Kompensation von Metallartefakten in tomographischen Aufnahmen mittels Bilddatenfusion
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- Philipp Sebastian Busch
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1 Kompensation von Metallartefakten in tomographischen Aufnahmen mittels Bilddatenfusion Robert Schmitt 1, Philip Hafner 1, Sebastian Pollmanns 1 1 Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Steinbachstrasse 19, Aachen, Deutschland, Tel: , Fax: , R.Schmitt@wzl.rwth-aachen.de Kurzfassung Die dreidimensionale Röntgen-Computertomographie (kurz RCT) ist ein leistungsfähiges Prüfverfahren zur Messung und zerstörungsfreien Prüfung komplexer Bauteile. Das große Potenzial dieses Verfahrens liegt dabei vornehmlich in der vielseitigen Verwendbarkeit für messtechnische Aufgaben. Sowohl äußere als auch innen gelegene Prüfmerkmale, die für optische und taktile Sensoren unzugänglich sind, können mit einer hohen Datendichte erfasst, visualisiert und ausgewertet werden. Eine Anwendungsbeschränkung dieser Technologie besteht für Verbundbauteile, die aus verschiedenen, sehr stark dichteunterschiedlichen Materialien wie Metall und Kunststoff bestehen. In Abhängigkeit von der mittleren Energie des eingestellten Röntgenspektrums wird die Qualität der Aufnahme entweder durch einen geringen Kontrast in den niederdichten Objektbereichen oder durch sog. Metallartefakte in Folge nicht durchstrahlter Bereiche deutlich gemindert. Mit Hilfe der Bilddatenfusion ist es möglich, tomographische Datensätze, die aufgrund einer Aufnahmeparametervariation unterschiedliche Informationsgehalte über den Prüfling besitzen, zusammenzuführen. Hierdurch lassen sich Artefakte reduzieren und die Auswertbarkeit der erzeugten Aufnahme verbessern. Keywords: Röntgen-Computertomographie, RCT, Metallartefakte, Artefaktreduktion, Bilddatenfusion 1 Einleitung Auf dem Gebiet messtechnischer Applikationen ist die Röntgen-Computertomographie (kurz RCT) ein leistungsfähiges Prüfverfahren zur zerstörungsfreien Charakterisierung komplexer Bauteilgeometrien und -strukturen. Das große Potenzial des Verfahrens liegt dabei insbesondere in der Möglichkeit einer hochauflösenden Merkmalserfassung in den inneren Regionen eines Bauteils. Die Bandbreite aktueller Anwendungsfelder ist weit gefächert und erstreckt sich über die Bereiche Werkstoffprüfung, dimensionales Messen, Geometrievergleich (CAD to Part) sowie Aufbau- und Montageprüfung. Anwendung findet diese Technologie insbesondere bei der Prüfung von Prototypen und Erstmustern zur Absicherung von Produktionsanläufen sowie bei der Prüfung von sicherheitskritischen Bauteilen. Notwendige Basis für die zuverlässige Auswertung von RCT-Daten ist die exakte Rekonstruktion und kontrastreiche Darstellung des durchstrahlten Volumens. Störungen im Abbildungsprozess sind mitunter dadurch begründet, dass das Bauteil während der 360 Rotation nicht vollständig durchstrahlt oder auf dem Detektor abgebildet wird [1][2]. Als eine Folge dieser Inkonsistenz entstehen künstliche Strukturen sog. Artefakte, die sich mindernd auf die Bildqualität und weiterführende Analysen auswirken. Insbesondere macht sich diese Tatsache bei der Prüfung von Verbundbauteilen, die aus stark dichteunterschiedlich Materialien wie Kunststoff und Metall bestehen, bemerkbar [3]. Die kontrastreiche Darstellung der niederdichten Objektbereiche bedingt aufgrund der geringen Absorptionsrate für harte Strahlung die Wahl eines moderaten, mittleren Energieniveaus für das 117
2 verwendete Röntgenspektrum. In den hochdichten Objektbereichen führt dies jedoch zur Totalabsorption von Strahlanteilen, wodurch das Bauteil nur unvollständig durchstrahlt und abgebildet wird [4]. Die Auswirkungen dieses Effekts sind helle Streifen und dunkle Abschattungen, die als Metallartefakte bezeichnet werden und sich über das rekonstruierte Volumen erstrecken (Bild 1). Abschattungen Streifen Bild 1: Metallartefaktausprägung an einem Probekörper (Plexiglaswürfel mit Stahlstiften) Die Detailerkennbarkeit von interessierenden Strukturen wird erheblich verschlechtert. Eine sichere Analyse und Auswertung von Verbundbauteilen ist somit nur eingeschränkt möglich. 2 Korrektur von Metallartefakten mittels Bilddatenfusion Bisherige Ansätze zur Korrektur von Metallartefakten in tomographischen Aufnahmen sind das Verfahren der linearen Interpolation und die Multi Adaptive Filterung [5][6]. Beide Verfahren arbeiten nach dem Prinzip, inkonsistente Projektionsdaten durch künstlich generierte zu ersetzen bzw. zu glätten. Neben einer generellen Verbesserung des Bildrauschens wird dadurch eine Reduktion der Kontrast mindernden Streifenartefakte erzielt. Die Modifikation des Projektionsdatensatzes führt jedoch ebenfalls dazu, dass sämtliche Informationsinhalte über die Art, Dimension und Position des metallischen Objektbereichs verloren gehen. Weiterhin kommt es durch die Filterung der Projektionswerte zu einem Verlust an Auflösung. Darüber hinaus existiert eine weitere Klasse von Korrekturverfahren, die auf iterativen oder statistischen Rekonstruktionsalgorithmen basieren. 7,8 Durch eine Anpassung dieser alternativen Rekonstruktionstechniken können verfälschte Projektionswerte über einen Gewichtungsfaktor in ihrer Bedeutung für den gesamten Rekonstruktionsprozess herabgesetzt bzw. gänzlich ignoriert werden. Die Ergebnisse, die sich mit diesen Verfahren erzielen lassen, sind sehr viel versprechend. Ein Nachteil liegt jedoch deutlich auf der Hand. Iterative und statistische Reduktionstechniken lassen sich nicht mit der rechenzeiteffizienten gefilterten Rückprojektion, die zurzeit das Standardrekonstruktionsverfahren für alle modernen RCT-Anlagen darstellt, kombinieren. Am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen werden daher Ansätze erforscht, Metallartefakte in tomographischen Datensätzen durch Bilddatenfusion zu reduzieren, um die Prüfbarkeit von Verbundbauteilen zu verbessern. 118
3 Fusion von Bilddaten in der industriellen Bildverarbeitung Die Technik der Bilddatenfusion ist eine Methode der Bildvorbereitung und oftmals der Ausgangspunkt einer Bildverarbeitungskette. Ziel von Vorverarbeitungsalgorithmen ist es, die Qualität von Bilddaten so aufzubereiten, dass eine stabile Weiterverarbeitung durch nachfolgende Operatoren erzielt wird. Bei der Methode der Bilddatenfusion wird dieser Effekt durch die Verarbeitung einer Serie von Quellbildern erzielt, die nach gewissen Vorgaben pixelweise zu einen Zielbild miteinander verknüpft bzw. fusioniert werden. Ein Informationsgewinn im Zielbild wird durch die systematische Variation eines Parameters bei der Aufnahme der entsprechenden Quellbilder erreicht. Auf diese Weise lässt sich z.b. ein optimiertes Bild mit einer gleichmäßig ausgeleuchteten Szene erzeugen, was durch die Aufnahme eines einzelnen Bildes mit nur einer Beleuchtungsposition aufgrund von Schattenwurf oder Reflexion nicht möglich ist [9][10][11]. Das Ergebnis eines tomographischen Abbildungsprozesses ist ein dreidimensionales Voxelmodell, das die lokale Verteilung des materialspezifischen Schwächungskoeffizienten für das durchstrahlte Volumen repräsentiert. Zur Verbesserung der Bildqualität kann dennoch das zweidimensionale Verfahren der Bilddatenfusion benutzt werden, in dem die beiden Volumina zuvor in äquivalente Schnittbildstapel konvertiert werden oder die Fusion bereits auf Basis der aufgenommenen Projektionen durchgeführt wird. Hierdurch kann auf bereits bekannte 2D-Bildverarbeitungsalgorithmen zurückgegriffen. Ausgangspunkt für die Anwendung dieser Technik ist die Identifikation charakteristischer Aufnahmeparameter, die einen signifikanten Einfluss auf die Metallartefaktentstehung in tomographischen Aufnahmen besitzen. Neben der Energie des Röntgenspektrums ist dies vor allem die Lage des Bauteils im Strahlkegel. Hieraus lassen sich zwei einzelne Ansätze ableiten die nachfolgend vorgestellt werden. 3 Dual Viewing Der Begriff Dual Viewing beschreibt den Grundgedanken, Aufnahmen eines Bauteils aus zwei unterschiedlichen Aufspannungslagen im Strahlkegel zu erzeugen und zusammenzuführen. Eine Verkippung des Bauteils bewirkt, dass sich die Artefaktausprägung räumlich ändert und somit jeweils andere Volumenbereiche innerhalb der Datensätze betroffen sind. Diese Bereiche gilt es zu erkennen und wechselseitig zu ersetzen. Die Fusion findet nach der Rekonstruktion auf Basis zweidimensionaler Schnittbilder statt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass als Eingangsdaten für die Fusion ausschließlich korrespondierende Schnittbilder verwendet werden, die die gleiche Ebene im Bauteil pixelgenau repräsentieren. Da die Position und Ausrichtung des Bauteils im gesamten rekonstruierten Volumen inkl. Aufspannung und Umgebungsluft für die beiden Aufnahmen verschieden ist, ergibt sich an dieser Stelle die Notwendigkeit eines vorherigen Matchings der Volumenmodelle. Die dafür notwendigen Algorithmen sind zurzeit Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten am WZL. Bei der nachfolgenden Bilddatenfusion erfolgt eine Unterscheidung zwischen artefaktbehafteten und artefaktfreien Bildbereichen auf Grundlage einer Gradientenfilterung der beiden Quellbilder. Unbelastete Bildbereiche sind gekennzeichnet durch eine homogene Darstellung mit einer gleichmäßigen Grauwertverteilung. Dementsprechend schwach ist ihre Ausprägung im Gradientenbild. Hochfrequente Signalanteile wie Objektkanten und Artefaktstrukturen führen hingegen zu Grauwertsprüngen, die vom Gradientenfilter erfasst und entsprechend ihrer Höhe visualisiert werden. Anschließend erfolgt ein pixelweiser Vergleich der beiden Gradientenbilder, wobei sich drei Fälle unterscheiden lassen (Bild 2). In Abhängigkeit von der Einteilung in den jeweiligen Fall erfolgt die angepasste Fusion der Quellbildpixel ins Zielbild. Bild 2 zeigt die beschriebenen Zusammenhänge anhand von zwei künstlich generierten Quellbildern, die den RCT-Aufnahmen des Probekörpers in einer idealisierten Form mit nur einem zentralen Stahlstift nachempfunden wurden. Die Auswirkungen der Metallartefaktentstehung werden durch 119
4 einen gerichteten Farbverlauf simuliert, der sich ausgehend vom Stahlstift in Abhängigkeit von der Durchstrahlungsrichtung über die angrenzenden Bildbereiche erstreckt. Aufspannung I Gradientenbild I Pixelweiser Vergleich mit Fallunterscheidung Fall 1: Objektkante Fall 2: Artefaktstruktur Zielbild Fall 3: Ungestörter Objektbereich Gradientenwert für Pixel xy in Bild I u. II Aufspannung II Gradientenbild II Bild 2: Fusionsprozess beim Dual Viewing Ansatz Das erzeugte Zielbild ist nahezu artefaktfrei. Lediglich in den Bereichen, an denen es zu einer Überschneidung der Artefaktausprägung in den Quellbildern kommt, findet keine Kompensation statt. 4 Multi Energy Der Multi Energy Ansatz ist eine weitere Möglichkeit zur Reduktion von Metallartefakten in tomographischen Aufnahmen. Im Gegensatz zum Dual Viewing Ansatz basiert Multi Energy auf einer Variation der Röhrenparameter Beschleunigungsspannung und Röntgenstrom. Die Bilddatenfusion findet zudem bereits auf Basis der aufgenommen Projektion, d.h. vor der eigentlichen Rekonstruktion, statt. Ziel ist es dem Rekonstruktionsprozess kontrastoptimierte Projektionen zur Verfügung zu stellen, um nachfolgend die Detailerkennbarkeit im Volumendatensatz zu verbessern. Beschleunigungsspannung und Röntgenstrom bestimmen maßgeblich die mittlere Energie des erzeugten Röntgenspektrums. Sie haben damit einen direkten Einfluss auf das Kontrastverhalten und die Helligkeit der Projektion. Bei der Durchstrahlung von Verbundbauteilen mit weicher Röntgenstrahlung ergibt sich ein guter Kontrast für die niederdichten Objektbereiche. Für die hochdichten Objektbereiche ergeben sich hingegen auf Grund von Totalabsorption unverhältnismäßig hohe Schwächungswertewerte, die zusätzlich von einem sehr geringen Signal-Rauschabstand betroffen sind. Die Ausprägung von Metallartefakten ist ein Resultat des nachgeschalteten Rekonstruktionsprozesses. Harte Röntgenstrahlung ist dagegen in der Lage sehr dichte Materialien zu durchdringen und für diese Bereiche kontrastreiche Projektionen zu liefern. Alle übrigen Bildbereiche werden jedoch überbelichtet und nahezu transparent dargestellt. Durch die Aufnahme einer Reihe von Projektion bei unterschiedlichen Energiestufen des Röntgenstrahls ist es nun möglich, den gesamten darstellbaren Kontrastumfang einzufangen. Der Gewinn an Information über das durchstrahlte Objekt wird anschließend durch den Fusionsalgorithmus im Zielbild verdichtet. Bild 6 zeigt drei Projektionen eines untersuchten Mikrochips, die bei verschiedenen Strahlenergien aufgenommen wurden. Die metallischen Leiterbahnen und Bondstellen des Mikrochips sind von einem Kunstharz umgeben, welches eine wesentlich geringere Dichte besitzt. 120
5 High Energy Medium Energy Kontrast und Helligkeitsoptimierung Mittelwertbildung Medianbildung Adaptiver Median Zielbild Low Energy Bild 6: Fusionsprozess beim Multi Energy Ansatz Das optimierte Zielbild ist gekennzeichnet durch einen hohen Kontrastumfang bei gleichzeitiger homogener Ausleuchtung. Insbesondere lässt sich dies an den feinen Leiterbahnen im inneren des Mikrochips beobachten. Die Entwicklung bauteiloptimierter Messstrategien sowie einer Schnittstelle für die Anwendung dieser Technik auf einen vollständigen Projektionsdatensatz mit anschließender Rekonstruktion ist Gegenstand aktueller Arbeiten am WZL. 5 Zusammenfassung Mittels Bilddatenfusion lässt sich die Qualität tomographischer Aufnahmen, die von der Metallartefaktentstehung betroffen sind, verbessern. Eine Fusion auf Rohdatenebene führt zu einem Grauwert angepassten Projektionsdatensatz mit optimiertem Kontrastverhalten. Die Ausprägung von störenden Artefaktstrukturen während der Rekonstruktion kann auf diese Weise unterdrückt und die Detailerkennbarkeit gesteigert werden. Bei der Fusion auf Bildebene werden die artefaktfreien und artefaktbehafteten Bereiche der erzeugten Volumina bzw. der äquivalenten Schnittbildstapel wechselseitig superpositioniert, um einen artefaktreduzierten Datensatz zu generieren. Grundlage hierfür ist die Gradientenfilterung der beiden Eingangsbilder wodurch zwischen hochfrequenten und niederfrequenten Bildbereichen unterschieden werden kann. Ziel beider Verfahren ist es, das Anwendungsfeld der Röntgen-Computertomographie um das Spektrum der Verbundbauteile zu erweitern, deren Prüfung bisher nur sehr eingeschränkt möglich ist. Referenzen [1] B. Maziuk, H. Roth, What you can t see, can hurt you, Quality, Mai [2] S. Kasperl, I. Bauscher, Artefaktreduzierung in der industriellen 3D Computertomographie (CT), Berichtsband zur DGZfP Jahrestagung 2002, Weimar, Mai [3] J. Kelch, Der Koloss von Esslingen, QZ, Vol 52, No 9, September 2007 [4] T. Buzug, Einführung in die Computertomographie. Mathematisch-physikalische Grundlagen der Bildrekonstruktion, Berlin: Springer
6 [5] D. Zerfowski, Kompensation von Metallartefakten in der Computertomographie, Berichtsband zur Tagung Bildverarbeitung für die Medizin, Aachen, März [6] M. Kachelrieß, O. Watzke, W. Kalender, Generalized multi-dimensional adaptive filtering for conventional and spiral single-slice, multi-slice and cone beam CT, In Medical Physics, Vol 28, No 4, pp , April [7] G. Wang, M. Vannier, P Cheng, Iterative X-ray Cone Beam Tomography for Metal Artifact Reduction and Local Region Reconstruction, Microscopy and Microanalysis, pp 58-65, Mai [8] M. Oehler, T.. Buzug,: A Sinogram-Based Metal Artefact Suppression Strategy for Transmission Computer Tomography, Berichtsband zum 229. PTB-Seminar: Geometriebestimmung mit industrieller Computertomographie. Braunschweig, März [9] C. Demant, B. Streicher-Abel, P. Waszkewitz, Industrielle Bildverarbeitung, Berlin: Springer [10] M. Heinzmann, F. Puente León, Fusion von Bildsignalen, Technisches Messen, Vol 74, No 3, pp , März [11] B. Jähne, Digitale Bildverarbeitung, Berlin: Springer
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