Steuerberater. Pixel statt Papier. Magazin. Branche Kanzlei Mensch. Eine Zwischenbilanz der digitalen Buchführung
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- Lars Sauer
- vor 8 Jahren
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1 Branche Kanzlei Mensch Steuerberater Magazin Das System hat sich in eine unfaire Richtung entwickelt Interview mit dem Steuerstrafverteidiger StB/RA Ingo Heuel aus Köln Spezialisten für alle Fälle Über die Bildung von Spezialteams können Kanzleien ihre Effizienz enorm steigern Nobody is perfect Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht tragisch werden diese aber meist erst durch den falschen Umgang damit Der Wind im Steuer- und Steuerstrafrecht weht rauer 39. Jahrestagung der DStJG in Bremen Den Ministern die Leviten gelesen Steuerfachtagung Celle Pixel statt Papier Eine Zwischenbilanz der digitalen Buchführung
2 Autoren: Claas Beckmann und RA Thorsten Franke-Roericht, Lesezeit: 6 Min. Der Wind im Steuer- und Steuerstrafrecht weht rauer 39. Jahrestagung der DStJG in Bremen 30
3 Prof. Dr. Markus Jäger, Beisitzer im 1. Strafsenat BGH, begrüßt die Tagungsgäste im großen Hörsaal der Universität Bremen. Der Wind in Steuer- und Steuerstraf - rechts fällen weht rauer das ist eine Erkenntnis nach der 39. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft (DStJG), zu der mehr als 300 Gäste Ende September nach Bremen gereist waren. Die Tagespolitik tischte mit der Selbst - anzeigereform den führenden Köpfen der steuerjuristischen Branche zusätzlichen Gesprächsstoff auf. DStJG-Präsident Rudolf Mellinghoff sagte auf dem Begrüßungsabend im historischen Bacchus-Keller des Bremer Rathauses: Wir können viele Nicht-Mitglieder begrüßen. Und er stellte fest: Das Strafrecht interessiert sich für das Steuerrecht. Und was kann dem Steuerrecht Besseres passieren? Die Popularität des Themas Steuerstrafrecht an der Schnittstelle zum Steuerrecht sei jedenfalls nicht absehbar gewesen, als es vor zwei Jahren festgelegt worden sei. Und so begann Mellinghoff dann auch am Folgetag den Arbeitsteil der Tagung mit ein paar Sätzen zur öffentlichen Wahrnehmung des Delikts Steuerhinterziehung: Sie werde schon lange nicht mehr als Kavaliersdelikt verniedlicht, sondern als strafbares Unrecht verurteilt. Der Meinungsumschwung schlägt nach Mellinghoffs Beobachtung derzeit ins andere Extrem aus: Eindeutig strafbares Verhalten werde mit grenzüberschreitender Gewinnverlagerung, Steuervermeidungsstrate- 31
4 Linkes Bild: Der Präsident des FG Bremen, Lutz Hoffmann (links), mit Prof. Dr. Franz Jürgen Marx (Mitte), Lehrstuhl für Betriebliche Steuerlehre und Wirtschaftsprüfung der Universität Bremen, sowie mit dem BFH-Präsident und dem Vorsitzenden der DStJG Prof. Rudolf Mellinghoff. Rechts: Am Abend war Gelegenheit zum weiteren Austausch im historischen Bacchus-Keller im Bremer Rathaus. gien und unliebsamen Steuergestaltungen in einen Topf geworfen. Wer seine Steuerlast auf rechtlich zulässigem Weg minimiere, werde in die Nähe des Straftäters gerückt. Diese Großwetterlage beeinflusse auch das Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung, wofür Mellinghoff drei Beispiele anführte: Erstens den umstrittenen Einsatz von Flankenschutzfahndern Veranlagungs- und Prüfungsbeamte unterstützende Steuerfahnder wie er in NRW zu b e o b a c ht e n i s t. I h r E i n s at z ve r wi s c h e d i e G re n ze n z w i s c h e n Besteue r u n g s - und Steuerstraf ver fahren zum Nachteil der Steuerpflichtigen. Zweitens, so Mellinghoff auf der Grundlage von Berichten einiger Steuerberater, würden Streitigkeiten über Verrechnungspreise oder Bewertungsfragen zunehmend nicht in der Veranlagung geklärt, sondern an die Steuerfahndung übergeben, und Betriebsprüfungen mit der Androhung der Steuerfahndung einem steuerlichen Mehrergebnis zugeführt. Drittens habe sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Steuerstrafrecht unter Leitung des ersten Strafsenats verschärft. Aushöhlung der Grundrechte Die veränderten Entwicklungen wurden auch von anderen Referent e n t h ematisier t. Regierungsdirektor Klaus Herrmann (Koblenz) bewertete den Einsatz von Flankenschutzfahndern kritisch. In seinem Vortrag über die Doppelfunktion der Steuerfahndung als Steuerkriminalpolizei und Finanzbehörde berichtete er aber auch über den Personalmangel in den Behörden. Die Folge: Die Bedeutung von Risikomanagementsystemen werde zunehmen. Maßstab sei eine aktive Risikokontrolle durch Steueraufsicht. Hierzu werden Sondereinheiten installiert, die sich mit Vorfeldermittlungen befassen. Diese bewegen sich unterhalb der Schwelle eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts. Über sie sollen steuerlich noch unbekannte Sachverhalte oder Personen aufgeklärt werden, und dies unter Zuhilfenahme von behördenintern vernetzten Datenbanken, Recherchesystemen und software-gestützten Risikoanalysen. Kritische Worte zur Doppelfunktion waren auch von Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen (Heinrich Heine Universität Düsseldorf) zu hören. In seinem Vortrag Außenprüfung und Steuerstraf - verfahren beschäftigte er sich mit den Weichenstellungen gegen eine Überkriminalisierung im Zuge der Außenprüfung. Es wäre verfehlt, bei jedem Mehrergebnis von einem steuerstrafrechtlichen Sachverhalt auszugehen, sagte er. Außenprüfung und Steuerfahndung sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die angesprochene härtere Gangart des BGH ist mit RiBGH Armin Nack verbunden, dem ehemaligen Vorsitzenden des 1. Strafsenats. Nach dessen Ausscheiden suchen Beobachter nach Anzeichen für oder gegen einen Wechsel dieser Gangart. Daher wurde der Vortrag Stellung, Abgrenzung und Sanktionierung der Steuerhinterziehung im Strafrechtssystem von Prof. Dr. Markus Jäger, Beisitzer im 1. Strafsenat, mit Spannung erwartet. Seine Aussage Die Grundsätze des Bundesgerichtshofs zur Strafzumessung ermöglichen eine schuldangemessene Be - strafung ließ keine neue Linie des BGH erkennen. 32
5 Gleich zwei Referenten widmeten sich dem Thema Selbstanzeige: Prof. Dr. Hinrich Rüping (Hannover) setzte sich mit der Rechtfertigung und den Grenzen der Selbstanzeige aus deutscher Sicht auseinander. Die Reformfreudigkeit in Sachen Selbstanzeige sollte ihre Grenzen kennen, sagte er. Hon.-Prof. Dr. Roman Leitner (Linz) beleuchtete die österreichische Sicht. Man kann die Kollegen nur bemitleiden, so sein deutliches Fazit zur deutschen Rechtslage. Das österreichische Selbstanzeigerecht sei berechenbarer, z. B. sind weiterhin Teilselbstanzeigen möglich. Und er fragte: Wie soll eine Weißgeldstrategie zum Beispiel der Schweiz funktionieren, ohne intakte Selbstanzeigebestimmungen? RA Dr. Rainer Spatschek (Köln), sprach über die Reichweite der Steuerhinterziehung: strafbares Unterlassen und Berichtigungspflicht und brachte spontan die Reform der Selbstanzeige so auf den Punkt: Die geplante Reform ist eine Mogelpackung. Ehrlicher wäre eine Abschaffung. Dr. Christian Kaeser (Global Head of Tax, Siemens) betonte in seinem Vortrag Steuerstrafrechtliche Verantwortung im Unternehmen und selbstregulierende Tax Compliance, es werde zunehmend schwieriger, sich als Unternehmen steuerrechtskonform zu verhalten. Die Finanzverwaltung zeige Härte bei Die Reformfreudigkeit in Sachen Selbstanzeige sollte ihre Grenzen kennen. Unternehmenssachverhalten. Zudem treibe der BGH durch seine weite Auslegung des bedingten Vorsatzes bei Steuerhinterziehung den Steuerpflichtigen in die Illegalität. Mit der Steuerstrafrechtlichen Verantwortung des Beraters befasste sich WP StB RA Dr. Thomas Weckerle (Hagen): Mangels Sondertatbeständen für steuerliche Berater lenkte Weckerle den Blick auf die Steuerhinterziehung nach 370 AO als die für den Berater hauptsächlich in Betracht kommende Strafnorm. Hier sei die Steuerhinterziehung durch aktives Tun von der Steuerhinterziehung durch Unterlassen zu unterscheiden. Letztere knüpft an eine Garantenpflicht des Beraters an. Diese ergebe sich jedoch nicht bereits aus der beruflichen Stellung des Beraters. In der anschließenden Diskussion wurde sodann die Frage diskutiert, wie sich der Berater zu verhalten habe, dem ein Mandant erstmals von seinen Steuerverfehlungen berichtet. Zwar gelte hier, dass der Berater nicht zu einer Korrektur nach 153 AO verpflichtet sei. Er setze sich allerdings dem Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung aus, wenn er zukünftig dennoch an unvollständigen Erklärungen mitwirke. Kann der Berater seinen Mandanten nicht von einer steuerlichen Bereinigung überzeugen, bleibe es der sicherste Weg, das Mandat niederzulegen. Prof. Dr. Hinrich Rüping, Hannover Wo die Grenzen zwischen Straf- und Steuerrecht verwischen, wird es heikel Es ist die Aufgabe des Beraters, die mit der Übergabe der Sache an die Steuerfahndung verbundenen steuerlichen und strafrechtlichen Risiken zu bewerten und sodann einer Lösung zuzuführen. Selbst kundigen Beratern fällt dies wegen der ausufernden Grenzverwischungen zwischen Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren zunehmend schwerer. Der Einsatz von Flankenschutzfahndern ist dabei nur ein Beispiel von vielen. Die DStJG-Jahrestagung hat das bestätigt. In der Praxis nährt dies ob mit Kalkül oder nicht die Machtfülle der Finanzbehörden. Zwar kann eine einvernehmliche, vorgerichtliche Gesamtlösung des Steuerfahndungsfalls sinnvoll sein. Dennoch darf nicht verkannt werden, dass sich die Finanzverwaltung hierdurch in ihrem zum Teil rechtswidrigen Vorgehen bestätigt sieht. Auch das Konzept der Risikokontrolle durch Steueraufsicht stärkt die Machtfülle. Sie konfrontiert Berater und Steuerpflichtige mit scheinbar ausermittelten Sachverhalten. Deren Prüfung und die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für jeden dahinterstehenden Datenabruf, jede Recherche und jeden behördlichen Datentausch wird zur Mammutaufgabe und ist letztlich nur über den finanzgerichtlichen Weg zu erreichen, da die Finanzbehörden regelmäßig eine Akteneinsicht verweigern. Im Hinblick auf die neue Reform des Selbstanzeigerechts gilt: Die Politik reduziert die Diskussion auf Fälle, in denen ausländische Kapitalanlagen von Privatpersonen nicht versteuert werden. Das Bedürfnis von Unternehmen, auch ohne steuerstrafrechtlichen Hintergrund rechtssicher Steuerkorrekturen vorzunehmen zu können, gerät unter die Räder. RA Thorsten Franke-Roericht 33
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