Rapid Prototyping biomimetisch gestalteter Materialien

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1 In : Verbundwerkstoffe (Ed.: H.P. Degischer), 14. Symposium Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde, DGM, Juli 2003, Wien, pp Rapid Prototyping biomimetisch gestalteter Materialien A. Wöß 1, J. Stampfl 2, P. Fratzl 1 1 Erich Schmid Institut für Materialphysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Jahnstr. 12, 8700 Leoben, Österreich 2 Institut für Werkstoffkunde und Materialprüfung, TU Wien, Favoritenstr. 9-11, 1040 Wien, Österreich 1 Kurzfassung Zelluläre Materialien mit einer Porosität von mehr als fünfzig Prozent sind vielversprechende Leichtbauwerkstoffe. Die Natur verwendet Materialien dieses Typs für Anwendungen auch im lasttragenden Bereich, wobei der hierarchische Aufbau natürlicher Materialien die systematische Untersuchung des Einflusses der Architektur (der Geometrie) auf die mechanischen Eigenschaften erschwert. Durch den Einsatz von Rapid Prototyping (RP) Verfahren eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Herstellung offenporiger, zellulärer Materialen und Strukturen aus Kunststoff, Metall und Keramik. Wir haben unterschiedliche Strukturen mit gleicher scheinbarer Dichte mittels selektiven Laser Sinterns gebaut, mechanisch geprüft und den Einfluss der Architektur unabhängig von anderen Einflussgrößen ermittelt. Es zeigte sich, dass durch gezielte Wahl der Architektur sowohl die Steifigkeit als auch das Energieabsorptionsvermögen bei der Verformung in weiten Bereichen unabhängig von einander eingestellt werden können. Eine Anwendung von mittels Mikrostereolithographie und Keramikgelgießen hergestellten Strukturen aus Hydroxyapatit, der keramischen Komponente des Knochens, wurde untersucht. Sie eignen sich als Substrat für Zellkulturen und lassen vielversprechende Möglichkeiten im Bereich der Knochenersatzstoffe erahnen. 2 Einleitung Zellulare Materialien sind sowohl in der Natur als auch in der Technik häufig zu finden, da sie in vielen Fällen die beste Möglichkeit darstellen, ausreichende Festigkeit und Steifigkeit bei geringer Dichte beziehungsweise geringem Gewicht zu realisieren [1]. In der Technik sind Beispiele für zellulare Strukturen in der Architektur zu finden, Beispiele für die Anwendung schaumartiger technischer Materialien gibt es im Bereich Energieabsorption, Schallabsorption und vereinzelt auch im lasttragenden Bereich [2]. In der Natur findet man zellulare Materialien noch häufiger, da hier der Parameter Materialeinsatz meist noch größere Bedeutung hat. Beispiele sind spongiöser Knochen, Holz und Kork. Der stärkste Einflussfaktor auf die mechanischen Eigenschaften zellularer Materialien ist * * die scheinbare Dichte ρ / ρs. Hier ist ρ die Dichte der Struktur und ρ S die Dichte des Materials, aus dem die Struktur aufgebaut ist. Weitere Einflussfaktoren sind das Material und die Architektur. (Bei biologischen Materialien, die ja als Werkstoffverbunde in mehreren hierar-

2 chischen Ebenen bezeichnet werden können, ist die Anzahl der Einflussfaktoren noch bedeutend größer.) Zum Einfluss der Dichte auf die mechanischen Eigenschaften gibt es systematische Untersuchungen sowohl an Schäumen, als auch an regelmäßigen, periodischen Strukturen, auch der Einfluss des Materials wurde charakterisiert [1]. Auch im Bereich Modellierung gibt es Ansätze, die mechanischen Eigenschaften von Strukturen mittels Finite Elemente Methode zu untersuchen [3]. Um nun den Einfluss der Architektur auf die mechanischen Eigenschaften zellulärer Materialien zu untersuchen, haben wir Strukturen gebaut, die bei unterschiedlichen Architekturen gleiche scheinbare Dichte aufweisen (0,175) und deren Grundmaterial konstante Eigenschaften hat (Polyamid). Die gebauten Strukturen sind in Bild 1 zu sehen. Alle Strukturen haben darüber hinaus gleiche äußere Abmessungen und gleiche Abmessungen der Elementarzellen, sodass der Einfluss anderer Parameter als der der Architektur ausgeschlossen werden kann. Bild 1: Elementarzellen der untersuchten Strukturen. Sc und Tsc basieren auf der selben Elementarzelle. Sc, Bcc, Rbcc und G-A entstehen durch einfache Wiederholung der Elementarzelle in die drei Raumrichtungen. Es lassen sich zunächst drei Grundtypen unterscheiden. Die Stäbe der Gibson-Ashby- Struktur, die in [1] zur Modellierung der mechanischen Eigenschaften von Schäumen herangezogen wird, sind bei äußerer Belastung auf Biegung belastet. Diese Struktur sollte daher hohe Energieabsorptionseffizienz (EAE) aufweisen. Die kubisch primitive (Sc) und verschoben kubisch primitive (Tsc) Struktur, die am meisten Material in den in Druckrichtung verlaufenden Stäben hat, sollte hohe Steifigkeit aufweisen. Für die kubisch raumzentrierte (Bcc) und verstärkt kubisch raumzentrierte (Rbcc) Struktur kann man aufgrund ihrer großen Anzahl von Stäben und Knoten je Elementarzelle und der damit einhergehenden hohen Konnektivität große Festigkeit und Steifigkeit erwarten [4].

3 3 Experimentelles Die Strukturen, die in Bild 2 zu sehen sind, wurden zunächst mit einer CAD-Software am Computer entworfen, mittels einer speziellen Software virtuell in dünne Schichten zerlegt und anschließend mit einem RP-Verfahren namens Selektives Laser-Sintern gebaut. Hierbei wird auf einem Pulverbett die Struktur Schicht für Schicht aufgebaut, indem in jeder Schicht mittels eines Lasers der Bereich versintert wird, der nach den Vorgaben der Software im Bereich der späteren Struktur liegt. Überschüssiges Pulver wird nach Fertigstellung der Struktur weggeblasen. Die Strukturen wurden zwischen zwei polierten Werkzeugstahlplatten montiert und in einer Zwick-Universalprüfmaschine Druckversuchen mit einer Querhauptgeschwindigkeit von 5 mm/minute unterworfen. Die Kraft und die Verschiebung wurden gemessen. Die Auswertung lieferte drei Parameter: Die Maximalspannung wurde aus Maximalkraft dividiert durch die Grundfläche der Struktur errechnet und ist ein Maß für die Festigkeit der Struktur. Die Steifigkeit ist die Steigung der Spannungs-Dehnungskurve im anfänglichen linearen Bereich. Die Energieabsorptionseffizienz als Maß für die Schadenstoleranz einer Struktur errechnet sich aus der Fläche unter der Spannungs-Dehnungs-Kurve durch die Fläche für einen ideal plastischen Werkstoff mit gleicher Festigkeit (vergleiche Bild 2, Sc) [5]. Bild 2: Bilder und Spannungs-Dehnungskurven der getesteten Strukturen 4 Ergebnisse und Diskussion In Bild 2 sind die typischen Spannungs-Dehnungskurven der fünf getesteten Strukturen zu sehen. Die Maximalspannung und die Steifigkeit waren bei der G-A Struktur minimal. Die höchste Maximalspannung wiesen die Tsc und die Rbcc Struktur auf. Maximale Steifigkeit hatten die Tsc und Sc Strukturen, die höchste Energieabsorptionseffizienz (EAE) wiesen G-A, Bcc und Rbcc auf. In Bild 3 sind die wichtigsten Erkenntnisse dieser Untersuchung zusammengefasst. Man kann erkennen, dass sowohl Steifigkeit und damit korrelierend Festigkeit als auch EAE unabhängig voneinander um fast einen Faktor 3 verändert werden können, aus-

4 schließlich durch Variation der Architektur ohne Veränderung der scheinbaren Dichte oder des Materials. Bild 3: Ergebnisse der Druckversuche, Festigkeit und EAE über der Steifigkeit. Die Linien im oberen Bildteil sind nur Hilfslinien, um die Aussage des Bildes zu verdeutlichen, im unteren Teil handelt es sich um das Ergebnis einer linearen Regression mit Zwangsnulldurchgang. Die verstärkt kubisch raumzentrierte Struktur (Rbcc) ähnelt der typischen Lösung eines Technikers für eine lasttragende zelluläre Konstruktion, beispielsweise in der Architektur, wogegen die verschoben kubisch primitive Struktur (Tsc) der Lösung eines solchen Problems in der Natur ähnlich sieht, beispielsweise dem Inneren eines menschlichen Wirbelknochens. Beide Lösungen scheinen aber, zumindest in diesen speziellen Lastfall, ähnlich gute Resultate zu erzielen. 5 Hydroxyapatitstrukturen Eine weitere Anwendung der RP-Verfahren stellt die Gussformherstellung für das Keramikgelgießen dar. Bei diesem Verfahren wird aus einem Lösungsmittel, Keramikpulver und Kunststoffmonomeren eine Suspension hergestellt, das sich unter Vakuum vergießen lässt. Bei anschließendem, leichtem Erhitzen polymerisieren die Monomere im Gel, wodurch der Gussteil eine gelartige Konsistenz und damit eine gewisse Festigkeit erhält [6], [7]. Wir verwenden ein RP-Verfahren namens Mikrostereolithographie, um Gussformen aus Harz herzustellen. Bei diesem Verfahren, bei dem wie beim selektiven Laser-Sintern Bauteile Schicht für Schicht hergestellt werden, werden dünne Harzschichten selektiv belichtet, so, daß das Harz in den Bereichen, die im Inneren des Bauteil liegen, aushärtet. In die so gebauten Gießformen kann Keramikgel vergossen werden, wobei beim anschließenden Sintern zunächst das Wasser verdampft, danach brennen die Form und die Polymere aus dem Gel weg. Man erhält auf

5 diese Weise Keramikbauteile von annähernd beliebiger Geometrie, beispielsweise Strukturen, wie wir sie für die Druckversuche verwendet haben. Bild 4: Links: Struktur aus Aluminiumoxid. Rechts: Struktur aus Hydroxyapatit, dahinter mittels Mikrostereolithographie gefertigte Gießformen. Strukturen mittels Keramikgelgießen hergestellt. Zunächst verwendeten wir Aluminiumoxid zur Herstellung keramischer Strukturen (siehe Bild 4,links), später stellten wir auf Hydroxyapatit um. Hydroxyapatit (Ca 10 (Po 4 ) 6 (OH) 2 ) ist die keramische Komponente des Knochens, der ja ein Verbundwerkstoff aus dem organischen Polymer Kollagen und nanokristallinem Hydroxyapatit ist. Diese Hydroxyapatitstrukturen (Bild 4, rechts) eignen sich als Substrat für Knochenzellkulturen und könnten, da sie wahrscheinlich bioresorbierbar sind, in Zukunft eine gewisse Rolle im Bereich Knochenersatzstoffe spielen. Danksagung Die Arbeiten zu diesem Projekt wurden vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (P15852) unterstützt. 6 Literatur [1] L.J. Gibson and M.F. Ashby, Cellular solids Structure and Properties, 2 nd ed., Cambridge University Press, 1997 [2] J. Banhart, M.F. Ashby, N.A. Fleck, Cellular Metals and Metal Foaming Technology, Verl. MIT Publ., 2001 [3] A.P. Roberts, E.J. Garboczi, J. Mech. Phys. Sol. 2002, 50, [4] V.S. Deshpande, M.F. Ashby, N.A. Fleck, Acta Mater. 2001, 49, [5] C. Motz, R. Pippan, B. Kriszt in Handbook of Cellular Materials (Ed.: H.-P. Degischer, B. Kriszt), Wiley-VCH, 2002, [6] A.C. Young, O.O. Omatete, M.A. Janney, P.A. Menchhofer, Gelcasting of Alumina, J. Am. Ceram. Soc., 1991, 74(3), [7] J. Stampfl, H.C. Liu, S.W. Nam, K. Sakamoto, H. Tsuru, S. Kang, A.G. Cooper, A. Nickel, F.B. Prinz, Rapid prototyping and manufacturing by gelcasting of metallic and ceramic slurries, Mater. Sci. Eng. A, 2002, 334(1-2):