TOUR-Trans-Austria. tour

Transkript

1 TOUR-Trans-Austria 108 tour

2 Eisklettern Einmal quer durch die Alpenrepublik: Im September erlebte das Jedermann-Rennen TOUR-Trans-Austria seine kühle Premiere. TOUR-Redakteur Kristian Bauer ist mitgeradelt tour 109

3 TOUR-Trans-Austria text Kristian Bauer Fotos Uwe Geißler Ein Marillenknödel ist ein unscheinbares Ding. Von außen sind seine Genüsse kaum zu erkennen, und erst wenn man sich durch den weißen Teig gebissen hat, schmeckt man die köstliche Aprikosenfüllung. Ähnlich unscheinbar wie der österreichische Quarkknödel erschien mir die Streckenkarte der TOUR-Trans-Austria Die Orte sagten mir wenig, die meisten Pässe gar nichts. Während die TOUR-Transalp mit großen Namen wie Timmelsjoch oder Jaufenpass wuchert, waren der Kerschbaumer Sattel, die Windische Höhe oder der Sölkpass wohl nur wenigen Teilnehmern der TOUR- Trans-Austria vorher bekannt. Ich war sehr gespannt, was mich bei der Premiere des Jedermann- Rennens durch die rot-weiß-rote Alpenrepublik erwarten würde. Meine Vorfreude war unendlich groß allerdings nur bis der Wetterbericht für die ersten Renntage auf dem Tisch lag. Noch kälter und oft regnerisch. Die Schneefallgrenze sinkt von Osten her allmählich auf bis Meter. Einen Tag vor dem Start ist die Wetterprognose des ORF ernüchternd. Beim Marillenknödel TOUR-Trans- Austria scheint es sich um Tiefkühlware zu handeln. Während ich die letzten Tage noch Reinhard Fendrichs Es lebe der Sport vor mich hingesummt hatte, kommt mir jetzt Schifoan von Wolfgang Ambros in den Sinn. Winter- Wintereinbruch das hört sich eher nach Spaß auf zwei Brettern als auf zwei Rädern an Plan B: Nach dem Wintereinbruch werden die Räder per Lkw nach Lienz gebracht einbruch bis ins Mittelgebirge hört sich eher nach Spaß auf zwei Brettln als auf zwei Rädern an. Am Start in Kirchberg in Tirol stehe ich daher mit allem, was der Kleiderschrank hergibt: Lange Radhose, Regenjacke, Überschuhe, Helmmütze und lange Handschuhe all das werde ich nicht nur heute brauchen. Die Temperaturen liegen um die fünf Grad, der österreichische Himmel begrüßt uns mit Dauerregen. Kein Problem, sagt Thomas Claire aus Edinburgh, ich fahre gerne im Regen, in Schottland ist das Wetter fast immer schlecht! Meine Euphorie ist angesichts des kalten Regens hingegen deutlich gesunken, und die Schwierigkeiten der Wetterküche: Die erste Etappe erfordert guten Regenschutz 110 tour

4 Austria pur: mit hohem Tempo durch kleine Bergdörfer ersten Etappe sind nicht im Höhenprofil ersichtlich: 121 Kilometer Strecke bedeuten gefühlte Liter Wasser, die mir die Reifen der Vordermänner ins Gesicht schleudern. Aber wenigstens bin ich perfekt angezogen dachte ich. Füße und Handschuhe sind schon nach zehn Minuten nass, besonders die lange Abfahrt vom Gerlospass ist daher ein luftgekühltes Vergnügen. Doch noch schlimmer als die Gegenwart erscheint die Zukunft. Was, um Gottes Willen, soll morgen erst auf der Großglockner Hochalpenstraße kommen rund Meter höher? Die abendliche Pasta-Party steigt auf Metern Höhe. Während ich mich wie die anderen hungrigen Teilnehmer auf Tiroler Gröstl und Kaiserschmarrn stürze, überdeckt draußen ein weißer Teppich die Landschaft. Nur der örtliche Tourismusdirektor ist darüber nicht traurig, keimt bei ihm doch Vorfreude auf die Skisaison auf. Rennleiter Uli Stanciu teilt schließlich mit, was bereits zu erwarten war: Die zweite Etappe, über die Großglocknerstraße, wird abgesagt. Angesichts von mehreren Zenti metern Neuschnee vor dem Bergrestaurant applaudieren die Teilnehmer für diese Entscheidung heftig. Der Transport zum geplanten Zielort Lienz erfolgt am nächsten Tag per Bus, und viele Teilnehmer nutzen den ungeplanten Ruhetag zum Einkaufsbummel in der Innenstadt. TOUR-Mechaniker Ralph Käseberg kommt hingegen nicht mehr zur Ruhe. Die Abfahrten bei Nässe haben die Bremsgummis schmelzen lassen wie Butter in der Sonne, und die Nachfrage nach neuen Belägen ist riesig. Ich komm gar nicht mehr hinterher mit dem Wechseln, ich könnte meinen Stand 24 Stunden lang aufmachen, stöhnt er und schuftet so lange weiter, dass er sogar das Abendessen verpasst. Übermotiviert in die Abfahrt Frisch ausgeruht stehen die Teilnehmer am dritten Tag in Lienz am Start. Meine Motivation ist heute hoch. Zu hoch, wie sich später zeigen wird. In der rauschenden Abfahrt vom Karitischer Sattel fliegt eine enge Kurve auf mich zu. Im aufgestellten Straßenspiegel taucht verzerrt ein entgegenkommendes Auto auf. Ich bremse, rutsche und kippe langsam vom Rad. Mein sorgenvoller Blick gilt meinem neuen Carbonrenner, doch kein Kratzer verun tour 111

5 TOUR-Trans-Austria Windschutz: Auf den Flachpassagen bilden sich schnell Gruppen Besonders die Nockalmstraße liefert Postkartenmotive wie am Drehständer staltet mein Renngerät. Glück gehabt! Im Gegensatz zur TOUR-Transalp findet die österreichische Variante nicht auf gesperrten Straßen statt. Ein Umstand, der mir im Vorfeld Sorgen gemacht hat, in der Praxis aber kaum auffällt. Zahlreiche Polizisten und die Marshalls des Veranstalters bemühen sich um einen reibungslosen Ablauf. Die Gegenfahrbahn ist natürlich immer tabu, und das Bremsen vor den Kurven nimmt einem auch keiner ab. Aber auch ich bin lernfähig. Bremsen ist am vierten Tag aber ohnehin nicht das Problem schließlich geht es Höhenmeter bergauf. Gewicht sparen ist bei Pässefahrern eine Obsession, und mein Körper scheint sich daran beteiligen zu wollen: Beim Frühstück löst sich eine goldene Zahnkrone fünf Gramm Gewicht gespart! Rennleiter Uli Stanciu hatte am Vorabend bereits angekündigt, dass uns gleich im ersten Anstieg eine sehr kurze Rampe mit 18 Prozent bevor stehe. Was er nicht verraten hat: Davor und danach bewegt sich die Steigung immer noch deutlich im zweistelligen Prozentbereich. Doch trotz oder wegen der Schinderei ist die heutige Etappe von Hermagor nach St. Michael im Lungau ein einziger Genuss. Besonders die Nockalmstraße liefert Postkartenmotive wie am Drehständer: Zieht sich die mehr als 30 Kilometer lange Straße zunächst noch in elegant geschwungenen Serpentinen durch Lärchen- und Zirbenwälder, kann man bald weit über die mit einer dünnen Schneeschicht überzogenen Nockberge blicken. Die Kurven der Passstraße sind durchnummeriert und phantasievoll getauft. Sunnaroasa Sonnenreise heißt eine. Passt auch, denn trotz winterlicher Temperaturen strahlt die Sonne über die 35 Kilometer lange Bergstraße. Wer hier nicht an seine körperlichen Grenzen stößt, fährt zu langsam. Das tue ich ganz bestimmt nicht: Mein Mund ist inzwischen weit aufgerissen und der Puls höher als die Berge der Umgebung. Die Verpflegungsstelle auf rund Metern scheint mir das Paradies. Ich habe garantiert noch nie eine so gute Melone gegessen! Allerdings habe ich auch noch nie so sehr einen Gegenanstieg verflucht wie den, der wenig später folgt. Mein selbst ausgedrucktes Mini-Höhenprofil zeigt nach 110 Kilometern nur einen kleinen Zacken. Doch was im Ausdruck ein Klacks scheint, wirkt mit Höhenmetern in den Beinen plötzlich unbezwingbar. Ich lobe im Geiste die Vorteile meiner Dreifach-Kurbel und rette mich mit diesen Gedanken ins Ziel. Dort zeigt sich, dass die Tour nicht nur am Berg gewonnen wird. Die Verpflegung in St. Michael im Lungau passt zur großartigen Etappe: Im Ziel bringt mir ein alkoholfreies Weißbier neue Kräfte, und bei der Pasta- Party kann ich nach Hühnchen mit Erdäpfelsalat und ungezählten, gut gefüllten Tellern vom Kuchenbüffet kaum mehr gehen. Gemeinsam als Einzelstarter Losgefahren bin ich zwar als Einzelstarter, alleine bin ich aber nie. Martin Ambrecht aus Katlenburg-Lindau und Ruben Goldberg aus Ingolstadt sind zwei Einzelstarter, denen ich auf der Strecke immer begegne. Beide wollten ursprünglich als Team an den Start gehen. Bei Martin hatte der Schwager keine Zeit, und bei Ruben fand sich kein trainierter Mitstreiter. Bei der TOUR-Transalp war ich es gewohnt, an einem schlechten Tag auch mal die Unterstützung von meinem Partner zu bekommen, erzählt Ruben. Ich habe daher lange überlegt, ob ich auch alleine starten soll. Aber zum Glück wird hier nicht so hektisch gefahren, und deshalb läuft es ganz gut. 112 tour

6 Eine Erfahrung, die ich teile. Ob Einzelstarter oder Team: Wenn auf den flachen Teilstrecken der Wind entgegenkommt, bilden sich stets Gruppen. Auf den letzten drei Etappen ist das besonders wichtig, schließlich sinkt die Zahl der Höhenmeter und steigt damit die Bedeutung des Gegenwinds. Immer wieder treffe ich auch die Wiener Wolfgang Roschnik und Thomas Feichtinger vom Team Öster reichische Bundesforste mit der Startnummer 63 A und 63 B. Da ich als Einzelstarter die Nummer 63 am Lenker habe, bin ich schnell akzeptiert. Scherzhaft bezeichnen wir uns als einziges Drei-Mann-Team im Rennen. Am fünften Tag begleiten die beiden mich über den Ober tauern, und am sechsten Tag pfeifen unsere Lungen im Takt den Sölkpass hinauf. Steile Serpentinen winden sich dort die letzten Kilometer der Passhöhe entgegen, und die beiden Förster fordern mich scherzhaft auf, sie doch bitte zur Passhöhe hochzuschieben. Nur noch eine Etappe. Ich kann gar nicht glauben, wie schnell wir uns dem Ende des Rennens nähern. Der Körper hat sich längst an die Strapazen gewöhnt, und mit dem nahen Ziel vor Augen ist die Motivation am letzten Tag besonders hoch. Schließlich wartet ja nur noch eine harmlose 100-Kilometer-Strecke. Harmlos? Ein fataler Irrglaube! Mit großen Gängen knallen die Jungs die Berge hoch und pumpen Laktat in ihre Beine. Nur nicht abreißen lassen, ist die Devise, denn es warten noch flache Strecken mit viel Gegenwind. Die 106 Kilometer und Höhenmeter werde ich am Ende des Tages mit einem 30er-Schnitt bewältigt haben. Trotzdem lande ich im hinteren Teil der Tageswertung bei den Herren. Nach all dem Lob über schöne, gemütliche Streckenorte, wilde Bergstraßen und sehenswerte Panoramen zeigt sich heute die wichtigste Zutat für Spaß auf der Strecke: Rennatmosphäre. Gemeinsam den Berg hochzujagen und dabei alles zu geben, ist ein unbezahlbares Vergnügen. Quälen ist ein kleines Wort für den großen Spaß an der Schinderei. Vielleicht gehört es einfach zur Radfahrer-Ehre, bis zum Schluss alles zu geben. Ich auf jeden Fall genieße jeden schweren Tritt, und nachdem ich das letzte bisschen Luft am Ziel ausgepustet habe, atme ich pures Glücksgefühl ein. Das schlechte Wetter der ersten Tage ist längst vergessen und überlagert von einem bunten Mosaik an Eindrücken. Mich hat der Marillenknödel TOUR-Trans-Austria voll überzeugt! n Bilder von der TOUR-Trans-Austria 2008 und Anmeldung für 2009 (ab 17. November) unter Wir gratulieren den Finishern der Amarell Ludwig Angerer Christian Angerer Helmuth Armbrecht Martin Aschwer Hermann Babinsky Markus Baeten Sam Barth Michael Barz Martin Bauer Heinz Bauer Kristian Beckmann Andreas Behle Torsten Bello Yossi Berghmans Peter Beukenberg Jan Blach Martin Blankesteijn Evert Boelsen Stefan Böhm Rudolf Böker Matthias Bolink Rik Borchers Matthias Bormann Christian Bösch Andreas Boutabba Raouf Breneman Karen Bretting Reinhard Brigato Eugenio Brockhoff Ulrich Buchheit Timo Büchter Wilfried Burger Olaf Carisch Yvonne Claus Bernd Davies Andrew Derksen Michiel Deusser Andreas D hooge Marc Donnermeyer Matthias Drescher Sonja Dunne Steve Ehlers Stefan Elsner Klaus Engel Alexander Engelhardt Lenny Engelhardt Mike Engler Johannes Ettenhuber Josef Fedyna Marg Feichtinger Thomas Fieker Janet Foweraker Sandra Franck Thierry Franzini Marco Freitag Andy Freitag Roby Frewer Jürgen Fricker Verena Fricker Walter Fruhstorfer Wolfgang Furia John Garlinsky Jörg Gassmayr Robert Gerersdorfer Ilse Gerersdorfer Laurenz Glaser Jens Goldberg Ruben Goldstein Leah Götsch Philip Grassnig Markus Greipel Sabine Groß Dieter Grosser Hendrik Groth Hans Grothe Christian Grüber Annika Hager Hans - Jörg Hallweger Willi Happel Ulrike Hartig Olaf Heide Elisabeth Hennig Marko Heyn Wolfgang Hinkel Christoph Hochenwarter Siegfried Hoffmann Walter Höfling Orkan Höschel Norbert Hughes Tim Hussey Jon Janissen Rolf Jansen Franz- Leo Jansen Sander Jeffreys Peter Jones Graham Kaldenhoff Carsten Kanski Klaus Karner Franz Kasperczyk Peter Kessen Peter Kiijärvi Matti Klose Thomas König Günter König Uta Krafft Florian Krafft Sebastian Kriegsmann Michael Kristionat Rainer Krivetz Hannes Landkammer Robert Lechermann Thomas Lenz Joerg Lesiak Herbert Lilienfein Hans-Albrecht Lindner Paul Lintschinger Sven Lintu Mikko Lodoen Jarleif Loidolt Hans-Peter Lotter Stefan Lunte Andreas Lynch Scott Maeß Longine Maeß Ronald Maier-Staud Till Manser Michael May Jonny Mcgann Erin Merritt Joanne Messina Roberto Meyer Klaus Miano Alexander Möllenhoff Jens Murauer Philipp Neßler Frank Nicodin Gheorghe Nijhuis Jeroen Okrus Manfred O Mahony Sheila Oster Bernhard Oster Sabine Pamminger Torsten Papon Sven Philipp Peter Pongratz Markus Povsic Anze Pritzl Max Quast Ole Rabben Otto Rädler Norbert Ramsauer Thomas Rapol Dirk Rapp Manfred Rasser Manfred Redante Detlef Reischütz Thomas Reithmeier Kurt Rembold Mario Richter Angie Ridder Frank Rieber Markus Rittmeyer Immo Rohde Peter Rohleder Karl Roschnik Wolfgang Rösel Horst Günter Rossi Frank Saussus Phil Schaffnit Jochen Schaffnit Rolf Schapke Lutz Schautteet Francis Schellander Werner Schenk Ulf Scherner Malte Schiesser Susanne Schilbach Andrej Schings Rosi Schmidt Michael Schmidt Peter Schmidt Susi Schmitz Manfred Schmitzberger Christian Scholz Ralf Schönauer Albert Schönauer Gerhard Schredl Johann Schreiber Toni Schröder Martin Schuchmann Birgit Schuhmann Rainer Schulze Olaf Schweier Karl Seewald Norbert Sickmüller Johannes Silpert Ladislav Sinzinger Alois Somieski Katharina Spanger Lars Speicher Florian Spence Ross Stahl Erich Staufer Marita Steil Alexander Sterzl Harald Stickler Stefan Stöckl Wolfgang Stockreiter Stefan Strangfeld Uwe Straten Christoph Striewski Uwe Tanghe Dirk Thalhammer Thomas Thomas Claire Tillmann Julia Treude Marc Tschümperlin Sandra Uliczka Steffen Ullram Werner Ullsperger Thomas van Asten Kees Veith Michael Voigtländer Lutz Wahl Ulrich Waid Marion Waid Martin Waldmann Frank Wechner Joachim Wedl Stefan Wegehaupt Detlef Weidner René Weinberger Rolf Weiß Holger Weiss Rainer Whitbread Katie Wiebel Daniel Wildt Torsten Will Nicolas Wiltschnig Silvio Windsberger Robert Winkler Klaus Winkler Ralf Zielenbach Michael Zimmermann Ullrich Zörweg Heinz Geschafft! TOUR-Redakteur Kristian Bauer glücklich im Ziel