Vorlesung 3a. Der Erwartungswert. von diskreten reellwertigen Zufallsvariablen
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- Ute Messner
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1 Vorlesung 3a Der Erwartungswert von diskreten reellwertigen Zufallsvariablen
2 X sei eine diskrete reellwertige Zufallsvariable, d.h. eine ZV e mit Wertebereich R (oder einer Teilmenge davon), sodass eine endliche oder abzählbar unendliche Menge S existiert mit P(X S) = 1. X S R
3 1. Der Erwartungswert als gewichtetes Mittel
4 Eine einprägsame Kenngröße für die Lage der Verteilung von X ist das mit den Wahrscheinlichkeiten gewichtete Mittel der möglichen Werte von X: E[X] := a S a P(X = a). Man spricht vom Erwartungswert von X. (Wir bezeichnen ihn auch mit µ oder µ X.)
5 a Gewichte
6 Z = Das elementarste Beispiel: { 1 mit Wahrscheinlichkeit p 0 mit Wahrscheinlichkeit q = 1 p Man erinnere sich an die Situation der ersten Stunde: Rein zufällige Wahl eines Pixels aus einem Quadrat, die Teilmenge A hatte den Pixelanteil p; gezählt wird, wenn der Pixel in A fällt.
7 Z = Das elementarste Beispiel: { 1 mit Wahrscheinlichkeit p 0 mit Wahrscheinlichkeit q = 1 p E[Z] = p 1+q 0 = p
8 Das passt gut zu unserem Logo der ersten Stunde Y Z A 1 A 1 0 Z = 1 A (Y) =: I {Y A}... die Indikatorvariable des Ereignisses {Y A} {Z = 1} = {Y A} E[Z] = P(Y A).
9 ... und entspricht dem Szenario des einfachen Münzwurfs: Z Y Kopf 1 Zahl 0 Z = I {Y=Kopf} {Z = 1} = {Y = Kopf} E[Z] = P(Y = Kopf).
10 Für allgemeines diskretes, reellwertiges X hatten wir E[X] = a S a P{X = a} = a S aρ(a) Dabei sind die Zahlen ρ(a) die Verteilungsgewichte von X. Merke: Der Erwartungswert der Zufallvariablen X hängt nur von ihrer Verteilung ρ ab. Synonym sprechen wir daher auch manchmal vom Erwartungswert der Verteilung ρ.
11 X eine Zufallsgröße; E[X] eine Zahl.
12 2. Ein Beispiel: Der Erwartungswert der Anzahl der Erfolge beim dreifachen Münzwurf
13 Eine faire Münze wird dreimal geworfen. X := Anzahl der geworfenen Köpfe.
14 E[X] =? a = Anzahl Köpfe P(X = a)
15 E[X] = a P(X = a) a = Anzahl Köpfe P(X = a)
16 P(X = a) E[X] = = 12 8 = a = Anzahl Köpfe
17 P(X = a) Die Zahl E[X] = 1.5 gehört hier gar nicht zum Wertebereich von X a = Anzahl Köpfe
18 P(X = a) und kann deshalb im buchstäblichen Sinn kein Wert von X sein, den man erwartet x = Anzahl Köpfe
19 Was denn dann? a = Anzahl Köpfe P(X = a)
20 P(X = a) Wie erlebt man den Erwartungswert? a = Anzahl Köpfe 1 8
21 P(X = a) Durch wiederholtes Werfen der drei Münzen a = Anzahl Köpfe
22 3. Der Erwartungswert als Langzeitmittel Beispiel: X... Anzahl Köpfe beim dreimaligen fairen Münzwurf
23 Wiederholungen: X 1,X 2,...,X Xn n
24 M n := (X 1 +X X n )/n Xn n
25 Wiederholungen: X 1,X 2,...,X Xn n
26 M n := (X 1 +X X n )/n Xn n
27 Wiederholungen: X 1,X 2,...,X Xn n
28 M n := (X 1 +X X n )/n Xn n
29 M n E[X] Xn n
30 Warum? Xn n
31 M n = (X 1 +X X n )/n Xn n
32 M n = 3 a=0 a #{i n : X i = a}/n a P(X = a) Xn n
33 Dazu später mehr. Für den Moment nur als kurzer Ausblick:
34 DAS GESETZ DER GROSSEN ZAHLEN Sei X eine Zufallsgröße mit Erwartungswert E[X]. Seien X 1,X 2,... unabhängige Kopien von X. Dann gilt X X n n E[X] Zu klären 1. Was heißt unabhängig? 2. Was heißt?
35 Diese Klärung wird in der Vorlesung in wenigen Wochen erfolgen. Jetzt halten wir erst einmal fest:
36 Zwei Vorstellungen von E[X] 1. Gewichtetes Mittel der möglichen Werte: E[X] := a P(X = a) 2. Langzeitmittelwert bei unabhängigen Wiederholungen: X X n n E[X]
37 4. Die Additivität des Erwartungswertes - anschaulich und als Werkzeug
38 Die wichtigste Eigenschaft des Erwartungswerts ist die Additivität
39 Die wichtigste Eigenschaft des Erwartungswerts ist die Additivität E[X+Y] = E[X]+E[Y]
40 Die Additivität des Erwartungswerts wird intuitiv sofort klar aus der Vorstellung als Langzeitmittelwert bei unabhängigen Wiederholungen : 1 n ((X 1 +Y 1 )+...+(X n +Y n )) = 1 n (X X n )+ 1 n (Y Y n ) E[X]+E[Y]
41 Ein prominenter Fall ist X = Z 1 + +Z n, wobei die Z 1,...,Z n nur die Werte 0 oder 1 annehmen. Dann gilt E[Z i ] = P(Z i = 1) und somit E[X] = P(Z 1 = 1)+ +P(Z n = 1).
42 5. Der Erwartungswert der Binomialverteilung (als Erwartungswert der Anzahl der Erfolge beim n-fachen p-münzwurf)
43 X sei Bin(n, p) verteilt. E[X] =? n k=0 k P(X = k) = n k=0 k ( ) n k p k q n k =... Es GEHT so (vgl Buch Seite ) Aber es geht auch einfacher (vgl. Buch S. 49):
44 Sei Z = (Z 1,...,Z n ) ein n-facher p-münzwurf. Dann ist (Z 1 + +Z n ) Bin(n,p)-verteilt. E[Z 1 + +Z n ] = E[Z 1 ]+ +E[Z n ] E[Z i ] = 1 p+0 q = p Fazit: Der Erwartungswert einer Bin(n,p) verteilten ZV ist np.
45 6. Der Erwartungswert der hypergeometrischen Verteilung (als Erwartungswert der Anzahl der Erfolge beim n-fachen Ziehen ohne Zurücklegen)
46 BEISPIEL Ziehen ohne Zurücklegen ause Eine Urne enthält r rote und b blaue Kugeln. ooooooooooooo r = 8 b = 5 Aus der Urne werden ohne Zurücklegen n Kugeln gezogen. ooooooooo n = 9 R := Anzahl der gezogenen roten Kugeln E[R] =?
47 R = Z 1 +Z Z n Z i = 1 falls i-te gezogogene Kugel rot Z i = 0 falls i-te gezogene Kugel blau ooooooooooooo r = 8 b = 5 P(Z i = 1) = r r+b Man stelle sich vor, die Nummern der Züge werden als rein zufällige Permutation an die r+b Kugeln vergeben. Wie wahrscheinlich ist es, dass Nummer i auf eine rote Kugel fällt?
48 R = Z 1 +Z Z n Z i = 1 falls i-te gezogogene Kugel rot Z i = 0 falls i-te gezogene Kugel blau ooooooooooooo r = 8 b = 5 P(Z i = 1) = r r+b E[Z i ] = r r+b E[R] = E[Z 1 ]+E[Z 2 ]+...+E[Z n ] E[R] = n r r+b
49 BEISPIEL Ziehen ohne Zurücklegen vspace0.6cm Eine Urne enthält r rote und b blaue Kugeln. ooooooooooooo r = 8 b = 5 Aus der Urne werden ohne Zurücklegen n Kugeln gezogen. ooooooooo n = 9 R := Anzahl der gezogenen roten Kugeln Verteilung von R?
50 Verteilung von R? P(R = k) =? vspace1cm P(R = k) = r b k n k / r+b n Eine ZV mit diesen Verteilungsgewichten (k = 0,..., n) heißt hypergeometrisch verteilt zu den Parametern (n, r + b, r). (vg. Buch Seite 28)
51 P(R = k) = r k b n k / r+b n E[R] = n k=0 k r k E(R) =? b n k / r+b n Es GEHT so (vgl. Buch Seite 32) Aber wie wir eben gesehen haben, =... (über die Darstellung von R als Summe von Zählern) geht s auch einfacher (vgl. Buch S. 50/51).
52 7. Der Erwartungswert einer Anzahl von Runs
53 Runs beim fairen Münzwurf Z := (Z 1,Z 2,...,Z n ) n-facher fairer Münzwurf P{Z i = 1} = 2 1 P{Z i = 0} = 2 1 Run: ein Block von Nullen (Einsen), der nicht echt in einem größeren Block enthalten ist R := Anzahl Runs in Z R = R = R = 8
54 E[R] =? Dazu schreiben wir R als Summe von Zählern. Bei jedem Wurf zählen wir eins dazu, wenn bei diesem Wurf ein Run beginnt:
55 Y i := 1 falls bei i ein Run beginnt, Y i := 0 sonst R = Y 1 +Y Y n Y 1 1 {Y i = 1} = {(Z i 1,Z i ) = (0,1) oder (1,0)} (i > 1) P(Y i = 1) = = 1 2 (i > 1) E[Y i ] = 1 2 (i > 1) E[R] = E[Y 1 ]+E[Y 2 ]+E[Y 3 ]+...+E[Y n ] E[R] = (n 1)
56 8. Zur Wohldefiniertheit des Erwartungswertes
57 Wie kann es sein, dass für eine diskrete reellwertige Zufallsvariable X mit P(X S), S abzählbar, die Summe a SaP(X = a) nicht wohldefiniert ist?
58 Ein Beispiel: P(X = ( 2) n ) := 2 n, n = 1,2,... Dann ist n {1,3,...} 2 n P(X = 2 n ) = und n {2,4,...} 2 n P(X = 2 n ) = +. Aber die Summe von und + gibt keinen Sinn!
59 Wenn wir sagen Die diskrete reellwertige Zufallsvariable X hat einen wohldefinierten Erwartungswert meinen wir, dass nicht zugleich a S,a>0 ap(x = a) und a S,a<0 a P(X = a) Unendlich sein dürfen.
60 Wenden wir uns nun der Herleitung der Linearitätseigenschaft aus der Definition des Erwartungswertes zu.
61 9. Transformationsformel für den Erwartungswert Diese Formel ist oft hilfreich bei der Berechnung von Erwartungswerten. Sie erinnert an die Einsetzungsregel( Substitutionsregel) zum Berechnen von Summen und Integralen, und wird uns im Abschnitt 10 helfen, die Linearität des EW aus seiner Definition herzuleiten.
62 Sei X diskrete Zufallsvariable mit P(X S) = 1 und h eine Abbildung von S nach R h(x) X S h R
63 Sei X diskrete Zufallsvariable mit P(X S) = 1 und h eine Abbildung von S nach R so, dass der Erwartungswert der Zufallsvariablen h(x) wohldefiniert ist. Dann ist E[h(X)] = a Sh(a) P(X = a). Die Idee ist einfach: anstatt die Werte b = h(a), a S, mit deren Gewichten zu mitteln, zerlegt man nach dem Urbild und mittelt mit den Gewichten der Werte a.
64 E[h(X)] = a Sh(a) P(X = a) Denn: b P(h(X) = b) b h(s) = b P(X = a) b h(s) a h 1 (b) = b h(s) a h 1 (b) h(a) P(X = a) = a Sh(a) P(X = a).
65 10. Die Linearität des Erwartungswertes - Beweis
66 Wir betrachten zwei diskrete reellwertige Zufallsvariable X 1, X 2, die gemeinsam in einem Zufallsexperiment auftreten und sich damit zu einem zufälligen Paar (X 1,X 2 ) zusammenfassen lassen. Für c 1, c 2 R ist dann auch c 1 X 1 +c 2 X 2 eine diskrete reellwertige Zufallvariable.
67 X = (X 1,X 2 ) R h(x) = c 1 X 1 +c 2 X 2 R (a 1,a 2 ) h R h(a 1,a 2 ) = c 1 a 1 +c 2 a 2
68 Satz [Linearität des Erwartungswertes] (Buch S. 52) Für reellwertige Zufallsvariable X 1, X 2 mit wohldefiniertem Erwartungswert gilt E[c 1 X 1 +c 2 X 2 ] = c 1 E[X 1 ]+c 2 E[X 2 ], c 1,c 2 R. Den Beweis führen wir hier nur für diskrete Zufallsvariable, und zwar über die Transformationsformel mit h(a 1,a 2 ) := c 1 a 1 +c 2 a 2.
69 Beweis. Seien S 1,S 2 R abzählbar mit P(X 1 S 1 ) = P(X 2 S 2 ) = 1. Aus der Transformationsformel folgt mit h(a 1,a 2 ) := c 1 a 1 +c 2 a 2 :
70 E[c 1 X 1 +c 2 X 2 ] = a 1 S 1 a 2 S 2 (c 1 a 1 +c 2 a 2 ) P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) = c 1 a 1 S 1 a 1 + c 2 a 2 S 2 a 2 P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) a 2 S 2 P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) a 1 S 1
71 E[c 1 X 1 +c 2 X 2 ] = a 1 S 1 a 2 S 2 (c 1 a 1 +c 2 a 2 ) P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) = c 1 a 1 S 1 a 1 P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) a 2 S 2 = a 1 P(X 1 = a 1 ) a 1 S 1 = E[X 1 ]
72 E[c 1 X 1 +c 2 X 2 ] = a 1 S 1 a 2 S 2 (c 1 a 1 +c 2 a 2 ) P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) = c 1 a 1 S 1 a 1 + c 2 a 2 S 2 a 2 P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) a 2 S 2 P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) a 1 S 1
73 = a 1 S 1 E[c 1 X 1 +c 2 X 2 ] a 2 S 2 (c 1 a 1 +c 2 a 2 ) P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) = c 1 E[X 1 ]AAAAAAAAAAAAAA + c 2 a 2 S 2 a 2 a 1 S 1 P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 )
74 = a 1 S 1 E[c 1 X 1 +c 2 X 2 ] a 2 S 2 (c 1 a 1 +c 2 a 2 ) P(X 1 = a 1,X 2 = a 2 ) = c 1 E[X 1 ]AAAAAAAAAAAAAA + c 2 E[X 2 ]AAAAAAAAAAAAAA
75 Zusammenfassung des Wichtigsten
76 A. Was ist der Erwartungswert? E[X] = a P(X = a) und E[X] = lim X X n n für unabhängige Wiederholungen X 1,X 2,...
77 B. Was ist die wichtigste Eigenschaft des Erwartungswertes? Die Linearität: E[αX+βY] = αe[x]+βe[y]
78 C. Wie berechnet man E[X] am besten? Oft dadurch, dass man X als Summe schreibt: X = Z Z n E[X] = E[Z 1 ]+...+E[Z n ]
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