Rede von BrigGen Werner Albl anlässlich der Gedenkstunde zum Volkstrauertag am 13. November 2016 in Müllheim (Es gilt das gesprochene Wort)

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1 Rede von BrigGen Werner Albl anlässlich der Gedenkstunde zum Volkstrauertag am 13. November 2016 in Müllheim (Es gilt das gesprochene Wort) Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Siemes-Knoblich, verehrte Gäste, werte Kameraden, Ich begrüße Sie herzlich zum diesjährigen Volkstrauertag, hier am Ehrenmal auf dem Alten Friedhof in Müllheim. Der Volkstrauertag wurde ursprünglich als Gedenktag für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs eingeführt. Heute ist der Volkstrauertag allen Opfern von Krieg und Gewalt gewidmet. Dies schließt zivile Opfer ausdrücklich mit ein. In diesem Sinne wollen wir den Volkstrauertag 2016 begehen. Wenn wir den Begriff Trauertag verwenden, steht allerdings die Frage im Raum, wer heute tatsächlich noch trauert. Denn Trauer ist ja in erster Linie etwas Persönliches und die Hinterbliebenen, die in den Weltkriegen direkte Angehörige verloren haben, werden immer weniger. Trauer kann deswegen heutzutage vielfältige Formen annehmen. Vor diesem Hintergrund wäre es durchaus angebracht, den Volkstrauertag auch als Volkserinnerungstag zu begreifen. Nicht umsonst ist die Entsprechung des Feiertags im englischsprachigen Raum der Rememberance Day, wörtlich Erinnerungstag. 1

2 Wenn wir den Volkstrauertag als Erinnerungstag verstehen, woran sollten wir uns heute erinnern? Als Deutsche neigen wir fast reflexartig dazu, jetzt die Jahre der nationalsozialistischen Diktatur und den Zweiten Weltkrieg vorzuschlagen, sicherlich zu recht. Aber ich will heute etwas anderes tun und Ihr Augenmerk auf den Ersten Weltkrieg lenken; zum einen, weil er vor genau 100 Jahren in vollem Gange war. Zum anderen, weil ich Kommandeur eines bi-nationalen Großverbandes bin, dem gleichermaßen Franzosen und Deutsche angehören. In der Tat war das Jahr 1916 einer der blutigsten aller Kriege überhaupt, auch weil 1916 die längste Schlacht des Ersten Weltkriegs stattfand: zwischen Februar und Dezember 1916, ganze 300 Tage lang, bekämpften sich Deutsche und Franzosen in VERDUN, erbittert an der Maas im Nordosten Frankreichs. Die Schlacht kostete insgesamt Soldaten das Leben und dennoch erreichten beide Seiten am Ende nicht mehr, als auf ihre ursprünglichen Ausganspositionen zurückzufallen. Daran zu erinnern ist auch und gerade heute eine Notwendigkeit, denn in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war diese Blutmühle von VERDUN weitestgehend in Vergessenheit geraten, zumindest in Deutschland. Damit meine ich, dass sie in Deutschland weniger Teil der nationalen Gedenkkultur war. Dies ändert sich am 22. September An diesem Tag besuchte François Mitterand einen deutschen Soldatenfriedhof in VERDUN der erste französische Staatspräsident, der dies tat. Er betritt den 2

3 Friedhof gemeinsam mit Helmut Kohl. Als bei der Zeremonie die Nationalhymnen erklingen, geben sich die Staatsmänner spontan die Hand. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sicherlich kennen Sie das Foto mit der Geste über den Gräbern von VERDUN bekräftigen Kohl und Mitterand die Aussöhnung Deutschlands und Frankreichs. Ein Bild, das vielen von uns in Erinnerung geblieben ist. VERDUN wird damit zu einem wichtigen Ort der deutschfranzösischen Erinnerung. Ja, der heutige Volkstrauertag ist wirklich auch ein Anlass, an diese deutsch-französische Versöhnung zu erinnern. Helmut Kohl und François Mitterand beließen es nicht bei der Versöhnung, sondern weiteten die deutschfranzösische Kooperation auch auf den militärischen Bereich aus: nur 3 Jahre nach dem Treffen in VERDUN, vereinbarten sie die Aufstellung unserer Deutsch- Französischen Brigade. Die Gründe für diesen Beschluss sind eindeutig: für Europa war die Zeit gekommen, mehr und mehr Eigenverantwortung für Frieden und Sicherheit auf diesem Kontinent und in Europa zu übernehmen. Ein Ansatz, der auch heute hochaktuell ist. Die Brigade trägt seither weltweit, durch unsere Gestellung von Einsatzkontingenten auf dem Balkan, in Afghanistan oder in Mali Mitverantwortung für den Frieden. Uns wir haben in ihren Auslandseinsätzen bislang auch gefallene Soldaten beklagen müssen, genauso wie andere Einheiten beider Nationen. Diese Todesfälle sind nicht etwa ein Argument für die Sinnlosigkeit von Krieg. 3

4 Vielmehr verdeutlichen sie: Frieden und Sicherheit müssen uns so viel wert sein, dass wir auch bereit sind, dafür in gefährliche Auslandseinsätze zu gehen. Unsere gefallenen Soldaten waren dazu bereit, und so gedenken wir auch ihnen und behalten wir sie in dankbarer und ehrender Erinnerung unseres Alt- Bundespräsidenten: Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren. Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren, oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde. Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten. Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren. 4

5 Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind. Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten, und teilen ihren Schmerz. Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt. Mit diesen Worten möchte ich sie zum gemeinsamen Gedenken auffordern. Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit! 5