Krisenintervention - Erste Hilfe in akuten Lebenskrisen aus professioneller Sicht
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- Marcus Morgenstern
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1 Krisenintervention - Erste Hilfe in akuten Lebenskrisen aus professioneller Sicht Dr. Thomas Kapitany, Kriseninterventionszentrum Wien 53. Linzer Psychiatrischer Samstag erste hilfe für die seele Krise Ungleichgewicht zwischen äußeren belastenden Ereignissen und Lebensumständen momentanen Bewältigungsmöglichkeiten und Ressourcen KRISENANLÄSSE Beziehungs- und Partnerschaftskonflikte Trennungs-/ Sorgerechtskonflikte/Erziehungsprobleme berufliche Überforderung/Mobbing/ (drohender) Arbeitsplatzverlust finanzielle Probleme, Armut Krankheit/Krankheit in der Familie Pflege von chronisch kranken Angehörigen Todesfall Integrationsprobleme & Migrationshintergrund psyfk_i_19 1
2 Faktoren, die Entstehung und Verlauf psychosozialer Krisen beeinflussen Verlust und Trauer Art und Schwere des Anlasses Lebensveränderung Trauma Subjektive Bedeutung Wie bewertet der Betroffene das belastende Ereignis kognitiv und emotional? äußere belastende Ereignisse und Lebensumstände momentane Bewältigungsmöglichkeiten und Ressourcen Krisenanfälligkeit Soziale Umstände Krankheit Unbewältigte Krisen Reaktion der Umwelt Kann der Betroffene auf die Unterstützung der Menschen zählen, die ihm nahestehen? Ressourcen, Abwehrmechanismen und Bewältigungsstrategien psyfk_i_22 Traumatische Krisen (J. Cullberg, 1978) Schock Reaktion Bearbeitung Todesfall Ausbruch einer Erkrankung Massive soziale Kränkung Verlust des Arbeitsplatzes Neuorientierung Seminar Krisenintervention, Thomas Kapitany 2
3 Anzeichen und Symptome einer Lebenskrise IN DER SCHOCKPHASE: Konfrontation mit einem unerwarteten und/oder persönlich sehr belastenden Ereignis Momentane Überforderung der psychischen Verarbeitungsmöglichkeiten Mögliche Reaktionsweisen: Die Realität wird ferngehalten. Betroffene scheinen unberührt. Der Zustand kann als ein Gefühl der Betäubung erlebt werden. Innerlich wird Chaos erlebt, äußerlich kann die Person geordnet erscheinen Der seelische Aufruhr führt zu ziellosen Aktivitäten, Achtung: es besteht die Gefahr von Kurzschlusshandlungen, selbstgefährdendem Verhalten! Traumatische Krisen (J. Cullberg, 1978) Schock Reaktion Bearbeitung Neuorientierung Seminar Krisenintervention, Thomas Kapitany 3
4 Veränderungskrisen (G. Caplan, 1964) Konfrontation Versagen Mobilisierung Bewältigung Rückzug Resignation Chronifizierung Vollbild der Krise Seminar Krisenintervention, Thomas Kapitany Anzeichen und Symptome einer Lebenskrise IN DER REAKTIONS- UND BEARBEITUNGSPHASE: Unruhe/Anspannung/Nervosität/Angst Schlafstörung (häufig ein erstes Anzeichen) Grübeln Konzentrationsstörung Negative Gefühle Das Selbstwertgefühl ist häufig stark beeinträchtigt. Krisen sind keine krankhaften Zustände, können sich aber daraus entwickeln: Depressivität durch langanhaltende Belastungen zunehmende Erschöpfung wiederholtes Scheitern von Lösungsversuchen Gefühle der Ausweglosigkeit/Ohnmacht 4
5 Krise Ungleichgewicht zwischen äußeren belastenden Ereignissen und Lebensumständen momentanen Bewältigungsmöglichkeiten und Ressourcen Wichtige Weichenstellung Gefahr der Chronifizierung z.b. Alkoholismus, Krankheit Chance zu Weiterentwicklung und Reifung Spezifische Gefahren z.b. Suizidalität, Gewalt psyfk_i_19 Ursachen von Suizidalität Suizidalität bei psychosozialen Krisen: häufig einmalige Episode Suizidalität bei psychischen Störungen: häufig chronische Suizidalität Suizidalität bei körperlichen Erkrankungen Bilanzsuizid psyfk_i_35 5
6 Symptome der Depression (ICD-10) Hauptsymptome (mindestens 2) Gedrückte Stimmung Interesselosigkeit Geliebte Dinge und Aktivitäten werden gleichgültig Verminderung/Verlust des Antriebs Alltägliches erfordert (viel) Überwindung Ermüdbarkeit und schnelle Erschöpfung Andere häufige Symptome (min. 2-4) Verminderte Konzentration, Aufmerksamkeit Appetitminderung Hemmung/Unruhe Schlafstörung Morgentief Vermindertes Selbstwertgefühl Schuldgefühle Selbstschädigung, suizidales Verhalten Dauer der Beeinträchtigung mind. 2 Wochen Epidemiologie von Suiziden Suizide in Österreich (2016) 1204 (Höchststand 1986: 2139) Suizidrate SR: 14,5/ (bis 2014 >15) Frauen: 289 (SR 6,5) Männer: 960 (SR 22,7) Ältere mehr als Jüngere psyfk_i_03 6
7 Suizidversuche mal mehr als Suizide Frauen häufiger als Männer Jüngere häufiger als Ältere psyfk_i_04 Ziele von Krisenintervention Entlastung für den Betroffenen Erkennen von Gefährdung Rasche Beseitigung von Symptomen (Auflösung einer suizidalen Einengung) Wiederherstellung des Selbstwertgefühles Wiedererreichen von Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit Finden und Erproben alternativer und konstruktiver Handlungsweisen psyfk_iii_03 7
8 Krisenintervention Beziehungsfördernde Haltung Aktives Ansprechen und Nachfragen Verstehen wollen Dem Patienten die Möglichkeit geben, Leidvolles mitzuteilen Mit der Bereitschaft Leid auch anzuhören Aushalten, wenn ich keine Problemlösung anbieten kann Auf argumentierendes Diskutieren verzichten Krisenanerkennung Psychoedukation T. Kapitany Einschätzung der Suizidgefährdung (Kapitany, Stein 2018) Basale Suizidalität Aktuelle Suizidalität Risikogruppe/ Risikofaktoren Suizidale Inhalte/ Entwicklung Krise/ Trauma/ Soziale Situation Präsuizidales Syndrom/ Affekte Beziehungsgestaltung Psychische Erkrankung Ältere Menschen (bes. Männer) Suizidversuch in der Vorgeschichte Leichter Zugriff auf tödliche Mittel Suizide in der Familie Imitationseffekt Gedanken Ankündigung Hinweis(e) Erwägung Abwägung Entschluss Akute äußere Belastung Ressourcen, persönliche Bedeutung Soziale Isolation Einengung Aggressionsumkehr Suizidphantasien Hoffnungslosigkeit Angst Verzweiflung Unerreichbarkeit (Anzeichen für) Dissimulation Mangelnde Kooperationsbereitschaft oder - fähigkeit psyfk_ii_05 8
9 Kommunikation über Suizidale Inhalte! Daran denken!? Danach fragen? Darüber sprechen Source: helf_ii_18 Einschätzung von Suizidalität Je systematischer und realistischer Suizidgedanken sind, je weniger Alternativen erwogen werden, desto gefährlicher ist die Situation. Fragen nach (zunehmender Gefährdung): Hoffnungslosigkeit und passivem Todeswunsch aktivem Selbsttötungswunsch Handlungsvorstellungen Plänen Vorbereitungen 9
10 Suizidale Entwicklung (W. Pöldinger, 1968) I. Erwägung Suizidale Isolierung II. Abwägung (Ambivalenz) Suizid als vage mögliche Problemlösung Direkte Suizidankündigung als Hilferuf III. Entschluss Indirekte Suizidankündigung Vorbereitungs-handlungen: Ruhe vor dem Sturm psyfk_ii_19 Setting Krisenintervention Der/Die Helfer/in sollte nach Möglichkeit keine Vereinbarungen treffen, die ungewöhnliche Anstrengungen oder heroische Maßnahmen notwendig machen, die ihn/sie in der Folge überfordern (Kernberg). Wesentlich ist also, sich darüber klar zu werden, was man für sich selbst noch als zumutbar erlebt und wo die eigenen Grenzen überschritten werden. Es ist immer günstig von vorneherein klare Grenzen festzulegen und zu überprüfen, ob das Angebot für den/die Klienten/in tragfähig genug ist. psyfk_iii_21 10
11 Direkte Unterstützung und Vermittlung von Hilfen Medikamente Krankenstand Kurzzeitige Unterbringung bei Freunden, Verwandten oder in nicht psychiatrischen Institutionen (z.b. Frauenhaus) Krankenhauseinweisung Geld, Unterkunft etc. Juristische Beratung Hilfe im Kontakt mit Behörden etc. psyfk_iii_30 Zusammenfassung Krisenintervention als professionelle Methode in der Unterstützung von Menschen in einer akuten psychosozialen Krise Grundlage ist ein unterstützendes, zugewandtes, Halt-gebendes Beziehungsangebot Das respektvolle, aktive Ansprechen von selbstzerstörerischen Impulsen, Suizidgedanken und absichten im Rahmen der Krisenintervention ist Grundlage für das Abwenden einer Suizidgefahr In den allermeisten Fällen ermöglicht ein entsprechendes Gesprächsangebot bereits ein relevante Entlastung, darüber hinaus können zusätzliche Maßnahmen notwendig sein 11
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