2) Aber große kulturelle Unterschiede (z.b. bei Moslems = Alkohol verboten, im Osten sind bei uns illegale Substanzen erlaubt)
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- Christa Lehmann
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1 55 6. SUBSTANZINDUZIERTE STÖRUNGEN: DROGEN, PSYCHOTROPE SUBSTANZEN * grundsätzliche Überlegungen: 1) Verwendung bestimmter Substanzen, um Stimmung und Verhalten unter bestimmten Umständen zu verändern, ist normal -> Bedürfnis nach Rausch, Bewußtseinsveränderung ist ein allgemein menschliches (z.b. Feste, Feiern, Rituale) 2) Aber große kulturelle Unterschiede (z.b. bei Moslems = Alkohol verboten, im Osten sind bei uns illegale Substanzen erlaubt) * DSM-IV unterscheidet zwischen: 1) Substanzmißbrauch: mindestens 1 der folgenden Symptome innerhalb von 12 Monaten: * wiederholter Substanzkonsum -> Versagen bei der Erfüllung wichtiger Verpflichtungen (z.b. Arbeit, Schule, Familie) * wiederholter Substanzkonsum in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu körperlicher Gefährdung kommen kann * wiederholte Probleme mit dem Gesetz infolge des Substanzkonsums * fortgesetzter Substanzkonsum trotz ständiger Probleme, die durch die Auswirkungen der psychotropen Substanz verursacht oder verstärkt werden 2) Substanzabhängigkeit: mindestens 3 der folgenden Symptome innerhalb von 12 Monaten: * Toleranzentwicklung * Entzugssymptome * Einnahme der Substanz in großen Mengen oder länger als beabsichtigt * anhaltender Wunsch oder Versuche, den Substanzkonsum zu verringern oder zu kontrollieren * viel Zeit wird aufgewendet, um Substanz zu beschaffen, einzunehmen oder sich von den Wirkungen zu erholen * wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden eingeschränkt * Substanzkonsum trotz Kenntnis der von ihm ausgelösten Probleme fortgesetzt 1. DEFINITIONEN WICHTIGER BEGRIFFE: a) psychische Abhängigkeit, Craving: = unbezwingbares Verlangen, wiederholt eine bestimmte Substanz einzunehmen, Ziel: lustvollen Zustand wieder herzustellen und Unlustgefühle vermeiden b) körperliche Abhängigkeit: = Anpassungsprozeß des Stoffwechsels, der bei bestimmten Substanzen nach wiederholter Einnahme dazu führt, daß der Körper auf eine regelmäßige Einnahme der Substanz angewiesen ist
2 56 * Toleranz: -> zunehmend größere Mengen der Substanz sind notwendig, um die gleiche Wirkung zu erzielen -> gleiche Dosis führt dazu, daß Wirkung allmählich abnimmt * Entzugserscheinungen: nach Absetzen der Substanz treten negative Symptome auf, die nur durch wiederholte Einnahme der Substanz verhindert werden können c) soziale Auswirkungen: außerdem: -> Vernachlässigung der sozialen Beziehungen (Familie, Freunde, Arbeitskollegen) -> Nachlassen der beruflichen oder schulischen Leistungsfähigkeit -> Verwahrlosungserscheinungen -> kriminelle Verhaltensweisen * set: = psychische Konstitution des Konsumenten (Persönlichkeit, Erwartungshaltung, intrinsische Faktoren * setting: = Umgebungsfaktoren, die das Drogenerlebnis stark beeinflussen können (allein vs. in der Gruppe, positive vs. negative Atmosphäre) 2. EPIDEMIOLOGISCHE DATEN: * Lebenszeitprävalenz für illegale Substanzen (in Deutschland) 16,3% (2/3 davon sind Cannabis-Produkte) * Jährige nehmen mindestens einmal pro Woche -> Schmerzmittel (3.3%) -> Beruhigungsmittel (1%) -> Schlafmittel (0,4%) * Geschlechterverteilung: -> bei Opiaten: 2 Drittel Männer : 1 Drittel Frauen (unter 20 Jahre Gleichverteilung!) -> Medikamentenabhängigkeit: mehr Frauen (60%) 3. PSYCHISCHE UND VERHALTENSSTÖRUNGEN DURCH PSYCHOTROPE SUBSTANZEN (ICD-10): a) Halluzinogene: * Störungen durch Halluzinogene (psychedelische Substanzen) * Störungen durch Cannabinoide b) zentral aktivierende Substanzen (Stimulantien): * Störungen durch Kokain * Störungen durch sonstige Stimulantien einschließlich Koffein
3 57 * Störungen durch Tabak c) zentral dämpfende Substanzen: * Störungen durch Alkohol * Störungen durch flüchtige Lösungsmittel * Störungen durch Sedativa und Hypnotika * Störungen durch Opioide d) Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum sonstiger psychotropen Substanzen a) Halluzinogene: * sind Substanzen, die auf das limbische und retikuläre System wirken -> natürliche Filterfunktion des Gehirns wird ausgeschaltet -> Sinneswahrnehmungen werden verändert -> führen ein verändertes Bild der Wirklichkeit herbei * Symptome: -> Illusionen -> Verzerrung von Raum und Zeit -> Pseudohalluzinationen (-> Person weiß, daß das, was sie erlebt nicht real ist) -> Depersonalisationserlebnisse (-> Gefühl, daß man außerhalb seines Körpers ist) -> Überzeugung, daß gesteigerte sensorische (meist visuelle) Wahrnehmungen und der Wahrnehmende von außerordentlicher Bedeutung sind -> extrem weite Pupillen (= Mydriasis) -> Synästhesien (-> Ineinandergreifen der Sinne, z.b. Farben fühlen, Musik sehen,...) -> Depression -> Angst (-> Horror-Trip ) * Flashback oder Nachhall-Psychose: = ein Rauschzustand, der Wochen und Monate nach einem konsumfreien Intervall plötzlich und heftig auftritt * dazu gehören folgende Substanzen: -> LSD (= Lysergsäure-Diäthylamid): > ursprünglich aus dem Mutterkorn (= Pilzbefall von Getreide); > heute voll synthetisch erzeugt > entdeckt 1943 von HOFMANN -> Meskalin: aus dem mexikanischen Peyote-Kaktus -> Psylocibin: in Pilzen enthalten ( magic mushrooms ) * Modellpsychose : -> Symptome (siehe oben) ähnlich wie bei Schizophrenie -> biochemische Ursache der Schizophrenie = Serotonin-Hypothese -> LSD von außen zugeführt, bewirkt eine Störung im Serotonin-Haushalt -> schizophrenieähnliche Symptome
4 58 -> ist aber bis heute nicht geklärt -> heute: eher Prädisposition der Persönlichkeit dafür angenommen, ob Person nach Konsum von LSD psychotisch wird -> klarer Unterschied: bei LSD bleibt reflektierender Ich-Rest erhalten; er bewirkt die Einsicht, daß Erlebnisveränderung künstlich ist * LSD bringt nicht nur krankhafte Symptome hervor, daher: in den 60er Jahren LSD im therapeutischen Setting eingesetzt -> Methode der Aufdeckung von unbewußten traumatischen Erlebnissen -> nicht gewöhnliches Erinnern, sondern eigentliches Wiedererleben! (= psycholytische oder psychodelische Therapie von Kryspin-Exner!); ABER: nachdem Timothy LEARY LSD als Vitamin des Gehirns bezeichnete -> explosionsartiger Anstieg des Gebrauchs -> wurde verboten Cannabinoide: * Cannabis aus dem Harz der Hanfstaude gewonnen; Hauptwirkstoff = THC (Tetrahydrocannabinol) * Cannabis kann konsumiert werden als -> Haschisch (ausgeschiedenes Harz) -> Marihuana (getrocknete Blätter, Triebspitzen) => beides meist geraucht => Stärkeverhältnis: Haschisch : Marihuana = 5 : 1 * Wirkung: -> Ausschaltung von negativen Umweltreizen bis zu einem Zustand der High -Phase -> niedrige Dosen führen zu: > Gefühl der inneren Freude > Entspannung > Ruhe oder Gesprächigkeit > Manche Konsumenten werden aber ängstlich, reizbar, launisch und mißtrauisch (oft in Abhängigkeit von einer beunruhigenden Umgebung -> d.h. Cannabis ist abhängig vom setting) -> hohe Dosen führen zu: > visuellen Verzerrungen > Veränderungen des Körpergefühls > Halluzinationen > Panikattacken -> Amotivationales Syndrom : Passivität und Unproduktivität, Lethargie und Vernachlässigung der persönlichen Belange; Folge: bei Jugendlichen Schulabbruch und soziale Probleme -> ABER: Cannabis wird auch in der Medizin eingesetzt wegen seiner appetitanregenden Wirkung (z.b. bei Krebs- oder AIDS-Patienten)
5 59 b) Zentral aktivierende Substanzen: * Stimulantien = Substanzen, die die Aktivität des ZNS erhöhen, dadurch: -> Blutdruckanstieg -> Anstieg der Pulsfrequenz -> aktiveres Verhalten -> schnellere Denkprozesse -> gesteigerte Wachheit * dazu gehören: -> Koffein -> Tabak -> Kokain -> Amphetamine -> Designerdrogen Kokain: * 1860 von NIEMANN entdeckt, 1902 von WILLSTÄTTER erstmals synthetisch hergestellt * aus den Blättern des Koka-Strauches * wird inhaliert (geschnupft), kann auch intravenös gespritzt werden oder geraucht (= Crack) * Wirkung: -> euphorisches Anfluten von Wohlbefinden -> übersteigertes Selbstvertrauen -> Konsument fühlt sich tatkräftig, gesprächig, euphorisch -> gesteigerte Erregung und Wachheit => regt die Produktion der Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin an -> ZNS wird dadurch überstimuliert => große Dosen führen zu: Aggression, Größenideen, Affektlabilität. => nach Abflauen der Wirkung: depressionsähnlicher Zustand, Kopfschmerzen, Benommenheit => Kokain erzeugt: > hohe psychische Abhängigkeit > körperliche Abhängigkeit mit - Toleranzentwicklung - Entzugserscheinungen (Depressionen, starke Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Zittrigkeit, Angst) > mögliche Organschäden: - Nasenscheidewand weg - Herzstörungen
6 60 Amphetamine und Designerdrogen: * Amphetamine sind stimulierende Substanzen, die NUR synthetisch hergestellt werden * wurden ursprünglich hergestellt, um Asthma zu lindern * werden ge- bzw. mißbraucht von > Menschen, die abnehmen wollen (-> Appetitzügler!) > Sportlern (-> Doping) > z.b. von Piloten und LKW-Fahrern (-> um lange wachzubleiben) * Wirkung ähnlich wie Kokain * Verstärkung der Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin * enorme Toleranzbildung (bis zu 200fache Mengen!) in kürzester Zeit * Entzugserscheinungen: > tiefe Depressionen > übermäßiges Schlafbedürfnis * Extasy = Designerdroge auf Amphetaminbasis (verschiedenste Substanzen dabei -> große Gefahr!!!) > Gefühle der Offenheit, Zufriedenheit, Zuneigung > in Kombination mit Musik, Lichteffekten und Tanz oft tranceähnliche Zustände (-> sehr stark abhängig vom setting) > besonders gefährlich: aufputschendes Amphetamin + überlanges Tanzen -> Dehydrierung (= Austrocknung des Körpers von innen her) c) zentral dämpfende Substanzen: * verlangsamen die Tätigkeit des ZNS: -> wirken spannungslösend und enthemmend -> beeinträchtigen die Urteilsfähigkeit, die motorische Aktivität und die Konzentration Inhalantien (= flüchtige Lösungsmittel): * verschiedene Substanzen, wie Benzin, Chloroform -> Dämpfe geschnüffelt * 4 Phasen: > Übelkeit und Kopfdruck > Rauschgefühl mit Wohlbehagen > Übergang zu Tagträumen und Größenideen (z.b. ich bin Tarzan oder Superman) > Bewußtlosigkeit * sehr beliebt bei Jugendlichen -> billig, leicht konsumierbar, legal erhältlich
7 61 * Gefahr von Organschäden: > Lösungsmittel sind lebertoxisch > können zu Lähmungserscheinungen des Atemzentrums führen Beruhigungsmittel (Sedativa und Hypnotica): * Wirkungen: > führen zu Entspannung und Schläfrigkeit > in niedrigen Dosen: sedierend > in höheren Dosen: schlafanstoßend * Hauptsubstanzen: > Benzodiazepine > Barbiturate => beide können Toleranzbildung bewirken => bei abruptem Absetzen Entzugssymptome => werden von Patienten mit Angststörungen als Medikament dagegen eingenommen (hier keine Abhängigkeitsentwicklung) Opioide: * Opium = Extrakt des Schlafmohns -> Mohnmilch wird an der Luft getrocknet -> bräunlicher Saft (= Rohopium) * Morphium: aus dem Schlafmohn extrahiert -> injizierbares Analgetikum (1803 entdeckt von SERTÜRNER, eingesetzt bei Kriegsverletzungen) * Heroin: -> Derivat von Morphium; entsteht durch Hinzufügen von 2 Acetylgruppen zum Morphium -> Fettlöslichkeit -> tritt enorm schnell ins Gehirn über -> euphorisches Glücksgefühl -> 1875 entdeckt und zuerst als Hustenmittel angeboten... -> Einnahmeform: > Rauchen > Schnupfen > intravenöse Injektion (= am effektivsten, aber auch am gefährlichsten -> Ansteckung mit AIDS und Hepatitis)
8 62 -> Wirkung: > Aufhebung der Schmerzempfindung > Euphorie mit anfangs subjektiv stark erlebtem Glücksgefühl, danach Gefühl emotionaler Distanz, Wachträume > Dämpfung des Atem- und Hustenzentrums > initial Brechreiz > stecknadelkopfgroße Pupillen (= Miosis) > Verkrampfung vieler Muskeln im Magen-Darm-Trakt (Harnverhalten, Koliken der Gallen- und Harnwege, Darmlähmung) > Einschränkung der Schweiß- und Tränensekretion > bei Überdosis: Gefahr der Atemlähmung und Kreislaufschock -> Möglichkeit der Substitutionstherapie (nach gescheiterten Entzugsbehandlungen): > in Österreich seit 1987, anfangs mit Methadon > auch mit Hilfe von sogenannten retardierten Morphinen > seit 1999 mit Buprenorphin (= partieller Opioid-Agonist / Antagonist) Risiken und Folgen von Drogenmißbrauch: 1) Opiate / Beruhigungsmittel: b) Suchtpotential: c) Risiko von Organschäden oder Tod: niedrig niedrig bis mittel 2) Barbiturate: a) Intoxikationspotential: mittel b) Suchtpotential: mittel bis c) Risiko von Organschäden oder Tod: mittel bis mittel bis niedrig 3) Benzodiazepine: a) Intoxikationspotential: mittel b) Suchtpotential: niedrig c) Risiko von Organschäden oder Tod: niedrig niedrig niedrig
9 63 4) Stimulantien, z.b. Kokain, Amphetamine: b) Suchtpotential: c) Risiko von Organschäden oder Tod: mittel niedrig bis mittel mittel bis 5) Alkohol: b) Suchtpotential: mittel c) Risiko von Organschäden oder Tod: 6) Cannabis: b) Suchtpotential: niedrig bis mittel c) Risiko von Organschäden oder Tod: niedrig niedrig bis mittel niedrig 7) gemischte Drogen: b) Suchtpotential: c) Risiko von Organschäden oder Tod:
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