SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT. Beschluss
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- Nikolas Brodbeck
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1 Az.: 2 B 413/13 5 L 291/13 Ausfertigung SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss In der Verwaltungsrechtssache der Frau - Antragstellerin - - Beschwerdeführerin prozessbevollmächtigt: gegen den Freistaat Sachsen vertreten durch die Sächsische Bildungsagentur Regionalstelle Dresden Großenhainer Straße 92, Dresden - Antragsgegner - - Beschwerdegegner - wegen Zurückstellung vom Schulbesuch ( 27 ABs. 3 SächsSchulG); Antrag nach 123 VwGO hier: Beschwerde
2 2 hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn und den Richter am Verwaltungsgericht Joop am 29. April 2014 beschlossen: Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin... in... beigeordnet. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. Juli L 291/13 - wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 festgesetzt. Gründe 1 1. Der Antragstellerin ist auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten zu bewilligen ( 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. 114 Abs. 1, 121 Abs. 1 ZPO). 2 Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, darf die Prüfung der Erfolgsaussichten in Prozesskostenhilfeverfahren nicht überspannt werden. Voraussetzung für eine hinreichende Erfolgsaussicht eines Rechtsschutzbegehrens ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Hierzu bedarf es der Feststellung, dass bei summarischer Prüfung der Ausgang des Verfahrens als zumindest offen erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26. Februar 2007, NVwZ-RR 2007, 361; Senatsbeschl. v. 2. März D 247/09 -, juris; st. Rspr.). So liegt es hier. 3 Im Beschwerdeverfahren wendet sich die Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden, mit dem dieses u. a. ihren Antrag nach 123 VwGO auf vorläufige Zurückstellung ihres Sohnes... vom Schulbesuch abgelehnt hat. Rechtsprechung des Senats zu der vom Verwaltungsgericht herangezogenen maßgeblichen Vorschrift des 27 SchulG liegt bislang nicht vor. Welche Voraussetzungen für
3 3 eine Zurückstellung des Sohnes der Antragstellerin vorliegen müssen und an welchen Gesichtspunkten die insoweit zu treffende Entscheidung auszurichten ist, ist daher derzeit ungeklärt (vgl. Senatsbeschl. v. 7. Januar D 169/10 -). Unter diesen Umständen sind die Erfolgsaussichten des Beschwerdeverfahrens als offen anzusehen. 4 Die Antragstellerin ist auch bedürftig. Dies ergibt sich aus der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Danach erhält die Antragstellerin ergänzend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach 123 VwGO zu verpflichten, ihren Sohn vorläufig, längstens für die Dauer eines Schuljahres, vom Schulbesuch zurückzustellen, zu Recht abgelehnt. 6 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Antrag sowohl unzulässig als auch unbegründet. Im Falle des den Eltern gemeinsam zustehenden Sorgerechts sei auch ein gemeinsamer Zurückstellungsantrag erforderlich, an dem es jedoch fehle. Zudem habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass allein die Zurückstellung ihres Sohnes rechtmäßig sei. Bei - wie hier - festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf solle eine den daraus erwachsenden Bedürfnissen gerecht werdende Beschulung erfolgen, von der nur ausnahmsweise abgesehen werden könne. Eine solche Ausnahmesituation liege jedoch nicht vor. 7 Die hiergegen von der Antragstellerin mit der Beschwerde vorgetragenen Einwendungen, auf deren Prüfung der Senat nach 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteil oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen ( 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. 920 Abs. 2 ZPO).
4 4 9 a) Ausgehend davon kann die beantragte einstweilige Anordnung schon deshalb nicht ergehen, weil sie unzulässig ist. Die Antragstellerin ist für den auf vorläufige Zurückstellung ihres Sohnes vom Schulbesuch gerichteten Rechtsschutzantrag nicht (allein) antragsbefugt ( 42 Abs. 2 VwGO in entspr. Anwendung), weil ihr die elterliche Sorge für ihren Sohn nur gemeinsam mit ihrem geschiedenen Ehemann zusteht ( 1626 Abs. 1, 1627 BGB). Trennung oder Scheidung der Eltern haben auf den Fortbestand des gemeinsamen Sorgerechts keinen Einfluss (vgl. Götz, in: Palandt, BGB, 73. Aufl., 1626 Rn. 6). Solange den Eltern - wie hier der Antragstellerin und ihrem geschiedenen Ehemann - die Sorge gemeinsam zusteht, ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind, gemäß 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB Einvernehmen erforderlich. Dazu gehört neben der Entscheidung über die Wahl der Schule, die das Kind besuchen soll (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6. November UF 60/09 -, juris Rn. 24 ff.; Götz, in: Palandt a. a. O., Rn. 13), die Entscheidung darüber, ob das grundsätzlich schulpflichtige Kind - der am 7. April 2007 geborene Sohn der Antragstellerin ist gemäß 27 Abs. 1 Satz 1 SchulG seit Beginn des Schuljahres 2013/2014 schulpflichtig - auf Antrag vom Schulbesuch zurückgestellt werden soll. An einer in diesem Sinne einvernehmlichen Ausübung der elterlichen Befugnisse fehlt es jedoch hinsichtlich eines Antrags beider Elternteile auf Zurückstellung ihres Sohnes und damit zugleich hinsichtlich der Führung des vorliegenden Rechtsschutzverfahrens zur gerichtlichen Durchsetzung des behaupteten Zurückstellungsanspruchs Mit einem an die Grundschule... in... gerichteten Schreiben ohne Datum, das nach ihren Angaben vom 26. März 2013 stamme, hat die Antragstellerin die Zurückstellung ihres Sohnes vom Schulbesuch beantragt. Das Schreiben ist indes lediglich von der Antragstellerin selbst, nicht aber von ihrem geschiedenen Ehemann unterzeichnet, so dass, wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausführt, kein gemeinsamer Zurückstellungsantrag vorliegt. Dieser lässt sich auch den Schreiben des geschiedenen Ehemanns der Antragstellerin vom 17. Juli und 6. August 2013 nicht entnehmen. Im Schreiben vom 17. Juni 2013 hat er lediglich erklärt, dass er einer Rückstellung nicht entgegentreten werde; im Schreiben vom 6. August 2013 hat er mitgeteilt, dass er einer Rückstellung seines Sohnes unter der Voraussetzung zustimme, dass dieser in einen anderen Kindergarten wechseln könne. Sollte der Kindergartenwechsel nicht möglich sein, gebe er ausdrücklich keine Zustimmung
5 5 zur Zurückstellung seines Sohnes. Dieser solle dann die Schule besuchen. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Vollmacht/Genehmigung ihres geschiedenen Ehemanns vom 11. September 2013 den in der alleinigen Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes durch die Antragstellerin begründeten Mangel heilen konnte. Ein (mögliches) nachträgliches Einverständnis ginge angesichts des fehlenden gemeinsamen Zurückstellungsantrags, der im Übrigen auch diesem Schriftstück nicht zu entnehmen ist, ins Leere b) Darüber hinaus hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zurückstellung ihres Sohnes vorliegen Gemäß 27 Abs. 3 Satz 1 SchulG können Kinder, die bei Beginn der Schulpflicht geistig oder körperlich nicht genügend entwickelt sind, um mit Erfolg am Unterricht teilzunehmen, im Ausnahmefall um ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt werden. Zur Feststellung des Entwicklungsstandes des Kindes können pädagogischpsychologische Testverfahren herangezogen sowie mit Zustimmung der Eltern bereits vorhandene Gutachten einbezogen werden ( 27 Abs. 3 Satz 2 und 3 SchulG). Die erforderlichen Entscheidungen trifft der Schulleiter ( 27 Abs. 4 SchulG). 4 Abs. 3 Satz 1 bis 3 Schulordnung Grundschulen (SOGS) bestimmt, dass eine Zurückstellung nur einmal möglich ist, und nennt als Beispiele für eine ungenügende körperliche und geistige Entwicklung insbesondere erhebliche gesundheitliche oder emotional-soziale Beeinträchtigungen. Die Zurückstellung soll nur erfolgen, wenn sich keine Anhaltspunkte für sonderpädagogischen Förderbedarf ergeben Hier hat die Leiterin der Grundschule..., an der die Antragstellerin ihren Sohn zur Aufnahme angemeldet hat, unter dem 24. Januar 2013 bei der Regionalstelle Dresden der Sächsischen Bildungsagentur die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs beantragt. Das förderpädagogische Gutachten vom 7. März 2013 kommt zu dem Ergebnis, dass der Sohn der Antragstellerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen hohen sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen erkennen lasse. Es werde deshalb die Aufnahme in die Klasse 1 der Schule zur Lernförderung zum Schuljahr 2013/2014 empfohlen. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat ebenso wenig wie das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss zu erkennen, dass bei ihrem Sohn, wie die Antragstellerin meint, kein
6 6 sonderpädagogischer Förderbedarf gegeben ist. An dieser Einschätzung ändert die mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Mitteilung des Gesundheitsamts des Landratsamts Sächsische Schweiz-Osterzgebirge vom 2. April 2013 nichts; aus der dort ausgesprochenen bloßen Empfehlung zur Rückstellung und weiteren logopädischen und ergotherapeutischen Förderung lässt sich im Wege der Ermessensreduzierung auf Null mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Vorwegnahme der Hauptsache gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf ausnahmsweise Zurückstellung nicht herleiten Die Kostenentscheidung beruht auf 154 Abs. 2 VwGO Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Eine Halbierung des Streitwerts ist wegen der Vorwegnahme der Hauptsache nicht angezeigt (vgl. Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, in: SächsVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage) Der Beschluss ist unanfechtbar ( 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). gez.: Grünberg Hahn Joop Ausgefertigt: Bautzen, den Sächsisches Oberverwaltungsgericht
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