Gestaltungskompetenz ein zentrales Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung

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1 Gestaltungskompetenz ein zentrales Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung Dr. Friedrun Erben, Ev. Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung Fachtagung Das Konzept der Gestaltungskompetenz Teil der Bildungsberatung? am im Roten Rathaus, Berlin

2 1. Einführung 1.1 Anmerkung zur Bildung für nachhaltige Entwicklung Bildung für nachhaltige Entwicklung zielt auf die Fähigkeit, persönlich und in Kooperation mit anderen sich für nachhaltige Entwicklungsprozesse reflektiert engagieren und nicht nachhaltige Entwicklungsprozesse systematisch analysieren und beurteilen zu können. (Programm Transfer , S. 7) Grundstein für die Bildung für nachhaltige Entwicklung wurde 1992 im Kapitel 36 der Agenda 21 dem Abschlussdokument der Rio-Konferenz gelegt. Bildung für nachhaltige Entwicklung wird in Deutschland seit 1996 als Konzept ausformuliert und hat mittlerweile in verschiedenen Bildungsbereichen Eingang gefunden. Bildung für nachhaltige Entwicklung braucht ein Verständnis von Nachhaltigkeit, das auf die Situation des jeweiligen Landes und deren gesellschaftlicher Entwicklung Bezug nimmt (vgl. de Haan 2008, S. 25f.).

3 1. Einführung 1.2 Anmerkung zum Kompetenzbegriff Eine Kompetenz ist ( ) die Fähigkeit (komplexe) Anforderungen in einem bestimmten Kontext erfolgreich zu erfüllen. (Rychen 2008, S. 16) Kompetenzkonzepte sind am Output und nicht am Input orientiert, d.h. es wird nicht danach gefragt, mit welchen Gegenständen sich ein Lernender beschäftigen, sondern über welche Problemlösungsstrategien, Handlungskonzepte jemand verfügen soll. Kompetenzen können nicht nach dem binären Schema vorhanden, nicht vorhanden begriffen werden, sondern sind mehr oder weniger stark ausgeprägt. Kompetenzen stellen Anforderungen an psychosoziale Ressourcen, d.h. sie beziehen kognitive, motivationale, emotionale, soziale Komponenten mit ein (vgl. Rychen 2008, S. 16). In den Kompetenzen werden Kognition und Emotion miteinander verbunden.

4 2. Referenzrahmen für das Kompetenzkonzept 2.1 Das Konzept der Schlüsselkompetenzen der OECD Die drei Kategorien von Schlüsselkompetenzen Autonome Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit die Kompetenz selbstständig erfolgreich handeln zu können (Fähigkeit, in größeren Kontexten und Zusammenhängen zu denken und zu handeln, eigene Lebenspläne zu entwerfen und Projekte zu gestalten) Handeln in sozial heterogenen Gruppen die Kompetenz in diesen Gruppen erfolgreich handeln zu können (Fähigkeit, gute und tragfähige Beziehungen zu anderen aufzubauen, in Teams zusammen zu arbeiten und mit Konflikten konstruktiv umzugehen) Interaktive Nutzung von Medien und Tools die Kompetenz, mit den Instrumenten der Kommunikation und des Wissens souverän umgehen zu können (Fähigkeit, Sprache, Symbole und Texte interaktiv einzusetzen, Wissen, Informationen und Technologien interaktiv zu nutzen) (vgl. Rychen 2008, S. 18ff.)

5 2. Referenzrahmen für das Kompetenzkonzept 2.2 Grundlage und Rahmung Gestaltungskompetenz bezeichnet das Vermögen, die Zukunft von Sozietäten, in denen man lebt, in aktiver Teilhabe im Sinne nachhaltiger Entwicklung modifizieren und modellieren zu können. (de Haan/Harenberg 1999) OECD-Schlüsselkompetenzen sind Grundlage für die Diskussion über globale Ziele und für die Gestaltung von Bildungsprozessen im Lebenslangen Lernen. Konzept der OECD-Schlüsselkompetenzen mit seinen normativen Herleitungen ist Referenzrahmen für das Konzept der Gestaltungskompetenz. Im Gutachten zum BLK-Progamm BNE wurde von Gerhard de Haan und Dorothee Harenberg das Konzept der Gestaltungskompetenz im Jahr 1999 zum ersten Mal als Bildungsziel für die BNE benannt. Es hat sich seitdem ausdifferenziert und weiterentwickelt. Die Gestaltungskompetenzen sollen einen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklung leisten und befähigen, auf persönliche, lokale und globale Herausforderungen zu reagieren.

6 3. Das Kompetenzkonzept der BNE Die zehn Teilkompetenzen (vgl. Programm Transfer , S. 17ff.; de Haan 2008, S. 32ff.) 1. Weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufbauen Lernende kennen Konzepte der Nachhaltigkeit in der Politik und Gesellschaft und können sie bewerten. Sie lernen andere Weltanschauungen und Lebenskonzepte kennen und achten. 2. Vorausschauend denken und handeln Lernenden können Probleme analysieren, bewerten und können ein entsprechendes Handeln ableiten. Methoden der Zukunftsforschung werden genutzt. 3. Interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln Lernenden können Zusammenhänge von Ökologie, Ökonomie, Politik, Konflikten, Armut analysieren, können Konzepte von sozialer Gerechtigkeit beurteilen. 4. Gemeinsam mit anderen planen und handeln können Lernende können gemeinsam mit anderen unterschiedliche Standpunkte erkennen, darlegen, abwägen, können Meinungsverschiedenheiten demokratisch austragen und Handlungsstrategien entwickeln. 5. An Entscheidungsprozessen partizipieren können Lernenden erproben in verschiedenen Verfahren, wie sich Gruppen über Ziele und Prozesse verständigen und Konflikte bewältigen können und setzen ihr Wissen in Entscheidungsprozessen ein.

7 Die zehn Teilkompetenzen 6. Andere motivieren können, aktiv zu werden Lernende begeistern sich für die Idee der Nachhaltigkeit und können anderen vermitteln, wie wichtig es ist, an demokratischen Entscheidungsprozessen und nachhaltigem Handeln teilzuhaben. 7. Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren können Lernende werden sich ihrer eigenen Vorstellungen und Wünsche bewusst, lernen sie nach den Kriterien der Nachhaltigkeit zu beurteilen. 8. Selbstständig planen und handeln können Lernende können eigene Lebenspläne entwerfen und persönliche Projekte unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit beschreiben. 9. Empathie und Solidarität für Benachteiligte zeigen können Lernenden sind in der Lage Ungerechtigkeiten zu erkennen und zu beschreiben, entwickeln Empathie für andere Menschen und üben ein solidarisches Verhalten. 10. Sich motivieren können, aktiv zu werden Lernende können ihren persönlichen Umgang mit Unwissenheit und offenen Situationen und ihre Motivation für die Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen und nachhaltigem Handeln beschreiben.

8 4. Einschätzung und Ausblick Der Kompetenzbegriff hat den in den 1970er Jahren favorisierten Begriff der Schlüsselqualifikationen abgelöst. Schlüsselqualifikation stand vor allem für die Befähigung, aktuelle und künftige Lebenssituationen erfolgreich zu bewältigen. Der Schlüsselkompetenzen stellen das Individuum und seine Autonomie stärker in den Vordergrund und ist damit weniger auf einen Nutzen ausgerichtet. Kompetenzen sind auf konkrete Anforderungen gerichtet. Sie sind nicht zeit- oder zusammenhangslos. Vermittlung von Kompetenzen brauchen kooperative Lehr-Lern-Prozesse, brauchen Lerngelegenheiten für eine aktive, konstruktive Aneignung (vgl. de Haan 2008, S. 25).

9 Vorteile der Gestaltungskompetenz in der BNE: Das Konzept ist nicht nur auf fachwissenschaftliche Erkenntnisse bezogen. Es stellt einen Bezug zur Lernbiographie her. Es ist lebensweltlich orientiert. Es berücksichtigt Vorerfahrungen. Es stärkt die Handlungsfähigkeit. Erfahrungswissen wird anerkannt. Es beachtet den Lernprozess selbst. Nachteile des Konzepts: Im formalen Bildungsbereich: Inkompatibilität mit rein fachorientiertem Unterricht Kompetenzen sind schwer mit Bildungsstandards zu erfassen Situations- und problemspezifische Kompetenzen sind schwer auf andere Problemfelder zu übertragen. Es könnte der Verdacht aufkommen, dass Lernende funktionalisiert werden sollen, um globale Probleme zu lösen, die sie selbst nicht verursacht haben. (Vgl. de Haan 2008, S. 37f.)

10 Literatur Haan, Gerhard de (2008): Gestaltungskompetenz als Kompetenzkonzept der Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Bormann, Inka; Haan, Gerhard de (Hrsg.): Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Operationalisierung, Messung, Rahmenbedingungen, Befunde. Wiesbaden, S Haan, Gerhard de/harenberg, Dorothee (1999): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Gutachten zum Programm. Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung, Heft 72. Hrsg. von der BLK, Bonn. Programm Transfer 21 (Hrsg.) (2007): Orientierungshilfe Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Sekundarstufe I. Begründungen, Kompetenzen, Lernangebote. Berlin. Orientierungshilfe_kompetenzen.pdf Rychen, Dominique Simone (2008): OECD Referenzrahmen für Schlüsselkompetenzen ein Überblick. In: Bormann/de Haan ebd., S