MGZ Medizinisch Genetisches Zentrum
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- Frieder Bayer
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1 MGZ Medizinisch Genetisches Zentrum Arztinformation PRIMÄRE ARRHYTHMIESYNDROME
2 Zu den häufigsten primären Arrhythmiesyndromen (kardialen Ionenkanalerkrankungen) zählen: Long-QT-Syndrom (:2.000 :5.000) Brugada-Syndrom (:5.000 :0.000) Katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (:0.000) Short-QT-Syndrom (sehr selten) 3 LEITSYMPTOME PRIMÄRE ARRHYTHMIESYNDROME Kennzeichnend ist eine Störung der Reizweiterleitung in der Herzmuskelzelle bei strukturell unauffälligem Herz in Abhängigkeit vom jeweiligen Arrhythmiesyndrom bevorzugt nach körperlicher Anstrengung, psychischer Belastung aber auch aus der Ruhe heraus, die zu folgenden Symptomen führen kann: Schwindelattacken Bewusstlosigkeit (Synkope) Ventrikuläre Tachykardien Plötzlicher Herztod (PHT) 3 DIAGNOSTISCHE STRATEGIE Die Diagnose einer primären Arrhythmie ist ganz wesentlich durch eine humangenetische Untersuchung zu stellen. Es sollte stets eine ausführliche Anamnese/Familienanamnese erfolgen. Sekundäre Ursachen (Medikamente, Elektrolytstörungen) sollten ausgeschlossen werden. Eine frühzeitige Diagnose, angepasstes Verhalten, adäquate Therapie können das Risiko für einen plötzlichen Herztod senken. Kardiale Basisdiagnostik: 2-Kanal-Ruhe-EKG, Belastungs-EKG, Langzeit-EKG, Echo - kardiographische Untersuchung 3 LONG-QT-SYNDROM (LQTS) EKG-Veränderungen: Verlängerung des QT-Intervalls (frequenzkorrigierte QT-Zeit (QTc) nach der Formel von Bazett = QT-Zeit/ RR-Abstand),»Torsade de Pointes«(Spitzenumkehrtachykardien), veränderte Morphologie der T-Welle, 20 % der Patienten haben keine verlängerte QTc-Zeit; LQTS: breitbasige T-Welle mit relativ hoher Amplitude; LQTS2: Kerbung der T-Welle; LQTS3: relativ langes isoelektrisches Segment, T-Welle mit schmaler Basis und relativ niedriger Amplitude Manifestationsalter: meist Kindheit oder junges Erwachsenenalter
3 LQTS-Typ LQTS-Typ2 LQTS-Typ3 Gene: 75 % der klinisch gesicherten Fälle tragen Sequenzvarianten in Genen der repolarisierenden Kalium-Kanäle (KCNQ, KCNH2, KCNE, KCNE2) sowie einem Natrium- Kanal (SCN5A) Jervell-Lange-Nielsen-Syndrom mit Innenohrschwerhörigkeit, autosomal rezessive Vererbung (KCNQ) Romano-Ward-Syndrom ohne Innenohrbeteiligung, autosomal-dominante Vererbung (KCNQ) Schwartz-Score (Berechnung der Wahrscheinlichkeit für ein Long-QT-Syndrom):,5: gering,,5 3: mittel, 3: sehr hoch EKG-Veränderungen QTc Eigenanamnese Synkope, stressinduziert 2 QTc Synkope, andere Ursache QTc (Männer) Innenohrschwerhörig. Kong. 0,5 QTc 480 nach Belastung T-Wellen-Alternans Familienanamnese T- Wellen-Kerbungen Niedrige Herzfrequenz Torsade de Pointes 0,5 2 LQTS bei Familienmitglied Unerklärter plötzlicher Herztod < 30. Lebensjahr Sicherung der Diagnose, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: QTc 480 ms in wiederholtem 2-Kanal-EKG LQTS-Risiko Score (Schwartz Score) > 3 Pathogene Variante in einem LQTS-Gen, unabhängig von der QT-Dauer 0,5 3 SHORT-QT-SYNDROM (SQTS) EKG-Veränderungen: kurzes QT-Intervall < 330 ms, hohe spitze T-Welle Manifestationsalter: meist Lebensjahr Gene: KCNH2, KCNQ und KCNJ2, Überfunktion der Kalium-Kanäle mit Verkürzung des Aktionspotentials, überwiegend autosomal-dominante Vererbung
4 Berechnung der Wahrscheinlichkeit für ein Short-QT- Syndrom: 2: gering, 3: mittel, 4: sehr hoch EKG-Veränderungen QTc < 370 ms QTc < 350 ms QTc < 330 ms T-Welle < 20 ms (J Punkt bis zur Spitze) Eigenanamnese # Synkope, unklar 2 Polymorphe Kammertachykardie 2 3 Kammerflimmern Vorhofflimmern Überlebter Plötzlicher Herzstillstand 2 Genotyp # Pathogene Variante (SQTS-Gen) Unklare Sequenzvariante (SQTS-Gen) 2 Familienanamnese # SQTS bei Verwandter. o. 2. Grades 2 PHT Verwandter. o. 2. Grades (mit unauffälliger Autopsie) Plötzlicher Kindstod # wird nur gewertet bei mindestens einem zusätzlichen Punkt aufgrund von EKG Veränderungen 3 BRUGADA-SYNDROM (BrS) EKG-Veränderungen: Rechtsventrikuläre Leitungsverzögerung, dynamische oder persistierende ST-Streckenhebungen ( 0,2 mv,»coved«type) in V, hohe spontane Variabilität, die Spezifität des EKGs kann durch Platzierung von V und V2 in höheren Interkostalräumen gesteigert werden; EKG-Typ (gewölbte»coved«st-hebung 0,2 mv und eine negative T-Welle), EKG-Typ 2 (sattelförmige ST-Hebung 0,2 mv»saddleback«) EKG-Typ EKG-Typ 2 Gene: % Varianten im SCN5A-Gen (alpha-untereinheit des Natrium-Kanals mit reduzierter Ionenkanalaktivität), andere Gene seltener, meist autosomal-dominante Vererbung Manifestationsalter: Lebensjahr, im Kindesalter oft unauffälliges EKG
5 Diagnosesicherung: Die Diagnose Brugada-Syndrom ist nur mit einem Typ -EKG (ST-Streckenhebung 2 mm in Ableitung der rechten Brustwandableitungen V und/oder V2, welche im 2., 3. oder 4. Interkostalraum positioniert sein können) vereinbar, so dass das Typ 2-EKG diagnostisch nur verwertbar ist, wenn es sich durch Provokation mit einem Natriumkanalblocker (z.b. Ajmalin) in ein Typ -EKG umwandeln lässt. 3 KATECHOLAMINERGE POLYMORPHE VENTRIKULÄRE TACHYKARDIE (CPVT) EKG-Veränderungen: unauffälliges Ruhe-EKG, adrenerg getriggerte bidirektionale oder polymorphe ventrikuläre Tachykardien Manifestationsalter: meist Lebensjahr Gene: % Varianten im Ryanodin Typ 2-Rezeptor-Gen (RYR2) dem Ca 2+ -freisetzenden Kanal des sarkoplasmatischen Retikulums), 3 5 % Varianten im Calsequestrin-Gen (CASQ2), selten in TRDN, CALM, dominante und rezessive Vererbung. Clinical Utility / klinischer Wert der humangenetischen Diagnostik LQTS oder CPVT therapeutische Implikationen: Empfehlungsgrad Klasse I Brugada-Syndrom bei Zeichen der Erregungsleitungsstörung oder positiver Familienanamnese: Empfehlungsgrad Klasse IIa Seltene Arrhythmiesyndrome (z.b. SQTS) mit positiver Familienanamnese, besonderen Verläufen: Empfehlungsgrad Klasse IIb Prädiktive genetische Diagnostik bei bekannter Mutation in der Familie: Empfehlungsgrad: Klasse I
6 3 RISIKOSTRATIFIKATION UND MANAGEMENT BEI PRIMÄREN ARRHYTHMIESYNDROMEN Spezifische, vom Genotyp abhängige Vorsichtsmaßnahmen sind: Kein Wettkampfsport* (alle Arrhythmiesyndrome) Kein Sprung ins kalte Wasser, nicht alleine Schwimmen gehen (LQTS und CPVT) Meidung plötzlicher lauter Geräusche (LQTS2) Keine Einnahme potenziell QT-verlängernder Medikamente ( (alle LQTS) Meidung von Medikamenten, die bei Brugada-Syndrom kontraindiziert sind ( Rasche Behandlung von Fieber mit fiebersenkenden Medikamenten (LQTS und BrS) * ESC-Leitlinien definieren Wettkampfsport als regelmäßige freizeitsportliche oder professionelle Teilnahme an sportlichem Training und öffentlichen Wettbewerben. 3 THERAPIEEMPFEHLUNGEN (NACH LEITLINIEN DER DGK/DGPK) Betablocker sind bei klinisch manifestem LQTS oder CPVT empfohlen (Empfehlungsgrad: Klasse I). Bei asymptomatischen Anlageträgern ist der Einsatz von Betablockers sinnvoll (Empfehlungsgrad: Klasse IIa). Die Implantation eines Defibrillators (ICD) wird beim LQTS oder CPVT erwogen, wenn trotz adäquater Betablocker-Therapie und Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen ventrikuläre Tachykardien und/oder Synkopen auftreten. Beim Brugada-Syndrom ist die prophy- sollte die ICD-Implantation empfohlen werden (Empfehlungsgrad Klasse laktische Implantation eines Defibrillators die einzig sichere Therapie (Empfehlungsgrad: Klasse I). Bei Patienten mit spontanem Typ -EKG und Synkopen in der Vorgeschichte IIa). Die linksseitige kardiothorakale sympthomatische Denervation (LCSD) ist bei therapieresistentem LQTS (Empfehlungsgrad Klasse IIa) und CPVT (Empfehlungsgrad: Klasse IIb) eine Möglichkeit.
7 3 STECKBRIEF PRIMÄRE ARRHYTHMIESYNDROME Leitsymptom Strukturell unauffälliges Herz, Schwindel, Synkopen, lebensbedrohliche Arrhythmien Genetische Ursachen Genetische Veränderungen in Genen die für kardiale Ionenkanäle oder deren regulierende Proteine kodieren Häufigkeit Long-QT :2000, andere seltener Erbgang Meist dominant, mit inkompletter Penetranz, selten rezessiv Manifestation Kindes- bis Erwachsenenalter Verlauf Plötzlicher Herztod im Kindes-, Jugend-, oder Erwachsenenalter bis hin zu klinisch symptomfreien Anlageträgern LITERATUR Benito B, Sarkozy A, Mont L, et al.: Gender differences in clinical manifestations of Brugada syndrome. J Am Coll Cardiol 2008; 52: Gollob MH, Redpath CJ, Roberts JD. The short QT syndrome: proposed diagnostic criteria. J Am Coll Cardiol. 20;57:802-2 Priori SG, Blomstrom-Lundqvist C, Mazzanti A et al. ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death: The Task Force for the Management of Patients with Ventricular Arrhythmias and the Prevention Sudden Cardiac Death of the European Society of Cardiology (ESC). Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC). Eur Heart J : Priori SG, Wilde AA, Horie M, et al.: Executive summary: HRS/EHRA/APHRS expert consensus statement on the diagnosis and management of patients with inherited primary arrhythmia syndromes. Europace 203; 5: Probst V, Veltmann C, Eckardt L, et al.: Long-term prognosis of patients diagnosed with Brugada syndrome: Results from the FINGER Brugada Syndrome Registry. Circulation 200; 2: Rudic B, Schimpf R, Borggrefe M. Short QT Syndrome Review of Diagnosis and Treatment. Arrhythmia & Electrophysiology Review. 204;3:76-79 Schulze-Bahr E, Klaassen S, Abdul-Khaliq H. Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK). Kardiologe 205;9: Schwartz PJ, Moss AJ, Vincent GM, Crampton RS. Diagnostic criteria for the long QT syndrome: an update. Circulation. 993;88: ABBILDUNGSREFERENZ Die Abbildungen wurden vom MGZ Medizinisch Genetischen Zentrum modifiziert. Abbildung ist angelehnt an: Autor: ExCard Research GmbH Titel: LQT-Unterformen URL: Datum des Zugriffs: Abbildung 2 ist angelehnt an: Autor: ExCard Research GmbH Titel: Brugada-EKG-Muster URL: Datum des Zugriffs:
8 3 INFORMATIONSMATERIAL Auf unserer Internetseite finden Sie umfangreiches Informationsmaterial sowohl zu weiteren klinischen Themen als auch zu organisatorischen Hinweisen. Besuchen Sie uns unter Prof. Dr. med. Elke Holinski-Feder Fachärztinnen für Humangenetik PD Dr. med. Angela Abicht Dr. med. Stefanie Balg Brigitte Schönfeld Dr. med. Teresa Neuhann Dr. med. Kerstin Becker Daniela González Fassrainer Dr. med. Verena Steinke-Lange Dr. med. Yvonne Müller-Koch Dr. med. Anne Behnecke Fachärztinnen für Humangenetik Dr. med. Silja Gnann Fachärztin für Innere Medizin Fachärztin für Humangenetik PD Dr. med. Isabel Diebold Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Facharztweiterbildung Humangenetik MGZ Medizinisch Genetisches Zentrum Prof. Dr. med. Dipl.-Chem. Elke Holinski-Feder PD Dr. med. Angela Abicht Fachärztinnen für Humangenetik, MVZ Bayerstraße 3 5 D München Tel. +49 (0)89 / Fax +49 (0)89 / info@mgz-muenchen.de Stand:
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