LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
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- Matthias Böhm
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1 Geschäfts-Nr.: 2 (14) (18) Sa 1296/97 5 ( 1) Ca 331/97 ArbG Duisburg Verkündet am : Wilden Regierungsangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle LANDESARBEITSGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Rechtsstreit des Herrn P. - Kläger und Berufungsbeklagter - Prozeßbevollmächtigte: Rechtssekretäre W. g e g e n die Firma Z. AG, Prozeßbevollmächtigter: Assessor E. - Beklagte und Berufungsklägerin - hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Kinold als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Behmenburg und den ehrenamtlichen Richter Janssen für R e c h t erkannt: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom (1) Ca 331/97 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen. T A T B E S T A N D Der Kläger ist seit dem bei der Beklagten als Lockfahrer beschäftigt. Er ist seit Juni 1974 Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (vorher Indust
2 - 2 - riegewerkschaft Bau-Steine-Erden) und damit ebenso wie die Beklagte tarifgebunden. Bis einschließlich 1995 zahlte die Beklagte an alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit ein 13. Monatseinkommen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom in der Fassung vom Nachdem dieser Tarifvertrag zum gekündigt worden war, hat die Beklagte mit den Monatsbezügen für den Monat November 1996 an ihre Mitarbeiter ebenfalls unabhängig von ihrer Tarifbindung nur 2/3 des 13. Monatseinkommens gezahlt. An den Kläger zahlte sie 3.995,-- DM brutto. Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Zahlung des restlichen Drittels in Höhe von 1.996,94 DM brutto. Der Kläger, der vor und nach dem (Stichtag nach 2 Abs. 1 TV) zur Arbeitsgemeinschaft R.-M., an der auch die Beklagte beteiligt war, freigestellt war, hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.996,94 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf ein restliches tarifliches 13. Monatseinkommen in Höhe von 1.996,94 DM brutto nicht zu. Nachdem der einschlägige Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom zum wirksam gekündigt worden sei, habe diese Kündigung die Entstehung eines tariflichen Anspruchs per (Stichtag) verhindert. Soweit sich der Kläger auf die Nachwirkung des 4 Abs. 5 TVG berufe, sei diese Bestimmung verfassungsrechtlich bedenklich, da sie die Nachwirkung eines gekündigten Tarifvertrages für unbegrenzte Zeit anordne. Das Arbeitsgericht Duisburg hat durch Urteil vom der Klage stattgegeben
3 - 3 - Zur Begründung hat das Arbeitsgericht, auf dessen Entscheidungsgründe im übrigen verwiesen wird, im wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch des Klägers auf ein volles 13. Monatseinkommen ergebe sich aus dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe. Die Parteien seien als Mitglieder der Tarifvertragsparteien tarifgebunden. Dem stehe auch nicht entgegen, daß dieser Tarifvertrag aufgrund Kündigung zum ausgelaufen sei. Gemäß 4 Abs. 5 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages auch nach seinem Ablauf weiter, bis sie für das einzelne Arbeitsverhältnis verbindlich durch eine andere Abmachung ersetzt würden. Für die Zeit ab dem bis zu seiner Ersetzung sei dieser Tarifvertrag aufgrund der durch 4 Abs. 5 TVG angeordneten Nachwirkung nach wie vor maßgeblich. Die von der Beklagten gegen die Verfassungsgemäßheit des 4 Abs. 5 TVG geäußerten Bedenken bestünden nicht. Insbesondere sei ein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit nicht zu erkennen. Die Beklagte habe nicht ansatzweise erläutert, aus welchen Gründen sie sich einem Druck hinsichtlich ihrer Entscheidungsfreiheit über die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband ausgesetzt fühle. Weiter schränke die Regelung des 4 Abs. 5 TVG die Autonomie der Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch eine wie auch immer geartete tarifliche Neuregelung nicht ein, sondern schaffe nur eine Interimsregelung bis die Tarifvertragsparteien selbst in völliger Regelungsfreiheit eine Ersatzregelung geschaffen hätten. Die Beklagte hat gegen dieses ihr am zugestellte Urteil mit einem am (Montag) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren am eingegangenen Schriftsatz begründet. Zur Begründung des Rechtsmittels führt die Beklagte aus, das Arbeitsgericht habe übersehen, daß der Kläger am im Zweitarbeitsverhältnis zur Arbeitsgemeinschaft R.-M. gestanden habe, während sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Stammbetrieb geruht habe. Ein Anspruch gegen die Beklagte scheide in diesem Falle aus, weil der Arbeitnehmer nach 9 Nr. 2.1 Satz 3 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) die Arbeitsgemeinschaft in Anspruch nehmen könne und müsse. Soweit ein Anspruch gegen die Arbeitsgemeinschaft begründet sei, hafte die Beklagte zwar als BGB-Gesellschafterin gesamtschuld
4 - 4 - nerisch. Indessen scheitere die Haftung der Beklagten daran, daß es im Streitfall an einem tariflichen Anspruch im Sinne des 9 Nr. 2.1 Satz 3 BRTV wegen der Kündigung des einschlägigen Tarifvertrages zum fehle. Auf 4 Abs. 5 TVG könne der Kläger sich in diesem Zusammenhang nicht berufen, weil die Nachwirkung einerseits individualrechtlicher Natur sei und andererseits per bestehende beiderseitige Tarifgebundenheit voraussetze, die bei der Arbeitsgemeinschaft nicht vorliege. Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Wenn die Beklagte ausführe, der Kläger habe gegenüber der Arbeitsgemeinschaft keinen Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung, da diese nicht tarifgebunden sei, könne er seinen Anspruch nur gegenüber der Beklagten (Stammbetrieb) geltend machen. Nach 9 Nr. 2.1 Satz 3 BRTV Bau habe der freigestellte Arbeitnehmer für die Dauer seines Einsatzes bei der Arbeitsgemeinschaft gegen diese alle tariflichen Ansprüche, die ihm gegenüber dem Stammbetrieb zustehen würden. Mithin liege eine umfassende Besitzstandswahrung für den freigestellten Arbeitnehmer vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Sitzungsprotokolle verwiesen. E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E - 5 -
5 - 5 - I. Die Berufung ist an sich statthaft ( 64 Abs. 1 ArbGG); da der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 800,-- DM übersteigt und das Rechtsmittel auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist, ist die Berufung insgesamt zulässig ( 64 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG, 518, 519 ZPO). II. Das Rechtsmittel hatte jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Zahlung eines restlichen 13. Monatseinkommens in Höhe von 1.996,94 DM brutto nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom in der Fassung vom für das Jahr 1996 hat. 1. Diesem tariflichen Anspruch steht nicht entgegen, daß der einschlägige Tarifvertrag zum wirksam gekündigt worden ist. Denn der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom ist zwar zum ausgelaufen, seine Rechtsnormen haben jedoch nach Ablauf des Tarifvertrages gemäß 4 Abs. 5 TVG weiter gegolten, da sie jedenfalls für das Jahr 1996 nicht durch eine andere Abmachung ersetzt worden sind. Die von der Beklagten geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des 4 Abs. 5 TVG werden auch von der Berufungskammer nicht geteilt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen, die sich das Landesarbeitsgericht zu Eigen macht. 2. Dem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung des restlichen 13. Monatseinkommens für das Jahr 1996 steht auch nicht entgegen, daß der Kläger vor und nach dem (Stichtag) nicht bei der Beklagten als seinem Stammbetrieb, sondern bei der Arbeitsgemeinschaft R.-M. beschäftigt war, für die er von der Beklagten freigestellt war. Denn die Beklagte haftet für die Gewährung des restlichen 13. Monatseinkommens an den Kläger als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft als einer BGB-Gesellschaft gesamtschuldnerisch gemäß den 421, 427, 431 BGB (vgl. BAG, - 6 -
6 - 6 - Urteil vom AZR 649/88 - NZA 1990, 696 [697] sowie BGH in BGHZ 61, 338 [343]). 3. Die Beklagte kann sich weiter auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Arbeitsgemeinschaft mangels eigener Tarifgebundenheit nicht vom Geltungsbereich des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe erfaßt werde. Vielmehr ergibt sich aus 9 Nr. 2.1 des BRTV Bau, daß der Kläger während der Dauer der Beschäftigung bei der Arbeitsgemeinschaft so zu behandeln ist, als ob er im Stammbetrieb der Beklagten tätig gewesen wäre. Zwar ruht nach dieser Bestimmung das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zum Stammbetrieb während der Dauer der Zugehörigkeit. Indessen hat ein zur Arbeitsgemeinschaft freigestellter Arbeitnehmer gegen diese die gleichen tariflichen Ansprüche, die ihm gegenüber dem Stammbetrieb zustehen würden (vgl. 9 Nr. 2.1 Satz 3 BRTV Bau). Nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelt 9 BRTV Bau allgemein die Voraussetzung der Freistellung eines Arbeitnehmers zu einer Arbeitsgemeinschaft und die Rechtsverhältnisse während der Dauer der Freistellung. Der Regelungsgehalt dieser Tarifbestimmung will danach in abstrakt genereller Weise die auftretenden Rechtsprobleme bei einer Freistellung zu einer Arbeitsgemeinschaft für die Beteiligten normativ lösen. Die Reichweite dieser Vorschrift ist damit nicht auf den BRTV Bau beschränkt, sondern erstreckt sich insbesondere auf sämtliche Entgelttarifverträge der gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin. Weiter enthält 9 Nr. 2.1 Satz 3 BRTV den Grundsatz, daß durch die Freistellung des Arbeitnehmers tarifliche Ansprüche, wie sie beim Stammbetrieb bestanden haben, nicht gekürzt werden oder gar wegfallen. Erreicht der Arbeitnehmer bei einer Arbeitsgemeinschaft den Stichtag, den , so ist sein Anspruch auf die tarifliche Leistung so zu behandeln, als wäre er ununterbrochen bei der Stammfirma tätig gewesen. Dies hat zur Folge, daß die Beklagte als Gesellschafterin der Arbeitsgemeinschaft für den restlichen Teil eines 13. Monatsgehalts gesamtschuldnerisch haftet, da der Kläger gegenüber der Beklagten als Stammarbeitgeberin gemäß 4 Abs. 5 TVG im Wege der Nachwirkung einen Anspruch auf volle Zahlung des 13. Monatseinkommens für das Jahr 1996 gehabt hätte, wenn er nicht zur Arbeitsgemeinschaft R.-M. freigestellt gewesen wäre. Die Berufung mußte daher mit der Kostenfolge aus 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben
7 - 7 - Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden ( 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten REV I S I O N eingelegt werden. Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision muß innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, Kassel, eingelegt werden. Die Revision ist gleichzeitig oder innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung schriftlich zu begründen
8 - 8 - Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Kinold Behmenburg Janssen
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