Grundlagen der theoretischen Informatik
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- Margarethe Ackermann
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1 Grundlagen der theoretischen Informatik Kurt Sieber Fakultät IV, Department ETI Universität Siegen SS 2013 Vorlesung vom
2 Analog zu Linksableitungen definiert man Definition 2.45 Ein Ableitungsschritt u v heißt Rechtsableitungsschritt, wenn es Wörter x (N Σ), z Σ und eine Produktion A y in G gibt mit u = xaz und v = xyz. Eine Rechtsableitung ist eine Ableitung, die nur aus Rechtsableitungsschritten besteht. In einem Rechtsableitungsschritt wird also stets das letzte, d.h. das am weitesten rechts stehende Nichtterminalzeichen ersetzt. Definition 2.46 Sei G = (Σ, N, S, P ) eine kontextfreie Grammatik. Ein Wort u (N Σ) heißt Satzform (Linkssatzform, Rechtssatzform) von G, wenn es eine Ableitung (Linksableitung, Rechtsableitung) von u aus dem Startzeichen S gibt. Ein Wort w L(G) wird manchmal auch als Satz der Grammatik G bezeichnet. Kurt Sieber GTI - SS
3 Lemma 2.47 Sei G = (Σ, N, S, P ) eine kontextfreie Grammatik, sei A N und w Σ. Dann gilt: Zu jeder Ableitung A w existiert ein entsprechender Ableitungsbaum mit Wurzel A und Blattwort w. Zu jedem Ableitungsbaum mit Wurzel A und Blattwort w existiert genau eine entsprechende Linksableitung A w. Formal: Für jedes A N und jedes w Σ gilt: Es existiert eine bijektive Funktion zwischen der Menge aller Linksableitungen A w und der Menge aller Ableitungsbäume mit Wurzel A und Blattwort w. Also ist die Anzahl der unterschiedlichen Linksableitungen A w gleich der Anzahl der unterschiedlichen Ableitungsbäume mit Wurzel A und Blattwort w. All dies gilt auch für Rechtsableitungen anstelle von Linksableitungen. Kurt Sieber GTI - SS
4 In der Praxis (Compilerbau) ist es wichtig, dass jedes Wort eine eindeutige Struktur besitzt, denn ein Compiler soll ja nicht nur testen, ob eine eingegebene Zeichenreihe ein arithmetischer Ausdruck ist, sondern er soll diesen Ausdruck auch weiterverarbeiten, d.h. letzten Endes in Maschinencode übersetzen. Definition 2.48 Eine kontextfreie Grammatik heißt eindeutig, wenn für jedes Wort w L(G) genau ein Ableitungsbaum mit Wurzel S und Blattwort w existiert (oder äquivalent dazu: genau eine Linksableitung S w). Andernfalls heißt sie mehrdeutig. Eine kontextfreie Sprache L heißt inhärent mehrdeutig, wenn jede kontextfreie Grammatik G mit L = L(G) mehrdeutig ist. Kurt Sieber GTI - SS
5 Beispiel: Unsere Grammatik G für vollständig geklammerte arithmetische Ausdrücke ist eindeutig. Intuitive Begründung: Durch die vollständige Klammerung ist die Struktur jedes Ausdrucks eindeutig festgelegt. Beweisskizze: Man beweist zunächst (durch eine einfache Induktion über die Länge der Ableitung von e), dass jedes Wort e L(G) genauso viele öffnende wie schließende Klammern hat, jedes echte nichtleere Präfix eines Wortes e L(G) mehr öffnende als schließende Klammern hat. Es folgt sofort, dass kein Wort e L(G) echtes Präfix eines anderen Wortes e L(G) sein kann. Kurt Sieber GTI - SS
6 Damit kann man nun zeigen, dass jeder Ausdruck e L(G) eine eindeutige Struktur hat: Nehmen wir z.b. an, dass ein Ausdruck e L(G) sich sowohl in der Form (e 1 + e 2 ) als auch in der Form (e 1 e 2 ) darstellen lässt (mit e 1, e 2, e 1, e 2 L(G)). Dann ist einer der Ausdrücke e 1, e 1 kürzer als der andere, und müsste deshalb echtes nichtleeres Präfix des anderen sein (weil die beiden Zeichenreihen (e 1 und (e 1 Präfixe von e sind). Das ist aber nicht möglich. Beispiel für eine mehrdeutige Grammatik: Sei G 1 = (Σ, N, E, P ) mit Σ = {0, 1, x, y,, +,, (, )} N = {E} P = {E 0, E 1, E x, E y, E E, E E + E, E E E, E E E, E (E)} Kurt Sieber GTI - SS
7 G 1 erzeugt die Sprache der unvollständig geklammerten arithmetischen Ausdrücke und ist (in hohem Maße) mehrdeutig, z.b. hat das Wort x + x y die beiden folgenden Ableitungsbäume. E E E + E E E x E E E + E y x y x x Gibt es eine eindeutige KFG für L(G 1 )? Kurt Sieber GTI - SS
8 Sei G 2 = (Σ, N, E, P ) mit: Σ = {0, 1, x, y,, +,, (, )} N = {E, T, F } P = { E E + T, (1) E E T, (2) E T, (3) T T F, (4) T F, (5) F (E), (6) F F, (7) F 0 1 x y} (8) Die eindeutige Linksableitung für E x + y (x + y): E E + T (1) T + T (3) F + T (5) x + T (8) x + T F (4) x + F F (3) x + y F (8) x + y (E) (6) y + y (E + T ) (1). x + y (x + y) Kurt Sieber GTI - SS
9 und der zugehörige Ableitungsbaum E E + T T T F F F ( E ) x y E + T T F F y x Jetzt wäre noch zu zeigen, dass G 2 eindeutig ist und dass L(G 2 ) = L(G 1 ). Das beweisen wir nicht. Man beachte, dass im Ableitungsbaum die üblichen Prioritäten der Operatoren zum Ausdruck kommen: bindet stärker als +, deshalb ist der Gesamtausdruck von der Form E + T. Etwas anderes lässt die Grammatik G 2 nicht zu, weil links von niemals ein + stehen kann, das nicht durch Klammern geschützt ist. Kurt Sieber GTI - SS
10 Wie beweist man, dass eine KFG die gewünschte Sprache erzeugt? Beispiel: Sei L = {a n b n n 0} und G = ({a, b}, {S}, S, P ) mit P = {S asb, S ε} Behauptung: L(G) = L. Beweis: : Sei w Σ mit S w. Es ist zu zeigen, dass w L. Dazu beweist man eine passende Behauptung durch Induktion über die Länge der Ableitung. Für den Induktionsschritt hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man spaltet den ersten Ableitungsschritt ab oder den letzten. Kurt Sieber GTI - SS
11 Will man den letzten Ableitungsschritt abspalten, so muss man eine Behauptung für alle u (N Σ) mit S u (also für alle Satzformen) aufstellen, z.b.: S 0 u: Wenn u / Σ, dann ist u = a n Sb n für ein n 0. (*) Dann ist u = S = a 0 Sb 0. S + u, d.h. S v u für ein v / Σ : Dann ist v = a n Sb n nach Induktionsannahme. Wegen u / Σ kann im Ableitungsschritt v u nur die Produktion S asb angewandt worden sein, also ist u = a n+1 Sb n+1. Man kann die Argumentation noch verkürzen: Es genügt offensichtlich zu zeigen, dass (*) für S gilt und bei jedem Ableitungsschritt erhalten bleibt. (*) ist also eine Invariante für die Ableitungen aus S. Kurt Sieber GTI - SS
12 Aus (*) folgt schließlich L(G) L: Wenn w L(G), dann gilt S u w für ein u / Σ, also u = a n Sb n für ein n 0. Wegen w Σ kann u w nur mit der Produktion S ε erfolgen, also ist w = a n b n L. Die Abspaltung des ersten Ableitungsschrittes ist in unserem Falle wesentlich einfacher. Man stellt eine Behauptung für alle w Σ mit S w auf, nämlich: S 1 w: Dann ist w = ε L. S asb w: w L (**) Dann ist w = avb mit S v, also gilt v L, d.h. v = a n b n für ein n 0 und damit w = a n+1 b n+1. Kurt Sieber GTI - SS
13 Geht es immer so einfach? Im allgemeinen muss man für jedes A N eine Behauptung über alle w Σ mit A w aufstellen, und diese Behauptungen durch simultane Induktion beweisen. Mit anderen Worten: Wenn N = k, so muss man eine Behauptung über die k Sprachen L G (A) = {w Σ A w} aufstellen und durch simultane Induktion beweisen. : Sei w L = {a n b n n 0}. Durch Induktion über w beweist man w L(G). w = 0, d.h. w = ε: Dann gilt S w mit Produktion S ε. w > 0, d.h. w = a n b n mit n > 0: Nach Induk- Dann ist w = aa n 1 b n 1 b, also w = avb mit v L. tionsannahme gilt S v, also S asb avb = w. Kurt Sieber GTI - SS
14 Auch diese Richtung wird schwieriger, wenn man mehrere Nichtterminalzeichen hat. Wenn N = {A 1,..., A k }, so definiert man k Sprachen L 1,..., L k Σ und zeigt, dass L i L G (A i ). Wir haben im Beispiel die folgenden Eigenschaften von Ableitungen benutzt: Lemma Für alle A N und u, v, w (N Σ) gilt: Wenn A v, dann uaw uvw. 2. Für alle A N und u, w, x Σ gilt: Wenn uaw x, dann existiert ein v Σ mit A v und x = uvw. Kurt Sieber GTI - SS
15 Weiteres Beispiel: Sei L = {w {a, b} # a (w) = # b (w)}. Es gibt eine einfache Grammatik, die L erzeugt, nämlich: G = ({a, b}, {S}, S, P ) mit P = {S SS, S asb, S bsa, S ε} Behauptung: L(G) = L. Beweis: : Für jedes u (N Σ) mit S u gilt: # a (u) = # b (u) (*) denn (*) gilt für S und bleibt bei jedem Ableitungsschritt erhalten (weil in jeder Produktion gleich viele as und bs hinzukommen). Also gilt (*) insbesondere für jedes w L(G), d.h. L(G) L. Kurt Sieber GTI - SS
16 : Sei w L, w = a 1... a n. Wenn w = ε, so gilt S w mit Produktion S ε. Es bleibt der Fall w > 0 zu betrachten. Sei f : {a, b} Z mit f(v) = # a (v) # b (v). Dann gilt L = {v {a, b} f(v) = 0}. Wir betrachten den Verlauf der Funktion f für die Präfixe von w, d.h. für die Wörter w i = a 1... a i mit 0 i n. Es gilt f(w 0 ) = f(ε) = 0 und f(w n ) = f(w) = 0, weil w L. 1. Fall: f(w i ) 0 für i = 0,..., n Dann ist f(w 1 ) = 1 und f(w n 1 ) = 1, also w = avb für ein v L. Nach Induktionsannahme gilt S v, also S asb avb = w. Kurt Sieber GTI - SS
17 2. Fall: f(w i ) 0 für i = 0,..., n Analog zum 1. Fall folgt w = bva für ein v L, also gilt S bsa bva = w. 3. Fall: Es existieren i, j {0,..., n} mit f(w i ) > 0 und f(w j ) < 0. Dann existiert eine Zahl k zwischen i und j mit f(w k ) = 0, also w k = a 1... a k L. Dann ist auch w k = a k+1... a n L und es gilt w = w k w k. Nach Induktionsannahme gilt S w k und S w k, also S SS w k S w k w k = w. Kurt Sieber GTI - SS
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