Barmer GEK Pflegereport 2013 Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse Band 23
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- Gisela Neumann
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1 Interessante Kurzinformationen aus dem Barmer GEK Pflegereport 2013 Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse Band 23 Die Details der vorliegenden Zusammenstellung wurden dem oben genannten Pflegereport entnommen und in eine laienverständliche Sprache übersetzt, um auch pflegenden Angehörigen einige der Informationen zu erschließen. Einführung neuer Bezeichnungen Thema gemäß Seite Erklärung: Der Begriff Pflegende Angehörige war von jeher unzureichend, denn er umfasst nicht nur Angehörige, sondern alle privat Pflegenden, also auch Freunde, Lebensgefährten oder Nachbarn. Die Fachwelt hat dieser Verwirrung ein Ende gesetzt und verwendet inzwischen spezielle Bezeichnungen. Ob sie sich durchsetzen, bleibt abzuwarten. Doch wenigstens diejenigen, die damit gemeint sind, sollten wissen, wie sie nun genannt werden. Heute spricht und schreibt man von informell Pflegenden. Damit sind alle in häuslicher Pflege engagierten Privatpersonen gemeint (Angehörige, Nachbarn, Lebensgefährten, Freunde, Bekannte). Sie haben keine (oder nur in Ausnahmefällen eine) entsprechende Berufsausbildung, übernehmen aber (fast) alles, was nötig ist. Der neue Begriff geht davon aus, dass diese Pflegenden informiert und angeleitet werden müssen, wie man etwas zu tun hat und warum das wichtig ist. Weil aber die informell Pflegenden oft Experten ihrer Situation sind. soll künftig der Begriff Laienpflege vermieden werden. Das Pendant zu den informell Pflegenden sind die formell Pflegenden. Damit meint man alle Fachkräfte mit fachspezifischen Kenntnissen, Fähigkeiten und entsprechenden Berufsabschlüssen. Ihr Handeln ist geplant beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie arbeiten gegen Bezahlung (im Dienst einer Organisation oder freiberuflich) und haben feste Arbeitszeiten. Internet Sinnvoll wäre: eine Integrierte Sozialversicherung statt Privatisierung Mit dem Pflegeversicherungsgesetz wurde 1994 eine Pflegevolksversicherung geschaffen, aber sie hatte von Anfang an zwei Versicherungszweige, nämlich die soziale und die private Pflegeversicherung. Zur sozialen Pflegeversicherung (SPV) zählen alle, die einer gesetzlichen Krankenversicherung angehören (das sind 85% der Bevölkerung); zur privaten Pflegversicherung (PPV) gehören diejenigen, die freiwillige Mitglieder privater Krankenversicherungen sind. Diese Teilung ist problematisch, weil sich damit erhebliche Ausleseprozesse abzeichnen, denn Privatversicherte sind deutlich einkommensstärker. Knapp die Hälfte der PPV-Versicherten ist zudem beihilfeberechtigt Das nach den Regeln der Sozialversicherung definierte beitragspflichtige Einkommen ist bei den Privatversicherten um 60% höher als bei den Sozialversicherten (Arnold und Rothgang 2010:78) BVerfGE
2 Es ist bekannt, dass höhere Einkommen mit einem niedrigeren Pflegerisiko einhergehen. Die Ausgaben liegen pro Jahr und Versichertem (bei gleichen Begutachtungskriterien und Leistungen) in der PPV bei 75 und in der SPV bei 300 (also 4 x so hoch). Hinzu kommt: Die Versicherten der SPV weisen nicht dieselben altersspezifischen Krankheiten auf wie die der PPV. Wäre es so, dann läge die Zahl der Pflegebedürftigen bei der SPV nur bei 1,5 Millionen und nicht bei 2,1 Millionen wie jetzt. Deshalb muss es ein Ziel der nächsten Pflegereform sein, einen solidarischen Ausgleich der ungleich verteilten Risiken zwischen SPV und PPV zu schaffen. Am leichtesten wäre das möglich in Form einer integrierten Pflegeversicherung, die die Risiken der Gesamtbevölkerung umfasst. Sollte sich das nicht realisieren lassen, weil der politische Wille dazu fehlt, könnten die Folgen der Unterteilung durch Schaffung eines entsprechenden Finanzausgleichs zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung gemildert werden (wie er schon 2005 im Koalitionsvertrag der damaligen großen Koalition vorgesehen war). Leistungsverbesserung durch Pflegeneuausrichtungsgesetz 2013 (PNG) Seit vielen Jahren war klar, dass es bei Pflege nicht nur um körperliche Krankheiten geht, sondern auch um geistige Einschränkungen und Demenz. Deshalb wurde 2006 ein Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes einberufen. Er legte 2009 das Ergebnis vor, 2012 / 2013 wurden die Vorschläge mit Einführung des PNG umgesetzt. Damit wurden z.b. folgende Veränderungen eingeführt: Sachleistungen können wahlweise nach Zeit-Modulen oder nach konkretem Zeitaufwand abgerechnet werden. Das Pflegegeld wird bei Inanspruchnahme von Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege zur Hälfte weitergezahlt; Seit Einführung des PNG können mehrerer Pflegeübernahmen addiert werden, Rentenansprüche entstehen erst, wenn Pflegende mindestens 14 Stunden leisten (in Stufe I sind aber nur 10,5 gefordert). Mit dieser Addition pflegenden Bezugsperson die 14 Stundengrenze erreichen. Selbsthilfegruppen und neuen Wohnformen werden gefördert; Nach dem Grundsatz Rehabilitation vor Pflege gehört nun zu jeder MDK Begutachtung eine konkrete Auskunft, ob eine Reha-Maßnahme angezeigt ist. Wohnraumanpassung in betreuten Wohngruppen. Leistungsverbesserung für geistig Behinderte, psychisch Kranke und Menschen mit psychischen Veränderungen im Alter. Begutachtungen des Medizinischen Dienstes (MDK) Der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) prüft im Auftrag der Pflegekassen, ob bei Patienten die Voraussetzungen für eine Pflegebedürftigkeitsstufe vorliegen. Dabei geht es um Erstbegutachtungen, Wiederholungsgutachten (z.b. wegen Einsprüchen) und Höherstufungsgutachten BMG 2009 a/b SGB XI (PfWG) /91 92
3 Insgesamt hat sich die Zahl der Begutachtungen seit Einführung der Pflegeversicherung von anfänglich 1,7 Mio. (1995) nach nur wenigen Jahren auf 1,3 Mio. verringert und blieb bis 2007 relativ konstant. Durch das zum in Kraft getretene Pflegeweiterentwicklungsgesetz erhielten auch Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (Demenz) einen Rechtsanspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen. 45b + 87b SGB XI Erstbegutachtungen auf Zuweisung einer Pflegestufe Tabelle Jahr Erstgutachten alle Pflegebedürftigen Stufe I Stufe II Stufe III (Werte nicht verfügbar) Entwicklungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz PEK Anspruchsberechtigte bei Erstbegutachtung 2012 nach 45a SGB XI Tabelle 13 Zahlen in Tausend. ambulant stationär 100 Stufe 0 (ohne reguläre Pflegestufe) 24,4% 6 11,8% Stufe I 97 56,4% 25 49,0% Stufe II 27 15,7% 16 31,4% Stufe III 6 3,5% 4 7,8% insgesamt Familienpflegezeit % der Hauptpflegepersonen mussten ihre Erwerbsarbeit aufgeben, weitere 11% haben sie eingeschränkt. 51% der Pflegenden waren bereits bei Pflegebeginn nicht erwerbstätig; 2012 gingen bundesweit 137 Anträge auf Pflegezeit ein, von denen 108 (75%) bewilligt wurden Das Familienpflegezeitgesetz der aktuellen Fassung hat sich nicht bewährt. TNS Infratest Monatliche Heimentgelte (Eigen-, Versicherungsanteile, Gesamtkosten) Jahr Stufe Gesamtkosten Pfl. Versicherung priv. Eigenanteil Tabelle I II III I II III I II III Die Hotelkosten in Pflegeheimen und die gesondert in Rechnung gestellten Investitionskosten müssen von den Pflegebedürftigen getragen 122 werden. Die Leistungen der Pflegeversicherung decken inzwischen deutlich weniger als die Hälfte der geforderten Gesamtheimentgelte ab
4 Weil ein Teil der Pflegebedürftigen nicht in der Lage ist, die Gesamtkosten eines Heimaufenthaltes aus eigenem Einkommen bzw. Vermögen zu finanzieren, ergibt sich häufig eine Leistungspflicht der Sozialhilfeträger (Hilfe zur Pflege als SGB XII-Leistung) entsprechend der jeweiligen Pflegestufe. Erhöht sich die Zahl der Leistungsempfänger infolge des demografischen Wandels weiter, entstehen deutlich höhere Sozialausgaben. Durchschnittliche Heim-Gesamtpflegesätze bundesweit pro Monat: Stufe I = 2.403, Stufe II 2.845, Stufe III = Herausforderungen für die nächste Pflegereform: SGB II Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes ff Im März 2012 wurde ein Expertenbeirat zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes eingesetzt aber er kann lediglich ein Instrument für die leistungsgerechte Verteilung knapper Ressourcen sein. Allein ein neuer Begriff kann weder die Finanzierung der notwendigen Pflegeleistungen sicher stellen noch helfen, den drohenden Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. Aber er kann helfen, das Geflecht von Einzelregelungen und Zusatzleistungen zu lichten. Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes hängt wesentlich davon ab, ob die Politik Entscheidungen bezüglich des Finanzrahmens trifft. Drohender und tatsächlicher Pflegenotstand: Die Zahl der Pflegebedürftigen wird von Ende 2011 = 2,5 Millionen bis zum Jahr 2050 auf 4,5 Millionen Pflegebedürftige steigen ( = + 80%) Es ist davon auszugehen, dass häusliche (informelle) Pflege zurück geht, denn die Familienpotentiale nehmen ab und berufliche (formelle) Pflege nimmt zu. Also wird der Bedarf an beruflicher Pflege weiter steigen, (was den Fachkräftemangel weiter erhöht). Hinzu kommt der erhöhte Pflegebedarf aufgrund des demografischen Wandels. Daraus ergibt sich 2030 im Vergleich zu 2009 eine Versorgungslücke von knapp vollzeitbeschäftigten Fachkräften in der Langzeitpflege. Darin sind Qualitätsverbesserungen noch nicht berücksichtigt. (Rothgang et al. 2012)ff Angesichts dieser Entwicklungen muss es ein primäres Ziel der Politik sein, diesem drohenden Versorgungsnotstand entgegen zu treten und zwar durch mehr Unterstützung der häuslichen (informellen) Pflege und die Nutzung des zivilgesellschaftlichen Potentials (beide sind zu verbessern). Zu diesen Maßnahmen zählen auch bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Ein zentrales Anliegen der Pflegeversicherung ist die Stärkung der häuslichen Pflege. So besagt das Pflegegesetz ausdrücklich: Die Pflegeversicherung soll mit ihren Leistungen vorrangig die häusli SGB XI
5 che Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lang in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Leistungen der teilstationärenund Kurzzeitpflege gehen der vollstationären Pflege voraus. Pflegebedürftige und Pflegende nennen als besondere Probleme: unzureichende Beratung oder Begleitung und fehlendes Case- und Care- Management. Erklärung: Case = leiten und koordinieren einer Hilfemaßnahme Care = Pflege, Betreuung, Obhut, Sorge, Sorgfalt Das Ziel von Case & Care ist es, Pflegemaßnahmen zu optimieren, organisieren und vernetzen. Pflegestützpunkte gibt es noch nicht flächendeckend, deshalb ist es für viele Betroffene schwer, geeignete Anlaufstellen zu finden. Diese sind erfahrungsgemäß nur sinnvoll, wenn sie in der unmittelbaren Nachbarschaft der Betroffenen liegen. In der formellen Pflege muss die Attraktivität der Berufe gesteigert werden und zwar durch: bessere Entlohnung, ein durchlässiges System von Qualifizierung und Weiterqualifizierung mit Aufstiegschancen; Werbung von Jugendlichen bessere Personalausstattung, die der Überlastung entgegenwirkt; familienfreundliche Arbeitsbedingungen (auch für Rückkehrer/innen nach der Familienphase); altersgerechte Arbeitsplätze, die die Weiterarbeit bis 65 möglich machen. Wenn es gelingt, die Zahl der stationär Versorgten konstant zu halten und neu hinzukommende Pflegebedürftige zunächst ambulant zu versorgen, könnte die personelle Versorgungslücke fast halbiert werden. Dazu ist es nötig, einen attraktiven Mix aus familiärer und beruflicher Pflege plus bürgerschaftlichem Engagement zu fördern. Rekommunalisierung der Pflege Der Anstieg der Fallzahlen ist regional sehr verschieden (z.b. Bremen 28%, Hamburg 32%, Brandenburg 72%). Entsprechend groß sind die regionalen und lokalen Unterschiede. Die Personallücke zeichnet sich besonders in Ballungsräumen und Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte ab. Nach Einführung der Pflegeversicherung hatten sich die Kommunen weitgehend aus der Pflege- und Altenhilfepolitik zurückgezogen. Nun ist man sich einig, dass sie wieder eine größere Rolle übernehmen müssen. Es muss wieder zu einer regionalen Gesamtverantwortung kommen. Deshalb kommt den kommunalen Trägern in der künftigen Pflege- und Versorgungslandschaft eine besondere koordinierende und gestaltende Funktion zu. Ebenso bei der Weiterentwicklung personeller Ressourcen und einer generationengerechten Infrastruktur. Damit die Kommunen dieser Aufgabe gerecht werden können müssen sie gemäß dem Konnexitätsprinzip finanziell ausgestattet werden. Erklärung: Konnexitätsprinzip: Wenn ein Bundesland seinen Kommunen eine Aufgabe überträgt (bzw. sie zu deren Wahrnehmung verpflichtet), die zu wesentlichen Mehrbelastungen führt, muss das Land gleichzeitig für Ausgleich sor- Internet Internet ff
6 gen, indem es Bestimmungen über die Deckung der Kosten trifft oder selbst finanziellen Ausgleich zahlt. Kurz und populär ausgedrückt: Wer bestellt soll bezahlen. Nach allen Landesverfassungen müssen die Länder ständig für eine aufgabengerechte Finanzausstattung sorgen, z.b. für freiwillige Aufgaben, erhöhte Sozialausgaben infolge Arbeitslosigkeit oder Bundesgesetzgebung. Aktuelle und langfristige Entwicklungen 1.2 Der Anstieg der Pflegebedürftigkeit beruht allein auf der demografischen Alterung. Hätte die Lebenserwartung der Bevölkerung sich nicht verändert, dann wäre auch die Zahl der Pflegebedürftigen nicht gestiegen. Die Wahrscheinlichkeit, jemals pflegebedürftig zu werden, steigt mit dem Alter. Bei den jährigen liegt sie bei 20-50%, ab 80 liegt sie bei 55-85%. 10 Im Jahr 2012 wurden ca (65,4%) Pflegebedürftige zu Hause gepflegt davon erhielten ca (48,3%) Pflegegeld (Geldleistung), sie wurden also ausschließlich durch informell Pflegende versorgt. Darüber hinaus werden ca Pflegebedürftige durch ambulante Pflegedienst (mit) betreut, von denen ca (5,8%) ausschließlich Sachleistungen beziehen und ca (17,1%) die Kombileistung wählen. Bezogen auf alle Pflegebedürftigen hat von 1996 (61,3%) bis 2012 (48,3%) die Inanspruchnahme des reinen Pflegegeldes abgenommen. Dem gegenüber ist von 1996 (15,7%) bis 2012 (22,9) die Inanspruchnahme der Kombileistungen gestiegen Zusammenstellung April 2014: Gudrun Born, Frankfurt wir pflegen e.v., Initiative Armut durch Pflege, Quelle: Barmer GEK Pflegereport 2013, Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 23 kann kostenlos bestellt werden bei: Barmer GEK, Hauptverwaltung Schwäbisch Gmünd Kompetenzzentrum, Gottlieb-Daimler-Str. 19, Schwäbisch Gmünd oder im Internet unter
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