Entwicklung eines Usability Testverfahrens. für Multitouch-Systeme
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- Gerda Althaus
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1 Cannon/Flöck/Korn Entwicklung eines Usability Testverfahrens für Multitouch-Systeme Diplomica Verlag
2 Mischa Korn, Robert Flöck, Florian Cannon Entwicklung eines Usability Testverfahrens für Multitouch-Systeme ISBN: Herstellung: Diplomica Verlag GmbH, Hamburg, 2012 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diplomica Verlag GmbH Hamburg 2012
3 Executive Summary Executive Summary Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die bekannten Usability Tests durchaus zur Evaluierung von Multitouch-Systemen eignen. Sie müssen allerdings an die Eigenheiten und Besonderheiten der Technologie angepasst werden. Wir untersuchten und optimierten die folgenden drei Usability-Methoden: Expertenevaluation Usability Experten, die Multitouch-Systeme evaluieren, müssen mit der Technologie vertraut sein und deren spezielle Eingeschaften kennen. Sie müssen sich bewusst sein, dass z.b. Aspekte wie Hardwareergonomie und Einsatzort großen Einfluss auf die Usability eines Multitouch-Systems haben. Das zu untersuchende System muss von ihnen mit spezifischen Kriterien betrachtet und bewertet werden, wozu entsprechendes Fachwissen vorhanden sein muss. Dazu können die von uns verfassten Guidelines als Grundlage dienen. Wir bieten weiterhin einen auf den Grundsätzen der Dialoggestaltung basierenden und um multitouch-spezifische Faktoren erweiterten Evaluierungsbogen an. Paper Prototype Die Übetragung von Gesten auf einen Paper Prototype fällt vielen Testpersonen sehr schwer. Er kann also nicht eingesetzt werden, um gezielt Erkenntnisse in diesem Bereich zu erlangen. Weiterhin lassen sich für Multiuser-Anwendungen Tests mit mehreren Nutzern nur in begrenztem Rahmen durchführen. Der Paper Prototype ist nicht flexibel genug, um von mehreren Probanden gleichzeitig bedient zu werden. Weiterhin können Aussagen über die Hardwareergonomie eines Produkts nur dann getroffen werden, wenn der äußere Aufbau dem finalen Produkt weitestgehend entspricht. Ist man sich dieser Aspekte bewusst, kann der Paper Prototype jedoch bereits zu einem sehr frühen Stadium der Entwicklung Rückschlüsse zur Informationsarchitektur und Hardwareergonomie eines Produkts ermöglichen. Classic Usability Test Beim Classic Usability Test sollte in jedem Fall eine Nachbesprechung mit den Testpersonen durchgeführt werden. Diese Nachbesprechung kann ergänzend zum eigentlichen Test wichtige Erkenntnisse liefern. Probanden sind zur Zeit noch sehr fasziniert von der Technologie und ihren Möglichkeiten. Moderatoren und Beobachter müssen sich diesen Umständen bewusst sein und entsprechend reagieren. Die im Test verwen-
4 Executive Summary dete Hardware muss soweit wie möglich dem finalen Produkt entsprechen, um Aussagen über physische Faktoren treffen zu können. Für die Beobachtung, Aufzeichnung und Analyse der Tests empfiehlt sich der Einsatz mehrerer Kameras und einer spezialisierten Software. Guidelines Die von uns entwickelten Guidelines können Designern und Entwicklern als Grundlage und Leitfaden bei der Planung und Entwicklung von Multitouch-Systemen dienen. Ist Multitouch für mein Szenario geeignet? Im Vergleich zu der Bedienung mit alternativen Eingabemöglichkeiten, z.b. der Maus, ist die Bedienung mit dem Finger nicht so präzise, was die Produktivität des Nutzers einschränken kann. Des Weiteren können der Einsatzort oder der Kenntnisstand der Zielgruppe den Einsatz eines Multitouch-Systems beeinflussen. Physische Faktoren Der Aufbau eines Multitouch-Systems sollte so gewählt werden, dass die biomechanische Belastung für den Benutzer minimiert wird. Die Bedienung muss ohne große Abweichung von der neutralen Körperhaltung und ohne übermäßige Kraftanstrengung möglich sein. Aspekte wie Körpergröße und Armlänge der Zielgruppe sollten beachtet werden. Ein zu großes Display kann zu schlechter Übersicht und Erreichbarkeit von Bedienelementen führen. Umwelteinflüsse wie Lichteinfall am geplanten Einsatzort und eventuelle Verschmutzungen müssen schon in der Planung eines Systems bedacht werden. Interaktion Gesten sollten nur dann eingesetzt werden, wenn sie dem Nutzer einen Vorteil bieten. Deplatzierter Einsatz von Gesten schränkt den Nutzer in seiner Aufgabenbewältigung ein. Gesten sollten niemals eingesetzt werden, nur weil die Technologie die Möglichkeiten dazu bietet. Sie sollten leicht erlernbar, verständlich und jederzeit ersichtlich sein. Entwickler und Designer sollten sich an bereits verankerten mentalen Modellen orientieren und nicht versuchen dagegen anzukämpfen.
5 Executive Summary Look & Feel Das Look & Feel einer Anwendung muss so gestaltet sein, dass Nutzer von Bedienelementen zur Interaktion eingeladen werden. Orientieren sich Elemente an physikalischen Metaphern aus der Realität, müssen sich diese auch realitätsnah verhalten. Durch die direkte Manipulation des Interfaces mit den Fingern erwartet der Nutzer eine sofortige Rückmeldung von Bedienelementen auf seine Eingabe.
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7 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Wieso Usability 3 3. Usability Testing Empirische Evaluation Feldstudie Ferntests Moderation Nutzertests Heuristische Evaluation Kollegentest Expertentest Fazit Multitouch Ein Überblick Wie funktioniert Multitouch? Kapazitive Multitouch-Screens Optische Multitouch-Screens Welche Möglichkeiten bietet Multitouch? Gesten Multiuser Alternative Interaktionsmöglichkeiten Wo wird Multitouch bereits eingesetzt? Fazit 23 XI
8 Inhaltsverzeichnis 5. Multitouch-Entwicklung und Usability Testing Erfahrungen aus Industrie und Wirtschaft Erfahrungen mit der Entwicklung von Multitouch-Systemen Erfahrungen mit Usability Testing von Multitouch-Systemen Neue Herausforderungen was hat sich verändert? Zukunftsperspektive Fazit Usabilityverfahren für Multitouch-Systeme Einleitung Expertenevaluation Physische Faktoren Metaphern Heuristiken Gesten Multiuser-Szenarien Expertenwissen Fazit Paper Prototype mit Thinking Aloud Protocol Aufbau Aufgabe Beobachtung Fazit Classic Usabilitytest mit Thinking Aloud Protocol Einleitung Aufbau Ergebnisse Fazit 54 XII
9 Inhaltsverzeichnis 6.5. Weitere geeignete Usability-Methoden Recherche Konzeption & Produktion Beispiel für eine Testsuite Fragenkatalog zur Nachbesprechung bei Nutzertests Ideen für eine Software zur Beobachtung und Analyse von Nutzertests Features Fazit Guidelines zur Entwicklung von Multitouch-Systemen Einleitung Ist Multitouch für mein Szenario geeignet? Physische Faktoren Interaktion Look & Feel Fazit 87 Ist Multitouch ein Natural User Interface? 89 Quellenverzeichnis 93 Abbildungsverzeichnis 97 Anhang A1 XIII
10 Abbildung 1: Umami
11 1. Einleitung 1. Einleitung Autor: F. Cannon Während der gemeinsamen Arbeit am Interface eines Hochschulprojekts ( mussten wir schnell feststellen, dass sich die Gestaltung für ein Multitouch-System in vielen Aspekten von dem unterscheidet, was wir bis dahin kannten. Erfahrungen und Richtlinien aus dem Webdesign oder der Gestaltung für Desktop-Applikationen ließen sich nicht immer eins zu eins übertragen. Es gab auch einige völlig neue Problemstellungen und Faktoren, die betrachtet und untersucht werden mussten. Die Bedienung eines Multitouch-Systems erfolgt nicht mehr mit Hilfe von Maus und Tastatur, sondern direkt mit den Fingern. Plötzlich spielten Aspekte wie Oberflächenbeschaffenheit und Größe der interaktiven Oberfläche eine wichtige Rolle. Zwar existieren bereits einige Guidelines zum Thema Multitouch-Interface, z.b. von Apple [iphone Human Interface Guidelines, documentation/userexperience/conceptual/mobilehig/mobilehig.pdf, ] oder Microsoft [Touch, ], jedoch sind diese sehr spezifisch auf die jeweiligen Produkte des Herstellers zugeschnitten und decken somit nur einen Teil des Themenkomplexes ab. Als Entwickler konnten wir also in vielen Fällen nicht auf Erfahrungen oder gar auf durch Usability Tests gestützte Erkenntnisse zurückgreifen, sondern mussten durch langwieriges, wiederholtes Ausprobieren herausfinden, wie Hardware und Software optimal gestaltet werden müssen, um eine möglichst gute Usability und dadurch auch eine gute User Experience zu erreichen. Um zukünftigen Designern/Entwicklern dieses mühsame Trial-and-Error-Verfahren zu ersparen, entstand die Idee, aus den gewonnenen Erfahrungen eigene Guidelines aufzustellen. Diese Guidelines sollen alle relevanten Aspekte eines Multitouch-Systems abdecken und als Hilfe bei Gestaltung und Entwicklung dienen. Es kamen bald noch weitere, nicht weniger wichtige Fragestellungen hinzu: Wie können Multitouch-Applikationen sinnvoll getestet werden? Decken die üblichen Usability-Tests alle wichtigen Aspekte eines solchen Systems ab? Müssen bestehende Testmethoden eventuell erweitert werden oder sind sie gar völlig ungeeignet? 1
12 1. Einleitung Wir entschlossen uns deshalb, drei Usability-Testmethoden auf ihre Tauglichkeit für Multitouch-Anwendungen zu prüfen und zu optimieren: Die Expertenevaluation, den Paper-Prototype und den Classic Usability Test. Der erste Teil der Arbeit stellt die wichtigsten Usability-Tests kurz vor. Anschließend gibt sie einen Überblick über die Technologie Multitouch als solche und zeigt wo sie bereits eingesetzt wird und welche Möglichkeit sie bietet. Ebenso wird von den Erfahrungen verschiedener Experten beim Testen und Entwickeln von Multitouch-Systemen berichtet. Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich ausführlich mit den Ergebnissen aus der Evaluierung der drei von uns ausgewählten Tests und gibt Empfehlungen zum Einsatz von weiteren geeigneten Usability-Methoden. Abschnitt 6.7. behandelt Ideen zu einer Beobachtungs- und Analysesoftware für kameragestütze Testmethoden. Auch die Problematik fehlender Guidelines wurde bereits angesprochen. Abschnitt 6.8. stellt daher die durch uns entwickelten neuen Richtlinien vor. Diese basieren auf den Erkenntnissen der von uns durchgeführten Testreihen, unseren Erfahrungen mit der Entwicklung von Multitouchsystemen, Expertenmeinungen und der Einbindung von Normen und Richtlinien. Das Fazit fasst unsere Ergebnisse zusammen und plädiert für die Anwendung unserer Guidelines. Im Anschluss lässt sich weiterhin ein kleiner Exkurs zum Thema Natural User Interface finden. Anmerkung: Dieses Buch beschäftigt sich hauptsächlich mit großen Multitouch- Systemen wie Tables, Walls und Terminals. Zwar lassen sich viele Ergebnisse der Arbeit auch auf kleinere Geräte wie Smartphones oder Tablets übertragen, jedoch besitzen auch diese kleineren Geräte spezielle Eigenschaften, die in unserer Studie nicht detailliert betrachtet werden. 2
13 2. Wieso Usability 2. Wieso Usability Autoren: F. Cannon, M. Korn Besitzt ein Produkt eine gute Usability, kann der Benutzer seine Aufgaben effizient und effektiv erledigen. Er kommt schneller und leichter zum Ziel. Dadurch wird nicht nur heute immer kostbarere Zeit gespart, sondern auch die User Experience positiv beeinflusst. Die Bedürfnisse des Benutzers werden befriedigt und seine Erwartungen erfüllt. Die Benutzung macht Spaß. Gute Usability kann einem Produkt als Alleinstellungsmerkmal (USP) dienen und ihm helfen, sich dadurch vom Wettbewerb abzuheben. Jakob Nielsen und Hoa Loranger schreiben in ihrem Buch Web Usability [Loranger/Nielsen, {S. xxii.}.]: Gute Usability hat zwei Vorteile: Auf der einen Seite unterstützt sie Ihre kommerziellen Ziele im Web und hilft Ihrem Unternehmen deshalb, mehr Geld zu verdienen [ ] Auf der anderen Seite verschafft die Usability den Nutzern Geltung und macht ihnen den Umgang mit der Technologie, die jeden Aspekt des modernen Lebens durchdringt leichter und angenehmer Zwar legt dieses Buch seinen Fokus auf Websites, jedoch sind die angeführten Punkte in anderen Bereichen nicht minder wichtig. Während vor allem Onlineshops schon länger verstanden haben, dass gute Usability zu hohen Conversion Rates und damit direkt zu höheren Einnahmen führt [Loranger/Nielsen 2006, {S. 41}.], gibt es leider immer noch viele Technologieprodukte am Markt, die konsequent viele etablierte Regeln und Richtlinien der Usability missachten. So heißt es in der erst kürzlich erschienen Studie Usability of ipad Apps and Websites [Budiu/Nielsen 2010.] [ ] It s the same with ipad apps: anything you can show and touch can be a UI on this device. There are no standards and no expectations. Gerade bei neuen Technologien wird zu oft weniger auf gute Usability und Ergonomie als auf reißerische Effekte wertgelegt. Auch Multitouch-Systeme bleiben von diesem Phänomen nicht verschont. Zwar erfreuen sich Multitouch-Anwendungen, wie z.b. Smartphones und Tablets, derzeit großer Beliebtheit, jedoch wird die Nutzung dieser Technologie nicht nur mit positiven Aspekten verbunden. Der Usability-Experte Don Norman beschreibt die Usability von Gestural Interfaces als einen Schritt rückwärts [Nielsen/Norman 2010.]: 3
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