oktober 2 Aglaia Oncology Fund, Bay City Capital, Johnson & Johnson Development Corporation, LSP Life Sciences Partners, Novartis Venture Fund, Pfizer Venture Investments Biocartis Schweiz 30,0 November 5 Debiopharm Group, Johnson & Johnson Development Corporation, Management, Petercam, Phillips, PMV, Valiance, Wellcome Trust, private Investoren Von den Unternehmen der Top-10-Finanzierungsrunden sind acht Firmen mit der Entwicklung von Therapeutika beschäftigt; immerhin die Hälfte von diesen auf Basis von innovativen Tech@MPO-Plattformen (Symphogen, Covagen, immatics biotechnologies, Merus). Im Gegensatz zu den deutschen Runden sind auf europäischer Ebene immerhin noch einige klassische VC-Konsortien vertreten, wie in den Runden von Opsona Therapeutics, Covagen, GenSight Biologics, Merus und Biocartis. Ebenfalls auffällig ist die konstant häufige Beteiligung von Corporate Venture Capital (CVC) Fonds, die in fünf der Top-10-Runden beteiligt sind und in diesen Investments meist sogar zu mehreren im gleichen Konsortium auftreten. So sind bei Opsona Therapeutics, einem Spezialisten im Bereich der Immunerkrankungen, parallel Amgen Ventures, Baxter International, Roche Venture Fund und Novartis Venture Fund beteiligt. Auch bei Merus einem Unternehmen mit einer Antikörperplattform haben sich Novartis Venture Fund, Pfizer Venture Investments und Johnson & Johnson Development Corporation beteiligt. Insgesamt stemmen die Runden mit CVC-Beteiligung über 35 Prozent des Gesamtvolumens der privaten Finanzierung. * 3. Tranche bringt die 2011 begonnene Finanzierungsrunde auf insgesamt 141,0 Mio. ** 2. Tranche bringt die 2010 begonnene Finanzierungsrunde auf insgesamt 52,7 Mio. Quelle: EY, BioCentury und VentureSource 52 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

55 Wie im Kapitel Perspektive im Detail adressiert, sind die Kapitalmärkte in ganz Europa hinsichtlich ihrer Aktivitäten in Biotech weiterhin zurückhaltend. Bei den Folgefinanzierungen der börsennotierten Unternehmen ist allenfalls ein leichter Aufwärtstrend gegenüber den beiden Vorjahren zu konstatieren, welcher von sieben gewichtigen Kapitalerhöhungen über 50 Millionen Euro getragen wird. Insgesamt fluktuiert die Summe der Folgefinanzierungen über die letzten fünf Jahre um einen Wert von etwa 1,15 Milliarden Euro, der deutlich von dem Mittelwert von ca. 3 Milliarden Euro vor der Finanzkrise entfernt ist. Auffällig ist, dass signifikante Kapitalerhöhungen in Form von echten Neuplatzierungen (Follow-ons) nur in Irland (Amarin Corporation, Prothena Corporation) stattfanden, während in den anderen Ländern PIPEs mit Beteiligung von bestehenden Investoren vorherrschten. Top-Folgefinanzierungen börsengelisteter europäischer Biotech-Unternehmen, 2013 Unternehmen Land Volumen (Mio. ) Datum BTG UK 125,2 23. Mai PIPE Amarin Corporation Irland 91,5 10. Juli Follow-on Algeta Norwegen 90,3 4. September Wandelanleihe MorphoSys Deutschland 84,0 19. September PIPE Prothena Corporation Irland 69,2 17. September Follow-on Galapagos Belgien 53,9 24. April PIPE Protalix BioTherapeutics Israel 51,9 11. September Wandelanleihe e-therapeutics UK 47,1 11. Februar PIPE Valneva Frankreich 40,2 13. Juni Rights offering Ablynx Belgien 31,5 27. Februar PIPE Art Quelle: EY, BioCentury und Capital IQ Top-Fremdkapitalfinanzierungen europäischer Biotech-Unternehmen, 2013 Name Ticker Land Volumen Datum (Mio. ) Elan Corporation ELN Irland 639,9 20. Mai Jazz Pharmaceuticals JAZZ Irland 570,1 29. Mai Eurofins Scientific ERF Frankreich 150,0 24. Januar Meda MEDAA Schweden 115,5 26. März Alliance Pharma APH UK 64,8 11. Oktober Aus der Finanzierungsstatistik sticht seit dem letzten Jahr erstmals der Fremdkapitalanteil hervor. Hierbei handelt es sich um einige reife Unternehmen, allen voran die Specialty-Pharma-Firmen Elan Pharmaceuticals und Jazz Pharmaceuticals, die alleine über 1,2 Milliarden Euro an Fremdkapital aufnehmen konnten und damit die Grafik dominieren. Quelle: EY, BioCentury und Capital IQ Finanzierung 53

56 Erfreulich stimmt die Analyse neu aufgelegter VC-Fonds in Europa. Einige der bekannten Spieler, unter ihnen Abingworth Management, Edmond de Rothschild Investment Partners, Gilde Healthcare Partners und Gimv haben neue Fonds mit beträchtlichen Volumina von über 100 Millionen Euro schließen können. Im Scope der Investmentstrategien liegen auch wenngleich nicht nur Biotech-Unternehmen in Europa. Zumindest einige der Fonds haben bisher auch bereits in Deutschland investiert (z. B. Abingworth Management, Auriga Partners, Edmond de Rothschild Investment Partners, Gilde Healthcare Partners, Gimv, Seventure Partners). Neue europäische Fonds mit Fokus auf Life Science (Auswahl) Fondsname Gesellschaft Volumen Abingworth Bioventures VI LP Abingworth Management 225 Mio. Welsh Life Sciences Fund Arthurian Life Sciences 50 Mio. Auriga IV Bioseeds Auriga Partners 40 Mio. BioDiscovery IV FCPR Edmond de Rothschild 250 Mio. US$ Investment Partners Gilde Healthcare III Gilde Healthcare Partners 145 Mio. Health & Care Fund Gimv 100 Mio. Inveready Biotech II Inveready Technology 7 Mio. Investment Group Kurma Biofund II Kurma Life Sciences Partners 44 Mio. Health for Life Capital Fund Seventure Partners 85 Mio. US$ The Global Health Investment Fund The Global Health Investment Fund 94 Mio. US$ Quelle: EY und Venture Source 54 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

57 MorphoSys Innovation Capital Eine Venture-Capital-Initiative mit Mehrwert für junge Biotech-Firmen Investitionsinitiative Innovation Capital Im Jahr 2012 startete MorphoSys eine Initiative Innovation Capital getauft durch die das Unternehmen in vielversprechende Start-ups investieren kann, deren Technologien und Produkte zu unseren Kompetenzen passen. Nach außen hin sichtbar wurde diese Geschäftsaktivität im November 2012, als wir eine Investition in das holländische Start-up Lanthio Pharma bekannt gaben. In der Folgezeit erhielten wir neben positivem Feedback und weiteren Investment-Vorschlägen viele Nachfragen, wie dieses Konzept in die Gesamtstrategie von MorphoSys passt. Zugang zu Produkten und Plattformen Die Entscheidung zum Start dieser Initiative fiel vor folgendem Hintergrund: Finanziell gestärkt durch ein sehr profitables Geschäft mit Forschungsdienstleistungen für Pharma- Konzerne hatte sich MorphoSys entschieden, deutlich mehr auf den Aufbau einer firmeneigenen Pipeline zu fokussieren. Mit drei klinischen Programmen im Portfolio zwei davon wurden im Geschäftsjahr 2013 in Partnerschaften mit GlaxoSmithKline und Celgene eingebracht und drei weiteren in der frühen Phase ist die Suche nach neuen Produktkandidaten eine Priorität der nächsten Jahre. Unser Sweet Spot sind dabei natürlich Antikörper und Antikörper- Derivate, aber auch therapeutische Peptide und sogenannte Scaffolds. Neben Produkten ist der Zugang zu neuen Technologieplattformen ein erklärtes Ziel der Innovation- Capital-Initiative. Minderheitsbeteiligungen im Fokus MorphoSys kombiniert dabei einen klassischen Investitionsansatz als Industriepartner mit kooperativen Elementen. Wir wollen Firmen gezielt beim Ausbau ihrer Geschäftsmodelle helfen, indem wir unsere Expertise, und wenn möglich auch unsere Technologien, einbringen. MorphoSys strebt Minderheitsbeteiligungen an und investiert als Teil eines Konsortiums. Wesentlich ist es für uns, die Unabhängigkeit des Portfolio- unternehmens zu wahren. Aus diesem Grund besetzen wir in der Regel auch nur einen Aufsichtsratssitz und beteiligen uns bis maximal 20 Prozent. Unser geografischer Fokus liegt auf Europa und den USA. MorphoSys hat zu diesem Zweck keinen dezidierten Fonds aufgelegt, sondern möchte flexibel und fokussiert auf sich bietende Gelegenheiten reagieren. Darüber hinaus werden bei jedem Investment ausreichende Mittel für etwaige nachgelagerte Kapitalrunden reserviert. Im Geschäftsjahr 2014 sind ein bis zwei neue Investments seitens MorphoSys denkbar. Durch erstes Portfoliounternehmen Zugang zur Lantipeptid-Technologie Das erste Portfoliounternehmen, Lanthio Pharma, ist auf die Erforschung und Entwicklung von Lantipeptiden spezialisiert. Diese stellen eine neuartige Klasse von Therapeutika dar, die eine hohe Zielmolekülselektivität und verbesserte Wirkstoffeigenschaften aufweisen. Die Technologie von Lanthio Pharma dient der Identifizierung von stabilisierten Peptiden, die an einem spezifischen Angriffspunkt der Krankheit ansetzen. Diese auch unter dem Fachbegriff constrained peptides zusammengefasste Wirkstoffart hatte durch Allianzen wie die von Aileron Therapeutics mit Roche 2011, FORMA Therapeutics mit Boehringer Ingelheim oder Ensemble Therapeutics mit Genentech (beide 2012) für Aufmerksamkeit gesorgt. MorphoSys hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Aktivitäten in dieser Wirkstoffklasse. Im Rahmen unserer Kooperation werden wir mit Lanthio Pharma gemeinsam an der Etablierung hochqualitativer und -diverser Lantipeptid-Bibliotheken arbeiten. Hier haben wir bekanntlich durch die kommerzialisierten Antikörperplattformen HuCAL und Ylanthia langjährige Erfahrung und Know-how bewiesen. MorphoSys erhält im Gegenzug Vorzugsrechte auf die exklusive Nutzung und Kommerzialisierung der Lantipeptid-Technologie zur Wirkstoffforschung. Lanthio Pharma würde an Umsätzen partizipieren, die dann durch die neue Plattform generiert werden, und kann sich auf die Entwicklung eigener Wirkstoffkandidaten konzentrieren. Jens Holstein, CFO MorphoSys AG, Martinsried Warum Biotech-CVCs Vorteile bieten Betrachtet man Corporate Venture Capital (CVC) im Life-Science-Sektor, so sieht man, dass Pharma-Konzerne diesen dominieren. Biotech-Unternehmen mit CVC-Aktivitäten sind hingegen eine Rarität. Wir denken, dass ein Corporate-Venture-Capital-Investor unserer Größe, der selbst der Biotech- Industrie angehört, einem Biotech-Start-up kulturell näher sein kann als ein Pharma- CVC. Darüber hinaus hilft es beiden Seiten, die Bedürfnisse eines jungen Start-up- Unternehmens aus eigener Erfahrung zu kennen. Dadurch ist es möglich, schnell und unbürokratisch dort zu helfen, wo es nötig ist, und eine produktive Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen. Mit der Innovation- Capital-Initiative stellt MorphoSys neben dem Kapital eine mehr als zwanzigjährige Erfahrung in den Bereichen Wirkstoffsuche, präklinische und frühe klinische Entwicklung zur Verfügung. Dieses Paket könnte gerade für junge Biotech-Firmen einen entscheidenden Unterschied machen. Finanzierung 55

58 LSP Health Economics Fund: Investing in Better and Cheaper Health Care LSP (Life Sciences Partners) is one of Europe s largest and most experienced healthcare investment firms. With a track record going back more than 25 years, LSP has built up an investment house that is dedicated to seeking, nurturing and growing healthcare investment opportunities with the potential to have a positive impact on society and a convincing return on investment. Skyrocketing health care costs The market for health care technologies is in continuous flux. One of the dominant recent challenges is that governments and payers all over the world are struggling with rapidly increasing bills for health care. In most European countries the expenditure for health care has now reached 10 to 12 percent of GDP. The ageing population, the increasing number of patients with chronic diseases and the avalanche of novel technologies are putting further pressure on the system. In a reaction to this situation, payers are drastically raising the bar for the reimbursement of new products. All over the globe, health technology assessments and cost-effective analyses have become popular tools in the reimbursement processes of government agencies and insurers. The sky is no longer the limit next to safety, efficacy and effectiveness, companies now also have to convincingly demonstrate that their innovative products are cost-effective. Launching the LSP Health Economics Fund At LSP we appreciated this trend and realized that, going forward, it would become very important to align the interests of technology providers, private equity investors and payers. After several brainstorming meetings with Achmea, the largest health insurance company in the Netherlands (more than 5.5 million members), we jointly decided to launch the LSP Health Economics Fund (LSP HEF). The unique angle of LSP HEF is that it invests only in medical technology companies with products that improve the quality of healthcare and reduce its cost at the same time. Such products are of high relevance to patients, care providers and, given the global rise in healthcare costs, to society at large. With a 50 million euro ticket, Achmea became the cornerstone investor in the fund. Additionally, LSP HEF has privileged access to an Achmea database comprised of deep and broad information on the cost of current diagnosis and treatment of diseases. This allows the fund to perform a comparative analysis of costs between new and existing products based on real-life data and to make accurate judgment calls on costsaving products. Appealing concept The concept of investing in better and cheaper health care turned out to be very appealing to certain types of investors. We swiftly realized that, in 2013, raising a 100 million euro private equity fund would not be successful if we only targeted some of the traditional LPs such as banks and pension funds. Basel III and other rules dampened their appetite. The fact that we nevertheless achieved to have a final closing at 112 million euro, exceeding our target, can be fully contributed to two groups of investors: health insurance companies and high net worth individuals. Further European insurers joining the fund In the slipstream of Achmea, a second large Dutch insurer, Menzis, also decided to invest in LSP HEF. Touring Europe we subsequently managed to convince German and French insurers to step into the fund. At LSP we are convinced that our new fund is in the sweet spot of healthcare and may contribute to the development of a sustainable health care. The opportunity of achieving both a financial and a societal return triggered a lot of interest when we knocked on the door of family offices and asset managers. In a joint effort with these actors we were able to raise almost 40 million euro from wealthy families. Dr. Rudy Dekeyser, Managing Partner LSP HEF Investment focus on later-stage private companies LSP HEF will invest in Europe and North America, focusing on later-stage private companies with products on the market or close to market introduction. The fund made its first investment in IlluminOss Medical, a US company commercializing an innovative, minimally-invasive and costsaving approach to orthopedic implants for the treatment of bone fractures % für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

59 Finanzierung 57

60 Zahlen und Fakten USA Im Gegensatz zur Situation in Europa und Deutschland, wo die Finanzierungsstatistiken den Niveaus aus der Zeit vor der Finanzkrise nachtrauern, haben die USA diese Delle längst überwunden. Einerseits war die VC-Finanzierung privater Firmen nie signifikant eingebrochen, andererseits sorgten große Fremdkapitalfinanzierungen in Zeiten niedriger Zinsen bereits für ein Erreichen des Vorkrisenniveaus. Allein der Kapitalmarkt war für einige Jahre von 2008 bis 2011 stark eingebrochen. Weder Börsengänge noch Kapitalerhöhungen an der Börse hatten an die Vorkrisenwerte anknüpfen können. In dieser Hinsicht war im Jahr 2013 ein wahres Kapitalmarktfeuerwerk zu beobachten. Bei rückläufigen Zahlen für die Fremdfinanzierungen, die nur wenigen Unternehmen zugute kamen, wurde das Gesamtvolumen im Berichtsjahr 2013 vor allem am Kapitalmarkt eingenommen und kam dadurch auch einem breiteren Kreis von Unternehmen zugute. Der Börsenhype entspricht dem klaren Trend zu besseren Bedingungen für die Weiterfinanzierung am Kapitalmarkt. Seit 2010 konnte sich das Volumen der Followon-Finanzierungen fast verdoppeln. In Gesamtfinanzierung in den USA auf Rekordhöhe Summe (Mrd. US$) ,29 15,24 1,13 3,97 5,93 8,65 1,24 5,94 4,64 4,25 0,01 4,43 3,42 8,80 0,70 4,68 9,78 5,94 1,10 4,40 16,41 8,22 0,80 4,28 9,63 8,99 0,84 4,21 6,10 11, Fremdkapital Börsengang Kapitalerhöhungen an der Börse Risikokapital einer konsistenten Serie wachsender Volumina konnten im Berichtsjahr 2013 über 11 Milliarden US-Dollar Erlöse aus Folgefinanzierungen verbucht werden, eine Steigerung von 29 Prozent gegenüber 3,27 4, Somit dominieren beide Kapitalmarktsegmente IPO und Follow-ons erstmals wieder sehr deutlich die Finanzierungssituation in den USA. Quelle: EY, BioCentury, Capital IQ und VentureSource 58 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

61 IPOs US-amerikanischer Biotech-Unternehmen, 2013 Unternehmen Volumen (Mio. US$) Datum Ophthotech 192,3 30. September Intrexon 184,0 13. August PTC Therapeutics 144,4 19. Juni Portola Pharmaceuticals 140,4 28. Mai Karyopharm Therapeutics 125,1 11. Dezember Agios Pharmaceuticals 121,9 29. Juli Foundation Medicine 121,9 30. September Chimerix 117,9 16. April bluebird bio 116,1 18. Juni Acceleron Pharma 96,3 24. September OncoMed Pharmaceuticals 93,8 23. Juli MacroGenics 92,0 16. Oktober Onconova Therapeutics 89,1 30. Juli Epizyme 88,7 5. Juni Relypsa 86,7 20. November Receptos 83,1 8. Mai TetraPhase Pharmaceuticals 80,6 12. April Xencor 80,5 6. Dezember Esperion Therapeutics 80,5 25. Juni Aerie Pharmaceuticals 77,3 30. Oktober BIND Therapeutics 76,1 23. Oktober Five Prime Therapeutics 71,8 23. September KaloBios Pharmaceuticals 70,0 7. Februar Conatus Pharmaceuticals 66,0 25. Juli Sophiris Bio 65,0* 16. August Ambit Biosciences 65,0 16. Mai VeraCyte 65,0 4. November Enanta Pharmaceuticals 64,4 26. März Omthera Pharmaceuticals 64,0 16. April Kindred Biosciences 60,4 13. Dezember TetraLogic Pharmaceuticals 57,6 12. Dezember NanoString Technologies 54,0 25. Juni Regado Biosciences 46,7 6. September Cellular Dynamics International 46,2 30. Juli Fate Therapeutics 46,0 4. Oktober Aratana Therapeutics 39,7 11. Juli Stemline Therapeutics 38,2 31. Januar Insys Therapeutics 36,8 7. Mai Evoke Pharma 29,0 3. Oktober ADMA Biologics 28,5 22. Oktober Heat Biologics 27,0 23. Juli Cancer Genetics 6,9 4. April Am Anfang dieses Kapitels war bereits auf die Bedeutung des IPO-Booms in den USA eingegangen worden. Alleine die Anzahl von 41 IPOs (außerdem gab es noch ein sekundäres Listing und fünf Reverse IPOs) spricht für sich. Dass die Unternehmen, die diesen Schritt gegangen sind, auch insgesamt nach dem IPO gut abschnitten, bestätigt den Trend als sehr solide und spricht für die neue Stärke des US-Kapitalmarktes. *Secondary IPO Quelle: EY, BioCentury, Capital IQ und VentureSource Finanzierung 59

62 Transaktionen 60 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

63 Technologieplattformen weiter im Aufwind Technologieplattformen treiben Deal-Zahlen in Deutschland Ein Kernthema des letztjährigen Reports waren Technologieplattformen als Geschäftsgrundlage für Biotech-Unternehmen. Als Bestätigung dieser Aufstellung konnten Top- Positionen im Ranking der Allianzen aufgezeigt werden. Dieser Trend setzt sich fort; geht man die Liste aller Allianzen mit Beteiligung deutscher Biotech-Unterneh- men durch, so fällt wiederum die Dominanz von Plattformen als Grundlage für attraktive Allianzen auf. Die bei weitem überwiegende Zahl der Kooperationen bezieht sich dabei auf Partnerschaften, in denen Plattformen für Forschung und Entwicklung im Therapeutikasektor zum Einsatz kommen. Die beiden Hauptplattformen (kontinuierliche Generierung von potenziellen Wirkstoffen) sowie (Abbildung von Teilabschnitten der Pharma- Wertschöpfungskette) dominieren wieder die Top-Allianzen: TUMAP-basierte Impfstoffe: immatics biotechnologies / Roche monoklonale Antikörper auf Basis der HuCAL -Technologie: MorphoSys / Celgene, GSK Screening zur Identifizierung neuer Alzheimer-Targets: Evotec / Janssen Pharmaceuticals Top-Allianzen deutscher Biotech-Unternehmen, 2013 Firma immatics biotechnologies MorphoSys MorphoSys Evotec 4SC Discovery Partner Roche Celgene GlaxoSmithKline Janssen Pharmaceuticals LEO Pharma Land Schweiz USA UK USA Dänemark Datum 13. November 26. Juni 3. Juni 8. November 26. Februar Deal-Fokus Produkt/Technologie Produkt Produkt Produkt Produkt Therapeutischer Status Präklinik Phase I/II Phase I/II Forschung Präklinik Krankheitsgebiet Magenkrebs, nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom und Prostatakrebs Multiples Myelom und andere Blutkrebsformen Rheumatoide Arthritis und weitere Indikationen Alzheimer Psoriasis und andere chronisch entzündliche Hauterkrankungen Potenzieller Wert (Mio. ) 765,7 628,0 445,5 116,7 96,0 Upfront-Zahlungen (Mio. ) 12,8 117,0 22,5 n/a 1,0 Meilensteine (Mio. ) 752,9 511,0 423,0 109,2 95,0 Royaltys ja zweistellig zweistellig ja zweistellig Gegenstand Erforschung und Entwicklung von neuen TUMAPbasierten Impfstoffen auf Basis von immatics XPRESIDENT - Technologie sowie klinische Entwicklung von IMA942 Entwicklung und Vermarktung des humanen monoklonalen CD38- Antikörpers MOR202 Weltweite Lizenzvereinbarung über die Entwicklung und Vermarktung des humanen monoklonalen GM-CSF-Antikörpers MOR103 Erforschung und Entwicklung von neuen Zielstrukturen für neuartige Behandlungsansätze Optionsvereinbarung zur Entwicklung und Vermarktung eines innovativen Wirkstoffs Quelle: EY Transaktionen 61

64 Interessant ist, dass bei über 70 Prozent aller erfassten Kooperationen und Service- Deals Technologieplattform-Firmen beteiligt sind. Allianzen um demonstrieren vor allem die Breite des innovativen Potenzials mit vielen unterschiedlichen Produktformaten, darunter: Anticalin -basierte Proteintherapeutika: Pieris / Zydus Cadila, Stelis Biopharma Antikörper-Wirkstoff-Konjugate via Enhanced Pro-Drug Technology: Heidelberg Pharma (WILEX)/Roche RNActive -Vakzine: CureVac / Crucell (Johnson & Johnson) SNIM -RNA-basierte Therapien: Ethris / Shire TandAb -Antikörper AFM13: Affimed / Leukemia & Lymphoma Society Dies trifft ebenso für die Tech@Process- Plattformen zu, wie zum Beispiel: Biocrea / Technische Universität Dresden Blackfield / AstraZeneca Cenix BioScience / Debiopharm JPT Peptide Technologies / Institute for Medical Immunology, Cancer Immunotherapy Trials Network Medicyte / WBM Health Science Priaxon / GSK, Proteros biostructures Oncotest / ReInnervate, Molecular Imaging Technology Initiative Die vor allem unter dem Aspekt der Innovationseffizienz propagierte Tech@Translation-Plattform von Evotec hatte im vergangenen Jahr weitere Erfolge in der Translation bahnbrechender Forschung zu verzeichnen, in Kollaborationen mit Harvard University (Diabetes, antibakterielle Wirkstoffe, Amyotrophe Lateralsklerose), Dana- Farber Cancer Institute (Krebstherapien auf Basis epigenetischer Mechanismen), Leukemia & Lymphoma Society (Drug Discovery von niedermolekularen Wirkstoffen) und Yale University (Stoffwechsel-, CNS-, Krebs- und immunologische Erkrankungen). Plattformkombinationen Neben diesen typischen Plattform-Deals mit Partnern als direkten Nutzern in der Entwicklung neuer Medikamente fallen Allianzen zwischen Firmen auf, die ihre jeweiligen Plattformen kombinieren, um daraus neue Geschäftsmöglichkeiten mit Partnern zu entwickeln, bzw. diese bereits mit neuen Partnerschaften unter Beweis stellen; Beispiele dafür sind: 4SC Discovery / CRELUX: i2c-plattform ( idea-to-candidate ; Deals mit AiCuris und Ribological) Evotec / PlasmidFactory: Adenoassoziierte-Viren-Vektoren und pdg / pdp-plasmide JPT Peptide Technologies / Immudex: Kombination der immunologischen Produktlinien Lophius Biosciences / Oxford Immunotec: UREA- und T-SPOT -Technologien Medicyte / Life Technologies: upcyte -Hepatozyten und lentivirale Vektortechnologie MorphoSys / Heptares: StaR -Technologie und Ylanthia -Antikörper gegen GPCRs RiNA / NeoVentures Biotechnology: RNAi und Aptamere Proteros Biostructures / Sygnature Discovery: Drug Discovery Services Plattformen finden Patientengesellschaften als neue Investoren Die Zusammenarbeit von Affimed in Heidelberg mit der Leukemia & Lymphoma Society (LLS) zur Entwicklung eines Wirkstoffs gegen das Hodgkin-Lymphom aus der TandAb -Plattform ist ein Beispiel für eine Allianz, in der sich eine Patientenorganisation finanziell an einer Therapieentwicklung beteiligt. Affimed erhält aus dieser Kooperation 4,4 Millionen US-Dollar für die Phase-II- Entwicklung eines TandAb -Wirkstoffs. Ähnlich gelagert ist die Zusammenarbeit zwischen LLS und Evotec, im Rahmen derer Evotec den Forschern der LLS die Drug-Discovery-Plattform für das Highthroughput Screening und die Optimierung von niedermolekularen Wirkstoffen zur Verfügung stellt. Auch im internationalen Umfeld, vornehmlich in den USA, beteiligen sich verschiedene Patientenorganisationen schon seit längerem an Kooperationen mit Biotechnologieunternehmen. Häufige Akteure sind die Michael J. Fox Foundation für Parkinson, die CHDI Foundation im Bereich der Huntington- Krankheit oder die Juvenile Diabetes Research Foundation (JDRF), die sich für die Bekämpfung des Typ-1-Diabetes einsetzt. 62 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

65 Plattformen auch international hoch im Kurs Wie im letzten Jahr dominieren auch 2013 Plattformen das Allianzgeschehen in Europa. Außer dem Top-Deal von Elan in Irland, in dem die Rechte an dem Multiple-Sklerose- Medikament Tysabri an das US-Unternehmen Biogen Idec für 3,25 Milliarden US-Dollar veräußert wurden, sind alle weiteren Plätze der Rangliste mit belegt. Herausragend wie im letzten Jahr ist erneut Molecular Partners aus der Schweiz mit einem weiteren DARPin -Deal, nun für über eine Milliarde Schweizer Franken mit Roche. Zusätzlich interessant an diesem Deal ist der Fokus auf der Konjugation von DARPin -Wirkstoffen und Toxinen, in Anlehnung an die ebenfalls bei Roche verfolgte ADC-Strategie (Antikörper-Wirkstoff- Konjugate; Deal mit Heidelberg Pharma). Auch Ablynx konnte durch einen weiteren Nanobody -Deal mit AbbVie im Wert von 840 Millionen US-Dollar erneut in die vordere Reihe gelangen (letztes Jahr: Merck & Co.). Schließlich gesellt sich eine neue Technologieplattform hinzu: Prothena aus Irland, die mit Antikörpern gegen α -Synuclein einen 600 Millionen US-Dollar schweren Deal mit Roche an Land ziehen konnten. Die Top-Allianzen von MorphoSys und immatics biotechnologies fanden bereits in der deutschen Hitliste Erwähnung. Top-Allianzen europäischer Biotech-Unternehmen, 2013 Firma Elan Molecular Partners immatics biotechnologies Ablynx MorphoSys Prothena Land Irland Schweiz Deutschland Belgien Deutschland Irland Partner Biogen Idec Roche Roche AbbVie Celgene Roche Land USA Schweiz Schweiz USA USA Schweiz Datum 2. Juni 4. Dezember 13. November 23. September 26. Juni 11. Dezember Deal-Fokus Produkt Produkt Produkt/ Technologie Produkt Produkt Produkt/ Technologie Therapeutischer Status Markt Forschung Präklinik Phase II Phase I/II Präklinik Krankheitsgebiet Multiple Sklerose Onkologie Magenkrebs, nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom und Prostatakrebs Rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes Multiples Myelom und andere Blutkrebsformen Parkinson und andere Synucleinopathien Potenzieller Wert (Mio. ) 2.446,8 857,1 765,7 632,4 628,0 451,7 Upfront-Zahlungen (Mio. ) 2.446,8 44,7 12,8 131,8 117,0 33,9 Meilensteine (Mio. ) nein 812,4 752,9 500,7 511,0 417,8 Royaltys 12 bis 25 % zweistellig ja zweistellig zweistellig zweistellig Gegenstand Verkauf der Rechte an TYSABRI (Natalizumab) Erforschung und Entwicklung von DARPin - Toxin-Konjugaten Erforschung und Entwicklung von neuen TUMAPbasierten Impfstoffen auf Basis von immatics XPRESIDENT - Technologie sowie klinische Entwicklung von IMA942 Optionsvereinbarung zur Entwicklung und Vermarktung des anti-il-6r- Nanobodys ALX-0061 Entwicklung und Vermarktung des humanen monoklonalen CD38-Antikörpers MOR202 Entwicklung und Vermarktung des monoklonalen Antikörpers PRX002 sowie Erforschung von α -Synuclein- Antikörpern auf Basis der Brain Shuttle -Technologie von Roche Quelle: EY Transaktionen 63

66 Zahlen und Fakten Deutschland Die Gesamtzahl der Allianzen schwankt über die vergangenen Jahre nur geringfügig um einen Mittelwert von ca. 100 Deals. Allenfalls haben die Auswirkungen der Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2009 ein leichtes Gefälle verursacht. Ebenso war man in den Jahren 2010 und 2011 versucht, die etwas gestiegenen Zahlen einem erwarteten Trend zuzuordnen. Die gegenwärtig am weitesten verbreiteten Geschäftsmodelle der Service- und Kooperationspartner hätten erwartungsgemäß aber zu weit größeren Steigerungen der Deal-Abschlüsse führen müssen. Erklärungen mögen einerseits darin liegen, dass gerade im Bereich der Dienstleistungen exakte Zahlen aufgrund der sehr uneinheitlichen Publikationspraxis der Unternehmen kaum verlässlich zu erheben sind und daher unterschätzt werden. Andererseits reflektiert die stagnierende Statistik das im Kapitel Perspektive angesprochene Thema Alignment, wonach trotz offenkundigen Kooperationsbedarfs die konkrete Vertragsgestaltung nach wie vor extrem schwierig ist. Insofern blieb vor allem die Zahl der Lizenzvereinbarungen sowie der Koopera- Allianzen in Deutschland stagnieren weiterhin Anzahl Transaktionen Produkt-/Asset-Kauf Service Lizenzierung Kooperation tionen über diese Jahre hinweg eher konstant, anstatt der Erwartung nach mehr Partnerschaften zu folgen. Immerhin stellt sich Deutschland in dieser Statistik besser dar als die USA oder das restliche Europa, wo die Deal-Zahlen stärker rückläufig sind Eine mögliche Erklärung ist, dass die Anzahl der Technologieplattformen und entsprechend aufgestellter Unternehmen in Deutschland relativ gesehen größer und infolgedessen die Transaktionsaktivität weiterhin stärker ausgeprägt ist. 94 Quelle: EY und Medtrack Deal-Zahlungen in Deutschland auf Rekordniveau Summe (Mio. ), Anzahl Deals (Zahlen in Klammern) (13) 2011 (10) 2010 (8) 2009 (9) 2008 (6) 2007 (5) (10) Getrieben von den bereits erwähnten Mega- Deals von immatics biotechnologies und MorphoSys konnte das aggregierte Volumen der Deals den letztjährigen Betrag noch übertreffen. Wenngleich nach wie vor unter dem Risikovorbehalt stehend, addieren sich die (potenziellen) Zahlungen auf fast zwei Milliarden Euro und damit auf ein neues Rekordniveau. Dennoch ist anzumerken, dass in der Gesamtbetrachtung zu wenige Unternehmen von diesen Zahlungsströmen profitieren. Die Summe aus Upfront- und Meilensteinzahlungen für die breite Masse der kleineren Allianzen fiel sogar um 38 Prozent zurück (6) Upfront-Zahlungen Meilensteinzahlungen Sonstige und nicht näher spezifiziert Upfront-Zahlungen (Mega-Deals) Meilensteinzahlungen (Mega-Deals) Mega-Deals sind Allianzen mit einem potenziellen Deal-Volumen über 500 Mio. Quelle: EY und Medtrack 64 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

67 M&As deutscher Biotech-Unternehmen, 2013 Firma Land Käufer Land Art Datum Potenzieller Wert (Mio. ) AnDiaTec Deutschland Quidel USA Diagnostik 26. August 5,5 CCS Cell Culture Deutschland Evotec Deutschland Biotech 2. Januar 2,2 Service SIRS-Lab Deutschland Analytik Jena Deutschland Medtech 6. Mai n/a Scil Proteins Deutschland Wacker Chemie Deutschland Chemie 12. November n/a Production (Scil Proteins) Seqlab Deutschland Microsynth Schweiz Biotech 1. Mai n/a Labor Diagnostik Deutschland QIAGEN Niederlande Diagnostik 1. Januar n/a Leipzig RIEMSER Pharma Deutschland curasan Deutschland Medtech 22. März n/a (regeneratives Dentalgeschäft) Owl biomedical USA Miltenyi Biotec Deutschland Biotech 23. April n/a Inostics (Indivumed) Deutschland Sysmex Japan Medtech 24. September n/a Entelechon Deutschland Eurofins Scientific Frankreich Biotech 3. Juni n/a Oncogene Science (WILEX) USA (Deutschland) Nuclea Biotechnologies USA Biotech 6. September n/a Affectis Pharmaceuticals Deutschland Lead Discovery Center Deutschland Biotech 1. Dezember n/a Insgesamt konnten in Deutschland nur zwölf M&A-Transaktionen beobachtet werden. Allianzen sind nach wie vor die klar bevorzugte Zugangsoption zur Nutzung von Plattformen. Die meisten Deals erfolgten deshalb im Rahmen von Erweiterungen des bestehenden Know-how-Portfolios bei Plattformfirmen durch Zukauf kleinerer Player: Lead Discovery Center Affectis Pharmaceuticals (nierdermolekulare Wirkstoffe gegen neurodegenerative Erkrankungen) Miltenyi Biotec Owl biomedical (Cell-sorting-Plattform) Sysmex Inostics (BEAMing Digital PCR) Quidel AnDiaTec (Real-time PCR) Eurofins Scientific Entelechon (Gene Synthesis) Weiterhin kommen die Targets z. T. aus der Insolvenz (SIRS-Lab zu Analytik Jena) oder folgen Konsolidierungsaktivitäten (Scil Proteins Production zu Wacker Chemie; CCS Cell Culture Services zu Evotec). Dem Charakter der kleinen Transaktionen entspricht auch, dass die Hälfte der Deals mit Beteiligung deutscher Biotech-Firmen auch innerhalb Deutschlands erfolgten. Quelle: EY Transaktionen 65

68 Erfolgsjahr 2013 Finanzierungsrunde und Milliarden-Deal immatics biotechnologies ist ein biopharmazeutisches Unternehmen mit Schwerpunkt auf der klinischen Entwicklung innovativer Immuntherapien zur Krebsbehandlung. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 aus der Universität Tübingen ausgegründet. Seitdem haben namhafte Investoren laufende Entwicklungs- und Forschungsprojekte ermöglicht. Das am weitesten entwickelte Produkt ist IMA901 gegen Nierenkrebs, das sich nach einer erfolgreichen Phase-II- Studie aktuell in einer globalen Phase-III- Studie befindet, deren finale Daten 2015 erwartet werden. immatics hat seinen Hauptsitz in Tübingen und eine Geschäftsstelle in München und beschäftigt zurzeit 78 Mitarbeitende (FTE). XPRESIDENT -Technologieplattform immatics Immuntherapien in Form von Krebsimpfstoffen enthalten mehrere Tumorassoziierte Peptide (TUMAPs), um die Chancen eines klinischen Erfolgs durch die Anzahl der adressierten Zielstrukturen auf den Krebszellen zu erhöhen. Sie werden in einer stabilen und standardisierten Form ( off-the-shelf ) appliziert und können relativ einfach und solide durch einen leicht skalierbaren Prozess hergestellt werden. immatics Technologieplattform XPRESIDENT identifiziert die entsprechenden TUMAP- Kandidaten für die Entwicklung von Krebsimpfstoffen sowie weiterer Wirkstoffklassen, die gegen Peptidantigene gerichtet sind. Sie ist damit aktuell die einzig bekannte Plattform, die von T-Zellen erkannte Zielstrukturen, sog. HLA-gebundene TUMAPs, im Hochdurchsatzverfahren charakterisieren kann. XPRESIDENT spielt zudem eine zentrale Rolle bei weiteren Immuntherapieformen mit rasanter Entwicklung in jüngerer Zeit: So können von XPRESIDENT identifizierte TUMAPs auch für die Entwicklung von Antikörpern oder T-Zell-Rezeptoren genutzt werden. Antikörper zielen ja z. B. klassischerweise auf Oberflächenproteine, da ihnen intrazelluläre Proteine als therapeutische Ziele nicht zugänglich sind. HLA-TUMAP- Komplexe bieten Antikörpern auf der Zelloberfläche nun aber neuartige Angriffspunkte und zwar unabhängig von der zellulären Lokalisation des Proteins, aus welchem das TUMAP generiert wird. Zusätzlich ist es uns auch möglich, T-Zell- Rezeptoren (TCRs) gegen TUMAPs zu entwickeln und hochaffine T-Zellen aus dem menschlichen Immunzellrepertoire zu gewinnen. Diese TCRs können dann als Medikament entweder in Form von mit toxischen Verbindungen gekoppelten, löslichen TCRs (stcrs) oder in Form anderer, das Immunsystem aktivierender Einheiten verabreicht werden, oder sie werden in autologe T-Zellen für die adoptive zelluläre Gentherapie transfiziert. Finanzierung für eigene Produktentwicklung Im Oktober 2013 konnte immatics eine vierte Finanzierungsrunde (Serie D) in Höhe von 34 Millionen Euro abschließen, mit einer ersten sofortigen Zahlung in Höhe von 12 Millionen Euro. Das fortgesetzte Vertrauen der bestehenden Investoren in die Forschung und Entwicklung von immatics ermöglicht es uns, die Phase-III-Studie von IMA901 zu Ende zu führen und die entsprechenden regulatorischen Anträge für eine mögliche Marktzulassung in den USA und Europa auszuarbeiten. Mit dem neuen Kapital kann immatics dem hohen Bedarf an neuen Therapien, die den Erkrankten ein längeres Überleben ohne Verlust der Lebensqualität ermöglichen, somit weiterhin begegnen. Kollaboration mit Roche Die nächste gute Nachricht im Herbst 2013 war der Beginn einer Kollaboration mit Roche: Das strategische Kollaborationsabkommen umfasst die Erforschung, klinische Entwicklung und Vermarktung einer Reihe neuer Krebsimpfstoffe und weiterer Krebsimmuntherapien, die auf Tumor-assoziierten Peptiden (TUMAPs) basieren. Die Zusammenarbeit fokussiert sich auf drei Krebsarten: Magenkrebs, nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom und Prostatakrebs. Die am weitesten fortgeschrittene Immuntherapie im Rahmen der Kollaboration ist ein Multi-Peptid-Vakzin gegen Magenkrebs mit der Bezeichnung IMA942, das bereits für den Einsatz in klinischen Phase-I-Studien geeignet ist. Roche wird für die klinische Entwicklung und Vermarktung aller von immatics im Rahmen der Kollaboration entwickelten Immuntherapien verantwortlich sein. Paul Higham, CEO immatics biotechnologies GmbH, Tübingen Parallel zur klinischen Entwicklung von IMA942 durch Roche wird immatics präklinische Entwicklungsprogramme für Roche auf der Basis von XPRESIDENT durchführen. Ausblick Dass eine Zusammenarbeit mit Roche zustande gekommen ist, freut uns sehr, und wir blicken dem gemeinsamen Ziel, einen bedeutsamen Unterschied für die Behandlung von Patienten mit Magen-, Lungenund Prostatakrebs zu bewirken, zuversichtlich entgegen. Wir glauben, innerhalb dieser Kollaboration das große Potenzial unseres TUMAP-basierten Ansatzes für die schnelle Entwicklung von Krebsimpfstoffen realisieren und weiterentwickeln zu können. Des Weiteren bestätigt die Kollaboration, dass die mit Hilfe unserer Technologieplattform XPRESIDENT identifizierten TUMAPs das Potenzial haben, eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von Krebsimmuntherapien spielen zu können % für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

69 Erfolgreiche Autoimmuntherapien erfordern neue Entwicklungskonzepte für Companion Diagnostics Von der Magic Bullet zur personalisierten Medizin ein langer Weg Der Startschuss für die Entwicklung differenzierterer Forschungsansätze und hin zur personalisierten Medizin dem Modewort schlechthin in der Medikamentenentwicklung fiel mit dem Beginn der Target-orientierten Wirkstoffforschung in den späten siebziger Jahren und der zeitgleichen dynamischen Entwicklung molekularbiologischer OMICS-Technologien, die das Ziel einer individuellen Therapie schon sehr bald erreichbar erscheinen ließen. Zurückblickend können wir zwar durchaus von zahlreichen Erfolgen insbesondere in der Onkologie sprechen, aber leider sind die benötigten Entwicklungszeiträume nicht geringer geworden und der finanzielle Aufwand ist sogar erheblich gestiegen. Dies hat vor allem zwei Gründe: Einerseits können aufgrund der Komplexität von Autoimmunerkrankungen, aber auch Krebs und Neurodegeneration, Ergebnisse aus Tierversuchen hinsichtlich Efficacy und Safety schlecht oder gar nicht auf den Menschen übertragen werden. Andererseits fehlten bislang Konzepte und Technologien, welche die Patientenstratifizierung und die Erkennung von Respondern und non-respondern während der klinischen Prüfung im Menschen ermöglichen. Hohe Anforderungen an Technologien Pfizer und Roche, aber auch einige Biotech- Unternehmen, haben die o. g. Problematik früh erkannt und haben schon vor einigen Jahren begonnen, Technologien zu evaluieren, welche sich für eine leichte Integration in klinische Studienprotokolle empfehlen, d. h. keinen zusätzlichen Zeit-, Arbeits-, Logistik- und Validierungswand verursachen und mit geringen Volumina ohnehin vorhandener Patientenproben möglichst sicher funktionieren. SeroTag : Identifizierung krankheitsspezifischer Autoantikörper Die SeroTag -Technologie von Protagen erfüllt nun in idealer Weise die o. g. Anforderungen. Nicht einmal 50 µl Patientenserum werden für die Durchführung von Mikro- ELISAs auf Luminex-Beads benötigt. Die hierfür eingesetzten > Antigene sind rekombinante, humane Proteine aus einer der größten Expressionsbibliotheken der Welt und beinhalten nahezu alle bekannten als auch bislang unbekannte Autoantigene. So lassen sich sehr bequem und zuverlässig indikationsspezifische Biomarker-Signaturen mit Potenzial für Response Prediction, in-vitro Diagnostika (Dx) und Companion Diagnostics (CDx) sowohl post hoc als auch parallel zu klinischen Studien erhalten. Geschäftsmodell Protagen hat in den letzten Jahren die eigene Technologieplattform genutzt, um sich neue Autoantigen-Marker in zahlreichen Autoimmunindikationen patentrechtlich zu sichern und so die Basis für eine dominierende Rolle im Bereich Diagnostik geschaffen. Ferner arbeitet Protagen auch mit Wirkstoffentwicklern im Bereich Patientenstratifizierung zusammen und hat hierfür ein spezielles Geschäftsmodell entwickelt. Oberstes Ziel dabei ist es, die Kontrolle über die eigenen Marker in der in-vitro Diagnostik zu behalten, ohne die Attraktivität für Pharma-Partner auf der Suche nach Stratifizierungsmarkern und CDx einzuschränken. Die Struktur dieser Deals enthält typischerweise eine Technology Access Fee, Lab Work & Materials, Milestone Payments und Royaltys auf proprietäre Marker oder zukünftige CDx. In Bezug auf die Studienergebnisse erwartet Protagen, alle Rechte zur Nutzung eventuell neuer Marker und Marker-Kombinationen für in-vitro Diagnostika zu behalten. Der Pharma-Partner hingegen bekommt mit allen notwendigen Rechten den Zugang zu neuen Markern und Marker-Panels; allerdings ausschließlich in Zusammenhang mit dem jeweiligen Wirkstoff und dem exakt abgegrenzten Indikationsgebiet. Zusammenarbeit mit Pfizer Im Kooperationsprojekt mit Pfizer geht es um die post hoc Analyse von Patientenseren aus einer klinischen Studie. Dabei handelt es sich um die Testung eines neuen Wirkstoffs / Wirkmechanismus zur Behandlung einer komplexen Autoimmunerkrankung. Ziel des Projektes ist es, neue Autoantikörperbasierte Panels von Response-Predictionund Stratifizierungsmarkern sicher zu identifizieren. Mit den Kollegen von Pfizer wurde hierfür ein entsprechender Studienund Projektplan entwickelt. Um nicht erst am Ende einer Phase III zu einer post hoc Stratifizierung von Responder-Gruppen gezwungen zu werden, hatte sich Pfizer auf unsere Empfehlung hin entschlossen, mit einem möglichst breit angelegtem Screen Dr. Stefan Müllner, CEO Protagen AG, Dortmund nach möglichst vielen Autoantikörpern initial zu suchen. Protagen wird die Proben in Dortmund analysieren und die biostatistische Auswertung der erhaltenen Labordaten durchführen. Nach Abgleich mit den klinischen Scores und allen anderen erhobenen Patientendaten werden dann zusammen mit den Kollegen von Pfizer Marker und Marker-Panels bewertet, welche sich für die weitere Nutzung in den Folgestudien empfehlen. Die nächsten Schritte für den Ausbau der Kooperation sind in erster Linie von der Qualität und Nutzungsmöglichkeit dieser Daten abhängig. Neuer Trend in der klinischen Biomarkerforschung Aufgrund der Komplexität von Autoimmunerkrankungen, ihren schubartigen Verläufen sowie der fehlenden Verfügbarkeit stratifizierender Diagnostik, ist es aus Sicht beider Firmen unerlässlich, bei der Entwicklung neuer Medikamente auch die Entwicklung entsprechender CDx mit einzuplanen. CDx im Bereich der Autoimmunerkrankungen, insbesondere solche, die einen prädiktiven Wert bezüglich der Medikamentenwirksamkeit aufzeigen, stellen eine neue Klasse von Markern dar und erfordern die Discovery begleitend zu klinischen Studien. Dies macht die noch engere Verzahnung von CDx und Medikamentenentwicklung zwingend erforderlich, verspricht aber auch enorm verbesserte Erfolgschancen. Ein Trend, dem sich Pfizer und Protagen verschrieben haben. Transaktionen 67

70 Zahlen und Fakten International Auf die Anzahl Transaktionen in Gesamteuropa bezogen kann man definitiv von einem Rückwärtstrend sprechen. Seit 2010 hat die Zahl der Deals um 24 Prozent abgenommen. Hier nahmen auch explizit die Kooperation (-14 %) und die Lizenzvereinbarungen (-24 %) signifikant ab. Ebenso, wenngleich schwächer ausgeprägt, sind Allianzen in den USA zahlenmäßig konsequent rückläufig (-10 % seit 2010), basierend vor allem auf der Abnahme von Kooperationen (-12 %). Allianzen international rückläufig Anzahl Transaktionen Europa Anzahl Transaktionen USA Produkt-/Asset-Kauf Service Lizenzierung Kooperation Quelle: EY und Medtrack Zahlungsströme in Europa auf gutem Niveau Summe (Mrd. ), Anzahl Deals (Zahlen in Klammern) (60) 2010 (58) (52) (80) Immerhin die Deal-Volumina haben sich in Europa erhöht, allerdings nur auf Seiten der Mega-Deals, was vornehmlich auf den Tysabri -Deal zurückzuführen ist, der 3,25 Milliarden US-Dollar in die Kassen von Elan spülte. Da im Jahr 2013 die Population der auswertbaren Deals etwas rückläufig war, blieb zumindest der durchschnittliche Wert der Allianzen (ohne Mega-Deals) auf dem konstant guten Niveau von 90 Millionen Euro pro Deal (75) 2008 (64) 2007 (67) 2006 (72) Upfront-Zahlungen Meilensteinzahlungen Sonstige und nicht näher spezifiziert Upfront-Zahlungen (Mega-Deals) Meilensteinzahlungen (Mega-Deals) Mega-Deals sind Allianzen mit einem potenziellen Deal-Volumen über 500 Mio. Quelle: EY und Medtrack 68 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

71 Top-Upfront-Zahlungen aus Allianzen an europäische und US-amerikanische Biotech-Unternehmen, 2013 Firma Land Partner Land Upfront-Zahlungen (Mio. ) Elan Irland Biogen Idec USA FibroGen USA AstraZeneca UK ModeRNA Therapeutics USA AstraZeneca UK OncoMed Pharmaceuticals USA Celgene USA Ablynx Belgien AbbVie USA MorphoSys Deutschland Celgene USA Ophthotech USA Novo Dänemark ISIS Pharmaceuticals USA Biogen Idec USA Acetylon Pharmaceuticals USA Celgene USA Alvine Pharmaceuticals USA AbbVie USA Potenzieller Wert (Mio. ) Im internationalen Vergleich stechen einige Allianzen hinsichtlich der bei Vertragsabschluss geleisteten Upfront-Zahlungen hervor. Dies betrifft neben dem bereits erwähnten Tysabri -Deal von Elan vornehmlich US-Firmen mit Produktkandidaten in der fortgeschrittenen Entwicklung. Hier heben sich die beiden Plattform-Deals von Ablynx mit AbbVie (175 Mio. US$) sowie MorphoSys mit Celgene (117 Mio. ) positiv ab. Beide beziehen sich aber auch auf bereits reifere Plattformprodukte in Phase II. Für die reinen Plattform-Deals mit frühphasigen Lead-Produkten wurden deutlich geringere zweistellige Beträge bezahlt (z. B. 17 Mio. US$ für immatics biotechnologies /Roche bzw. 55 Mio. CHF für Molecular Partners / Roche). Quelle: EY Transaktionen 69

72 Top-M&As europäischer und US-amerikanischer Biotech-Unternehmen, 2013 Firma Land Käufer Land Datum Potenzieller Wert (Mio. ) Life Technologies USA Thermo Fisher Scientific USA 15. April Onyx Pharmaceuticals USA Amgen USA 30. Juni Elan Irland Perrigo Company Irland 29. Juli ViroPharma USA Shire UK 11. November Algeta Norwegen Bayer Deutschland 26. November Santarus USA Salix Pharmaceuticals USA 7. November Paladin Labs Kanada Endo Health Solutions USA 5. November Celgene USA Acetylon Pharmaceuticals USA 29. Juli Ikaria USA Madison Dearborn Partners USA 24. Dezember Pearl Therapeutics USA AstraZeneca UK 10. Juni 866 Aragon Pharmaceuticals USA Johnson & Johnson USA 17. Juni 753 Gentium Italien Jazz Pharmaceuticals Irland 19. Dezember 753 MAP Pharmaceuticals USA Allergan USA 22. Januar 721 Astex Pharmaceuticals USA Otsuka Pharmaceutical Japan 5. September 668 Trius Therapeutics USA Cubist Pharmaceuticals USA 30. Juli 616 Produktgetriebene globale M&As mit großen Price Tags Ganz im Gegensatz zu den kleinen M&A- Transaktionen in Deutschland erfolgten im globalen Umfeld einige Deals mit großen Price Tags zwischen namhaften Partnern, die überwiegend produktgetrieben waren. In diesem Zusammenhang wurden folglich auch deutlich höhere Preise für die Übernahmen bezahlt. Auffällig ist im internationalen Ranking die übermächtige Dominanz der USA, sowohl auf Käufer- als auch Verkäuferseite. Quelle: EY 70 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

73 Top-Earnout-Zahlungen aus M&As europäischer und US-amerikanischer Biotech-Unternehmen, 2013 Firma Land Käufer Land Potenzieller Wert (Mio. ) Pearl Therapeutics USA AstraZeneca UK Aragon Pharmaceuticals USA Johnson & Johnson USA Rempex Pharmaceuticals USA The Medicines Company USA Amplimmune USA MedImmune USA Optimer Pharmaceuticals USA Cubist Pharmaceuticals USA Spirogen UK MedImmune USA Ethical Oncology Science Italien Clovis Oncology USA InViragen USA Takeda Pharmaceutical Japan Talon Therapeutics USA Spectrum Pharmaceuticals USA Cytochroma Kanada OPKO Health USA Syntaxin UK Ipsen Frankreich ProFibrix Niederlande The Medicines Company USA Omthera Pharmaceuticals USA AstraZeneca UK Callidus Biopharma USA Amicus Therapeutics USA Trius Therapeutics USA Cubist Pharmaceuticals USA Earnout-Zahlungen (Mio. ) Eine umfangreiche Gruppe von M&A-Deals zeichnet sich durch signifikante Earn-out- Terms aus, d. h. Teile des Kaufpreises stehen unter dem Vorbehalt noch zu leistender Meilensteine. Dabei belaufen sich die zurückgehaltenen Anteile auf durchschnittlich 51 Prozent des Gesamtdeals, was einen erheblichen Hebel auf die Erreichung der Zielvorgaben erzeugt. Quelle: EY Transaktionen 71

74 Produkte 72 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

75 Innovative Technologieplattformen auf dem Vormarsch EMA-Zulassungen im Aufwind 2013 war für die europäische Zulassungsbehörde EMA ein betriebsames Jahr. Insgesamt wurde 81 neuen Medikamenten der Marktzugang gewährt, was über dem Schnitt der vergangenen Jahre (78) liegt. Im Vergleich zu 2012 haben die Arzneimittelzulassungen deutlich (um 42 %) zugenommen. Davon konnte eine Reihe prominenter europäischer Biotech-Firmen profitieren, wie z. B. Genmab, Novo Nordisk oder Bavarian Nordic. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aussage seitens der EMA, wonach die Hälfte der Anwärter zuvor den Rat der Behörde gesucht habe, um vor dem Absenden des Antrags konkret die Zulassungsbedingungen abzustecken. Dies habe zu einer vergleichsweise signifikant höheren Zulassungsrate von 90 Prozent für diese Firmen geführt im Vergleich zu einer Rate von nur 30 Prozent für die Unternehmen, die ohne diese Ratschläge in das Zulassungsverfahren gegangen waren. Zulassungsnachschub aus deutschem Biotech-Hause Erfreulicherweise hat es im Berichtsjahr auch ein Wirkstoff eines deutschen Biotech-Unternehmens in die Zulassungsphase geschafft: DermaTools Biotech (Tochtergesellschaft der CytoTools aus Darmstadt) reichte im Dezember die Zulassung für ihren Therapieansatz zur Wundheilung im Zusammenhang mit diabetischen Fußgeschwüren ein. Der Wirkstoff ist ein Derivat der Dichloressigsäure, welches an Fibroblasten bindet und so das Bindegewebswachstum stimuliert. In der entscheidenden Phase-III-Studie mit 300 Patienten konnte eine Heilungsrate von 91 Prozent erreicht werden. Wenngleich die Zulassung durch den Partner Centaur Pharmaceuticals zunächst nur in Indien erfolgt, so geht die erfolgreiche Entwicklung gegenwärtig auch in Europa voran, wo DermaPro derzeit noch eine Phase-III- Studie durchläuft. Außerdem reichte auch die Weinheimer Cytonet einen Zulassungsantrag für die proprietäre Leberzelltherapie bei angeborenen Harnstoffzyklusdefekten bei der EMA ein. Allerdings wurde dies erst im Januar 2014 vermeldet, so dass der Wirkstoff für das Berichtsjahr 2013 weiterhin in Phase III erfasst wurde. Aktivitäten in Phase III Zwei Projekte deutscher Biotech-Unternehmen schafften den Sprung in die entscheidende Phase III: MorphoSys konnte beginnen, zusammen mit dem klinischen Entwicklungspartner Novartis den HuCAL - basierten Antikörper BYM338 gegen die unter Orphan-Drug-Status stehende sporadische Einschlusskörpermyositis zu testen. Außerdem startete Biofrontera eine weitere Phase-III-Studie mit ihrem bereits zugelassenen Präparat Ameluz (5-Aminolävulinsäure) zur Feldtherapie von aktinischer Keratose. Erfolgreiche Phase-II-Daten Eine Reihe von Therapieinnovationen auf Basis von Technologieplattformen haben den Weg in die PoC-entscheidende klinische Phase erreicht: apceth MSC Apceth 101 (autologe Stammzellentherapie) CureVac CV9104 (RNA-basierter Impfstoff) Glycotope PankoMab-GEX (glykooptimierter Antikörper) MorphoSys MOR208 und OMP59R5 (humanisierter bzw. humaner HuCAL - Antikörper) Wirkstoffkandidaten mit Eintritt in Phase II, 2013 Firma Wirkstoff Wirkstoffart Indikation Studie CureVac CV9104 RNA-Molekül Prostatakrebs Phase IIb MorphoSys MOR208 monoklonaler Antikörper akute lymphatische B-Zell-Leukämie 2 Phase-IIa-Studien und Non-Hodgkin-Lymphom apceth MSC Apceth 101 zellbasiert fortgeschrittene gastrointestinale Phase I/II Tumore MorphoSys OMP59R5 monoklonaler Antikörper kleinzelliger Lungenkrebs Phase Ib/II (Partner OncoMed) Glycotope PankoMab-GEX monoklonaler Antikörper Ovarialkarzinom Phase IIb PAION Remimazolam niedermolekularer Wirkstoff 4SC Resminostat niedermolekularer Wirkstoff Anästhesie für herzchirurgische Eingriffe nichtkleinzelliger Lungenkrebs Phase II Phase I/II advancecor Revacept rekombinantes Protein ischämischer Schlaganfall Phase II Quelle: EY Produkte 73

76 Damit gehen sechs der neun Phase-II-Starts auf Technologieplattformen zurück. Alle genannten fokussieren sich dabei auf die Behandlung verschiedener Krebserkrankungen. Besonders gute Nachrichten kamen 2013 auch von Apogenix. Bei der Zweitlinienbehandlung von Glioblastom-Patienten mit dem Fusionsprotein APG101, einem CD95- Ligand-Inhibitor, in Kombination mit einer Strahlentherapie wurde das primäre Studienziel des progressionsfreien Überlebens nach sechs Monaten deutlich übertroffen. Darüber hinaus konnte inzwischen in weiteren Analysen gezeigt werden, dass bestimmte, durch Biomarker stratifizierte Patientengruppen auch hinsichtlich Overall Survival signifikant profitieren (16,1 Monate vs. 6,5 Monate bei Strahlentherapie alleine). Mit diesem klassischen Proof of Concept konnte das Unternehmen sich nun gute Chancen ausrechnen, einen Partner für die teure Phase-III-Entwicklung zu finden. Dennoch und dies passt in die Diskussion im Kapitel Perspektive gestaltet sich die Realisierung der Partnering-Strategie offenbar schwieriger als angenommen. Immerhin stärkt im Falle Apogenix der Hauptinvestor dievini Hopp BioTech holding den Rücken für die Verhandlungen, um den Erfolg nicht unter Wert verkaufen zu müssen. Starke Präsenz von Technologieplattformen bei Phase-I-Eintritt Die Erfolgsstory von Technologieplattformen in der klinischen Entwicklung lässt sich ebenfalls für die Phase I belegen: Von den insgesamt 17 Wirkstoffen in initiierten Phase-I-Studien basieren ganze 15 auf einer Produktplattform. Wieder sticht MorphoSys mit allein sieben verschiedenen Antikörpern in zehn Phase-I-Studien deutlich heraus. Daneben fällt MOLOGEN mit zwei Präparaten aus der MIDGE -Technologieplattform positiv auf. Über 80 Prozent der Substanzen zielen auf die Krebstherapie, drei Studien verfolgen anti-inflammatorische Ansätze. Biotechnologie prägt nicht nur den Life-Science-Sektor... Bei der Zuordnung der klinischen Produkte zu Wirkstoffklassen wird deutlich, dass den typischen Biotech-Technologieplattformen immer stärkere Bedeutung zuteilwird. Klassische Biologicals nehmen mit über 66 Prozent den größten Anteil ein und können diesen gegenüber dem Vorjahr (58 %) noch steigern. Hinzu kommen Biotech-typische Zelltherapien (8 %), sodass biologische Plattformen insgesamt über 70 Prozent der Kandidaten in der Entwicklung ausmachen. Die Zahl der niedermolekularen Wirkstoffe auf chemischer Basis nimmt weiter ab; diese kommen nur noch auf ein gutes Viertel der Pipeline-Produkte. Dies untermauert die im Vorjahr postulierte Rückbesinnung von Biotech-Unternehmen auf Technologien vornehmlich auf solche mit Produktgenerierungspotenzial. Ein sehr gutes Beispiel für eine Technologieplattform mit hohem Innovationspotenzial wird im nachfolgenden Artikel von BioNTech RNA Pharmaceuticals (früher Ribological GmbH) und TRON im Detail beschrieben. Dabei wird auch ein Paradigmenwechsel von einer produkt- zur prozessorientierten Medikamentenentwicklung dargelegt. Neben den Therapieplattformen gewinnen auch Ansätze im Bereich der Diagnostik zunehmend an Bedeutung. Insbesondere solche Plattformen, die in der Therapiebegleitung ansetzen und Patienten hinsichtlich der Ansprechwahrscheinlichkeit für bestimmte Medikamente selektionieren, stehen im Fokus. In einem weiteren Beitrag beschreibt das Unternehmen humatrix seine Herangehensweisen in der Patientenselektion, die sowohl in der klinischen Entwicklung als auch am Patient einzusetzen sind. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf den sonst so stark diskutierten Biomarkern als Korrelat für die Target-Beeinflussung der Therapie, sondern auf der patientenspezifischen individuellen Ausstattung an metabolischen Enzymen, die die Wirkung von Therapeutika beeinflussen können. sondern liefert eine breite Produktpalette mit Vorteilen für Verbraucher und Umwelt Die zunehmende Bedeutung der Bioökonomie in vielen Industriezweigen und Märkten wurde im Kapitel Perspektive quantitativ dargestellt. Die folgende tabellarische Auflistung von typischen und wichtigen Marktprodukten soll diese Stellung qualitativ veranschaulichen und sowohl die Breite der Produktpalette als auch die konkreten Vorteile der Biotechnologie demonstrieren. Biologicals dominieren deutsche Wirkstoffpalette (n=125) 1 % 8 % 26 % 6 % 14 % 17 % Monoklonale Antikörper Rekombinante Proteine RNA / DNA Peptide Zellbasiert Natürliche Wirkstoffe Niedermolekulare Wirkstoffe 29 % Quelle: EY und Medtrack Der Einsatz der Biotechnologie in Industriezweigen außerhalb des Life-Science-Sektors steht erst am Anfang. Weder die Breite der Einsatzmöglichkeiten noch die Nutzungstiefe innerhalb der betrachteten Sektoren ist bereits erfasst. Insofern sind noch eine Vielzahl von Innovationen in diesem Sektor zu erwarten, darunter auch außergewöhnliche und wichtige aus der deutschen industriellen Biotechnologie, wie etwa von BRAIN mit seinen Ansätzen zur Umwandlung von Rauchgasen in Biomasse und der mikrobiellen Unterstützung bei der Förderung von seltenen Erden oder die breite industrielle Nutzung von biotechnisch hergestellter Spinnenseide als Innovationsleistung von AMSilk. 74 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

77 Auf biotechnologischen Prozessen basierende Verbrauchsgüter (Auswahl) Produkte Beispiele innovativer Biotech-Prozesse Klimaimplikationen Verbrauchervorteile Energie Biofuels und Bioethanol: Biotechnologische Konvertierung von Stärke / Zellulose in Zucker und Umwandlung in Alkohole und Ester durch genetisch verbesserte Mikroorganismen Reduzierung von Treibhausgasemissionen Verringerung der Abgasemissionen von Stickoxiden, Kohlenmonoxid und Benzol Geringerer Verbrauch von Chemikalien und Energie Verringerung toxischer Nebenprodukte Geringere Schwankungen der Rohstoffkosten und ihrer Verfügbarkeit Niedrigere Benzinpreise Gummierzeugnisse BioIsoprene : Fermentierung von Zucker aus nachwachsenden Rohstoffen durch genetisch verbesserte Mikroorganismen Verringerung des Erdölverbrauchs Hohe Reinheit Geringere Kosten Planbarkeit der Rohmaterialkosten und ihrer Verfügbarkeit Haushaltsprodukte und Waschmittel Aufheller, Reinigungsstoffe: Rekombinante Proteasen, Amylasen, Lipasen Peroxide: Peroxid-produzierende Zellulose-Enzyme Reduzierung von Treibhausgasemissionen Vermeidung von Wasserverschmutzung durch Phosphat Verringerung des Verbrauchs nicht erneuerbarer Energien Energieeinsparung durch niedrigere Waschtemperatur Bessere Färbe- / Bleichresultate Dauerhaft sanfte Textilbehandlung Nahrungsmittel, Getränke und Zusatzstoffe Brot: Rekombinante Bäckerei-Enzyme (Treibmittel, Teigverbesserung, Frischeverlängerung) Vitamin B2: Ein-Schritt-Synthese aus Pflanzenöl und Zucker durch genetisch verbesserte Mikroorganismen Reduzierung von Treibhausgasemissionen Verringerter Energieverbrauch Reduzierung gefährlicher Chemieabfälle Verbesserte Qualität Längere Haltbarkeit Vermeidung gesundheitsschädlicher Inhaltsstoffe Papier Papier: Rekombinante Enzyme für Holzbleiche, Ligninabbau, Zellwandabbau im Pulping- Prozess Vermeidung von Umweltbelastung durch Chlorbleiche und Dioxine Kostenersparnis durch geringeren Energie- und Chemikalienverbrauch Pflege- und Hygieneprodukte Zusätze: 1,3-Propandiol aus nachwachsenden Rohstoffen durch genetisch verbesserte Mikroorganismen (Lösungsmittel, Befeuchtungsmittel, Weichmacher etc.) Inhaltsstoffe: Umwandlung von Pflanzenölen Windeln: Fermentation von Maiszucker zu Milchsäure zur Herstellung biologisch abbaubarer Polymere Reduzierung von Treibhausgasemissionen Verringerter Energieverbrauch Geringere Toxizität von Produkten und Nebenprodukten Hohe Reinheit Bessere Hautverträglichkeit Verbesserte Pflegeeigenschaften Entsorgung der biologisch abbaubaren Windeln durch Kompostierung Textilien und Bekleidung Bausteine für die Nylonsynthese: 1,3-Propandiol durch genetisch verbesserte Mikroorganismen Flexiblere Schaumstoffe: Polyole aus Soja und anderen nachwachsenden Rohstoffen Jeans: Biotechnologische Enzyme zum Bleichen und Weichmachen Reduzierung von Treibhausgasemissionen Geringerer Verbrauch nicht erneuerbarer Energien Verringerung des Gesamtenergieverbrauchs Biologische Abbaubarkeit Verbesserte Härte / Weichheit und Elastizität der Fasern UV-Stabilität und Farbechtheit Schaumstoffe nehmen keinen Körpergeruch an Keine Entwicklung toxischen Rauches im Brandfall Geringere Kosten Verpackungen Polyhydroxyalkanoate: Genetische Verbesserung natürlich vorkommender mikrobieller Prozesse zur Produktion Polyethylen: Fermentation chemischer Bausteine aus Zucker Reduzierung von Treibhausgasemissionen Verringerte Nutzung fossiler Brennstoffe Verbesserung des Abfallproblems durch stoffliche Verwertung von Verpackungsabfällen Biologische Abbaubarkeit Hitzeresistenz Prozess verursacht keine zusätzlichen Kosten, da vorhandene Produktionsmaschinen kompatibel sind Quelle: EY und BIO Produkte 75

78 Schnelle Translation von innovativen individualisierten Immuntherapien BioNTech RNA Pharmaceuticals GmbH Die BioNTech RNA Pharmaceuticals GmbH (ehemals Ribological GmbH) wurde 2009 als Tochter der BioNTech AG aus der Abteilung für Translationale und Experimentelle Onkologie der Universitätsmedizin Mainz ausgegründet. Der Hauptfokus des Unternehmens liegt auf der eigenen Arzneimittelproduktentwicklung personalisierter Immmuntherapien, die auf proprietärer RNA-Technologie basieren. TRON ggmbh TRON Translationale Onkologie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ggmbh ist ein biopharmazeutisches Forschungsinstitut, das neue Diagnostika und Arzneimittel für die Therapie von Krebs und anderen Erkrankungen mit hohem medizinischen Bedarf entwickelt. Der Schwerpunkt von TRON liegt in der Entwicklung neuer Plattformen für personalisierte Therapiekonzepte und Biomarker und somit in der Überführung grundlagenorientierter Forschung in die Entwicklung neuer Arzneimittel. MUTANOM-Impfstoffe eröffnen Zugang zu unzähligen neuen Zielstrukturen Durch Fortschritte im Bereich der Genomsequenzierung können heutzutage Mutationsprofile von Tumoren einzelner Patienten zu geringen Kosten innerhalb weniger Tage komplett entschlüsselt werden. Das Erbgut aller Krebszellen enthält je nach Krebsart dutzende bis hunderte Mutationen, die sie von gesunden Zellen unterscheiden. Nur sehr wenige Genmutationen sind bei mehreren Patienten einer Indikation gleichermaßen zu finden und eignen sich dadurch als Zielstrukturen für klassische zielgerichtete Therapien. Die meisten Mutationen (> 95 %) kommen nur im Tumor eines Patienten, jedoch nicht in Tumoren anderer Patienten vor, weswegen diese bisher einer Medikamentenentwicklung nicht zugänglich waren. Mittels bioinformatischer Verfahren ist es heute möglich geworden, aus Mutationsprofilen einzelner Patienten potenziell immunogene Mutationen zu prädizieren, in Leitstrukturen zu überführen und als maßgeschneiderten, multivalenten Mutanom- Impfstoff für die Anwendung am Patienten bereitzustellen. Dieser komplexe, technisch standardisierte Prozess kann für jeden Patienten in einem Zeitraum von nur drei bis vier Monaten vollständig durchlaufen werden und verwirklicht somit einen Paradigmenwechsel von einem produktzentrierten zu einem prozesszentrierten Medikamentenentwicklungszyklus. Durch die Targetierung individueller Mutationsprofile eröffnet sich ein ganzer Kosmos neuer Zielstrukturen und damit nahezu der gesamte onkologische Markt. Dies steht im Gegensatz zu Therapien, die auf das Vorhandensein ausgewählter Zielstrukturen auf einer definierten Subpopulation von Patienten angewiesen sind. v.l.n.r.: Cedrik M. Britten 1,2, Mustafa Diken 2, Björn-Philipp Kloke 1, Andreas N. Kuhn 1, Ugur Sahin 1,2,3, Sandra Heesch 3, Martin Löwer 2, John Castle 2 (es fehlen Sebastian Kreiter 2 und Özlem Türeci 4 ) 1 BioNTech RNA Pharmaceuticals GmbH, Mainz 2 Tanslationale Onkologie an der Johannes Gutenberg Universität, TRON ggmbh, Mainz 3 BioNTech AG, Mainz 4 University Medical Center of the Johannes Gutenberg University, Mainz, Germany Einzigartige Partnerschaft für eine schnelle Translation innovativer Therapiekonzepte In Mainz wurde in den letzten Jahren eine einzigartige Konstellation geschaffen, in der durch enge Zusammenarbeit der TRON ggmbh und der BioNTech RNA Pharmaceuticals GmbH die Entwicklung neuartiger Therapiekonzepte stark beschleunigt oder erst ermöglicht wird. TRON, als Publicprivate-Partnership, ermöglicht die Erforschung explorativer und hochriskanter Technologien im frühen Stadium und das schnelle Erreichen eines präklinischen Proof of Concept. Die nahtlose Translation von maturierten Projekten in die industrielle Produktentwicklung wird durch die von privaten Investoren finanzierte BioNTech RNA Pharmaceuticals GmbH ermöglicht. Zusammen verfügen beide Partner über Expertise in den Bereichen Biobanking, Genomik, Bioinformatik, Immunologie, Präklinik, RNA-Impfstoffentwicklung, Regulatorik, klinische Produktentwicklung und GMP-Herstellung. Das interdisziplinäre Team deckt damit die gesamte Wertschöpfungskette ab. Dass diese Zusammenarbeit erfolgreich ist, zeigt die gemeinsame Translation von personalisierten Mutanom-Impfstoffen, die seit Ende 2013 erstmals in Europa klinisch getestet werden (NCT ). Zusammenfassung Mutanom-Impfstoffe stellen ein hoch innovatives therapeutisches Konzept dar, das mit einem Paradigmenwechsel in der industriellen Medikamentenentwicklung verbunden ist. Das Prinzip der Targetierung von Heterogenität in Tumoren einzelner Patienten ist mit einem enormen Potenzial verbunden und überkommt die heute noch bestehende Limitierung auf wenige verfügbare Zielstrukturen in der Onkologie. Durch die eng verzahnte Zusammenarbeit zwischen TRON ggmbh und der BioNTech RNA Pharmaceuticals GmbH konnte in Mainz eine einzigartige Konstellation geschaffen werden, die eine effiziente klinische Translation hoch innovativer Therapiekonzepte ermöglicht und bereits eine weltweite Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Mutanom- Impfstoffe erarbeitet hat % für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

79 Mehr Therapiesicherheit durch DNA-Analyse Chancen und Herausforderungen bei der Umsetzung im Alltag Zunehmend detaillierteres Verständnis Das menschliche Genom weist über sechzig Millionen variable Stellen auf. Einige dieser Variationen nehmen auch Einfluss auf den Arzneistoffwechsel. So können einerseits die an der Metabolisierung bzw. dem Transport des Wirkstoffs beteiligten Enzyme und Transporter betroffen sein. Genauso möglich ist jedoch auch eine Variation, die die Zielstruktur des Wirkstoffs betrifft. Die Folge dieser Veränderungen sind z. B. vermehrtes Auftreten von Nebenwirkungen oder Wirkverlust bis hin zur Unwirksamkeit. Ist eine entsprechende DNA- oder Genveränderung mit all ihren Auswirkungen bekannt, kann ein diagnostischer Gentest vor der Medikamentengabe darüber Auskunft geben, welche Dosierung bzw. welcher Wirkstoff dem Patienten wirklich hilft. Statt allgemeinen Hinweisen auf dem Beipackzettel zu folgen, kann ein Arzt somit eine Therapie an die genetische Ausstattung seines Patienten anpassen. Anwendungsmöglichkeiten nicht auf Companion Diagnostics beschränkt Die stratifizierte Arzneimitteltherapie hat mitunter ein größeres Potenzial für bereits im Markt etablierte Medikamente (Generika), die durch den Einsatz von DNA-Tests noch effizienter eingesetzt werden könnten. Dies lässt sich z. B. anhand des Östrogenrezeptorblockers Tamoxifen (TAM) erläutern. In der Praxis wird bei postmenopausalen Brustkrebspatientinnen meist eine sequenzielle Therapie (TAM und Aromatasehemmer) verordnet, da sich TAM alleine in der Vergangenheit als weniger wirksam erwies. Das lässt sich heute gut erklären. TAM ist als klassisches Prodrug therapeutisch nahezu unwirksam und muss in den eigentlichen Wirkstoff Endoxifen umgewandelt werden. Das für den Umbau wichtige Enzym CYP2D6 unterliegt jedoch genetischen Variationen, die sich auf dessen Aktivität auswirken. Durch die Analyse des CYP2D6-Gens kann die Aktivität des Enzyms (der sog. Metabolisierungstyp) jeder Patientin heute exakt bestimmt werden. Der Vergleich der CYP2D6-Metabolisierungstypen in der Überlebenszeitanalyse zeigt retrospektiv einen deutlich verschlechterten klinischen Outcome für TAM-Patientinnen mit verminderter CYP2D6-Aktivität. Vor dem Hintergrund scheint die sequenzielle Therapie jedoch nicht die für jede Patientin beste Empfehlung zu sein. Vielmehr kann durch die Bestimmung des Metabolisierungstyps eine auf die Patientin individualisierte Therapie empfohlen werden. Dennoch findet dieses Wissen kaum Anwendung. Für die bislang mangelnde Translation in die ärztliche Praxis sind maßgeblich drei Gründe zu nennen: 1. Es gibt zwar viele wissenschaftlich untersuchte Zusammenhänge zwischen einer DNA-Veränderung und einem veränderten Serumspiegel eines bestimmten Medikaments, es fehlt jedoch vielfach an prospektiven Studien, die die bereits retrospektiv gezeigten Zusammenhänge noch einmal überprüfen. Diese prospektiven Studien werden jedoch von den Kostenträgern im Zuge der Diskussion um Kostenerstattung unter Berufung auf die Standards der evidenzbasierten Medizin gefordert. Hier stellt sich jedoch auch die Frage, ob es vertretbar ist, die retrospektiv gezeigten und biochemisch völlig plausiblen Zusammenhänge einfach zu ignorieren, bis sie in fünf oder gar zehn Jahren auch prospektiv nachgewiesen wurden. Patienten zumindest können meist nicht verstehen, warum sie trotz des Wissens um diese Zusammenhänge unter Missachtung dieser therapiert werden. 2. Die pharmakogenetischen Erkenntnisse sind aufgrund ihrer Komplexität für Ärzte in der Praxis jedoch kaum anwendbar, denn am Metabolismus eines Medikaments sind z. T. mehrere Enzyme beteiligt, die Variationen mit unterschiedlichen Auswirkungen aufweisen können. Zur Umsetzung des Wissens in die Praxis bedarf es der Entwicklung von sinnvollen Diagnostik-Panels, sowie daran gekoppelter Befundungs-Tools, die es ermöglichen, die genetischen Daten eines Patienten variationsübergreifend in eine eindeutige individualisierte Therapieempfehlung zu übersetzen, denn nur dann können diese Erkenntnisse von der Ärzteschaft angewendet werden. 3. Die pharmakogenetische Diagnostik zur stratifizierten Therapie bereits zugelassener Medikamente produziert augenscheinlich zunächst zusätzliche Kosten, da der Verordnung einer Therapie, deren klinischer Nutzen durch die Zulassung bereits gezeigt wurde, nun ein diagnostischer Test vorangestellt werden soll. Die Kosten des Tests liegen zudem meist über denen des eingesetzten Medikaments. Betrachtet man jedoch die Dr. Anna C. Eichhorn, CEO humatrix AG, Pfungstadt hohe Zahl von Krankheits- oder gar Todesfällen aufgrund von Nebenwirkungen und Medikamentenunverträglichkeiten, die wir bislang in Ermangelung von Alternativen in Kauf nehmen mussten, scheint der klinische Nutzen der individualisierten Medizin (InMed) weit mehr zu wiegen, als die im Vergleich zum Medikament vermeintlich hohen Kosten für den Test. Breite Umsetzung wird nicht einfach Inwieweit sich die Kostenträger in der Lage sehen, die zusätzliche Diagnostik zu erstatten, bleibt abzuwarten. Dass die InMed bisherige System-Logiken überfordert und die Standards der evidenzbasierten Medizin im Hinblick auf ihre Anwendung in der stratifizierten Arzneimitteltherapie weiter zu entwickeln wären, ist für die Integration in den Praxisalltag ebenfalls nicht förderlich. Aber können wir es uns leisten, die Effizienzreserven für unser Gesundheitssystem, die sich aus der gezielten Prävention von Medikamentenunverträglichkeiten ergeben, ungenutzt zu lassen? Auf lange Sicht wird sich die Nutzung dieser neuen Möglichkeiten auszahlen. Finanziell für das Gesundheitssystem, aber vor allem auch für die Patienten durch einen nachhaltigeren Behandlungserfolg und eine höhere Versorgungsqualität. Produkte 77

80 Neugründungen mit innovativen Ideen Drug Development Allecra Therapeutics Lörrach Die Allecra Therapeutics GmbH hat sich auf die Entwicklung neuartiger Therapien zur Bekämpfung von medikamentenresistenten bakteriellen Infektionen fokussiert. Das Unternehmen hat zwei Produktkandidaten in klinischen Phase-I-Studien. Beide Kandidaten sollen gramnegative multiarzneimittelresistente Infektionen behandeln, besitzen jeweils ein einzigartiges Wirkungsspektrum und grenzen sich von den derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten und Entwicklungs-Pipelines der Konkurrenz ab. Das 2013 gegründete Unternehmen beruht auf der strategischen Partnerschaft seiner Gründer mit der indischen Orchid Chemicals & Pharmaceuticals sowie Forbion Capital Partners und Edmond de Rothschild Investment Partners, den beiden Lead-Investoren einer Serie-A-Finanzierung von 15 Millionen Euro. BianoScience Zwickau Die 2013 mit dem Thüringer Gründerpreis ausgezeichnete BianoScience GmbH entwickelt intelligente sirnas, welche etwa in der Brustkrebstherapie, bei multipler Sklerose oder gegen virale Infektionen genutzt werden sollen, um Gene zellspezifisch auszuschalten. Hintergrund der Plattformtechnologie ist die selektive Aktivierung der sirna ausschließlich in den Zielzellen. Durch die Koppelung kurzer Peptide an die sirna wird verhindert, dass diese in anderen Körperzellen aktiviert wird, da nur die Zielzellen die entsprechenden Enzyme zur Entfernung der Eiweißmoleküle besitzen. Neben der Medikamentenentwicklung bietet das Unternehmen Services im Bereich der nukleotidbasierten Forschung und RNAi-Kits an. BianoScience entstammt einer Forschergruppe der Friedrich-Schiller- Universität Jena, welche durch die GO-Bio- Förderung des BMBF finanziert wurde. Erdmann Technologies Berlin Die Erdmann Technologies GmbH wurde 2013 als Spin-off der Freien Universität Berlin gegründet. Professor Volker A. Erdmann und seine Mitarbeiter prägten schon in den neunziger Jahren den Begriff der Spiegelmere. Medikamente auf Basis dieser chemisch synthetisierten Nukleinsäuren sind besonders stabile und verträgliche Antikörper-Alternativen, die z. B. gezielt gegen Krebserkrankungen eingesetzt werden können und von der NOXXON Pharma entwickelt werden. Grundlage von Erdmann Technologies sind Spiegelzyme, spiegelbildlich katalytisch aktive Nukleinsäuren, die Spiegelmere gezielt schneiden und inaktivieren können. Eingesetzt werden könnten diese z. B. zur Behandlung von Medikamentennebenwirkungen oder in neuartigen Biochip-Verfahren. Myelo Therapeutics Berlin Häufige Nebenwirkung einer Chemotherapie ist die Unterdrückung der Blutbildung, welche zu einem Mangel an Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten und somit zu einem erhöhtem Infektions- und Blutungsrisiko führt. Die Myelo Therapeutics GmbH hat sich auf die Behandlung dieser Chemotherapie-induzierten Neutropenie und Thrombozytopenie fokussiert. Das 2013 gegründete Unternehmen entwickelt einen niedermolekularen, oral verabreichten Wirkstoff zur adjuvanten Krebstherapie, der die Differenzierung von speziellen Vorläuferzellen der Blutbildung induziert. Neben einigen Venture-Capital-Investoren beteiligte sich JSC Valenta Pharmaceuticals an der Serie-A-Finanzierungsrunde im einstelligen Millionenbereich. Replibone Hamburg Die RepliBone GmbH entwickelt ein Verfahren zur Optimierung der In-vitro-Knochengewebsvermehrung, um strukturell naturidentischen Knochen auf Basis patienteneigener Zellen herzustellen. Die erfolgreiche Ernährung des replantierten Gewebes wird u. a. durch ein funktionierendes Gefäßgeflecht sichergestellt. Dieses Verfahren soll z. B. zur Behebung oder Abschwächung von Krebs- oder unfallbedingtem Knochenverlust eingesetzt werden. Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich etwa im zahnmedizinischen Bereich bei prothesen- oder entzündungsbedingten Knochenverlusten. Das Unternehmen wird durch die Europäische Union und die Stadt Hamburg gefördert. 78 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

81 Technologies & Tools Bioinformatics In Vitro Diagnostics Sciomics Heidelberg Die Sciomics GmbH bietet einen vollständigen Analyseservice unter Verwendung von Antikörper-Microarrays an, welche die parallele, reproduzierbare und kostengünstige Analyse einer Vielzahl von Proteinen erlauben. Diese können für unterschiedliche Fragestellungen eingesetzt werden, wie etwa zur Validierung von Sequenzierungsdaten, in Protein-Expressionsstudien, Biomarker-Studien oder zur Charakterisierung von Antikörpern. Neben standardisierten kommen auch kundenspezifisch hergestellte Microarrays zum Einsatz. Gegründet wurde Sciomics im Frühjahr 2013 als Spin-off des DKFZ in Heidelberg. Im November 2013 erreichte Sciomics beim Rhein Neckar Technology Venture Pitching den zweiten Platz. sitools Biotech Martinsried Die sitools Biotech GmbH produziert RNAi- Reagenzien zur Unterdrückung der Expression von Zielgenen für den Einsatz in der Genfunktionsanalyse. Dabei werden aus dreißig sirnas bestehende sipools designt, welche die stärksten sirnas der Zielsequenz kombinieren. Durch diese Methode kann die Expression von Genen mit hoher Spezifität ausgeschaltet und unerwünschte Nebeneffekte vermieden werden. Die Nutzung von sipools erlaubt ferner das gleichzeitige Knockdown mehrerer Gene, etwa eines ganzen Pathways oder einer Genfamilie. Auch die aufgrund ihrer Sekundärstrukturbildung besonders schwer herunterregulierbaren langen nicht-kodierenden RNAs können durch sipools ausgeschaltet werden. sitool Biotech ist eine Ausgründung der Universität Regensburg und wird durch das EXIST-Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft unterstützt. ecseq Bioinformatics Leipzig Die ecseq Bioinformatics GbR ist ein Bioinformatik-Serviceanbieter mit Know-how in der Analyse von Hochdurchsatz-Sequenzierungsdaten. Das Unternehmen bietet neben etablierten Service-Paketen für verschiedenste DNA-, RNA- und epigenetische Sequenzanalysen auch die Entwicklung spezifischer Algorithmen und Analysen an. Ein Beispiel dieser Services ist die Vorhersage und Evaluation der Funktionalität nicht-kodierender RNA-Moleküle wie micrornas oder sirnas, deren Wege der Genregulation noch nicht vollständig verstanden sind. Darüber hinaus bietet ecseq Trainings und Workshops zu Themen wie etwa der Analyse von Next-Generation- Sequencing-Daten an. Drug Response Dx Hennigsdorf Die 2012 gegründete Drug Response Dx GmbH verfügt über eine von der Max-Planck-Gesellschaft einlizenzierte Patentplattform und entwickelt ein Biomarker-Testkit zur Steuerung der Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Ziel ist die Identifizierung von Respondern und Non- Respondern einer Therapie mit Blockern des Tumornekrosefaktors TNF-alpha. Rheumatoide Arthritis ist die weltweit häufigste entzündliche Autoimmunerkrankung der Gelenke und wird aus Kostengründen derzeit erst mit TNF-alpha-Hemmern behandelt, nachdem sich andere Medikamente als wirkungslos erwiesen haben. Frühzeitig eingesetzt, kann eine gezielte Behandlung jedoch zur vollständigen Remission führen. An der ersten Finanzierungsrunde beteiligte sich neben dem High-Tech Gründerfonds auch der Diagnostikspezialist QIAGEN. Produkte 79

82 Zahlen und Fakten Deutschland Die Anzahl der therapeutischen Wirkstoffe in Forschung und Entwicklung ist im Berichtsjahr 2013 mit insgesamt 288 gegenüber dem Vorjahr (285) annähernd konstant geblieben. Dabei schlägt positiv zu Buche, dass vor allem in den frühen Phasen leichte Zuwächse zu verzeichnen sind. Leider sind die Entwicklungsprojekte in der entscheidenden klinischen Phase II mit minus neun Prozent leicht rückläufig. Wirkstoffentwicklung in Deutschland stagniert Anzahl Wirkstoffe in Studien Präklinik Phase I Phase II Phase III Zulassungsphase Quelle: EY und Medtrack Pipeline-Dynamik mit Licht und Schatten Anzahl Wirkstoffe in Studien Bilanz: 6 Bilanz: 5 Bilanz: Bilanz: Präklinik Phase I Phase II Phase III Phaseneintritt Projektstopp Firmenschließung Phasenübergang Gerade in der Präklinik und der Phase I waren im Berichtsjahr erfreulich viele Neuzugänge zu verzeichnen. Allein in der Präklinik sorgt der Neueintritt von 44 Wirkstoffkandidaten (+28 %) für einen signifikanten Turnover und demonstriert die Innovationskraft der Unternehmen. Dass im gleichen Zeitraum auch insgesamt 27 Projekte (17 %) gestoppt wurden, entspricht einer Strategie der Effizienz und der Notwendigkeit, Projekte ohne klare Vorteile frühzeitig zugunsten neuer Ideen auszusortieren. Noch beeindruckender ist der Turnover in der Phase I mit 41 Prozent an neuen Projekten und einer Abbruchrate von 22 Prozent. Leider kommt aus beiden Phasen insgesamt wenig Output für die Weiterentwicklung in den Folgephasen. Dass dieselbe Dynamik innerhalb der Phase II nicht ersichtlich ist, ergibt sich aus dem deutlich längeren Zeitverlauf in diesem Stadium. Auffällig jedoch erscheint in der Statistik der Phase II, dass allein acht Projekte (10 %) aufgrund von Insolvenzen abgebrochen werden mussten, ein Hinweis auf die kritische Finanzierungssituation der Branche (Cytavis BioPharma, Revotar Biopharmaceuticals, TRION Pharma). Quelle: EY und Medtrack 80 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

83 Krebstherapien dominieren die deutsche Wirkstoff-Pipeline Klinische Studien (n=125) 3 % 3 % 4 % 6 % 2 % 7 % 7 % 12 % 56 % Präklinik (n=163) Onkologie Autoimmun Entzündung Neurologie Infektion Kardiovaskulär Atemwegserkrankungen Metabolismus und Endokrinologie Sonstige 6 % 1 % 11 % 22 % 18 % 27 % 8 % 5 % 2 % Die Zuordnung der F&E-Projekte zu Therapiefeldern zeigt die gewohnte Dominanz der Krebstherapien. Allerdings fällt auf, dass die relative Verteilung der Therapiefelder in der Präklinik im Vergleich zu jener in den klinischen Phasen deutlich unterschiedlich ist. Die absolute Dominanz der Onkologie in der Klinik mit über der Hälfte der Projekte und die damit einhergehende relative Zurücksetzung der anderen Therapiegebiete erklärt sich daraus, dass ein Ansatz, der präklinisch in verschiedenen Modellen auf seine anti-tumorale Wirkung getestet wurde, später in multiplen klinischen Krebsindikationen am Patienten abgeprüft wird. Insofern spiegelt diese Statistik die große Bandbreite des Onkologiesektors wider, der in anderen Therapiegebieten so nicht vorliegt. Quelle: EY und Medtrack Produkte 81

84 Zahlen und Fakten Europa Der Vergleich der Medikamenten-Pipelines europäischer Länder zeigt, dass Deutschland seine frühere Stellung als europäische Nummer zwei hinter Großbritannien verloren hat und im Ranking hinter die Schweiz auf Platz drei abgerutscht ist. Das Ranking verschiebt sich weiterhin, wenn man die reiferen klinischen Phasen separat betrachtet: Deutschland fällt dann sogar hinter Großbritannien, Israel, Frankreich, der Schweiz und Schweden auf Platz sechs zurück. Dies ist sicherlich zum großen Teil der Finanzierungssituation geschuldet, da Unternehmen sich die teure Medikamentenentwicklung immer weniger leisten können und entweder ihr Geschäftsmodell wechseln, Assets verkaufen oder gar den Geschäftsbetrieb einstellen müssen. Deutschland rutscht im europäischen Ranking ab Anzahl Wirkstoffe in Studien UK Schweiz 299 Deutschland 287 Frankreich 275 Israel 258 Schweden 187 Spanien 174 Dänemark 163 Italien 108 Niederlande Belgien Österreich Irland 69 Norwegen 55 Finnland UK 174 Israel 112 Frankreich Schweiz Schweden Deutschland Dänemark 67 Italien 56 Spanien Belgien Niederlande Österreich Norwegen Irland 17 Finnland Präklinik Phase I Phase II Phase III Quelle: EY und Medtrack 82 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

85 Europa mit abweichenden Schwerpunkten auf Therapiegebiete (n=2743) 5 % 4 % 24 % 6 % 11% 12 % 28 % 10 % Onkologie Autoimmun & Entzündung Neurologie Infektion Kardiovaskulär Atemwegserkrankungen Metabolismus und Endokrinologie Sonstige Die Dominanz der Krebstherapien in den Entwicklungs-Pipelines der Biotech-Unternehmen in Deutschland (39 %) ist in Gesamteuropa weniger stark ausgeprägt (28 %). Ebenso werden Autoimmun- und Entzündungserkrankungen in Deutschland stärker beforscht (18 % vs. 10 %). Dafür stehen in Europa die Behandlung von neurologischen (12 % vs. 8 %) und Infektionserkrankungen (11 % vs. 6 %) stärker im Vordergrund. Diese Ungleichverteilung reflektiert somit unterschiedliche Schwerpunkte und Expertise auf Seiten der Grundlagenforschung. Institutionen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg und die angegliederten weiteren Forschungsinstitutionen im Rahmen der DZG-Initiative (Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung) untermauern das. Ähnliches gilt für den Bereich der Immuntherapie mit Schwerpunkten z. B. in Mainz. Quelle: EY und Medtrack Produkte 83

86 Biotech-Standort Deutschland 84 1% für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

87 Neues Spiel, neues Glück? Große Koalition mit neuen Ansätzen? Der Regierungswechsel insbesondere die Übernahme der Regierungsverantwortung durch die Große Koalition beinhaltet natürlich die Hoffnung auf einen Neuanfang in der Behandlung branchenspezifischer Themen bzw. der entsprechenden Rahmenbedingungen. Diesbezüglich sind die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen trotz aktiver Vorschläge seitens der Verbände im Vorfeld eher wenig erkennbar herausgekommen. Die Stichwortsuche im aktuellen Koalitionsvertrag erbringt konkret nur einen Treffer für das Schlagwort biotech. Im Vertrag zwischen CDU, CSU und FDP von 2009 waren es noch ganze fünf Treffer und man schenkte der Biotechnologie immerhin einen eigenen (wenn auch kurzen) Absatz. Ebenso schlecht bestellt ist es um das Buzzword gentech, welches von elf Treffern auf vier herunter korrigiert wurde; und während es 2009 noch um verantwortbare Potenziale ging, dreht sich der Kontext 2013 nur noch um Kennzeichnungspflicht und Nulltoleranz. Dass das allgemeine Klima innerhalb der Biotech-Branche in Deutschland dennoch überwiegend positiv ausfällt, mag an einem Vertrauensvorschuss für die Große Koalition liegen, von der man sich größere Durchschlagskraft erwartet. Immerhin hat man sich im Text des Koalitionsvertrages auch zu wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen für Eigenkapitalinvestitionen geäußert: Wir wollen die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital international wettbewerbsfähig gestalten und Deutschland als Fondsstandort attraktiv machen. Diese Absichtserklärung liegt durchaus nah an den im Kapitel Perspektive angemahnten Initiativen und wäre ein Einstieg in Gespräche. Ebenso macht der Plan, ein entsprechendes Börsensegment zu etablieren, Mut, wenn im Koalitionsvertrag gesagt wird: Um Börsengänge für junge, innovative und wachstumsstarke Unternehmen wieder zu beleben, werden wir die Einführung eines neuen Börsensegments Markt 2.0 prüfen. Im Artikel von Viola Bronsema, der Geschäftsführerin der BIO Deutschland, werden diese Aspekte näher ausgeführt. Im Großen und Ganzen bleiben viele Formulierungen hinter den Erwartungen zurück. Insbesondere wird von Seiten der Biotech-Industrie bedauert, dass angedachte und lange diskutierte Änderungen in der Behandlung von Verlustvorträgen bzw. Ansätze zur steuerlichen Förderung von F&E in letzter Minute wieder fallen gelassen wurden. In diesem Zusammenhang steht auch die Hoffnung auf neue politische Zugänge und neue Diskussionsbereitschaft hinsichtlich des im Kapitel Perspektive dargelegten Modells zur Mobilisierung privaten Kapitals ( 1% für die Zukunft ). Da die wesentlichen Trigger ebenfalls politische Initiativen voraussetzen, wird es wichtig sein, die richtigen Ansprechpartner zu adressieren und vor allem die Relevanz für die gesamte Volkswirtschaft herauszustellen. Innovation in Deutschland kann nur dann nachhaltig vorankommen, wenn die Politik die gesamte Wertschöpfungskette für innovative Ideen bis in den Markt aktiv mit angemessenen Rahmenbedingungen und einem koordinierten Gesamtansatz begleitet, wenn privates Kapital die Chancen der Investments als essenzielle Zukunftsanlage begreift und wenn die Gesellschaft insgesamt die Möglichkeiten der Technologieentwicklung (vor allem auch der Biotechnologie) als Zukunftssicherungsansatz begreift und unterstützt. Biotech-Standort Deutschland 85

88 Neue Regierung, neues Glück? Biotechnologieunternehmer zeigen sich hoffnungsvoll Die jährliche Firmenumfrage zu den Trends in der deutschen Biotechnologiebranche von BIO Deutschland und Transkript brachte dieses Jahr Erfreuliches zu Tage. Die Unternehmerinnen und Unternehmer sind mit ihrer aktuellen Geschäftslage zufriedener als noch letztes Jahr. Der entsprechende Indexwert erreicht fast wieder den Referenzwert des Jahres 2006 vor der globalen Finanzkrise. Auch die zukünftige Geschäftslage wird ein wenig positiver eingeschätzt als im Vorjahr. Diesen Trend bestätigt auch ein weiterer Indikator: die Bereitschaft Personal einzustellen, ist nach einem Rückgang im letzten Jahr wieder angestiegen. 60 Prozent der Befragten gaben an, im nächsten Jahr mehr Personal einstellen zu wollen. Dem gegenüber standen nur vier Prozent, die angaben, die Zahl der Mitarbeiter verringern zu wollen. Lediglich bei Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) zeichnet sich nach einer kurzen Verbesserung 2012 jetzt wieder Zurückhaltung ab. Der langjährige Trend des Rückgangs der Investitionen in F&E scheint also anzuhalten. Vertrauensvorschuss in die Politik? Trotz zähen Ringens in den Koalitionsverhandlungen und einem Koalitionsvertrag von CDU / CSU und SPD, der zwar viele wichtige Punkte enthält, in entscheidenden Passagen aber vage gehalten ist, hat sich die Einschätzung des gegenwärtigen und zukünftigen Geschäftsklimas sprunghaft nach oben verändert. Eine Entwicklung vergleichbar zu derjenigen nach dem Regierungswechsel vor vier Jahren, wobei hier angemerkt werden muss, dass die Einschätzung des politischen und gesellschaftlichen Klimas am Ende der rot-grünen Legislaturperiode auf ein Rekordtief gesunken war. Die darauf folgende schwarz-gelbe Koalition machte in ihrem Regierungsprogramm wichtige Zusagen für Unternehmerinnen und Unternehmer, die allerdings leider in großen Teilen unerfüllt blieben. Der offensichtliche Vertrauensvorschuss in die jetzige schwarz-rote Koalition könnte auch dadurch erklärt werden, dass eine gewisse Berechenbarkeit der Politik erhalten geblieben ist und keine Totalabkehr von der Unterstützung innovativer Technologien stattgefunden hat. Stärke aus eigener Kraft Wie lässt sich die aktuelle positive Stimmung trotz der Schwierigkeiten, an frisches Kapital zu gelangen, am besten erklären? Ein wichtiger Grund für das moderate Wachstum und die relativ gute Stimmung ist, dass die deutsche Biotechnologie-Branche über die vielen Jahre ihres Bestehens reifer geworden ist. Viele haben der Finanzkrise zum Trotz marktreife Produkte entwickeln können, die nun aus der Forschung in Marketing und Vertrieb übergegangen sind. Neben dem offensichtlichen Mangel an willigen Investoren kann dies auch als weiterer Erklärungsansatz für den Rückgang der F&E- Investitionen dienen. Einige haben ihr Portfolio durch Dienstleistungsangebote und Technologieplattformen gestärkt und sich somit ein Stück weit unabhängig von den zögerlichen Wagniskapitalgebern gemacht. Die Unternehmen scheinen trotz knapper Kassen von ihren Geschäftsmodellen überzeugt. Auch wenn sich die meisten Entwickler von Therapeutika noch in der Verlustzone befinden, haben es über 50 Prozent der Anbieter von Services, Technologien, Tests und Diagnostika geschafft, Gewinne zu erwirtschaften. Auch Unternehmen aus der weißen Biotechnologie mit weniger risikoreichen Geschäftsmodellen haben sich erfolgreich etablieren können. Bioökonomie-Strategien und Horizont 2020 Zu dem Erfolg der weißen Biotechnologie trägt auch die ebenfalls im Koalitionsvertrag festgehaltene Förderung der Bioökonomie bei, die in Deutschland allein mit 2,4 Milliarden Euro durch die Nationale Forschungsstrategie Bioökonomie 2030 unterstützt wird. Dazu kommen noch die zahlreichen europäischen Förderprogramme, wie zum Beispiel die öffentlich-private Partnerschaft des Bio-based Industries Consortium. Die Entscheidung der EU, das achte Forschungsrahmenprogramm, Horizont 2020, mit 70 Milliarden Euro zu fördern, dem höchsten Budget, das je für ein EU-Forschungsrahmenprogramm eingestellt wurde, zeigt ein klares Bekenntnis zu Forschung und Innovation und berücksichtigt auch besonders die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen. Internationaler Wettbewerb Trotz der guten Stimmung bleibt festzustellen, dass innovative Unternehmen im Rest Europas und vor allem in den USA im Moment deutlich bessere Rahmenbedingungen vorfinden als unsere Unternehmerinnen und Unternehmer hier in Deutschland. Die Anzahl der Börsengänge sowie die Summe Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin BIO Deutschland des investierten Wagniskapitals sind dort wesentlich größer, was gerade in den USA momentan zu einem regelrechten Biotech- Boom führt. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssen in Deutschland die Rahmenbedingungen so verbessert werden, dass auch risikoreichere Geschäftsmodelle in Zukunft eine Perspektive haben. Eigenkapital für Innovationen Vor diesem Hintergrund ist natürlich besonders zu begrüßen, dass die Regierung Beteiligungsinvestitionen insbesondere bei neu gegründeten Unternehmen aktiv attraktiver machen möchte. Sie hat vor, die Rahmenbedingungen für Investoren entsprechend der vorhandenen Mittel zu verbessern. Auch BIO Deutschland bringt sich gemeinsam mit anderen Verbänden zu diesem Thema ein. Die Arbeitsgruppe Steuern und Finanzen des Verbands befasst sich derzeit mit dem britischen Ansatz, einen Bürger- / Innovationsfonds aufzulegen, aus dem Geld in innovative Unternehmen mit hohem F&E- Anteil fließen soll. Der UK Citizens Innovation Fund (CIF) soll Bürgern in Großbritannien die Möglichkeit geben, bis zu GBP jährlich steuerbegünstigt in innovative kleine und mittlere Unternehmen zu investieren. Dabei orientiert sich der Fonds an dem französischen Modell Fonds Commune de Placement dans l Innovation (FCPI). Diesen Ansatz und weitere Themen werden Insider auf dem nächsten CFO-Gipfel der BIO Deutschland im Dialog mit Politikerinnen und Politikern am 27. Mai in Berlin diskutieren % für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

89 BioRegionen mit Best Practice in der Personalisierten Medizin Thematische Fokussierung Im vergangenen Jahr war an dieser Stelle auf die Bedeutung von Netzwerken am Standort Deutschland und deren Anbindung an internationale Clusterstrukturen eingegangen worden. Viele dieser Netzwerke haben sich um thematische Schwerpunkte gebildet, die komplexe Aufgabenstellungen in der engen Zusammenarbeit von Netzwerkpartnern besser lösen. Die Bündelung von Kompetenzen und Kapazitäten an gegebenen Standorten werden als Standortvorteile herausgehoben. Ein aktueller Bereich mit hoher Komplexität ist die stärkere Patientenorientierung des gesamten Life-Science-Sektors, die sich um das Kernthema Health Outcome entwickelt. Unter dem Schlagwort Personalisierte Medizin sind inzwischen viele Initiativen in den regionalen Netzwerken losgetreten worden. Die führenden Konzepte wurden alle auch im Rahmen der Spitzenclusterwettbewerbe prämiert. Insbesondere die Cluster in München (m 4 ) und Mainz (Ci3) führen diesen Ansatz sogar im Namen der initialen Initiative (m 4 Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien) bzw. Clusterorganisation (Ci3 Cluster für Individualisierte Immunintervention). Der nachfolgende Artikel der BioRegionen in Deutschland erweitert die Beschreibung von regionalen Konzepten unter dem Stichwort Personalisierte Medizin und gibt einen breiteren Überblick über die Aktivitäten am Standort Deutschland. Biotech-Standort Deutschland 87

90 Regionale Konzepte für die personalisierte Medizin in Deutschland Die personalisierte Medizin eröffnet neue Möglichkeiten für gezielt entwickelte Diagnoseund Therapieformen. Nicht das standardisierte Arzneimittel, sondern der Patient steht im Mittelpunkt. Die Weiterentwicklung eines der wichtigsten Zukunftsfelder der Medizin wird in Deutschland regional auf Initiative der BioRegionen gefördert. LifeTecAachen-Jülich Personalisierung in der Medizintechnik Der Begriff Personalisierte Medizin wird vor allem für eine maßgeschneiderte Pharmakotherapie verwendet, bei der individuelle molekularbiologische Konstellationen berücksichtigt werden und diagnostische Biomarker zum Einsatz kommen. Das Bemühen um eine maßgeschneiderte Therapie beschränkt sich jedoch nicht nur auf Arzneimittel. Die Personalisierung bestimmt zunehmend auch die Herstellung von Medizinprodukten. Und gerade auf diesem Gebiet ist die Aachener Region besonders stark aufgestellt. In Aachen werden Medizinprodukte so konstruiert, dass sie auf die spezifischen Gegebenheiten des einzelnen Patienten eingestellt werden können. Um eine maßgeschneiderte Behandlung zu ermöglichen, müssen zum einen Diagnose und Therapie kombiniert werden. Man spricht dann von Theranostik. Zum anderen muss eine Interaktion intelligenter Medizintechnik mit dem erkranktem Organsystem medizintechnisch umgesetzt werden. Die personalisierte Medizintechnik berücksichtigt daher neben den molekulargenetischen auch die anatomischen und physiologischen Gegebenheiten eines Menschen, um Prävention, Diagnostik und Therapie gezielt auf den Patienten zuschneiden zu können. In Aachen wird insbesondere auf dem Gebiet der Herz- Kreislauf-Erkrankungen und der regenerativen Medizin an patientenadaptierten medizintechnischen Lösungen geforscht. Beispiele individualisierter Medizintechnik in Aachen sind autologe Bioimplantate, auf die Patientengröße adaptierbare ECMO- Systeme, individualisierte Verfahren und Technologien für die bildgeführte Intervention sowie telemedizinisches Patienten- Monitoring. Der geplante Bau des Center for Biohybrid Medical Systems (CBMS) auf dem Campus der RWTH Aachen, der auf Empfehlung des Wissenschaftsrates von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) bewilligt wurde, unterstreicht die Leuchtturmfunktion der Aachener Region auf dem zukunftsweisenden Gebiet der personalisierten Medizintechnik in Deutschland. Life Science Nord Fokus auf Diagnostik und körpereigene Stammzellen Die Erwartungen an die personalisierte Medizin sind hoch. So sollen beispielsweise mithilfe von Biomarkern patientenspezifische Risikofaktoren frühzeitig erfasst oder Heilungschancen für Patienten mit zellbasierten Therapien beschleunigt werden. Zahlreiche Akteure der Life Science Nord- Region befassen sich intensiv mit den Möglichkeiten der individualisierten Medizin. In Hamburg fokussieren sich bereits mehrere Unternehmen auf die molekulare Diagnostik für die Bereiche Onkologie und Neurologie. Ein Schwerpunkt des European Screening Port, einer Public-private-Partnership der Stadt Hamburg, ist die Erforschung von Biomarkern für neuro-degenerative Indikationen wie Multiple Sklerose. Angesiedelt am Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg werden hier mit hochsensitiven Detektionsmethoden Biomarker qualitativ und quantitativ untersucht und beurteilt. Sysmex Inostics in Norderstedt, Schleswig-Holstein, hat sich auf die Erkennung von Krebsmarkern in Blutproben spezialisiert und bietet dies als Dienstleistung für klinische Studien und wissenschaftliche Forschungsvorhaben an. Das ehemalige Tochterunternehmen der Firma Indivumed sieht ihr Testverfahren als Instrument, das in naher Zukunft von behandelnden Ärzten für personalisierte Therapiekonzepte eingesetzt wird. Indivumed setzt mit ihrer hochstandardisierten Biobank daher auf individuelle onkologische Therapien. Noch in der Planung begriffen ist das Kompetenzzentrum für Klinische Zelltechnologie auf dem Lübecker BioMedTec-Wissenschaftscampus. Hier möchten die Universität, die Fachhochschule und die Fraunhofer-Gesellschaft neue Technologien für die individualisierte Therapie mittels körpereigener Stammzellen realisieren % für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

91 BIO.NRW Personalisierte Medizin als Innovationstreiber der Biotechnologie Die personalisierte Medizin ist sowohl für die Biotechnologie- als auch für die Pharma- Branche eine wichtige Triebfeder für die Diagnostik- und Medikamentenentwicklung. Die breit gefächerte Anzahl der in NRW ansässigen Biotechnologieunternehmen sind zu einem großen Teil auf Anwendungen für die personalisierte Medizin spezialisiert, allen voran das größte deutsche Biotechnologieunternehmen Qiagen. Der einstige Laborzulieferer gehört heute zu den führenden Unternehmen in der Molekulardiagnostik. Um das im Land vorhandene Potenzial entsprechend zu nutzen, gab es im Jahr 2011 den Landeswettbewerb PerMed.NRW, bei dem die besten Ideen für die personalisierte Medizin ausgezeichnet wurden. BIO.NRW hat den Prozess zur Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Unternehmen und Medizin aktiv mitgestaltet. Die so entstandenen Kontakte und Quervernetzungen werden im Cluster durch verschiedenste Veranstaltungsformate weiter gefördert und gepflegt. Im Rahmen der BIO.NRW.academy werden aktuelle Themen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft aufgegriffen, um so Kooperationen im Bereich Life Sciences zu fördern. Die BIO.NRW.red Arbeitsplattformen hingegen wenden sich ausgehend von bereits bestehenden Projekten an thematisch assoziierte Akteure des NRW-Life-Science-Umfeldes. Durch den deutlich interaktiven Charakter dienen diese als Kristallisationskeim für neue Projektideen. Darüber hinaus hat BIO.NRW zusammen mit der Koelnmesse das Konzept der PerMediCon, der internationalen Kongressmesse zur personalisierten Medizin, entwickelt, die in diesem Jahr bereits zum vierten Mal in Köln stattfindet. Neben der Vorstellung von aktuellen diagnostischen und therapeutischen Entwicklungen bietet die branchenübergreifende Kongressmesse auch Möglichkeiten, sich z. B. zur Nutzenbewertung von Therapeutika, zur Sicht der Kostenträger, zur Versorgungsrealität und zu Patientenbelangen zu informieren und auszutauschen. REGiNA: die Gesundheitsregion für regenerative Medizin in der BioRegion STERN Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte Projekt REGiNA fördert die Entwicklung eines der wichtigsten Zukunftsfelder der personalisierten Medizin: der regenerativen Medizin. Zu den 30 Projektpartnern gehören neben dem Universitätsklinikum Tübingen und der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen das Zentrum für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin, weitere Kliniken und Forschungsinstitute der Region sowie mittelständische Unternehmen und Krankenkassen. Engagierte Wissenschaftler, Unternehmer und Ärzte bringen hier in 18 Teilprojekten ihr Spezialwissen zusammen, um neue personalisierte Therapien bei Wunden, Knochen- und Bandscheibendefekten oder Gefäßverschlüssen zu ermöglichen. Ziel der disziplin-übergreifenden Kooperation ist es, fortgeschrittene regenerative Verfahren von der Forschung in eine breite klinische Anwendung zu bringen. Die enge Zusammenarbeit mit den Krankenkassen ermöglicht das Ausloten von gesundheitsökonomischen Rahmenbedingungen und Erstattungsmöglichkeiten neuer individualisierter Therapieformen. Auch die frühzeitige Beschäftigung mit medizinethischen Fragestellungen wird durch die Kooperation mit dem Tübinger Institut für Ethik und Geschichte der Medizin etabliert. Ein wichtiger Aspekt des REGiNA-Projekts ist die Information der Öffentlichkeit über die Chancen neuer regenerativer Therapiemöglichkeiten. Auf der 2010 eigens für die Gesundheitsregion eingerichteten Homepage werden daher personalisierte Therapieverfahren und Medizinprodukte für Ärzte, Patienten und die allgemeine Öffentlichkeit bekannt gemacht. Zusätzlich können Interessierte über eine Telefon-InfoLine sowie bei öffentlichen Veranstaltungen in der Region individuelle Fragen im Gespräch mit Experten klären werden die Projektpartner den bisherigen Erfolg des REGiNA-Anwenderzentrums im Rahmen einer gemeinsamen Abschlussveranstaltung erneut auf den Prüfstand stellen und zukünftige Handlungsfelder erarbeiten. Denn die personalisierte Medizin ist noch lange nicht in der Regelversorgung angekommen. Die Unsicherheiten im Umgang mit neuen Therapieformen sind weiterhin groß: Eine zentrale Frage ist, wie man Innovationen der Zukunftsmedizin in einem unter Kostendruck stehenden, stark regulierten und komplexen Gesundheitswesen in die Erstattungsfähigkeit bringen kann. Auch in Zukunft wird es daher Aufgabe der BioRegio STERN Management GmbH sein, über die Chancen der regenerativen Medizin zu informieren und branchenübergreifende Kooperationen zu fördern, um das Vorankommen der personalisierten Medizin mit zu unterstützen. und Biotech-Standort Deutschland 89

92 Munich Biotech Cluster m 4 Personalisierte Medizin und zielgerichtete Therapien Der Großraum München ist ein führender europäischer Biotechnologiestandort und zählt insgesamt 270 Life-Science-Unternehmen mit über Arbeitsplätzen. Zwei Drittel der Firmen sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und diese zum Großteil Ausgründungen aus den exzellenten akademischen Einrichtungen. Viele dieser Spin-offs sind zu global aktiven Biotech-Unternehmen herangewachsen, wie z. B. MorphoSys. Durch Übernahmen hat sich ein internationales Pharma-Biotech- Cluster etabliert; so wurden beispielsweise U3 Pharma von Daiichi Sankyo und Micromet von Amgen aufgekauft und jeweils die Münchner Standorte ausgebaut. Roche Diagnostics unterhält in Penzberg einen der europaweit größten Forschungs- und Produktionsstandorte. Der regionale Fokus liegt auf der Entwicklung von medizinischen Produkten und Technologien. Mit dem Spitzencluster m 4 Personalisierte Medizin hat die Region ihr Profil noch weiter geschärft und über 100 Partner aus Industrie und Wissenschaft in 45 Kooperationsprojekten vereinen können, die sich der Entwicklung neuer Medikamente, Biomarker oder Plattformtechnologien widmen. Durch die Förderung konnten zahlreiche Projekte einen entscheidenden Entwicklungsschritt vollziehen: So waren die Ergebnisse einer frühen personalisierten Phase-II-Studie gegen Herzinsuffizienz so vielversprechend, dass die Firma Corimmun für einen dreistelligen Millionenbetrag von J&J übernommen wurde. MorphoSys konnte Celgene als Entwicklungspartner für seinen therapeutischen Antikörper gegen Blutkrebs gewinnen. Durch das Spitzencluster wurden auch zahlreiche strukturelle Verbesserungen erreicht: Die m 4 Biobank Alliance bietet einen zentralen Zugang zu den Gewebesammlungen an beiden Universitätskliniken und garantiert einheitliche, höchste Qualitätsstandards. Das m 4 Trial Service Center unterstützt Biotech-Unternehmen beim Übergang von der Präklinik in die klinische Entwicklung. Mit dem m 4 Award wurde ein neues Pre-Seed- Förderprogramm speziell für personalisierte Medizin geschaffen, das bereits zu einer Firmengründung geführt hat. und BioLAGO: Motor für die Life Sciences am internationalen Bodensee Als fünfte Bioregion in Baden-Württemberg agiert das bodenseeweite Netzwerk BioLAGO e.v. als wirtschaftsfördernde Institution, bringt erfolgreich Unternehmen und Forscher aus den Lebenswissenschaften zusammen und treibt die Umsetzung von Ideen in Produkte voran. Der Verbund vereint 80 Mitglieder aus Wissenschaft und Wirtschaft und damit zirka hochqualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein. Die Ausrichtung auf das Zukunftsthema personalisierte Medizin spiegelt sich in den Netzwerkaktivitäten, wie zum Beispiel der Veranstaltung eines landesweiten Fachforums mit Baden- Württemberg: Connected, wider. Unter dem Titel Auf dem Weg zur personalisierten Medizin wurden dabei in Konstanz die Herausforderungen und Chancen für die IT mit mehreren führenden Pharma-Firmen diskutiert. In zahlreichen Forschungsprojekten widmen sich Unternehmen und Institute am Bodensee der Entwicklung personalisierter Therapieformen. Die GATC Biotech AG aus Konstanz beispielsweise schafft mit ihrer Expertise als Europas führender Sequenzierdienstleister eine entscheidende Basis für die Identifizierung krankheitsspezifischer Biomarker. So engagiert sich das Unternehmen unter anderem im EU-geförderten Projekt EpiFemCare zur Entwicklung neuer Methoden der Diagnose und personalisierten Therapie von Brust- und Eierstockkrebs. Darüber hinaus hat GATC Biotech eine Kooperation mit MolecularHealth geschlossen, um die DNA- Sequenzierung zur Unterstützung einer neuartigen Therapieentscheidungsplattform im Bereich der Onkologie zu etablieren. Einen weiteren Ansatz zur verbesserten maßgeschneiderten Patientenversorgung in der Region verfolgt die Onkologie Ravensburg mit dem medizinischen Labor Dr. Gärtner und behandelnden Ärzten. Gemeinsam soll eine genauere hämatologische Diagnose in schwierigen Fällen ermöglicht werden und damit eine rasche, individuell an das Krankheitsbild angepasste Therapie. BioRN: Wertschöpfung der kleinen und mittelständischen Biotech-Unternehmen stärken Um die Entwicklung der personalisierten Medizin voranzubringen, hat sich in der Metropolregion Rhein-Neckar in den vergangenen 15 Jahren ein starkes Biomedizincluster entwickelt, in welchem Einrichtungen wie die Universität Heidelberg, das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), das Universitätsklinikum Heidelberg, das European Molecular Biology Laboratory (EMBL), sowie Unternehmen wie Roche, Merck und AbbVie und rund 80 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) an neuen Behandlungsansätzen und Medikamenten forschen. Unterstützt wird BioRN dabei durch das Land Baden-Württemberg und regionale Partner wie den Technologiepark Heidelberg, die IHK Rhein-Neckar und die Metropolregion Rhein-Neckar. Zu den akademischen wie wirtschaftlichen Erfolgen hat nicht zuletzt die Auszeichnung als Spitzencluster im Jahr 2008 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung beigetragen. Mit einem Gesamtvolumen von 80 Millionen Euro wurden 44 Projekte in 27 Biotech- und Pharma-Unternehmen unterstützt, darunter 24 KMU mit Erfolg: Die Mitarbeiterzahlen der geförderten KMU stiegen von 2009 bis 2012 um neun Prozent auf über 512, der Umsatz mit Produkten und Dienstleistungen kletterte um 104 Prozent auf 54,6 Millionen Euro. Daneben sind vor allem zwei unternehmerische Erfolgsgeschichten des Spitzenclusters hervorzuheben: Der Schweizer Pharmakonzern Roche erwarb für insgesamt 190 Millionen Euro die Heidelberger mtm laboratories und für 74 Millionen Euro wurde die Firma Cellzome durch GlaxoSmithKline übernommen. Darüber hinaus konnten 13 KMU-Finanzierungsrunden in Höhe von insgesamt 118 Millionen Euro abgeschlossen sowie Einnahmen von über 60 Millionen Euro aus vier Lizenzverträgen erzielt werden. Auch nach dem Ende der Spitzenclusterförderung ist es das Ziel von BioRN, wegweisende Forschungsprojekte zwischen akademischen Einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen anzubahnen und die wirtschaftliche Verwertung der im Cluster generierten Forschungsergebnisse voranzutreiben % für die Zukunft Deutscher Biotechnologie-Report 2014

93 Biotech-Standort Deutschland 91

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