HANAUER H!LFE e.v. (Hrsg.) Die Entwicklung professioneller Opferhilfe
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2 HANAUER H!LFE e.v. (Hrsg.) Die Entwicklung professioneller Opferhilfe
3 VS RESEARCH
4 HANAUER H!LFE e.v. (Hrsg.) Die Entwicklung professioneller Opferhilfe 25 Jahre Hanauer Hilfe VS RESEARCH
5 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < abrufbar. Gedruckt mit Unterstützung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands (DPWV), Landesverband Hessen. 1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten VS Verlag für Sozialwissenschaften GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Dorothee Koch / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: SatzReproService GmbH Jena Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN
6 Vorwort Das Bild der Öffentlichkeit von der Opferhilfe wird in der Bundesrepublik in erster Linie immer noch geprägt durch private Initiativen, die sich vorwiegend mit ehrenamtlichen Laien bemühen, Kriminalitätsopfern zu helfen. Opferhilfe als ehrenamtliche und unbezahlte Arbeit führt aber zu instabilen und unprofessionellen Nachsorgeaktivitäten. Dass es daneben eine breite Palette von Opferhilfeeinrichtungen gibt, die auf professioneller Basis kostenlos psychosoziale Hilfe für durch Straftaten betroffene Menschen anbieten, ist dagegen leider noch weitgehend unbekannt. Mit der Gründung der Hanauer Hilfe im Jahre 1984 auf Initiative des Hessischen Ministeriums der Justiz ist erstmals in Deutschland von hoheitlicher Seite anerkannt worden, dass Kriminalitätsopfer aus dem Geist des Sozialstaatsprinzips unseres Grundgesetzes einen direkten Anspruch auf eine professionelle Hilfe bei der Bewältigung ihrer Opfersituation besitzen. Diesem Beispiel folgend sind danach bundesweit zahlreiche professionell arbeitende Einrichtungen entstanden, die mit hoher Kompetenz zum Wohle der Betroffenen arbeiten. Opferhilfeprogramme oder Opferhilfestandards waren damals aber noch so gut wie nicht vorhanden und mussten im Laufe der folgenden Jahre auf der Grundlage erster Erfahrungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt werden. Die vorliegende Veröffentlichung soll diesen Entwicklungsprozess teilweise nachvollziehen. Dargestellt werden alle Ebenen der professionellen Opferberatung in Deutschland. Die einzelnen Abschnitte widmen sich den Opferhilfestandards und der praktischen Opferunterstützung. In jüngerer Zeit sind hinzugekommen der besondere Opferschutz bei häuslicher Gewalt und die Opferhilfe im Zusammenhang mit dem Täter-Opfer-Ausgleich. Ein besonderes Anliegen gilt dem Thema Trauma und Justiz. Hier werden juristische Grundlagen für Psychotherapeuten und psychotherapeutische Grundlagen für Juristen diskutiert.
7 6 Vorwort Ich wünsche mir, dass dieses Werk eine breite Beachtung erfährt und dazu beiträgt, der professionellen Opferhilfe weitere Unterstützung durch die Gesellschaft und einen hohen Bekanntheitsgrad zu verschaffen. Hanau, im Mai 2009 Heinz Frese
8 Inhaltsverzeichnis Vorwort Einführung Heinz Frese (2009) Fünfundzwanzig Jahre Opferhilfe in Hanau Professionelle Opferhilfe in Deutschland Rolf Guntermann (1994) Der Arbeitskreis der Opferhilfen (ado) Ein Zusammenschluss professioneller Opferhilfen in Deutschland Rolf Guntermann (1995) Standards in der Opferhilfe Zu den Mindestanforderungen an eine professionelle Unterstützung von Kriminalitätsopfern Opferunterstützung in der Praxis Heinz Frese (2008) Leitlinien für den Umgang mit Kriminalitätsopfern Homepage der HANAUER H!LFE (2008) Beratungsangebot der Hanauer Hilfe e.v Harald Mondon-Kuhn (1990) Grundzüge einer personenzentrierten Opferberatung Harald Mondon-Kuhn (1992) Beratungsangebot für männliche Opfer sexueller Ausbeutung Heinz Frese (2007) Zeugenbegleitung als Opferhilfe
9 8 Inhaltsverzeichnis 3 Opferschutz bei häuslicher Gewalt Elke Wolf (1996) Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich Elke Wolf (2001) Wer schlägt muss gehen mehr Schutz bei häuslicher Gewalt Das neue Gewaltschutzgesetz Irmgard Müller (2004) Neuerungen im Opferschutz Opferhilfe und Täter-Opfer-Ausgleich Rolf Guntermann (1989) Erste konzeptionelle Vorstellungen der HANAUER H!LFE e.v Rolf Guntermann (1995) Das Kooperationsmodell zum Täter-Opfer-Ausgleich im Allgemeinen Strafrecht Rolf Guntermann (2002) Die modifizierte Konzeption ab Rolf Guntermann (2008) Klare Grenzen? Zum Verhältnis von Opferhilfe und Täter-Opfer-Ausgleich Opfer von Straftaten zwischen Justiz und Traumatherapie Kirsten Stang und Prof. Dr. Ulrich Sachsse (2009) Opfer von Straftaten zwischen Justiz und Traumatherapie Konkurrenz oder Kooperation? Autorenverzeichnis
10 Einführung Fünfundzwanzig Jahre Opferhilfe in Hanau von Heinz Frese (2009) Am 2. Juli 1984 hat die Hanauer Hilfe ihre Beratungsarbeit für Kriminalitätsopfer begonnen. Es war damals der erste Modellversuch einer staatlich initiierten und professionell arbeitenden Hilfeeinrichtung für Kriminalitätsopfer in der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem Beginn der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Sozialwissenschaften standen über Jahrzehnte hinweg zunächst allein Täter, Tätermotive und mögliche Hilfen für Täter im Mittelpunkt der fachlichen Diskussionen um Straftaten. Die sozialen Dienste der Justiz befassten sich ausschließlich mit der Person des Täters. Während sich die Gerichtshilfe bei der Staatsanwaltschaft um die Aufklärung des Tathintergrundes aus der Sicht des Täters bemühte, sorgten die beim Landgericht angesiedelte Bewährungshilfe und die Sozialarbeit im Strafvollzug um eine resozialisierende Integration des Verurteilten. Vom Kriminalitätsopfer war bis dahin kaum die Rede. Erst in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann nach Anfängen besonders in den Niederlanden auch in der Bundesrepublik eine rechtspolitische Diskussion, die sich der besonderen Rolle der Kriminalitätsopfer sowie der Zeugen im Strafverfahren annahm. Zu diesem Zweck war 1977 eine Forschungsgruppe im Bundeskriminalamt in Wiesbaden gegründet worden, die sich allerdings zunächst nur mit der Lehre von den Aspekten einer Mitverursachung der Tat durch das Opfer befasste. Zur Initialzündung für die Entwicklung in Hessen, die dann zu dem Hanauer Pilotprojekt und der damit ersten staatlich initiierten professionellen Opferhilfeeinrichtung in der Bundesrepublik führte im Gegensatz zu bis dahin mit ehrenamtlich tätigen Laien arbeitenden privaten Initiativen, war der Fall einer alten
11 10 Heinz Frese Dame aus Wiesbaden geworden, die sich im Jahre 1983 mit ihrer Betroffenheit in einem Brief an den damaligen Hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner wandte. Darin teilte sie mit, dass sie vor mehr als einem Jahr auf offener Straße überfallen und beraubt worden war. Etwa zehn Monate später hatte sie selbst eine Verkehrsübertretung begangen und war erstaunt darüber, dass sie schon nach zwei Monaten ein Bußgeld zahlen sollte, während sie wegen des an ihr verübten Raubes seit mehr als einem Jahr nichts mehr gehört hatte. Sie äußerte ihr Erstaunen darüber sie nannte es, ihr Weltbild sei schief geworden, dass der Staat, mit dem sie sich als Bürgerin selbst stark identifizierte, so ungleich reagierte. Einerseits verhältnismäßig schnell, wenn es, wie im Falle der Verkehrsübertretung, um seine eigenen Ansprüche ging, andererseits überhaupt nicht oder doch sehr langsam, wenn eine Privatperson als Opfer betroffen war. Der Hintergrund war folgender: Die Polizei hatte den Täter der Raubstraftat inzwischen ermittelt. Da er geständig war, wurde die Dame im darauf folgenden Strafprozess nicht mehr als Zeugin benötigt. Zu dem Zeitpunkt, als sie an den Ministerpräsidenten schrieb, war ihr Fall längst abgeurteilt. Der Fall dieser alten Dame zeigt einmal, dass sich der Staat bis dahin an Kriminalitätsopfer offensichtlich nur so lange zu erinnern schien, als er sie für die Durchsetzung seines Strafanspruchs im Strafverfahren benötigte. Zum anderen drückt er aber auch deutlich die Position und die gesellschaftliche Perspektive eines Opfers aus, für das der Staat nun nicht mehr der Hort des institutionellen Vertrauens war, wie er ihm noch vor der Straftat erschien. Die hiermit aufgeworfene Problematik führte damals im von Justizminister Dr. Günther geleiteten Hessischen Ministerium der Justiz zu einer fachlichen Diskussion über die Situation von Kriminalitätsopfern und die Organisation von Hilfsmöglichkeiten. Es stellte sich die Frage, ob der Staat auf dem Gebiet der Opfer- und Zeugenbetreuung überhaupt tätig werden sollte, zumal in diesem Bereich bereits private Initiativen mit allerdings ehrenamtlich arbeitenden Laien existierten. Man entschied sich für die Einrichtung eines Modellprojektes unter der Leitung des damaligen Staatsanwaltes Dr. Wolfram Schädler, um zunächst einmal Erfahrungswerte zu sammeln. Am 14. Mai 1984 wurde mit Unterstützung des damaligen Präsidenten des Landgerichts Ernst Weigand in Hanau der Verein für Opfer- und Zeugenhilfe
12 Fünfundzwanzig Jahre Opferhilfe in Hanau 11 Hanau e.v. gegründet, der am 2. Juli 1984 seine Arbeit mit zwei Sozialarbeiterstellen und einer Verwaltungsstelle aufnahm. Die Satzung des Vereins beschrieb dessen Aufgaben dahin, Opfern von Straftaten und Zeugen durch das Betreiben eines Bereitschaftsdienstes Soforthilfe im Rahmen einer sozialarbeiterischen Beratung und Betreuung anzubieten und in qualifizierter Form durchzuführen. Ziel sollte die Bewältigung der Folgen der erlittenen Straftat, in geeigneten Fällen auch durch Aussöhnung mit dem Täter, sein, schon hier ein erster Hinweis auf den später eingeführten Täter-Opfer-Ausgleich. Die Rechtsform eines privatrechtlichen gemeinnützigen Vereins wählte man bewusst, um Betroffenen nach einer Straftat neben dem Kontakt mit Polizei und anderen öffentlichen Einrichtungen keinen weiteren Behördengang zumuten zu müssen und um damit mögliche Schwellenängste der Geschädigten zu vermeiden. Die Beratungsstelle in der Salzstraße 11 in Hanau, wo der Verein bis heute ansässig ist, liegt daher deutlich getrennt von den Justiz- und Polizeibehörden im Zentrum der Stadt. Die Satzung sah weiter vor, dass nur juristische Personen wie andere Vereine oder Körperschaften, nicht dagegen Einzelpersonen Mitglieder werden durften. Damit sollte erreicht werden, dass neben einer Anzahl unterschiedlich spezialisierter sozialer Einrichtungen auch die kommunalen und staatlichen Organe über die Mitgliederversammlung in die Arbeit der Hanauer Hilfe einbezogen werden konnten. Auf diese Weise ist die Struktur eines Netzwerkes in Hanau entstanden, über das ein für alle Beteiligten fruchtbarer gegenseitiger Austausch an Mitteilungen und Erfahrungen bis heute stattfindet. Die rechtliche Vertretung des Vereins nach außen lag von Anfang an in den Händen von ehrenamtlich arbeitenden Vorstandsmitgliedern. Sie werden in ihrer Tätigkeit vom Hessischen Ministerium der Justiz sowie von den örtlichen Justiz-, Polizei- und sonstigen Landesbehörden unterstützt. Die Vorstände sollen daher Berufsfeldern angehören, durch die eine gute Verbindung zur Strafrechtpflege, zur Polizei und zu den Trägern der örtlichen Beratungs- und Therapieangebote hergestellt werden kann. Auf diese Weise fällt auch dem Ehrenamt im Rahmen der Opferhilfe nach diesem Modell eine ganz besondere Bedeutung zu. Aufgabe des Vereins war es zunächst, im Rahmen des auf zwei Jahre befristeten Pilotprojekts herauszufinden, ob überhaupt ein Bedürfnis bestand, Kriminalitätsopfern eine psychosoziale und sozialpädagogische Beratung und Betreuung
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