25. Vorlesung Sommersemester
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- Sebastian Acker
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1 25. Vorlesung Sommersemester 1 Dynamik der Flüssigkeiten Als Beispiel für die Mechanik der Kontinua soll hier noch auf die Bewegung von Flüssigkeiten, eingegangen werden. Traditionell unterscheidet man Hydrodynamik für inkompressible Flüssigkeiten und Gasdynamik für kompressible. Da man es heute meist mit dem allgemeinen Fall zu tun hat, der beide einschließt, benutzt man im Englischen den Ausdruck fluid dynamics, für den es leider kein gutes deutsches Äquivalent gibt Dynamik der Flüssigkeiten kommt nahe. Oft wird aber auch einfach Hydrodynamik auch im allgmeineren Sinne verwendet, während Gasdynamik immer das speziellere Gebiet bezeichnet. Auf jeden Fall sind Flüssigkeiten von elastischen Kontinua dadurch unterschieden, dass ihre Teilchen keine Ruhelage kennen, sondern frei beweglich sind. 2 Grundlegende Felder Wenn wir eine Flüssigkeit im Raum beobachten, so ist ihr Zustand dadurch gekennzeichnet, dass zu einer Zeit t and jedem Ort r die folgenden Größen gemessen werden können: 1. die Massendichte ρ( r, t), die durch den Kontinuumsgrenzwert M ρ( r, t) = lim V 0 V (1) gegeben ist, wobei M die in V enthaltene Masse ist, 2. die lokale Strömungsgeschwindigkeit v( r, t). Sie erhält man aus dem entsprechenden Grenzwert für die Impulsdichte, dividiert durch die Massendichte. 3. Der Druck p( r, t), der für die Bewegung eine große Rolle spielt, und 4. u. U. noch andere thermodynamische Eigenschaften der Materie wie Temperatur, innere Energie, usw. Hier soll der Thermodynamik-Vorlesung nicht vorgegriffen werden und wir werden immer den einfachsten Fall betrachten. 1
2 Wichtig ist, dass die Eigenschaften der Flüssigkeit an festen Orten gemessen werden, an denen aber zu jedem Zeitpunkt andere Teile der Flüssigkeiten vorhanden sind. Das macht die Ableitung der Bewegungsgleichung etwas schwieriger, weil z. B. das zweite Newtonsche Axiom die Beschleunigung eines festen Massenpunktes beschreibt: wir müssen also in der Lage sein, die Änderung der Geschwindigkeit eines Elementes der Flüssigkeit während seiner Bewegung mitzuverfolgen. 3 Euler- und Lagrangebild Diese Problematik findet Ausdruck in zwei verschiedenen Formulierungen der Hydrodynamik. Wenn man, wie bisher, die Verhältnisse an einem festen Ort beschreibt, unabhängig davon, welcher Teil der Flüssigkeit sich gerade dort befindet, so ist das das Eulersche Bild (oder Formulierung oder Darstellung. In der Darstellung nach Lagrange dagegen verfolgt man einen festen Teil der Flüssigkeit, d. h. ein Element, das einem kleinen Volumenelement entspricht, das immer dieselben Bestandteile enthält 1, und dessen Position durch r(t) gegeben ist. Seine Geschwindigkeit ist u = d r dt. (2) Das ist jetzt die vollständige Ableitung nach der Zeit und diese Geschwindigkeit ist kein Vektorfeld mehr: es handelt sich ja um einen einzelnes Element. Wenn sich allerdings dieses zur Zeit t am Ort r aufhält, dann stimmt seine Geschwindigkeit mit der dortigen momentanen Strömungsgeschwindigkeit der Flüssigkeit überein, u = v( r, t). Die Bahnkurve r(t) beschreibt eine Stromlinie, d. h. die Kurve, der man folgt, wenn man sich mit dem Element der Flüssigkeit zusammen bewegt. Wie kommt man von diesen individuellen Elementen wieder zur Beschreibung der Flüssigkeit als Ganzes? Man hat ein Kontinuum solcher Punkte und kann sie charakterisieren, wenn man angibt, an welchem Ort r 0 sich das Element zur Zeit t 0 befand. Damit erhält man die Kurvenschar r(t; r 0 ) mit r(t; r 0 ) = r 0 (das Semikolon soll andeuten, dass r 0 nur die Teilchen durchnumeriert, es spielt die Rolle eines Index). Die Flüssigkeit wird also dadurch beschrieben, dass man Stromlinien zu allen Anfangspositionen angibt. Diese Lagrange-Beschreibung hat den Vorteil, dass man die Bewegungsgleichungen leichter formulieren kann, eignet aber sich aber nicht, wenn die Stromlinien sich kompliziert benehmen, also etwa Wirbel bilden. Den Übergang zwischen beiden Bildern kann man wie folgt machen: aus der Lagrangedarstellung erhält man für jedes Teilchen charakterisiert durch r 0 zur Zeit t seine Position r(t; r 0 ) und seine momentane Geschwindigkeit, die mit der Strömungsgeschwindigkeit übereinstimmt. Aus diesen beiden Größen muss man dann die Abhängigkeit v( r, t) ausrechnen. Das ist natürlich i. a. sehr schwierig. 1 Das bedeutet nicht dieselben Atome oder Moleküle: diese haben ja ihre thermische Bewegung und wandern in der Flüssigkeit hin und her. Gemeint ist also, das dieses Volumenelement der mittleren Geschwindigkeit, d. h. der Strömungsgeschwindigkeit folgt. 2
3 Aus dem Eulerschen Bild kommt man zur Lagrangedarstellung, indem man die Stromlinien ausrechnet. Man bestimmt r(t; r 0 ) aus der Gleichung d r dt = v( r(t), t) mit der Anfangsbedingung r(t 0) = r 0. (3) Das ist wesentlich einfacher zu bewerkstelligen, aber natürlich meist auch nicht analytisch machbar. 4 Die konvektive Ableitung Eine wichtige Möglichkeit, beide Bilder miteinander zu verknüpfen, ist die konvektive Ableitung, manchmal auch als substantielle oder materielle bezeichnet. Die Idee ist, die zeitliche Änderung irgendeiner Größe am Ort eines Elementes der Flüssigkeit aus den Eulerschen Feldern zu berechnen. Wie ändert sich etwa die Temperatur nicht an festem Ort (das wäre T/), sondern wenn sich der Beobachter mit einem Element der Flüssigkeit mitbewegt. Dann beobachtet man aber die Größe T( r(t; r 0 ), t), die jetzt nur noch von der Zeit abhängt, und ihre Zeitableitung wird dt dt = T d r(t; r 0) + T dt = T v + T. (4) Da die Bezeichnung mit der vollständigen Ableitung etwas verwirrend wäre, wird meist ein neues Symbol eingeführt, eben das der konvektiven Ableitung, jetzt als Operator definiert: D = + v. (5) Die physikalische Bedeutung ist klar: die mitbewegte Ableitung hat zwei Beiträge: einmal die partielle Zeitableitung am festen Ort, dazu kommt die Änderung durch die Bewegung des Flüssigkeitselementes, wegen der T an einer verschobenen Stelle ausgewertet werden muss. 5 Die Kontinuitätsgleichung Die Formulierung der Erhaltung einer Substanz, die sich durch Strömung im Raum nur verlagern kann, aber nirgendwo erzeugt oder vernichtet wird, hatten wir schon als Beispiel für den Gaußschen Satz im ersten Semester abgeleitet. Hier sei also einfach konstatiert: die Erhaltung der Masse in der Flüssigkeit wird beschreiben durch die Gleichung ρ + (ρ v) = 0. (6) 3
4 Für die Lagrangeformulierung der Massenerhaltung brauchen wir hier nur die konvektive Ableitung einzusetzen: Dρ = ρ + v ρ = (ρ v) + v ρ = v ρ ρ( v) + v ρ (7) = ρ v. Zusammengefasst lautet also die Lagrange-Version Dρ 6 Die Eulersche Gleichung = ρ v. (8) Als zweite Gleichung benötigt man eine, die die Wirkung der inneren Kräfte in der Flüssigkeit beschreibt, also eine version der Newtonschen Bewegungsgleichung. Wir nehmen eine ideale Flüssigkeit an, d. h. es gibt außer dem Druck keine Effekte, die Impuls oder Energie der Elemente der Flüssigkeit ändern, also vor allem keine Reibung oder Wärmeleitung. Unser Flüssigkeitselement ist nun ein kleines Volumen, auf von allen Seiten Druck einwirkt. Die zugehörige Kraft auf ein Flächenelement d S ist nun einfach d F = p d S, (9) denn die Größe der Kraft ist Druck mal Fläche, ihre Richtung ist senkrecht zur Oberfläche nach innen, also genau entgegengesetzt zur Richtung von ds. Die gesamte Kraft auf das Volumen erhält man durch Integrieren, F = p ds = p d 3 r. (10) Im letzten Schritt wurde dabei der Gaußsche Satz benutzt. Man kann ihn anwenden, indem man einfach unser Vektorintegral mit einem beliebigen konstanten Vektor a multipliziert: a p ds = ( ap) ds = ( ap)d 3 r = a pd 3 r. (11) Den Vektor kann man wieder herausnehmen, weil er ja beliebig war. Die Änderung des Impulses des Volumens ist nun 2 durch ρ D v gegeben, so dass aus dem zweiten Newtonschen Axiom die Eulersche Gleichung ρ D v = p (12) 2 Man würde zunächst meinen, dass eigentlich die Zeitableitung von ρ vd 3 r betrachtet werden sollte. Das erübrigt sich aber, weil das Volumen sich ja auch mitbewegt und somit die Masse darin sich nicht ändert. Für die Geschwindigkeit reicht es, dann die konvektive Ableitung zu benutzen, um die Bewegung des Volumens zu berücksichtigen 4
5 folgt. Im Eulerschen Bild setzt man einfach die konvektive Ableitung ein und dividiert dann durch ρ: v p + ( v ) v = ρ. (13) In einer dritten Form kann man die Eulergleichung auch auf die Form einer Erhaltungsgleichung bringen. Man berechnet die zeitliche Änderung der lokalen Impulsdichte = ρ v + ρ v. (14) Hierin werden die Kontinuitätsgleichung und die Eulergleichung für die beiden Zeitableitungen eingesetzt und man erhält zunächst = (ρ v) v ρ( v ) v p. (15) Die beiden ersten Terme rechts kann man als Divergenz schreiben, wenn man das Tensorprodukt einführt, das aus zwei Vektoren einen Tensor macht: a b Komponenten : ( a b) ij = a i b j. (16) Man tut also nichts anderes, als die Komponenten des Tensors aus den Produkten der Vektorkomponenten zu bilden. Oft wird das wie hier einfach durch Nebeneinanderstellen der Vektoren (ohne die Produktzeichen oder für Skalarund Vektorprodukt bezeichnet, aber es gibt auch andere Schreibweisen wie a b). Somit wird die Eulergleichung zur Impulserhaltungsgleichung + (ρ v v) = p. (17) Die Linke Seite hat die Form der Kontinuitätsgleichung für jede Impulskomponente getrennt. Man beachte aber, dass links keine Null steht wie bei der Kontinuitätsgleichung: der Impuls wird auch durch den Druck innerhalb der Flüssigkeit neu verteilt (man kann allerdings sehen, dass der Gesamtimpuls erhalten bleibt. Der Tensor hat die Aufgabe, den Impulsstrom zu beschreiben. Man braucht einen Tensor, weil zwei Richtungen involviert sind: Impuls in Richtung ρ v strömt in eine Richtung, die durch das zweite v gegeben ist. 5
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