2. Grundlagen der Marktforschung
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- Julia Brauer
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1 2. Grundlagen der Marktforschung Informationsbezogene Perspektive Seite 1
2 2 Definition Marktforschung ist die systematische - Sammlung, - Aufbereitung, - Analyse und - Interpretation von Daten über Märkte (Kunden und Wettbewerber) zum Zweck der Fundierung von Marketingentscheidungen. Homburg 2012 in Anlehnung an Böhler 1995, 2004, S. 242 Quelle: Homburg 2012 in Anlehnung an Böhler 1995, 2004 Seite 2
3 2 Ziele der Marktforschung Kontinuierliche Verbesserung des entscheidungsrelevanten Informationsstandes im Hinblick auf: Aktualität Objektivität Präzision Relevanz Befriedigung des Informationsbedarfs der Entscheidungsträger Rechtzeitige Erkennung von Trends, Chancen und Risiken auf den Märkten der Unternehmung Einschränkung des Risikos von Fehlentscheidungen Unterstützung der Willensbildung im Unternehmen Seite 3
4 2 Nutzung von Marktforschungsinformationen in der Praxis Instrumentelle Informationsnutzung: Informationsnutzung zur unmittelbaren Lösung spezifischer Probleme bzw. zur Unterstützung konkreter Entscheidungen Konzeptionelle Informationsnutzung: Informationsnutzung zur Erweiterung der Wissensbasis und zur Beeinflussung der Denkprozesse des Managements Symbolische Informationsnutzung: Informationsnutzung zur Legitimierung bereits getroffener Entscheidungen oder zur Unterstützung der Position eines Entscheidungsträgers Quelle: Karlshaus (2000, S. 70) Seite 4
5 2 Zentrale Erkenntnisobjekte der Marktforschung Allgemeine Marktcharakteristika und -entwicklungen Marktposition Kundensegmente Wettbewerber Kundenverhalten und -bedürfnisse Kundenzufriedenheit und -loyalität Quelle: Homburg/Krohmer (2009) Seite 5
6 2 Grundlegende Definitionen Messen systematische Beobachtung und Aufzeichnung von empirischen Sachverhalten Ergebnis der Messung: systematische Zuordnung von Zahlen oder Symbolen zu beobachteten Merkmalsausprägungen auf den zu untersuchenden Merkmalsdimensionen Daten Ergebnis der Messung Zahlenmässig erfasste Merkmalsausprägungen von Untersuchungseinheiten (= Messwerte einer bestimmten Variablen) Skalierung Konstruktion einer Skala Skalenniveau: bestimmt die mathematischen Eigenschaften einer Skala und damit den Informationsgehalt der zu erhebenden Daten Seite 6
7 2 Gütekriterien der Marktforschung Objektivität Unabhängigkeit der Messergebnisse vom Durchführenden Durchführungsobjektivität Auswertungsobjektivität Interpretationsobjektivität Reliabilität Grad, zu dem das Messverfahren frei von Zufallsfehlern ist Reproduzierbarkeit der Messergebnisse unter konstanten Messbedingungen Validität Grad, zu dem das Messverfahren frei von systematischen Fehlern ist Betrifft die Frage, ob das Instrument das misst, was es messen soll Interne Validität liegt dann vor, wenn während der Messung keine unkontrollierten Störeinflüsse auftreten. Externe Validität ist gegeben, wenn eine Messung generalisierbar ist, d.h. auf die Grundgesamtheit übertragen werden kann. Seite 7
8 2 Graphische Veranschaulichung von Reliabilität und Validität anhand eines Vergleichs Vergleich: 10 wiederholte Messungen mit einem Messinstrument = 10 identische Sprünge einer Person von einem Sprungturm in Zielzone Reliabilität: nein Validität: Reliabilität: nein nein Reliabilität: ja Validität: nein Validität: Reliabilität: nein ja Validität: nein Ziel Ziel Reliabilität: ja Validität: Reliabilität: ja ja Validität: ja Ziel Seite 8
9 2 Beispiele zur Illustration der Reliabilitäts- und Validitätsproblematik im Rahmen der Marktforschung Aussage zur Messung Die Bio-Landwirtschaft hat nur einen geringen Marktanteil im Warenkorb der westdeutschen Verbraucher. Dies wurde bei einer Auswertung der Scannerdaten der führenden Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels festgestellt. Der Bekanntheitsgrad der neuen Produkte unseres Unternehmens im gesamtfranzösischen Bedachungsmarkt konnte deutlich gesteigert werden, wie die jüngste Kundenzufriedenheitsmessung bei 35 Handwerkern als Nebenergebnis zeigte. Unsere Kunden sind loyaler denn je: Noch nie hatten wir eine so hohe Quote an Wiederkäufern unter den Kunden. So resümierte der Geschäftsführer der XY GmbH das Geschäftsjahr Wir sind schlechter geworden! So alarmierte der Marketingleiter die Teilnehmer gleich zu Beginn des Annual Meeting. Im Vergleich zur Internetbefragung von Einkaufsleitern vor 2 Jahren hat die aktuelle persönliche Befragung von Vorstandsmitgliedern der Kunden ergeben, dass die Kundenzufriedenheit gesunken ist. Ziel der Messung Messung des Marktanteils von Bioprodukten. Messung des Bekanntheitsgrades der neuen Produkte im gesamten französischen Bedachungsmarkt. Kundenloyalität. Kundenzufriedenheit. Probleme bezogen auf Reliabilität und Validität Validität ist problematisch, da diese Scannerdaten nicht den Warenkorb der tatsächlich gekauften Produkte widerspiegeln. Bioprodukte werden häufig auf dem Wochenmarkt oder direkt beim Landwirt gekauft. Reliabilität ist problematisch, da nur 35 Kunden befragt wurden. Validität ist problematisch, da von Kunden auch auf Nichtkunden geschlossen wird. Validität ist problematisch, da die Wiederkaufquote (der Vergangenheit) nicht die Kundenloyalität misst. Die Wiederkaufquote könnte ja auch gestiegen sein, weil viele unloyale Kunden nicht mehr beim Unternehmen kaufen. Reliabilität ist problematisch, da den beiden Messungen unterschiedliche Befragungsformen zugrunde liegen. Validität ist problematisch, da die Kundenzufriedenheit von Vorstandsmitgliedern häufig andere Produktaspekte betrifft als die Kundenzufriedenheit von Einkäufern. Seite 9
10 2 Der Prozess der Marktforschung Zentrale Fragestellung Problemformulierung Festlegung des Untersuchungsdesigns Bestimmung des Durchführenden Festlegung der Datenerhebungsmethode Stichprobenauswahl Gestaltung des Erhebungsinstrumentes Durchführung der Datenerhebung Editierung und Kodierung der Daten Datenanalyse und -interpretation Präsentation der Ergebnisse Quelle: in Anlehnung an Homburg/Krohmer (2009), S. 243 Was ist das Ziel der Studie (z.b. Analyse von Kundenzufriedenheit und -bindung)? Mit welchem Typ von Studie können die Ziele erreicht werden (deskriptiv, explorativ, explikativ)? Wer soll die Marktforschungsstudie durchführen (eigene Durchführung versus Outsourcing an Marktforschungsunternehmen)? Welche Form der Datenerhebung ist angemessen? Mit welchem Verfahren soll die Stichprobe identifiziert werden, und welchen Umfang soll sie haben? Wie sollen der Interviewleitfaden, der Fragebogen oder das experimentelle Design gestaltet werden? Welche Besonderheiten sind bei der Datenerhebung zu beachten? Wie können die Daten mit (nummerischen) Codes verarbeitet werden? Welche Analyseverfahren kommen zur Anwendung? Wie lassen sich die Ergebnisse sinnvoll präsentieren (Komplexität, Tiefe)? Seite 10
11 2 Problemformulierung und Untersuchungsdesign Problemformulierung: Definition der Marktforschungsziele Definition der Grundgesamtheit Einbindung der Entscheidungsträger Festlegung des Untersuchungsdesigns: Deskriptive Untersuchung: Tatbestände werden möglichst genau erfasst und beschrieben, wobei jedoch keine Zusammenhänge zwischen Variablen untersucht werden. Explorative Untersuchung: Dient dazu die (meist noch relativ unerforschte) Untersuchungsthematik zunächst einmal genau zu verstehen und zu strukturieren. Explikative Untersuchung: Im Mittelpunkt stehen Zusammenhänge zwischen Variablen und die Überprüfung der Ausgangshypothesen. Seite 11
12 2 Bestimmung der Durchführenden Gründe für die Eigenerbringung von Marktforschungsleistungen: Unternehmensspezifische Erfahrung Vertraulichkeit Kontrolle des Marktforschungsprozesses Gründe für die Vergabe von Marktforschungsaufträgen: Methodenkenntnis und Erfahrung Kostenvorteile Objektivität Akzeptanz Kapazitätsrestriktionen Seite 12
13 2 Festlegung der Datenerhebungsmethode - Überblick über die Methoden zur Gewinnung der Datengrundlage - Datengrundlage Erhebung von Primärdaten Verwendung von Sekundärdaten Befragung Beobachtung Interne Daten Externe Daten eher qualitativ: Tiefeninterview öffentlich kommerziell Gruppendiskussion eher quantitativ: standardisierte mündliche Befragung standardisierte schriftliche Befragung standardisierte telefonische Befragung Mischformen zwischen Befragung und Beobachtung Laborexperiment Experiment Feldexperiment Verbraucherpanel Online-Befragung Panel Handelspanel Spezialpanel Seite 13
14 2 Überblick über die Verfahren der Stichprobenauswahl Abgrenzung der Grundgesamtheit Vollerhebung Teilerhebung Festlegung des Auswahlverfahrens nicht zufällige bewusste Auswahl Zufallsauswahl Quotenverfahren Cut-off- Verfahren (Konzentrationsverfahren) typische Auswahl einfache Auswahlverfahren geschichtete Auswahlverfahren Klumpen- Auswahlverfahren mehrstufige Auswahlverfahren Quelle: in Anlehnung an Hammann/Erichson (2000) Seite 14
15 2 Gestaltung des Erhebungsinstrumentes - Grundlegende Skalenniveaus - Das Skalenniveau determiniert den Informationsgehalt von Daten. Das Skalenniveau determiniert die mathematische Eigenschaften einer Skala. Unterscheidung von vier grundlegenden Skalenniveaus Nominalskalierung Ordinalskalierung Intervallskalierung Verhältnisskalierung (Ratioskalierung) nicht-metrisch metrisch Hierarchische Ordnung: Ein höheres Messniveau schliesst die Eigenschaften der jeweils niedrigeren mit ein. Seite 15
16 2 Nominalskala Eigenschaften Klassifizierung bzw. Zuordnung zu Attributen Keine Rangfolge Keine Merkmalsausprägungen im Sinne von höheren oder tieferen Ausprägungen, die verglichen werden könnten z. B. Familienstand: ledig verheiratet Nominalskalen Funktion im Unternehmen: Geschäftsführer Marketingleiter Leiter Finanzen & Controlling F&E-Leiter Möglichkeiten der statistischen Datenauswertung z. B. Häufigkeiten Modus Seite 16
17 2 Ordinalskala Eigenschaften Rangfolge zwischen einzelnen Merkmalsausprägungen (A>B>C) Merkmalsausprägungen im Sinne von höheren oder tieferen Ausprägungen, die verglichen werden können Aussagen über die Distanz zwischen den in Rangstufen eingestuften Merkmalsträgern nicht möglich z. B. Ordinalskala Zufriedenheit mit der Liefertreue eines Lieferanten auf einer Schulnotenskala: sehr zufrieden sehr unzufrieden Möglichkeiten der statistischen Datenauswertung z. B. Positionsmasse (Median, Quantile) Seite 17
18 2 Intervallskala Eigenschaften Konstante Messeinheiten Distanzangaben sind möglich Skalennullpunkt kann willkürlich gewählt werden z. B. Intervallskala Raumtemperatur während der Durchführung eines Laborexperimentes: 20 C 21 C 22 C 23 C 24 C Möglichkeiten der statistischen Datenauswertung z. B. Arithmetisches Mittel Seite 18
19 2 Ratioskala Eigenschaften Konstante Messeinheiten Distanzangaben sind möglich Fester (natürlicher) Skalennullpunkt Verhältnisse zwischen den Merkmalsausprägungen können angegeben werden z. B. Ratioskala Geben Sie bitte Ihr Alter an: Möglichkeiten der statistischen Datenauswertung Keine Restriktionen bezüglich der Anwendbarkeit von Datenanalysenmethoden Seite 19
20 2 Klassifikation der Skalierungsverfahren Skalierungs - verfahren komparative Verfahren nicht - kompa ra - tive Verfahren paarweise Vergleiche Rang ord - nungs - verfahren Konstant - summen - verf ahren kontinuier - liche Rating - skalen diskrete Rating - skalen Likert - skalierung Seman - tisches Differenzial Stapel - skalierung Quelle: in Anlehnung an Malhotra/Birks (2004) Seite 20
21 2 Konstantsummen-Skala Probanden werden gebeten, eine konstante Anzahl von Einheiten (z. B. 100 Punkte) auf verschiedene Eigenschaften von Objekten (bzw. auf verschiedene Alternativen) zu verteilen Aussagen über Wichtigkeit der jeweiligen Eigenschaften Angaben über Verhältnisse möglich Beispiel: In der folgenden Frage geht es um die verschiedenen Möglichkeiten, wie Sie sich Informationen zum Thema XY verschaffen. Bitte verteilen Sie gemäss ihrer Wichtigkeit insgesamt 100 Punkte auf die folgenden Informationsquellen: Messen Allgemeine Produktinformationen Fachzeitschriften/ -literatur Persönliche Beratung Fachverbände Sonstige: Summe 100 Seite 21
22 2 Beispielhafte Rating-Skalen Gefällt mir sehr Gefällt mir gar nicht reines Kontinuum gefällt (Zustimmung) graphische Skala missfällt (Ablehnung) Stimme ganz und gar nicht zu, ist falsch Stimme voll und ganz zu, ist richtig Stimme überhaupt Stimme voll zu nicht zu Stimme voll zu Stimme voll und ganz zu trifft nicht zu preisgünstig sehr unsympathisch Stimme eher zu Stimme eher nicht zu Lehne völlig ab Stimme gar nicht zu trifft zu teuer sehr sympathisch monopolare Skalen mit Zahlenvergabe u. verbaler Extrempunktumschreibung monopolare Skala mit verbaler Umschreibung aller Antwortabstufungen monopolare Skala mit graphischer Unterstützung bipolare Skala bipolare Skala mit graphischer Unterstützung Flächenskala würde ich kaufen würde ich kaufen würde ich kaufen würde ich kaufen würde ich kaufen würde ich kaufen würde ich kaufen Quelle: Berekoven/Eckert/Ellenrieder (1999) Seite 22
23 2 Durchführung der Datenerhebung und Editierung und Kodierung der Daten Durchführung der Datenerhebung Berücksichtigung von Umsetzungsaspekten der ausgewählten Datenerhebungsmethode Editierung und Kodierung der Daten Identifikation von unzulässigen und fehlerhaften Antworten und gegebenenfalls Elimination aus dem Datensatz (Editierung) Umwandlung der Rohdaten in Zahlen, um eine Auswertung zu ermöglichen (Kodierung) Seite 23
24 2 Datenanalyse und interpretation - Wichtige uni- und bivariate Verfahren der Datenanalyse im Überblick - Datenanalyseverfahren deskriptiv induktiv univariat bivariat univariat bivariat Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen gewöhnlich kumuliert (jeweils absolut bzw. relativ) Ermittlung von Parametern von Häufigkeitsverteilungen Kategorien: Lageparameter Streuungsparameter Formparameter Konzentrationsparameter Assoziationsanalyse bei nominaler Skalierung bei metrischer Skalierung (= Korrelationsanalyse) Regressionsanalyse lineares Modell nichtlineares Modell Tests bezogen auf Verteilungsparameter Mittelwerttest Tests bezogen auf Verteilung χ 2 -Anpassungstest Tests bezogen auf Verteilungsparameter t-test zum Vergleich zweier Stichprobenmittelwerte Einfaktorielle Varianzanalyse t-test auf Unkorreliertheit Tests bezogen auf Verteilung χ 2 -Test auf Unabhängigkeit Quelle: in Anlehnung an Homburg/Herrmann/Pflesser (2000) Seite 24
25 2 Korrelationsanalyse Bei der Korrelationsanalyse wird die Stärke eines möglichen Zusammenhangs zwischen zwei Variablen analysiert, indem der Grad der gemeinsamen Variation der Variablen betrachtet wird. Es wird also untersucht, zu welchem Teil eine Änderung der Werte einer Variablen mit einer Änderung der Werte der anderen Variablen verbunden ist. Homburg 2012, S. 328 Seite 25
26 2 Regressionsanalyse Ziel und Anwendung Ziel: Vorhersage der abhängigen Variable durch eine (lineare Regressionsanalyse) oder mehrere (multiple Regressionsanalyse) unabhängige Variablen. Annahme: gerichtete, kausale Beziehung zwischen zwei Variablen unabhängige Variable (x) abhängige Variable (y) Breite Anwendung in der Marktforschung z. B.: Wie wirkt sich der Einsatz von Marketinginstrumenten auf den Erfolg aus? Wie wirkt sich der Preis auf die Absatzmenge aus? Seite 26
27 2 Lineare Regression - Regressionsparameter Spezifikation eines (linearen) Modells: y(x) = a + bx Die Regressionsparameter a und b werden so bestimmt, dass sich die Gerade der empirischen Punkteverteilung möglichst gut anpasst. Das heisst, die Summe der Fehlerquadrate (quadrierte Differenzen zwischen den empirischen Werten der abhängigen Variablen y i und den zugehörigen Werten auf der Regressionsgerade ŷ i ) werden minimiert: f(a,b) = n i=1 (y i a bx i ) 2 min. b n n ( ) x y ( x i i i i= 1 i= 1 i= 1 = n n 2 2 n( x ) ( i x ) i i= 1 i= 1 n )( n y i ) a = y bx y = Mittelwert der abhängigen Variable x = Mittelwert der unabhängigen Variable n = Anzahl Fälle Seite 27
28 2 Lineare Regression: Gütekriterium Bei der Güte der Regressionsfunktion geht es um die Frage, wie gut die Regressionsfunktion zur Beschreibung der empirisch erhobenen Daten geeignet ist. r 2 = n i= 1 n i= 1 ( y y) i ( y y) i 2 2 ӯ i = Mittelwert der abhängigen Variable y i = beobachteter Wert der abhängigen Variable ŷ i = geschätzter Wert der abhängigen Variable Seite 28
29 2 Regressionsanalyse - Beispiel Beispiel Testgeschäft (i) Summe Mittelwert Preis pro Einheit (x i ) Absatzmenge in Stück (y i ) Produkt (x i ) (y i ) Quadrat (x 2 i ) Absatzmenge (y i ) Preis (x i ) b = ( ,9-28,25 422) / (10 80,17-28,25 2 ) = -22,53 a = 42,2 + 22,53 2,83 = 105,83 r 2 = 0,82 Seite 29
30 2 Wichtige multivariate Datenanalyseverfahren im Überblick Interdependenzanalyse Dependenzanalyse Variablen metrisch Variablen nicht metrisch abhängige Variablen metrisch abhängige Variablen nicht metrisch unabhängige Variablen metrisch unabhängige Variablen nicht metrisch unabhängige Variablen metrisch unabhängige Variablen nicht metrisch Faktorenanalyse - exploratorische - konfirmatorische Clusteranalyse (metrische Varianten) Multidimensionale Skalierung (MDS, metrische Varianten) Clusteranalyse (nicht metrische Varianten) Multidimensionale Skalierung (MDS, nicht metrische Varianten) Korrespondenzanalyse Multiple Regressionsanalyse Prognoseverfahren Strukturgleichungsmodelle - mit beobachteten Variablen - mit latenten Variablen: Kausalanalyse Multiple Varianzanalyse Multiple Diskriminanzanalyse Logistische Regression Loglineare Modelle und Logitmodelle Conjoint-Analyse Neuronale Netze und genetische Algorithmen Quelle: in Anlehnung an Homburg/Herrmann/Pflesser (2000) Seite 30
31 2 Illustration der Unterschiede zwischen Verfahren der Dependenzanalyse und der Interdependenzanalyse Interdependenzanalyse Dependenzanalyse X Y Unabhängige V. X Moderator Z Abhängige V. Y Keine Unterscheidung zwischen abhängiger und unabhängiger Variable möglich. Unabhängige V. X Abhängige V. Y Seite 31
32 2 Beispiel eines multivariaten Verfahrens - Clusteranalyse - Das zentrale Anwendungsgebiet der Clusteranalyse in der Marktforschung ist die Marktsegmentierung. Dabei geht es bei der Marktsegmentierung um die Aufteilung eines heterogenen Gesamtmarktes in homogene Teilmärkte, um eine differenziertere Marktbearbeitung zu ermöglichen. Homburg 2012, S. 367 In der Regel fallen bei der Durchführung einer Clusteranalyse sechs Schritte an: 1. Auswahl der Clustervariablen und Aufstellen der Datenmatrix 2. Aufstellen einer Distanzmatrix 3. Elimination von Ausreissern 4. Auswahl und Anwendung eines Clusteralgorithmus 5. Bestimmung der Clusterzahl 6. Interpretation und Benennung der Cluster Seite 32
33 2 Clusteranalyse 1. Auswahl der Clustervariablen und Aufstellen der Datenmatrix Merkmale Positive Lebenseinstellung Innovationsorientierung Risikobereitschaft Kunden Kunde A Kunde B Kunde C Kunde D Kunde E Kunde F Seite 33
34 2 Clusteranalyse 2. Aufstellen der Distanzmatrix Berechnung der Euklidischen Distanz mittels: D(A,B) = p i= 1 x Ai x Bi 2 A B C D E F A B 2 C 5 3 D E F Weitere Möglichkeit zur Distanzberechung, die City-Block-Distanz: D(A,B) = p i= 1 x Ai x Bi Seite 34
35 2 Clusteranalyse 3. Elimination von Ausreissern Unter Ausreissern versteht man Objekte, deren Merkmalsausprägungen für die Stichprobe sehr untypisch sind, die also zu keinem anderen Objekt oder nur zu sehr wenigen anderen Objekten eine geringe Distanz aufweisen. Homburg 2012, S. 369 Auf die Problematik der Ausreisser wird im Rahmen dieser Vorlesung nicht weiter eingegangen. Seite 35
36 2 Clusteranalyse 4. Auswahl und Anwendung eines Clusteralgorithmus (1) Überblick über die in der Marktforschungspraxis wichtigen Methoden: Agglomerative Verfahren Hierarchische Verfahren Clusteralgorithmen Divisive Verfahren Partizipierende Verfahren Die drei Linkage-Verfahren: Das Single-Linkage-Verfahren ermittelt die kleinste Distanz zwischen zwei Objekten aus verschiedenen Objektmengen und wählt diese kleinste Distanz als Distanz zwischen den Objektmengen. Das Complete-Linkage- Verfahren wählt dagegen die maximale Distanz zweier Objekte aus verschiedenen Objektmengen. Single- Linkage- Verfahren Linkage- Verfahren Complete- Linkage- Verfahren Average- Linkage- Verfahren Varianz- Verfahren Ward- Verfahren k-means- Verfahren Beim Average-Linkage- Verfahren wird schliesslich der Durchschnitt der Distanzen aller Objektpaare aus den verschiedenen Objektmengen als Distanz zwischen den Objektmengen definiert. Seite 36
37 2 Clusteranalyse 4. Auswahl und Anwendung eines Clusteralgorithmus (2) Anwendung des Single-Linkage-Verfahrens: Schritt 1: A B C D, E F A B 2 C 5 3 D, E F Schritt 2: A, B A, B C D, E F C 3 D, E F Schritt 2-n: Solange durchführen bis Anzahl Cluster = 1 Seite 37
38 2 Clusteranalyse 4. Auswahl und Anwendung eines Clusteralgorithmus (3) Dendogramm für das Single-Linkage Verfahren im Anwendungsbeispiel: Seite 38
39 2 Clusteranalyse 5. Bestimmung der Clusterzahl Anwendung des Elbow-Kriteriums zur Bestimmung der Clusterzahl: Fehlerquadratsumme "Elbow" Zahl der Cluster Seite 39
40 2 Clusteranalyse 6. Interpretation und Benennung der Cluster Mittelwerte der Clustermerkmale als Ausgangspunkte für die Interpretation Anwendung einer Varianzanalyse zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen den Clustern Benennung der Cluster zur Veranschaulichung der Ergebnisse Resultierende Cluster aus dem Beispiel: Resultierende Mittelwerte aus dem Beispiel: Cluster (A, B, C): Schwarzseher, Cluster (D, E): Leistungsorientierte und Cluster (F): Spieler. Cluster Merkmale Positive Lebenseinstellung Innovationsorientierung Risikobereitschaft (A, B, C) 1,3 3 2,3 (D, E) 5 4 3,5 (F) Seite 40
41 2 Anwendung der Clusteranalyse: Marktsegmentierung Merkmale zur Marktsegmentierung (= potentielle Clustervariablen) Demographische Merkmale Geschlecht, Alter, Familienstand Wohnortgrösse, Region, Stadt/Land Sozio-ökonomische Merkmale Einkommen, Schulbildung, Beruf Psychographische Merkmale Persönlichkeitsmerkmale (Lebensstil etc.) Produktspezifische Kriterien (Einstellungen, Präferenzen, Image etc.) Merkmale des beobachtbaren Kaufverhaltens Preisverhalten Mediennutzung Einkaufsstättenwahl Produktwahl Nutzenbezogene Merkmale Preisnutzen Qualitätsnutzen Imagenutzen Servicenutzen Seite 41
42 2 Beispiel eines multivariaten Verfahrens Faktorenanalyse Die Faktorenanalyse untersucht eine Gruppe von (Indikator-)Variablen auf die ihr zugrundeliegende Struktur. Das Ziel der Faktorenanalyse ist die Reduktion einer grösseren Zahl (metrisch skalierter) Indikatorvariablen auf einige wenige grundlegende Faktoren. Es geht im Rahmen dieser Methode also um Komplexitätsreduktion durch Merkmalsverdichtung. Homburg 2012, S. 355 Faktorenanalyse Exploratorische Faktorenanalyse Konfirmatorische Faktorenanalyse Seite 42
43 2 Exploratorische Faktorenanalyse Ausgangslage Grosse Anzahl an Variablen Anspruchsvolle Interpretation (Komplexität) (starke) Abhängigkeiten unter den Variablen Ziel Identifikation der Anzahl Faktoren Zuordnung der Variablen zu den Faktoren Anwendung z. B. Konsumentenverhalten (z. B. Persönlichkeitsprofile) Produktpolitik (z. B. Positionierungsanalysen) Marktsegmentierung (z. B. Faktoren aus Eigenschaften der zu clusternden Objekte) Seite 43
44 2. Exploratorische Faktoranalyse - Ablauf 1. Erstellen der Datenmatrix 2. Berechnung der Korrelationsmatrix 3. Bestimmung der Anzahl Faktoren 4. Rotation und Interpretation der Faktoren Seite 44
45 2. Exploratorische Faktoranalyse 1. Erstellen der Datenmatrix Befragungsdaten zur Einschätzung verschiedener Erfrischungsgetränke (standardisiert) Getränk Image Attraktivit ät Verp. Cola Eiskaffee Eistee Fruchtsaft Preisattraktivität Geschmack Vitamingehalt Zuckergehalt Kaloriengehalt Durstlöschung Apfelschorle Wellnessdrink Seite 45
46 2. Exploratorische Faktoranalyse 2. Berechnung der Korrelationsmatrix Nr. Variable Preisattraktivität 1,000 2 Geschmack -0,417 1,000 3 Vitamingehalt -0,034-0,508 1,000 4 Zuckergehalt -0,352 0,787-0,822 1,000 5 Image -0,689 0,121 0,274 0,132 1,000 6 Kaloriengehalt -0,615 0,818-0,598 0,881 0,131 1,000 7 Attraktivität Verpackung -0,566 0,279-0,369 0,505 0,745 0,325 1,000 8 Durstlöschung 0,325-0,826 0,718-0,850 0,219-0,930-0,087 1,000 Seite 46
47 2. Exploratorische Faktoranalyse 3 Bestimmung der Anzahl Faktoren (1) Zwei verbreitete Methoden die Anzahl Faktoren zu bestimmen Kaiser-Kriterium: Faktoren mit Eigenwerten von > 1 werden ausgewählt Der Eigenwert eines Faktors gibt an, wieviel von der Gesamtvarianz aller Variablen durch diesen Faktor erklärt wird. Die Varianz einer einzelnen Variablen ist 1 (aufgrund der Standardisierung). Faktoren mit einem Eigenwert 1 erklären weniger als eine einzelne Variable. Scree-Test zeichnet die Eigenwerte gegenüber der Anzahl Faktoren nach deren Extraktionsreihenfolge ab Der letzte richtige Faktor = der letzte Punkt vor dem Geröll (engl.: scree, = relativ gerade Linie, welche eine horizontale Linie approximiert) 6 5 Scree Plot Eigenwert Faktor Quelle: Hair et al. (2010) Seite 47
48 2. Exploratorische Faktoranalyse 3 Bestimmung der Anzahl Faktoren (2) Beispiel: Darstellung von Eigenwerten und erklärte Varianz pro Faktor Eigenwerte Faktor Total % der Varianz % kumulativ Seite 48
49 2. Exploratorische Faktoranalyse 4. Rotation und Interpretation der Daten (1) Beispiel der Faktorladungen der Einschätzung von Erfrischungsgetränken Variable Faktor 1 2 Preisattraktivität -0,566-0,671 Geschmack 0,864-0,101 Vitamingehalt -0,724 0,435 Zuckergehalt 0,955-0,177 Image 0,212 0,954 Kaloriengehalt 0,953-0,060 Attraktivität Verpackung 0,527 0,665 Durstlöschung -0,885 0,408 Die Variable Preisattraktivität lädt sowohl auf dem Faktor 1 und 2. Diese fehlende Eindeutigkeit macht die Interpretation der Faktoren schwierig. Seite 49
50 2. Exploratorische Faktoranalyse 4. Rotation und Interpretation der Daten (2) Ziel: die Variablen sollten möglichst nur auf einem Faktor laden Die orthogonale Varimax-Rotation ist die meist verwendete Methode Beispiel einer Varimax-Rotation: F 2 F 2 (Ausgangslage) F 2 (rotiert) F 1 F 1 (Ausgangslage) F 1 (rotiert) Seite 50
51 2. Exploratorische Faktoranalyse 4. Rotation und Interpretation der Daten (3) Beispiel der rotierten Faktorladungen der Einschätzung von Erfrischungsgetränken Variable Faktor 1 2 Preisattraktivität -0,261-0,838 Geschmack 0,835 0,243 Vitamingehalt -0,836 0,120 Zuckergehalt 0,926 0,263 Image -0,175 0,961 Kaloriengehalt 0,901 0,314 Attraktivität Verpackung 0,228 0,817 Durstlöschung -0,974 0,032 Interpretation der Faktoren ist nun klarer: Faktor 1: Genusserlebnis Faktor 2: Kauferlebnis Seite 51
52 2 Konfirmatorische Faktorenanalyse Ausganslage Faktorenstruktur (Faktorenanzahl und Zuordnung der Variablen zu Faktoren) bereits vorhanden Vorstellung über Faktorenstruktur nach theoretischen oder plausibilitätsgestützten Vorüberlegungen bereits vorhanden Ziel Überprüfung einer a priori spezifizierte Faktorenstruktur auf deren Konsistenz mit dem Datenmaterial der vorliegenden Stichprobe Anwendung Komplexe Konstrukte, die nicht direkt gemessen werden können z. B. Kundenzufriedenheit Seite 52
53 2 Konfirmatorische Faktorenanalyse Ablauf Modellspezifikation Parameterschätzung Modellbeurteilung Gegebenenfalls Modellmodifikation Ergebnisinterpretation Seite 53
54 2 Konfirmatorische Faktorenanalyse Beispiel mittels eines Strukturgleichungsmodells 0,55 0,54 0,48 Zufriedenheit mit den Produkten ξ 1 Zufriedenheit mit der Information ξ 2 Zufriedenheit mit der Lieferung ξ 3 0,76 0,78 0,67 0,73 0,78 0,78 0,75 0,81 0,64 0,75 0,81 0,71 0,72 0,76 x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 x 6 x 7 x 8 x 9 x 10 x 11 x 12 x 13 x 14 δ 1 δ 2 δ 3 δ 4 δ 5 δ 6 δ 7 δ 8 δ 9 δ 10 δ 11 δ 12 δ 13 δ 14 (0,42) (0,39) (0,55) (0,47) (0,39) (0,39) (0,44) (0,34) (0,59) (0,44) (0,34) (0,50) (0,48) (0,42) (Varianz in Klammern) Seite 54
55 Literatur Homburg, Ch./Krohmer, H. (2009): Marketingmanagement: Strategie Instrumente Umsetzung Unternehmensführung, 3. Aufl., Wiesbaden. (Kapitel 6 und 7) Homburg, Ch. (2012): Marketingmanagement: Strategie Instrumente Umsetzung Unternehmensführung, 4. Aufl., Wiesbaden. (Kapitel 6 und 7) Berekoven, L./Eckert, W./Ellenrieder, P. (1999): Marktforschung: Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, 8. Aufl., Wiesbaden. Böhler, H. (1995), Marktforschung, in: Tietz, B., Köhler, R., Zentes, J. (Hrsg.), Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Stuttgart, Böhler, H. (2004), Marktforschung, 3. Aufl., Stuttgart. Hammann, P., Erichson, B. (2000), Marktforschung, 4. Aufl., Stuttgart. Hair, J.F.; Black, W.C.; Babin, B.J.; Anderson, R.E.; Tatham, R.L. (2010), Multivariate Data Analysis: A Global Perspective, 7. Aufl., Upper Saddle River and NJ. Homburg, Ch./Hermann, A./Pflesser, Ch. (2000): Methoden der Datenanalyse im Überblick, in: Hermann, A./Homburg, Ch. (Hrsg.), Marktforschung: Methoden, Anwendungen, Praxisbeispiele, 2. Aufl., Wiesbaden, S Malhotra, N., Birks, D. (2004):Marketing Research An Applied Orientation, 4. Aufl., Harlow. Seite 55
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