Predigt im Gottesdienst am Sonntag 11. Januar 2015 in der ref. Kirche Birmensdorf Von der Notwendigkeit des gemeinsamen Gebets

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1 Predigt im Gottesdienst am Sonntag 11. Januar 2015 in der ref. Kirche Birmensdorf Von der Notwendigkeit des gemeinsamen Gebets Lesung: Jes 56, So spricht der HERR: Wahrt das Recht, und übt Gerechtigkeit, denn bald schon kommt von mir das Heil, meine Gerechtigkeit wird sich bald offenbaren. Wohl dem Mann, der so handelt, wohl dem Menschen, der daran festhält, den Sabbat zu halten und nie zu entweihen und seine Hand vor jeder bösen Tat zu bewahren. Der Fremde, der sich dem Herrn angeschlossen hat, soll nicht sagen: Sicher wird der Herr mich ausschliessen aus seinem Volk Die Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, die ihm dienen und seinen Namen lieben, um seine Diener zu sein, alle, die den Sabbat halten und ihn nicht entweihen, die an meinem Bund festhalten, sie bringe ich zu meinem heiligen Berg und erfülle sie in meinem Bethaus mit Freude denn mein Haus wir ein Haus des Gebets für alle Völker genannt. Evangelium: Mt 6, Und wenn ihr betet, sollt ihr es nicht machen wie die Heuchler: Die stehen gern in den Synagogen und an den Strassenecken und beten, um sich den Leuten zu zeigen. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon bezogen. 6 Wenn du aber betest, geh in deine Kammer, schliess die Tür und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten. 7 Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden; sie meinen nämlich, sie werden ihrer vielen Worte wegen erhört. 8 Tut es ihnen nicht gleich! Euer Vater weiss, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet. 9 So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel. Dein Name werde geheiligt. 10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. 11 Das Brot, das wir nötig haben, gib uns heute! 12 Und vergib uns unsere Schuld, 1

2 wie auch wir vergeben haben jenen, die an uns schuldig geworden sind. 13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. 14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. 15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird auch euer Vater eure Verfehlungen nicht vergeben Predigt Liebe Gemeinde Kürzlich habe ich die Radiopredigt eines Pfarrkollegen gehört. Das Thema seiner Predigt lautete: Beten. Gutes Thema, habe ich mir gedacht und gespannt zugehört. Leider war ich am Schluss enttäuscht. Der Grund: In der Predigt ist davon die Rede, dass Leute meinem Kollegen manchmal sagen: Wissen sie, ich brauche nicht in die Kirche zu kommen, um zu beten. Ich kann auch für mich alleine beten. Z.B. auf dem Weg zum Berg oder auf dem Weg zur Arbeit.. Darauf entgegnet mein Kollege: O ja, das geht! Auch ich bete manchmal auf dem Mountainbike! Weiter geht mein Kollege aber nicht auf das Fernbleiben von der Kirche ein. Er lässt die Sache einfach stehen und fährt mit einem ganz anderen Aspekt des Gebets fort. Wieder einmal eine Chance vertan!, dachte ich mir. Schade, wirklich schade! Da erhält ein Pfarrer endlich einmal Gelegenheit, vor einer grossen Zuhörerschaft am Radio zu sagen, warum es wichtig und notwendig ist, gemeinsam in der Kirche zu beten. Aber was macht er? Er bestätigt die Leute darin, der Kirche fernzubleiben und lieber für sich selber zu beten. Der Gottesdienst, das gemeinsame Gebet, ist Mittelpunkt des Gemeindelebens. So steht es auch in unserer Kirchenordnung geschrieben. Und das mit gutem Grund. Das gemeinsame Gebet ist die Quelle, aus der das Kirche-Sein entspringt. Ohne diese Mitte, ohne diese Quelle des Geistes und des Lebens, gibt es keine Gemeinde, keine Kirche. 2

3 Damit ist natürlich nichts gegen das persönliche Gebet gesagt. Jesus Christus betete oft für sich allein in der Stille, in der Einsamkeit und empfahl das auch seinen Jüngerinnen und Jüngern. Das haben wir vorhin im Evangelium gehört. Es geht beim Beten aber nicht darum, zu demonstrieren, wie fromm man ist. Und viele Worte verderben das Gebet. Das hat Jesus im Blick, wenn er sagt: Geh in deine Kammer, schliess die Tür und bete zu Gott mit einfachen Worten. Er meint damit aber nicht, dass das gemeinsame Gebet unwichtig wäre. Im Gegenteil. Jesus hat die Notwendigkeit des gemeinsamen Gebets unterstrichen. Er hat oft zusammen mit seinen Jüngern und anderen Menschen gebetet und war oft Gast in der Synagoge, im jüdischen Bethaus. Die persönliche Spiritualität ist etwas sehr Wichtiges. Aber sie allein genügt nicht. Das gemeinsame Gebet ist vielmehr eine Notwendigkeit. Darauf möchte ich heute aufmerksam machen. Der christliche Glaube ist letztlich keine individuelle Angelegenheit. In einer Zeit der fortschreitenden Individualisierung, ist das natürlich nur schwer nachvollziehbar. Oft hört man, Glaube sei doch Privatsache. Beten kann ich doch für mich allein. Dazu brauche ich doch nicht in die Kirche zu gehen. Aus christlicher Sicht ist das falsch. Heil ist nämlich nicht etwas, das sich im Privaten verwirklicht. Ich lese ihnen dazu ein Zitat des deutschen Theologen Perry Schmidt-Leukel vor: In der Tat ist der Mittelpunkt des christlichen Heilsverständnisses die von Gott ermöglichte Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch. Diese Gemeinschaft mit Gott muss sich aber immer auch in der liebenden Gemeinschaft mit den Mitmenschen verwirklichen. 1 Der letzte Satz ist wichtig. Es gibt keine Gemeinschaft mit Gott ohne Gemeinschaft mit den Mitmenschen. Und das gemeinsame Gebet in der Kirche im Gottesdienst ist Gemeinschaft mit den Mitmenschen und gleichzeitig Gemeinschaft mit Gott. Wahrt Recht und übt Gerechtigkeit, sagt Gott im Buch des Propheten Jesaja. Und er fährt fort: Mein Haus wird Bethaus für alle Völker genannt. Der letzte Satz steht im Judentum in grossen hebräischen Schriftzeichen an der Eingangstür von jeder 1 Schmidt-Leukel, Perry: Gott ohne Grenzen. Gütersloh

4 Synagoge. Die Synagoge ist das jüdische Bethaus. Das gemeinsame Gebet im Gottesdienst war im Judentum etwas sehr Wichtiges und Notwendiges. Es hat auch damit zu tun, dass Recht und Gerechtigkeit gewahrt werden sollen. Menschen sind manchmal ungerecht und Menschen wird Unrecht getan. Im gemeinsamen Gebet im Bethaus, wird dieses Unrecht unter anderem vor Gott gebracht. Die Betenden vergewissern sich dabei, dass Gott Unrecht und Leid nicht will. Gott fordert, dass wir uns zum Guten bekehren. Gott will auch, dass wir solidarisch sind mit den Opfern von Unrecht und Einstehen für Recht und Gerechtigkeit. Im gemeinsamen Gebet wird das alles nun zur Sprache gebracht. Und aus diesem gemeinsamen Gebet heraus entsteht dann auch der Impuls, für Liebe, Gerechtigkeit und Frieden in der Gemeinde und in der Welt einzustehen. Sünde ist ein oft missverstandenes Wort. Sünde ist aus jüdischchristlicher Sicht ein Zustand, bei dem sich jemand seinen Mitmenschen und Gott gegenüber verschliesst. Sünde ist also nichts anderes als Egoismus. Martin Luther hat den sündigen Menschen als homo incurvatus in se ipsum bezeichnet. Das heisst übersetzt: Der Mensch, der in sich selbst verkrümmt ist. Die Heilung von der Sünde ist nun die Befreiung dieses Menschen aus diesem Zustand des Egoismus. Gerade das gemeinsame Gebet ist in dieser Hinsicht heilsam. Denn die Betenden haben als Gemeinschaft immer mehr im Blick als sich selbst. Sie blicken auf das Geschehen in der Welt, auf Glück und Unglück und bringen es vor Gott zur Sprache. Der Grund des Gebets ist die Hoffnung auf Gott, der Recht und Gerechtigkeit für alle Menschen schafft. Es geht also nicht nur um uns selbst. Das Schicksal anderer Menschen darf uns nicht kalt lassen. Das Gebet ist gemeinsame Anteilnahme am Schicksal anderer Menschen und darum unverzichtbar. Liebe Gemeinde, ich möchte nicht falsch verstanden werden. Niemand soll sich gezwungen fühlen, in die Kirche zum gemeinsamen Gebet zu kommen. Zwang bringt nichts. Aber ich möchte mich stark machen für die Schönheit und den tiefen Sinn des gemeinsamen Gebets. Es ist gut und wichtig, sich durch gemeinsames Beten solidarisch zu zeigen. Es geht im Leben nicht nur um mich. Andere brauchen meine Kraft und meinen Trost. Und ich brauche 4

5 ihre Kraft und ihren Trost. Das gemeinsame Gebet ist Ausdruck dieser Solidarität. Darin wohnt der gute Geist Gottes, der uns immer wieder neu Kraft und Mut zum Leben schenkt. Amen. Aesch, 12. Februar 2015 Marc Stillhard 5

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