Sanierung von asbesthaltigen Dach- und Wandflächen

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1 1 Was ist Asbest? Sanierung von asbesthaltigen Dach- und Wandflächen Sammelbegriff für eine Gruppe natürlich vorkommender Minerale (Silikate) Hauptabbaugebiete in Russland, Südafrika, Australien und Kanada Unterscheidung nach chemischer Zusammensetzung und Faserstruktur in die Gruppen: Serpentinasbest: Weißasbest (Chrysotil), Anteil im Baubereich ca. 94 % Amphibolasbest: Blauasbest (Krokydolith, 4 %) und Braunasbest (Amosit, 2 %) Eigenschaften: Unbrennbarkeit (Griechisch asbestos: unvergänglich, unauslöschlich) hohe Hitzebeständigkeit (> 500 C) chemische Beständigkeit gute elektrische und thermische Isolierfähigkeit hohe Elastizität und Zugfestigkeit gute Spinnfähigkeit einbindefähig in anorganische und organische Bindemittel B&S, 11/2010 Folie 1 von 10

2 Verwendung von Asbest Bekannt sind ca Anwendungsformen von Asbest, z.b als: Spritzbeläge, Putze, Brandschutzanstriche Gewebe, Schnüre, Dichtungen, Pappen Kitte, Mörtel, Spachtelmassen, Schaumstoffe Füllung von Brandschutztüren, Bauteile in Brandschutzklappen, Bremsbeläge Bauteile in Nachtstromspeicher-Heizungen Wand- und Bodenbeläge, Bodenbelagskleber Leichtbauplatten Asbestzement mit einem Asbestanteil von ca. 15 % z.b. als Fassadenplatten und Dacheindeckungen (geschätzte Fläche in der BRD ca. 900 Mio. m², bzw Fussballfelder), aber auch als Rohre, Lüftungskanäle, Blumenkästen, Aschenbecher Unterscheidung nach Faserfreisetzungspotential schwach gebundene Asbestprodukte Rohdichte von < kg/m³ hohes Faserfreisetzungspotential z.b. Gewebe, Pappen und Leichtbauplatten fest gebundene Asbestprodukte Rohdichte > kg/m³ niedriges Faserfreisetzungspotential z.b. Asbestzement und Floor-Flex- Fußbodenbeläge B&S, 11/2010 Folie 2 von 10

3 Verbot von Asbestprodukten in Deutschland 1969 Verbot von Spritzasbest in der DDR 1979 Verbot von Spritzasbest in der BRD 1982 Verbot sonstiger schwach gebundener Asbestprodukte im Baubereich 1990 Einstellung der Produktion von Asbestzement-Produkten 1991 Verbot der Herstellung und Verwendung von Asbest 1992 Verwendungsverbot für Asbestzement-Produkte (Ausnahme Druckrohre) 1994 Herstellungsverbot für Asbestzement-Druckrohre 1995 Verwendungsverbot für Asbestzement-Druckrohre Besondere Vorschriften, Richtlinien und gesetzliche Regelwerke Informationen im Internet: (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften) Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vom , Anhang IV Nr. 1: Verbot der Herstellung und Verwendung von Asbest, ausgenommen Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 519: Asbest, Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten. Ausgabe Januar 2007, berichtigt März Regelt den Umgang mit Asbest bei ASI-Arbeiten LAGA-Merkblatt: Entsorgung asbesthaltiger Abfälle. Vom 06. September 1995 in der Fassung vom 20. Februar 2001, aktualisiert aufgrund der Abfallverzeichnis-Verordnung vom 10. Dezember Berufsgenossenschaftliche Information BGI 664 (bisherige ZH 1/511): Verfahren mit geringer Exposition gegenüber Asbest bei Abbruch-, Sanierungsund Instandhaltungsarbeiten. Ausgabe Juli 2000, laufende Ergänzung, neu z.b: BT12 Anbohren von AZ-Fassadenplatten BT19 Reinigung u. Beschichtung von Asbestzementfassadenplatten BT22 Reinigen und Beschichten von AZ-Lüftungskanälen B&S, 11/2010 Folie 3 von 10

4 2 Gesundheitsgefahren durch Asbest Asbest ist als besonders gefährlicher krebserzeugender Gefahrstoff eingestuft Gesundheitsgefahr durch das Einatmen von lungengängigen Fasern (Länge > 5 µm, Durchmesser < 3 µm, Verhältnis Faserlänge: Faserdurchmesser > 3:1) führt zu schweren Erkrankungen durch Krebserzeugung (karzinogener Effekt) und der Erzeugung von Narbengewebe (fibrogener Effekt) wie Asbestose bzw. Asbeststaublunge, Lungen-, Rippenfell und Bauchfellkrebs die Inkubationszeit zwischen Einatmung und Krankheitseintritt beträgt zwischen 10 und 40 Jahren Gefahr der Freisetzung von lungengängigen Fasern durch unsachgemäßen Umgang mit Asbest Asbest ist nicht akut toxisch, z.b. durch orale Aufnahme oder Hautkontakt B&S, 11/2010 Folie 4 von 10

5 3 ASI-Arbeiten an Dach- und Wandflächen aus Asbestzement 3.1 Besonderheiten bei Baumaterialien aus Asbestzement Dacheindeckungen, Fassadenverkleidungen oder sonstige Anwendungen von Asbestzement im Außenbereich können verschiedenen Formen und Oberflächen haben wie z.b. beschichtete Platten (Fassaden- und Balkonverkleidungen), Wellplatten ( Well-Eternit ) oder kleinformatigen Schindeln in verschiedenen Formaten ( Kunstschiefer ). Auch Blumenkübel und Aschenbecher. Für Asbestzement-Produkte im Außenbereich in ordnungsgemäßem Einbauzustand und bei bestimmungsgemäßer Verwendung gehen nach heutiger Auffassung keine konkreten Gesundheitsgefahren aus. Es besteht keine Sanierungserfordernis. Eingebaute Asbestzementprodukte für Dachdeckungen dürfen, solange sie ihre baulichen Funktionen erfüllen, bis zu ihrem "Lebensende" eingebaut bleiben und genutzt werden. Dies gilt auch, wenn die Asbestzementprodukte z.b. als unbeschichtete Wellplatten bei Dachdeckungen in hohem Maße verwittert sind. Zwar werden durch Verwitterung Fasern in die Luft abgegeben, exemplarische Messungen (z.b. durchgeführt durch den Länderausschuss für Immissionsschutz) haben jedoch ergeben, dass die Faserkonzentrationen üblicherweise im Bereich der Hintergrundbelastung ( Fasern/m³) liegen. Werte, die einen Handlungsbedarf zur Folge haben (mehr als Fasern/m³), werden damit nicht überschritten. Ein Handlungs- bzw. Sanierungsbedarf ist jedoch dann gefordert, wenn durch starke Beschädigung Bruchstücke auf dem Boden herumliegen und z.b. Kinder damit spielen könnten. Konkrete Gesundheitsgefahren sind dann möglich, wenn mit Asbestzementprodukten unsachgemäß durch stark staubende Arbeitsmethoden umgegangen wird. B&S, 11/2010 Folie 5 von 10

6 3.2 Verbotene und erlaubte Arbeiten an Asbestzementprodukten Verbotene Arbeiten: Abdecken von Dach- und Wandflächen und deren Wiederverwendung für andere Zwecke. Bearbeitung von Asbestzementerzeugnissen mit Arbeitsgeräten, die deren Oberflächen abtragen, wie z.b. Abschleifen, Hoch- oder Niederdruckreinigen oder Abbürsten. An- oder Aufbringen einer zusätzlichen Dachdeckung, Abdichtung (auch Dämmung) oder Bekleidung durch Anbohren von Asbestzementplatten und das Eintreiben von Befestigungen. Anbringen von Photovoltaik- und Solaranlagen auf Asbestzement-Dächern (TRGS 519, Kap. 4). Reinigen von Dachflächen aus unbeschichteten Asbestzementprodukten. Dies gilt auch für Dachflächen aus beschichteten Asbestzementprodukten, sofern die Beschichtung großflächig abgewittert ist. Unter Reinigen ist jegliche Reinigungsart, auch einfaches Abwaschen zu verstehen. Das nachträgliche Beschichten einer ursprünglich unbeschichteten Asbestzementplatte. Durch die vorher notwendige Reinigung, auf welche Weise auch immer, werden selbst beim Abwaschen mittels Schwamm nicht erlaubte, nicht notwendige Asbestfaserfreisetzungen verursacht. Beim Verziehen und Verschieben der benötigten lastverteilenden Beläge, Laufstege und Laufbohlen können erhebliche Asbestfaserfreisetzungen erfolgen. B&S, 11/2010 Folie 6 von 10

7 Erlaubte Arbeiten: Nutzung eingebauter Asbestzementplatten bis zum Ende ihrer funktionellen "Lebensdauer", auch wenn unbeschichtete (zementgraue) Oberflächen stark verwittert sind. Beseitigen/Entfernen von Verschmutzungen wie z.b. Moos- oder Algenablagerungen, wenn dadurch im Bereich von Höhen- oder Seitenüberdeckungen die Regensicherheit nicht mehr gegeben ist. Reinigung von Außenwandflächen bei der Verwendung von behördlich anerkannten Verfahren und Geräten (siehe TRGS 519, Kapitel 16, Abschnitt 6). Ausbau einzelner defekter Asbestzementplatten und ihr Ersatz durch asbestfreie Produkte, z.b. das Beseitigen eines Sturmschadens. Zerstörungsfreies Ausbauen, Beseitigen oder Wiederanbringen lediglich einzelner Asbestzementplatten oder -formstücke zur Inspektion, Wartung oder Instandhaltung darunter liegender Bauteile, Einrichtungen, Geräte oder Anlagen. Anbringen, Durchführen oder Entfernen von einzelnen Ankern, Befestigungen, Leitungen, Masten oder Dachständern an Asbestzementprodukten (z.b. Dachantenne, Blitzschutzleitung). Abbau und Demontage der gesamten Verkleidung aus Asbestzement- Well- oder Dachplatten einschl. der zugehörigen Formstücke und ihr Ersatz durch asbestfreie Produkte (Sanierung). Alle o.g. Arbeiten im Rahmen von Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten (ASI- Arbeiten) sind unter strengster Beachtung der TRGS 519 durchzuführen. Das Entfernen von Asbestzementplatten im Außenbereich von weniger als 100 m² gilt als Arbeiten geringen Umfangs. B&S, 11/2010 Folie 7 von 10

8 3.3 Organisation der Sanierung von Asbestzement-Verkleidungen Folgende Vorgehensweise ist bei geplanten ASI-Arbeiten bzw. einer Komplettsanierung von Verkleidungen aus Asbestzement (z.b. Wellplatten) einzuhalten: Überprüfung, ob es sich überhaupt um asbesthaltiges Material handelt (durch fachgerechte Probenahme und Materialanalyse) Auswahl eines für die Asbestsanierung geeigneten Unternehmens mit einer geeigneten personellen und sicherheitstechnischen Ausstattung gemäß TRGS 519, d.h. o Nachweis der Sachkunde gemäß TRGS 519, Anlage 4 (es muss immer ein weisungsbefugter Sachkundiger auf der Baustelle sein) o entsprechende gerätetechnische Ausstattung (z.b. Sauger der Staubklasse H, früher K1) o vor Aufnahme der Arbeiten nach den arbeitsmedizinischen Grundsätzen untersuchtes Personal (G26 Atemschutzgeräte, G 1.2 Gesundheitsgefährlicher mineralischer Staub, Teil 2: Asbest ) o für Arbeiten an Asbestzementprodukten ist keine Zulassung nach GefStoffV mehr erforderlich Die Arbeiten müssen vom ausführenden Unternehmen vor Beginn der Arbeiten angezeigt werden: (bei Arbeiten geringer Exposition oder geringen Umfangs reicht eine unternehmensbezogene Anzeige) o mindestens 7 Tage vorher beim zuständigen Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik o mindestens 14 Tage vorher bei der zuständigen Berufsgenossenschaft B&S, 11/2010 Folie 8 von 10

9 3.4 Arbeitsablauf der Sanierung gemäß TRGS 519 Generell: Faserfreisetzungen müssen so gering wie möglich gehalten werden (Minimierungs-Gebot) Bei Abbrucharbeiten: asbesthaltige Materialien sind vor Beginn der Abbrucharbeiten auszubauen. Auch bei dem Ausbau von Asbestzement gilt Atemschutz- und Schutzanzugpflicht. Während der Arbeiten Fenster und Türen geschlossen halten Vor dem Ausbau Einsprühen der Asbestzement-Produkte mit faserbindenden Mitteln oder Einnässen (Abwasser kann in die Kanalisation abgeleitet werden). Bei beschichteten Produkten nicht erforderlich. Lösen der Befestigungsmittel ohne Zerbrechen der Platten. Bei genieteten Platten muss in der Regel unter Absaugen mit einem Sauger der Staubklasse H aufgebohrt werden. Ausbau entgegen der Einbaurichtung, d.h. von oben nach unten. Keinesfalls Platten herausbrechen. Asbesthaltige Teile nicht werfen und keine Schuttrutschen verwenden. Einsammeln von unvermeidbaren Bruchstücken, Befestigungs- und sonstigen Kleinteilen in verschließbaren Behältern und als asbesthaltig entsorgen. Nach Entfernung der Platten Absaugung der Unterkonstruktion, Feuchtreinigung oder Restfaserbindung Spülung der Dachrinnen nach Abschluss der Arbeiten B&S, 11/2010 Folie 9 von 10

10 3.5 Entsorgung Entsorgung gemäß LAGA-Merkblatt "Entsorgung asbesthaltiger Abfälle" Kein Zerkleinern und Umfüllen asbesthaltiger Abfälle Bei Abfallaufnahme ist das Freiwerden von Stäuben durch Anfeuchten oder Abdecken zu unterbinden. Asbestzementplatten in Folie eingeschlagen auf Paletten stapeln, Nutzen von Platten-Bigbags oder unter Einsatz staubbindender Mittel in abgedeckten Containern (Verpackung ist mit der Entsorgungsanlage abzustimmen). Verpackung von kleinformatigen Platten, Bruchstücken und Befestigungsteilen in reißfesten Kunststoffsäcken oder BigBags Kennzeichnung der Verpackung mit Signum gemäß TRGS 519 ("Achtung enthält Asbest") Der Abfallerzeuger (Gebäudeeigentümer) ist verantwortlich für die fachgerechte Entsorgung. Die Verantwortung ist nicht übertragbar. Asbestzementprodukte sind "gefährliche Abfälle" zur Beseitigung, sie dürfen nicht wiederverwertet, veräußert oder verschenkt werden. Fachgerechte Entsorgung gemäß der Nachweisverordnung. Seit dem ist der Abfallerzeuger (ausgenommen Privathaushalte) zum Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung gefährlicher Abfälle zur Teilnahme am elektronischen Nachweisverfahren der NachwV verpflichtet. B&S, 11/2010 Folie 10 von 10