undkinder Nummer 101, Juni 2018
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- Elmar Cornelius Seidel
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1 undkinder Nummer 101, Juni 2018 Editorial Geschätzte Leserinnen und Leser Mit der undkinder Nunmer 101 lösen wir ein Versprechen ein: Wir vertiefen die Diskussion um Inhalt und Bedeutung von Selbstbildung und Ko-Konstruktion in frühen Bildungsprozessen. Im Orientierungsrahmen 1 für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz steht u.a. Folgendes: Frühkindliche Bildung heisst, selbst tätig sein, erkunden, fragen, beobachten und kommunizieren. Kinder müssen nicht gebildet werden. Sie bilden sich selbst 2. Eine Pädagogik der Ko-Konstruktion beruht auf Dialog und Zusammenarbeit. Auch Erwachsene sind trotz ihres Erfahrungs- und Wissensvorsprungs gegenüber den Kindern aktive und lebenslange Lernende. Sie müssen offen und bereit dafür sein, sich als solche zu begreifen und sich auf die Lernprozesse mit Kindern einzulassen. Erwachsene haben nicht die Rolle der belehrenden Experten. Sie sind zusammen mit den Kindern Teil einer Lerngemeinschaft 3. Mit diesen und ähnlichen Aussagen ha- 1 Wustmann Seiler, C. & Simoni, H. (2016; 3. Auflage). Orientierungsrahmen für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz. Erarbeitet vom Marie Meierhofer Institut für das Kind, im Auftrag der Schweizerischen UNESCO-Kommission und des Netzwerks Kinderbetreuung Schweiz. (1. Auflage 2012) 2 ebd., S.25 3 ebd., S.31 ben wir Zustimmung, aber auch mindestens so viel Widerspruch geerntet. Uns war das recht, weil dies zu Diskussionen geführt, Missverständnisse ans Licht gebracht und eine Auseinandersetzung ermöglicht hat. Bedeutet Selbstbildung, dass Erwachsene die Kinder einfach sich selbst überlassen sollen? Natürlich nicht! Aber was bedeutet der Begriff dann und welche Rolle kommt einem Gegenüber im Hinblick auf Bildungsprozesse immer zu? Die Diskussion darum ist mit der Diskussion um die Begleitung des kindlichen Spiels vergleichbar. Bedeutet freies Spiel, dass Spielgruppenleiter/innen, Erzieher/innen und Lehrer/innen keine methodisch-didaktischen Kompetenzen brauchen? Selbstverständlich brauchen sie das, um eine anregende Umgebung zu schaffen, ein interessantes, wohlwollendes, respektvolles Gegenüber zu sein und das Geschehen bei Bedarf zu moderieren. Dazu gehört auch das Wissen, wie Kinder dabei unterstützt werden können, sich kreativ auszudrücken und zu vertiefen. Zudem sollte die Prise Provokation, die ich gebe es zu tatsächlich im Orientierungsrahmen in verschiedener Hinsicht steckte, den Frühbereich als Bildungsbereich zu positionieren helfen: Ist es Ko-Konstruktion: Im Dialog Welten schaffen 1
2 überhaupt legitim, bei kleinen Kindern von Bildung zu sprechen? Klar! Nämlich dann, wenn wir von der persönlichen Bildungsbiografie, nicht vom Schulsystem sprechen. Kleine Kinder bilden sich sowieso von Anfang an. Die zentralen Fragen sind, wie sie dies tun und eben genau, wie wir sie dabei unterstützen können (und wollen). Haben Erwachsene und Kinder dabei dieselbe Rolle? Natürlich nicht. Sollen Kinder denn gar nicht instruiert werden? Anleitung und v.a. das Lernen am Modell haben im Alltag durchaus ihre Bedeutung. Die Begriffe Ko-Konstruktion und Instruktion stehen jedoch auch für pädagogische Prinzipien und Haltungen, die darüber hinausgehen. Deutlich wird bei der Beschäftigung mit dem Thema auch, dass wir es mit vermeintlich selbstverständlichen Annahmen und Definitionsansprüchen von Berufsfeldern und Denkschulen und nicht zuletzt mit Zeitgeist zu tun haben. Die Diskussion über all diese Fragen wird dann bereichernd und klärend, wenn wir uns gemeinsam auf die Suche nach (vorläufigen) Antworten machen z.b. als Pädagog/innen, Erzieher/innen, Psycholog/innen, Forscher/innen und Praktiker/ innen. Für mich als Psychologin wurde das Schreiben des Orientierungsrahmens gemeinsam mit der Erziehungswissenschaftlerin Corina Wustmann so ein Schlüsselerlebnis zum Thema Ko-Konstruktion. Im vorliegenden Heft bringen Kolleginnen die Grundlagen, Erkenntnisse und Erfahrungen ein, die ihnen zum Thema wichtig sind. Sie markieren damit Positionen und setzten Akzente, die mich auf weitere angeregte Diskussionen hoffen lassen! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre des undkinder 101 und einen rundum schönen Sommer! Herzliche Grüsse Heidi Simoni Leiterin Marie Meierhofer Institut für das Kind 2 undkinder Nummer 101
3 Seite 7 Kathleen Panitz Frühkindliche Bildung - Partizipatives Lernen von Kindern und Erwachsenen Bildungsprozesse sind grundlegende Beziehungsprozesse zwischen den Kindern, bedeutsamen Personen und dem soziokulturellen Umfeld. Das eigenständige, forschende und fantasievolle Kind gibt es nicht ohne den Erwachsenen. Damit erhalten die Prozesse gemeinsamen Lernens von Kindern und Erwachsenen grosse Bedeutung. Der Artikel geht den Fragen nach, wie Kinder insbesondere in jungen Jahren lernen und wie auf dieser Grundlage bildungswirksame Lernprozesse ermöglicht und begleitet werden können. Seite 21 Katrin Schaerer-Surbeck Didaktische Prinzipien im Konstruktivismus und deren Folgerungen für den Frühbereich Frühkindliche Bildungskonzeptionen gehen von einem konstruktivistischen Bildungs- und Lernverständnis aus. Was bedeutet dies konkret für die Gestaltung von Spielbzw. Lernumgebungen und Interaktionen im Frühbereich? Der vorliegende Artikel trägt mit didaktischen Umsetzungsmöglichkeiten zur Klärung dieser Frage bei. Seite 35 Sibylle Haas Lerngeschichten aus Neuseeland Mit einem Interview und Praxisbespielen von Jana Kretschmer Seit 2006 habe ich mit Lerngeschichten zu tun und es hat eine Weile gedauert, bis ich mich dafür begeistern konnte. Einen grossen Anteil hatte dabei die persönliche Begegnung mit Kolleginnen aus Neuseeland, sowohl in Deutschland als auch dort vor Ort in diesem weit entfernten, interessanten Land selbst. Ko-Konstruktion: Im Dialog Welten schaffen 3
4 Seite 53 Annika Butters Schritt für Schritt mit dem Kind: Didaktische Planung und Umsetzung nächster Schritte Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich das Konzept der Bildungs- und Lerngeschichten (BULG) (vgl. Leu et al., 2007; Wustmann Seiler & Simoni, 2013) ausgezeichnet dafür eignet, das abstrakte Bildungsverständnis der sozialen Ko-Konstruktion in die pädagogische Praxis zu transportieren. Dieser Artikel beleuchtet das Planen und Umsetzen nächster Schritte im Rahmen der BULG aus dem Blickwinkel des sozialen ko-konstruktiven Bildungsverständnisses: Was bedeutet dieses Bildungsverständnis für die didaktische Planung und die Umsetzung nächster Schritte im pädagogischen Alltag? Wie kann das Kind dabei optimal in seinen Entwicklungsund Bildungsprozessen unterstützt und herausgefordert werden? Wir suchen Antworten auf das WIE und WAS, also auf didaktische und methodische Fragen. Seite 61 Annika Butters/Doris Frei Drei Interviews zu den nächsten Schritten Im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem übergeordneten ko-konstruktiven Bildungsverständnis und den Auswirkungen auf die nächsten Schritte in der Praxis wurden Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von drei Institutionen geführt, die seit längerer Zeit mit den Bildungs- und Lerngeschichten arbeiten und ihren Weg, im Sinne von best practice, damit gefunden haben. Wir danken an dieser Stelle sehr für ihre Bereitschaft an den Interviews teilzunehmen und für ihre Offenheit. 4 undkinder Nummer 101
5 Seite 67 Catherine Walter-Laager und Lea Mittischek Ko-Konstruktion als Grundlage einer Didaktik des Frühbereichs Die aktuelle Situation in der Elementarpädagogik ist spannend, weil sie sich im Umbruch befindet. Die politisch Verantwortlichen haben die Bedeutsamkeit der frühen Bildung erkannt und der Frühbereich erhielt seit den ersten PISA-Ergebnissen deutlich mehr Aufmerk-samkeit. Dies führte zu einem quantitativen Ausbau von Kita-Plätzen (z.b. OECD, 2017), zu neuen Ausbildungsgängen und einem regelrechten Forschungsboom. Trotz dieser Aufbruchstimmung ist eine einheitliche Entwicklungsrichtung der Elementarpädagogik als Wissenschaft noch nicht zu erkennen: Etablierte Akteure verteidigen alte Traditionen und untermauern diese mit mehr oder minder gut gestützten empirischen Befunden oder schlicht durch ihre in langen Jahren gesammelten Erfahrungen. Neue akademische Mitspie-ler sind auf das Spielfeld getreten, bringen ihr Wissen aus anderen Disziplinen, Tätigkeitsfeldern und Altersstufen ein und versuchen, sich im elementarpädagogischen Bereich zu etablieren. Seite 83 Maria Luisa Nüesch Kita der Zukunft Da in der Schweiz nun Kitas wie Pilze aus dem Boden schiessen, ist es unumgänglich, sich Gedanken um deren Qualität zu machen. Die Zeiten ändern sich so schnell, dass die Qualitätsansprüche dauernd angepasst werden müssen. Wir können uns dabei nicht auf ein Label verlassen. Am besten stützen wir uns auf die eigene Beobachtungsgabe, die es unablässig zu schulen gilt. Ko-Konstruktion: Im Dialog Welten schaffen 5
6 Seite 91 Wendy Lee and Margaret Carr Lerngeschichten: Ein wirkungsvolles Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren für die frühe Kindheit Nach der Entwicklung von «Te Whāriki», dem nationalen Lehrplan für die frühe Kindheit (New Zealand Ministry of Education, 1996), wurden in zwei von der neuseeländischen Regierung finanzierten Forschungsprojekten Einschätzungsmethoden für die frühe Kindheit erarbeitet. Beide Projekte vertraten den Standpunkt: «Wenn wir eine echte Reform des Lehrplans wollen, müssen wir gleichzeitig eine Reform der Beurteilungspraxis einführen» (Bredekamp & Rosegrant, 1992, S. 29). Seite 104 Bildungs- und Lerngeschichten (BULG) : Kitas können Fördergelder der Roger Federer Foundation beantragen Dieser undkinder-nummer ist in der Heftmitte ein Plakat «Anknüpfungspunkte für die Planung nächster Schritte für die Kinder» beigelegt. 6 undkinder Nummer 101
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