Bewertungsreserven in der Lebensversicherung Dr. Wolf-Rüdiger Knocke
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- Nadja Wetzel
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1 Bewertungsreserven in der Lebensversicherung Dr. Wolf-Rüdiger Knocke Forum V-Trends, 15. Oktober 2013
2 Agenda 1. Rechtsgrundlage und geltende Regelung Bundesverfassungsgericht, Bilanzierung nach HGB, Berechnung 2. Probleme und Auswirkungen Niedrigzinsphase, Risikotragfähigkeit 3. Gesetzentwurf zur Reform 2012 Modell und Gründe der Ablehnung 2
3 Rechtsgrundlage Bundesverfassungsgerichtsurteil, 26. Juli Az. 1 BvR 80/95 Versicherungsnehmer müssen angemessen an Bewertungsreserven (stillen Reserven) bei Vertragsbeendigung beteiligt werden Damaliger Fokus auf Aktien und Immobilien Gilt aber auch für Anleihen Gesetzgeber hatte die Pflicht bis eine Neuregelung zu treffen Reform des Versicherungsvertragsgesetz (VVG), 1. Januar Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Beteiligung an Bewertungsreserven zu 50% zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung Geltend für alle kapitalbildende Lebensversicherungsverträge mit Vereinbarung der Beteiligung an Überschüssen aus Kapitalerträgen Zuordnung nach ursachenorientiertem Verfahren Jährliche Berechnung Aufsichtsrechtliche Anforderungen haben Vorrang (Solvabilität, Stresstest) 3
4 Wie entstehen Bewertungsreserven? Bilanzierung nach HGB Buchwerte von Kapitalanlagen gemäß Niederstwertprinzip Bewertungsreserven: Differenz zwischen den angesetzten Buchwerten und Marktwerten (Zeitwerten) von Kapitalanlagen Versicherungsunternehmen sind verpflichtet die Marktwerte aller Kapitalanlagen zu veröffentlichen (Anhang zur Bilanz) Rein deutsches Gesetz Beispiel: Folgen eines Zinsabfalls auf festverzinsliche Wertpapiere Bewertungsreserven Buchwert = Marktwert Zins Buchwert t 0 t 1 Kauf festverzinsl. Wertpapiere Marktwert Zeit t 4
5 Geltende Regelung Zuteilungsverfahren Vorhandene Bewertungsreserven des Versicherungsunternehmens sind (mindestens) jährlich zu bewerten Sicherstellung der Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer Auszahlung Zeitpunktbezogen: Zeitpunkt der Vertragsauszahlung Lebensversicherung: z.b. Auszahlung, Kündigung Rentenversicherung: z.b. Beginn der Auszahlungsphase, Kündigung Entnahme der Bewertungsreserven aus der freien Rückstellung für Beitragsrückerstattung (freien RfB) 5
6 Berechung der Bewertungsreserven (1) Höhe der Bewertungsreserve einer Versicherung B i (t) = BWR(t 1 ) AAV(t 2 ) AEV i (t) mit B i (t): Höhe der Bewertungsreserve von Versicherung i zum Zeitpunkt t BWR(t 1 ): Tatsächlich vorhandenen Bewertungsreserven zum Zeitpunkt t 1 (Berechnung monatlich, mindestens jährlich) AAV(t 2 ): Anteil der anspruchberechtigten Versicherungen an den Bewertungsreserven zum Zeitpunkt t 2 (Berechnung jährlich ausreichend) AEV i (t): Anteil von Versicherung i an den Bewertungsreserven zum Zeitpunkt t (Berechnung zum letzten berücksichtigten Abschlussstichtag) 6
7 Berechung der Bewertungsreserven (2) Anteil einer Versicherung an Bewertungsreserven AEV i (t) = SumKap(aV i ) / Σ i SumKap(aV i ) mit SumKap(aV i ): Summe des Kapitals von Versicherung i zum Zeitpunkt t Summe des Kapitals umfasst: Deckungsrückstellungen (einschl. Bonusdeckungsrückstellungen, ohne Auffüllung auf Mindestrückkaufswerte) Reserveauffüllungen aus Rentennachreservierungen (soweit nicht vom Versicherungsnehmer gegenfinanziert) Ansammlungsguthaben Bereits festgelegte Überschussbeteiligung (für das Jahr des anspruchsauslösenden Geschäftsvorfalls) 7
8 Agenda 1. Rechtsgrundlage und geltende Regelung Bundesverfassungsgericht, Bilanzierung nach HGB, Berechnung 2. Probleme und Auswirkungen Niedrigzinsphase, Risikotragfähigkeit 3. Gesetzentwurf zur Reform 2012 Modell und Gründe der Ablehnung 8
9 Problem: Niedrigzinsphase Zinsentwicklung 6,0% 5,0% 4,0% 3,0% 3,2% 2,0% 1,0% 0,0% Hoher Anteil festverzinslicher Wertpapiere im Anlageportfolio deutscher Lebensversicherer Rendite der Bundesanleihe sinkt unter den durchschnittlichen Garantiezins 9 Jan. 02 Jul. 02 Jan. 03 Jul. 03 Jan. 04 Jul. 04 Jan. 05 Jul. 05 Jan. 06 Jul. 06 Jan. 07 Jul. 07 Jan. 08 Jul. 08 Jan. 09 Jul. 09 Jan. 10 Jul. 10 Jan. 11 Jul. 11 Jan. 12 Jul. 12 Jan. 13 Jul. 13 Quelle: GDV
10 Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere 14% Entwicklung der Bewertungsreserven 5,0% 12% 4,5% 10% 4,0% 8% 3,5% 6% 3,0% 4% 2,5% 2% 2,0% 0% 1,5% -2% -4% 2005 Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q Q ,0% 0,5% -6% 0,0% Quelle: GDV Hohe Volatilität der Bewertungsreserven Starke Abhängigkeit (Korrelation) mit aktuellem Zinsniveau Durchschnittliche Duration im Markt: ca. 8 Jahre 10
11 Auswirkungen Versicherungsunternehmen Niedrigzinsumfeld belastet die Risikotragfähigkeit deutscher Lebensversicherer Sicherstellung der Gesamtleistung für deutsche Lebensversicherungskunden wird zunehmend schwieriger Aktuelle Regelung - Verhindert die Nutzung der Bewertungsreserven als zusätzlichen Risikopuffer - Führt zu geringeren Solvabilitätsquoten Vorzeitigen Verkauf langfristiger Kapitalanlagen nötig Verzicht auf zukünftige, sichere Zinserträge Versicherungsnehmer Beteiligung an Bewertungsreserven zulasten der Versicherungsgemeinschaft Langfristige Anlage wird kurzfristig abgezogen Verzicht auf zukünftige, sichere Zinserträge (für Versicherungsgemeinschaft) 11
12 Beispiel: Ausschüttung zu Lasten der Kunden Kauf einer 10-jährigen Anleihe in 2008, Laufzeit: 10 Jahre, Kupon: 5% (jährlich) Quelle: GDV Szenario 1: keine Ausschüttung der Bewertungsreserven Anleihe wird bis zur Endfälligkeit gehalten Bewertungsreserven lösen sich auf Summe der Zahlungsströme: 150 Euro 5% Kupon Verkauf nach 5 Jahren Szenario 2: Ausschüttung der Bewertungsreserven Verkauf der Anleihe nach 5 Jahren 5% Kupon 1,7% Kupon Ausschüttung der Bewertungsreserven Wiederanlage des übrigen Kapitals zum aktuellen Zins von 1,7% Summe der Zahlungsströme: 142 Euro 12
13 Fazit Bewertungsreserven Stellen Scheingewinne dar Sind von Versicherungsunternehmen nicht plan- und steuerbar Stellen keine garantierte Leistung für Versicherungsnehmer dar Sind zeitpunktbezogen Verstärkende Wirkung in Niedrigzinsphasen Hoher Anteil festverzinslicher Anlagen (89,6 %) im Anlageportfolio Belastung der Versicherungsunternehmen durch Niedrigzinsumfeld Verstärkende Wirkung durch hohe (negative) Korrelation zwischen Zins und Bewertungsreserven Geltende Regelung wirkt krisenverschärfend - Verminderte Kapitalanlageerträge durch Niedrigzins - Höchste Sonderausschüttungen an Versicherungsnehmer - Aufbau einer geforderten ZZR 13
14 Agenda 1. Rechtsgrundlage und geltende Regelung Bundesverfassungsgericht, Bilanzierung nach HGB, Berechnung 2. Probleme und Auswirkungen Niedrigzinsphase, Risikotragfähigkeit 3. Gesetzentwurf zur Reform 2012 Modell und Gründe der Ablehnung 14
15 Interessensausgleich Vertragsgenerationen Beteiligung an Bewertungsreserven hat Auswirkungen auf gesamten Versicherungsbestand Auslaufende Versicherungsverträge Fortgeführte Versicherungsverträge Höhe der Beteiligung an Bewertungsreserven zeitpunktabhängig (Zufall) Ungerechtfertigte Verteilung in geltender Regelung Nur auslaufende Verträge profitieren von hohen Bewertungsreserven in Niedrigzinsphasen Versicherungsnehmer der fortgeführten Verträge gehen Zinserträge verloren Entwicklung der Finanzmärkte (Zinsphasen) sind nicht beeinflussbar Neuregelung schafft einen fairen Interessensausgleich zwischen den Vertragsgenerationen 15
16 Vorgeschlagenes Modell (1) Grundsätzlich Keine Abschaffung der Beteiligung an Bewertungsreserven Keine willkürliche Kürzung der Beteiligung an Bewertungsreserven Beschränkung der Ausschüttung aus festverzinslichen Wertpapieren Falls diese zur Erfüllbarkeit der Garantiezusage benötigt werden Bewertungsreserven aus Aktien und Immobilien bleiben unberührt Bewertungsreserven kommen ausschließlich Versicherungsnehmern zugute Keine Auszahlung an Versicherungsunternehmen oder Aktionären Ziel Bewertungsreserven verbleiben in Niedrigzinsphasen im Versicherungsunternehmen als Risikopuffer Erfüllbarkeit der garantierten Versicherungsleistungen Fairer Interessensausgleich 16
17 Vorgeschlagenes Modell (2) Bewertungsreserven werden mit Sicherungsbedarf aus Verträgen mit Zinsgarantie verrechnet Sicherungsbedarf Summe der Sicherungsbedarfe deren maßgeblicher Rechnungszins über aktuellen Marktzins (Bezugszins) liegt Bezugszins: Umlaufrendite der Anleihen der öffentlichen Hand (zum Zeitpunkt der Ermittlung) Sicherungsbedarf entsteht wenn aktueller Bezugszins unter den Garantiezins bei Abschluss eines Vertrags sinkt Sicherungsbedarf eines Vertrags ist definiert durch Zinssatzverpflichtung (basierend auf Bezugszins), reduziert um die Deckungsrückstellungen: SB i (t) = max (ZV i (t) DR(t) i, 0) mit SB i (t): Sicherungsbedarf von Vertrag i zum Zeitpunkt t ZV i (t): Zinssatzverpflichtung von Vertrag i zum Zeitpunkt t DR(t) i : Deckungsrückstellungen von Vertrag i zum Zeitpunkt t 17
18 Vorgeschlagenes Modell (3) Folgen für Versicherungsunternehmen und -nehmer Niedrigzinsphase (Szenario 1) Keine Ausschüttung an Bewertungsreserven Sicherungsbedarf der über Bewertungsreserven hinaus geht übernimmt Versicherungsunternehmen Normalisierung der Zinssituation (Szenario 2) - Ursprüngliche Regelung - Versicherungsnehmer partizipieren zu 50% an Bewertungsreserven Szenario 1 Szenario 2 Bewertungsreserven Sicherungsbedarf Bewertungsreserven Fehlbetrag übernimmt Versicherungsunternehmen Sicherungsbedarf Ausschüttung zu 50% an Versicherungsnehmer 18
19 Überblick Ereignisse : Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Beteiligung an den Bewertungsreserven (SEPA-Begleitgesetz) : Bundesrat blockiert Gesetzesänderung, Einberufung des Vermittlungsausschuss : Vermittlungssausschuss entscheidet die Neuregelung aus dem Gesetz zu streichen 19
20 Warum die Ablehnung? Problematische Argumentation seitens der Versicherungsbranche Fokus zu sehr auf Unternehmenssicht Mindereinnahmen durch Niedrigzinsphase Belastung der Risikosituation Mangelnde Transparenz und Verständlichkeit Versicherungsnehmerperspektive vernachlässigt Politische Situation Starker medialer Druck auf deutsche Politik Kritik von Kunden auf geplante Gesetzesänderung Ausstehende Wahlen - Landtagswahl 2013 in Niedersachen, Schleswig-Holstein, Bayern und Hessen - Bundestagswahl
21 Ausblick Überarbeitete Argumentation (GDV) Fokus insb. auch auf Kollektiv- und Solidaritätsgedanken Zudem - Interessensausgleich und Gleichbehandlung der Versicherungsgemeinschaft - Sicherstellung der Erfüllbarkeit der Garantiezusagen - Keine Ausschüttung an Unternehmen / Aktionäre - Keine Abwälzung von Kosten auf Versicherungsgemeinschaft 21
22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Dr. Wolf-Rüdiger Knocke, Bewertungsreserven in der Lebensversicherung
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