Migration als Beitrag zu Entwicklung?

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1 Volkshochschule Linz Migration als Beitrag zu Entwicklung? August Gächter Wohlergehen als Ziel Wie können die einzelnen Menschen, Familien, Haushalte rasch zu mehr und dauerhafterem Wohlergehen kommen? Durch örtliche Entwicklung? Durch internationale Transfers? Durch Wohnortwechsel, also Migration? Wäre es wirklich für alle am besten, sie blieben ab sofort dort, wo sie sind? 1

2 Örtliche Entwicklung Nur wenige Gesellschaften in Afrika, Asien, Lateinamerika, Karibik sind seit 1980 merklich wohlhabender geworden Ähnlich in den Jahrzehnten davor Daher heute ein Menschenleben Erfahrung, dass auf Entwicklung kein Verlass ist BIP/Kopf in Dollar zu Kaufkraftparitäten & fixen Preisen von MA CV BF NG CD CG CM MZ TZ NI 2

3 BIP/Kopf in Dollar zu Kaufkraftparitäten & fixen Preisen von AT FR DE NG RO TR US BW BIP/Kopf in Dollar zu Kaufkraftparitäten & fixen Preisen von Britain USA India Brazil Japan Korea Indon. Austria 3

4 Steigende Ungleichheit zwischen Gesellschaften Noch nie waren die Einkommen auf der Welt so ungleich verteilt und nichts ist ungleicher verteilt Nur ein Drittel der Ungleichheit ist innerhalb von Gesellschaften, zwei Drittel zwischen ihnen Ungleichheit zwischen den ärmsten & den reichsten Gesellschaften nimmt immer rascher zu Keine ernsthafte Alternative zu Migration In den meisten Gesellschaften klingt es nicht mehr glaubwürdig, wirtschaftliches Aufholen in Aussicht zu stellen besonders nicht in der eigenen Lebenszeit Ein Einkommen von einem reicheren Ort ist für die meisten HH der einzige Weg, das reale Einkommen zu erhöhen kann Binnenmigration sein in China die größte Migration aller Zeiten 4

5 Wohlergehen durch Migration? Internationale Transfers: Rücküberweisungen der MigrantInnen an die Haushalte, Ersparnisse, Können Migration: Lebensstandard der MigrantInnen Örtliche Entwicklung: Rücküberweisungen und andere Diasporaeffekte Dagegen: Brain Drain Schadet Bildungsemigration dem Wirtschaftswachstum? Bildung allein genügt nicht für Wachstum Zahlreiche Beispiele für rasches Wachstum gleichzeitig mit anhaltender Emigration von Gebildeten darunter Österreich, Irland, Taiwan, Südkorea Bildung eine Folge oder Ursache von wirtschaftlicher Entwicklung? 5

6 Kompensation für ausgewanderte Bildung Jagdish Bhagwati, 1970er Jahre: Einen Teil des Lohnsteueraufkommens an Herkunftsländer überweisen? Budgethilfe proportional ausweiten? Ersatzpersonal per EZA zur Verfügung stellen? In den Herkunftsländern Schulen betreiben? Bildungsemigration evaluieren 1. Mehr Auswanderung beruflich Qualifizierter als anderswo? 2. Stimuliert sie die Nachfrage nach den entsprechenden Ausbildungen? 3. Waren die EmigrantInnen zuvor einschlägig voll beschäftigt? 4. Konnten sie vom Lohn ihre Familien ernähren? 6

7 Evaluieren (Zielland) 5. Sind die EmigrantInnen im Zielland adäquat beschäftigt? 6. Geht des Herkunftshaushalten besser? 7. Wie viele kehren zurück? 8. Bringen sie verbesserte Kenntnisse mit, auch Sprache? 9. Haben sie nützliche Verbindungen im Ausland erworben? Evaluieren (Einwanderung) 10.Wie viel Einwanderung mit gleicher beruflicher Qualifikation gibt es? 11. Wird sie adäquat genutzt? 7

8 Das eigentliche Problem ist brain waste : Viele der beruflich qualifizierten Emigrantinnen und Emigranten kommen nicht in adäquate Berufe, nur nach langer Wartezeit, nur unter großem Aufwand Diasporas Gruppen von EmigrantInnen, besonders wenn sie sich organisieren, werden jetzt oft als Diaspora bezeichnet Oft wollen sie am Herkunftsort wirtschaftliche, soziale oder politische Veränderungen bewirken 8

9 Synergien mit EZA? Sie investieren in die Infrastruktur: Straßen, Wasserver- und -entsorgung, Schulen, Kultstätten, Sportanlagen, Kinderbetreuung, Kulturzentren Vieles davon sind typische EZA- Anliegen: Gibt es Synergien? Einwanderung in Ö nicht aus EZA Schwerpunktländern Schwerpunktländer ändern? Krieg & Frieden Diasporas sind gefährlich als Finanziers von Sezessions- und Bürgerkriegen Europa: ETA, IRA, Balkan Mit dem Geld könnten auch Frieden und bessere Lebensumstände finanziert werden Frieden ist wichtig für Wachstum Einbindung in Friedensprozesse wichtig 9

10 Einwanderinnen und Einwanderer in Österreich Zu Jahresbeginn 2007 rund Personen in Ö wohnhaft, die in Asien, Afrika, Lateinamerika geboren wurden aus Asien aus Afrika, circa zur Hälfte aus Nordafrika aus Lateinamerika & Karibik Ca zur Hälfte ohne ö Staatsbürgerschaft Bildung Ende % über der Matura 19% Matura oder ähnlich 8% unter der Matura 9% berufliche Ausbildung 30% Pflichtschule 4% ab 15 Jahre & ohne Abschluss 9% unter 15 Jahre alt 10

11 In die Gegenrichtung Zu jedem Migrationsfluss gibt es Flüsse in die Gegenrichtung: Rückwanderung Rücküberweisungen Investitionen Informationen Handel Was sind Rücküberweisungen? Zahlungen ohne Gegenleistung an Personen im Geburtsstaat Überweisungen von Personen, falls sie für mindestens 1 Jahr im Ausland sind Bruttoeinkommen von Personen mit kürzerem Aufenthalt als ein Jahr Evt. Nettoguthaben von int l Migranten 11

12 Ausmaß offizieller Flüsse Uneinheitliche Zahlen, besonders auch zwischen Herkunfts- und Empfängerst. Stabile Zuwächse relativ zu anderen internationalen Geldflüssen USA (ca. ein Drittel) & Saudi-Arabien (ca. ein Sechstel) sind die größten Herkunftsländer dann Deutschland, Belgien, Schweiz Zuflüsse pro Kopf US Dollar pro Jahr zu laufenden Preisen Rücküberweisungen FDI EZA

13 Anteil am BNE 2005 Moldau 28% Guyana 27% Haiti 23% Jamaica 20% Libanon 23% Tadschikistan 21% Jordanien 19% Armenien 19% Nepal 16% Honduras 23% El Salvador 17% Lesotho 18% Kapverden 14% Mangelhafte Erfassung Binnenüberweisungen nicht erfasst Internationale Zuflüsse unvollständig: informelle Überweisungen Waren als Geschenke Spenden an Vereinigungen Zahlungen für Besucher 13

14 Verwendung 5% bis 10% gehen als Gebühren verloren Zuerst werden Schulden bezahlt und Wohnstandard verbessert Schulbesuch und Schulgeld Fahrzeug, falls möglich Infrastruktur Abhängig von Rahmenbedingungen! Multiplikatoreffekt Haushalte erhalten Rücküberweisungen Indem sie sie ausgeben, werden sie jemandes Einkommen, das wieder ausgegeben wird usw. So werden aus den Rücküberweisungen Löhne, Ersparnisse, Investitionen Rücküberweisungen tragen das Dreifache ihres Werts zum BNE bei 14

15 Vorteile Individuelle Rücküberweisungen gehen direkt an die Haushalte Kollektive Rücküberweisungen basieren auf genauer Ortskenntnis und dichten Netzwerken Unabhängig vom Konjunkturzyklus Reagieren auf Bedarf Nachteile Nicht die ärmsten Haushalte, daher zunehmende Ungleichheit? Daher zunehmende Migration? Aufgeben der Landwirtschaft? Haushalte haben kein lokales Einkommen mehr? Transnationale Familien? Inflation? 15

16 Migration als Ersatz Haushalt braucht Geld für eine Investition = Bausparvertrag, Ersatz für Kredit MigrantInnen haben leichteren Zugang zu Kredit als Haushalt selbst? Versicherung gegen Ernteausfall? Zeitweise überzählige Arbeitskraft, die im HH nicht sinnvoll verwendet werden kann? Dauerhaftes Konsumeinkommen? Migration rechtfertigen? Muss Migration zu Entwicklung beitragen, um sich zu rechtfertigen? Am Herkunftsort & am Zielort? Bedürfte dann der Wegzug aus dem Mühlviertel einer solchen Rechtfertigung? Müsste nicht vielmehr der Verbleib an schwer zugänglichen, ungesunden oder teuer zu erschließenden Orten gerechtfertigt werden? 16

17 Schlussfolgerung Wenn außer Geld noch anderes fehlt, dann können Rücküberweisungen das Leben des Haushalts erleichtern aber keine Entwicklungswunder bewirken Die Frage bleibt, ob Migration durch Entwicklung gerechtfertigt werden muss oder überhaupt kann. August Gächter Zentrum für Soziale Innovation Linke Wienzeile Wien Tel Fax