Dossier: Funktionales Übersetzen
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- Georg Reuter
- vor 8 Jahren
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1 Universität Leipzig Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie Sommersemester 2013 Modelle und Methoden der Übersetzungswissenschaft bei Prof. Dr. Carsten Sinner Johannes Markert Dossier: Funktionales Übersetzen Inhalt: Grundlagen und Anwendungsbeispiel 1 Treue vs. Äquivalenz vs. Loyalität 2 Analyse der für die Übersetzung relevanten Faktoren 3 Der Übersetzungsprozess als Zirkelschema 3 Mögliche Kritikpunkte 5 Bibliografie 5 Grundlagen und Anwendungsbeispiel: Das Funktionale Übersetzen beschreibt nach Christiane Nord den Translationsprozess als Teil funktionalistischer Übersetzungsansätze und baut weitgehend auf Vermeers Skopostheorie auf. Oberstes Ziel des Translates ist dabei der Skopostheorie folgend stets die Erfüllung eines Zweckes (Vermeer 1990:72), wobei sich dieser ausdrücklich vom Zweck des Ausgangstextes unterscheiden kann und somit im krassen Gegensatz zum Verständnis steht, der Zieltext müsse stets die gleich Funktion übernehmen wie der Ausgangstext, ihm also treu entsprechen oder ihn als Äquivalent vertreten können (vgl. Schneiders 2007:128). Aus diesem Grund spielen textexterne Faktoren wie der Übersetzungsauftrag und die Analyse derselben für das Funktionale Übersetzen eine herausragende Rolle, da sich durch unterschiedliche Aufträge unterschiedliche Übersetzungsstrategien und somit unterschiedliche Zieltexte ergeben. So orientiert sich Nord zwar an der Skopostheorie, grenzt sich aber gleichzeitig von dieser ab, indem sie deren Zieltextorientierung abschwächt (Salevsky 2002:231). 1
2 Beispiel (Nord 2009:36): Ein Augenzeugenbericht vom Fall der Berliner Mauer im November 1989 wurde auf Band aufgenommen und dann transkribiert. Eine amerikanische Journalistin möchte das Transkript als Quelle für die politischen Veränderungen in Osteuropa verwenden und lässt es sich ins Englische übersetzen. Für die Übersetzung sind daher alle explizit oder implizit gegebenen Informationen relevant und die Merkmale des spontanen Sprechens (Gliederungssignale, Interjektionen) sowie rhetorische Formeln, mit denen der Augenzeuge sich vor dem Reporter wichtig machen will, von untergeordneter Bedeutung. Wenn dasselbe Transkript jedoch für die Publikation als Augenzeugenbericht in einer amerikanischen Zeitung übersetzt werden soll, sind gerade die Merkmale spontaner und emotionaler Ausdrucksweise als Identifikatoren der Textsorte Augenzeugenbericht. Treue vs. Äquvalenz vs. Loyalität: Wie das oben aufgeführte Beispiel zeigt, ist Treue also nicht gleichzusetzen mit Äquivalenz (Nord 2009:24). Der deswegen von Nord eingeführte Begriff der Loyalität beschreibt nach ihrem Verständnis demnach auch nicht die Beziehung zwischen Ausgangs- und Zieltext, sondern die Verantwortung des Übersetzers gegenüber Autor des AT und dem Leser des ZT, keinen der Beteiligten bewusst zu täuschen (Nord 2004:236). Die Loyalität erweitert somit das rein theoretische Skoposmodell um eine ethische Komponente, die da sie Teil der praktischen Arbeit von Übersetzern ist nach Nords Ansicht nicht fehlen darf (ebd.). 2
3 Analyse der für die Übersetzung relevanten Faktoren: Das Zusammenspiel aller textinterner und textexterner Informationen als Nord'sche Anaylsefaktoren fasst Salevsky (2002:233) als erweiterte Lasswell-Formel zusammen: WER übermittelt WOZU WEM über WELCHES MEDIUM WO WANN WARUM einen Text mit WELCHER FUNKTION? WORÜBER sagt er WAS (WAS NICHT) in WELCHER REIHENFOLGE unter Einsatz WELCHER NONVERBALEN ELEMENTE in WELCHEN WORTEN in WAS FÜR SÄTZEN in WELCHEM TON mit WELCHER WIRKUNG? Erst durch die Beantwortung dieser Fragen ist es dem Übersetzer möglich, seine Übersetzungsstrategie zu wählen und möglichen Übersetzungsproblemen zu begegnen. Der Übersetzungsprozess als Zirkelschema: Der Übersetzungsprozess (inklusive der oben beschriebenen Analysefaktoren) gemäß Funktionalem Übersetzen nach Christiane Nord lässt sich anhand des sog. Zirkelschemas darstellen. Zu beachten ist, dass Nord die Darstellung des Zirkelschemas für neuere Auflagen verändert hat. 3
4 Abb.: Zirkelschema, ältere Darstellung (in Stolze 2005:193): Abb.: Zirkelschema, neuere Darstellung (nach Nord 2009:38): Diese zweite Darstellungsform verdeutlicht stärker die zwischen den einzelnen Schritten stattfindenden Prozesse, welche dazu führen, dass jeder Schritt vorwärts gleichzeitig mit einem Blick zurück verbunden wird, und so ggf. die Revision zuvor gewonnener Erkenntnisse 4
5 notwendig macht (Nord 2009:37) und trägt somit den letzten sechs Elemente oben aufgeführten Formel Rechnung (vgl. Salevsky 2002:233). Mögliche Kritikpunkte: Als Translationsdidaktikerin versucht Nord, konkret umsetzbare Handlungsweisen für die Übersetzungspraxis liefern, wobei Harhoff darauf hinweist, dass derlei Theoretisierung generell die Frage nach dem Stellenwert von übersetzungstheoretischen Überlegungen für die Praxis aufwerfen (vgl. 1991:4). Wegen ihres engen Bezugs auf die Skopostheorie, treffen viele ihrer Kritikpunkte auch auf das Funktionale Übersetzen nach Nord zu (vgl. Harhoff 1991:168). Ein möglicher Kritikpunkt an Nords Konzept selbst wäre die von ihr selbst als ungewöhnlich gekennzeichnete (2004:236) Vermischung ethischer und theoretischer Ansätze. Bibliografie: Nord, Christiane (2004): Loyalität als ethisches Verhalten im Translationsprozess. In: Müller, Ina (Hrsg.): Und sie bewegt sich doch; Translationswissenschaft in Ost und West; Festschrift für Heidemarie Salevsky zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang, S Nord, Christiane (2009): Textanalyse und Übersetzen; Theoretische Grundlage, Methode und didaktische Anwendung einer übersetzungsrelevanten Textanalyse; 4., überarbeitete Auflage. Tübingen: Julius Groos Verlag. Harhoff, Gabriele (1991): Grenzen der Skopostheorie; von Translation und ihrer praktischen Anwendbarkeit. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang. Salevsky, Heidemarie (2002): Translationswissenschaft; Ein Kompendium. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang. 5
6 Schneiders, Hans-Wolfgang (2007): Allgemeine Übersetzungstheorie; Verstehen und Wiedergeben. Bonn: Romanistischer Verlag. Stolze, Radegundis (2005): Übersetzungstheorien; eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr Verlag. Vermeer, Hans Josef (1990): Skopos und Translationsauftrag Aufsätze. Heidelberg: Institut für Übersetzen und Dolmetschen. 6
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