Kerne und Teilchen. Moderne Physik III

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1 Kerne und Teilchen Moderne Physik III Vorlesung # 06 Guido Drexlin, Institut für Experimentelle Kernphysik Eigenschaften stabiler Kerne 2.5 Nukleare Astrophysik - Big Bang Nukleosynthese - Kernfusion in Sternen, - Supernovae

2 Wiederholung:Yukawa-Potenzial & Kernreaktionen Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung vermittelt durch den Austausch von massebehafteten Mesonen (π, ρ, σ, ω) mit Reichweite < 2 fm Yukawa-Potenzial : V Yukawa ( r) = g s 1 r e mπ c h r Kernreaktionen: elastisch/inelastisch, Aufstellung eines Modells - Erhaltungsgrößen E tot, p tot, L tot - Parität P mit P A P a (-1) l a = P B P b (-1) l b Kernreaktionen: endotherm/exotherm, Reaktions-Q-Wert Inelastische Reaktionen für angeregte Kernniveaus A* - Schwellenenergie E thres = Q(1+m a /m A ) pick-up 2

3 Fusionsreaktionen & Tunneleffekt Fusionsreaktionen: hohe Coulomb-Barriere selbst bei leichten Kernen V C ~ 5 MeV Fusion von Kernen basiert daher auf dem quantenmechanischen Tunneleffekt Wahrscheinlichkeit für Transmission T: T G ( E ) = e mit Gamow-Faktor G Fusionsreaktionen finden statt im engen Gamov-Fenster E 0 ±½ ΔE 0 ultra-relativistische Schwerionen- Reaktion (ALICE am LHC, FAIR): Suche nach dem Quark-Gluon-Plasma V C Maxwell-Boltzmann Tunnel- Energieverteilung wahrscheinlichkeit e -E/kT Gamov Peak e -be-½ kt E 0 3

4 2.5 Nukleare Astrophysik Nukleare Astrophysik: theoretische & experimentelle Untersuchungen von: -Nukleosynthese-Reaktionen in ersten 3 Min. nach dem Urknall (Big Bang) - Kernprozesse im Innern von Sternen (Sonne, Supernovae) zentrale Fragestellung: wie sind die Elemente im Universum entstanden? Big Bang Nukleo- synthese Willy Fowler Fred Hoyle 4

5 t = 3 min. Elemententstehung Kernfusion: Big Bang (bis 7 Li), Sterne (bis 56 Ni), Rote Riesen, Super-Novae unbekannte Kerne Protonen Big Bang Supernovae rote Riesen Neutronen 5

6 Elementhäufigkeit im Universum t = 3 min. SNae I, II Big Bang rote Riesen ~2% durch: - Kernfusion - s-prozess - r-prozess 6

7 1. Primordiale Nukleosynthese - Historie 1940: Gamov und Alpher alle Elemente entstehen im frühen Universum durch Neutroneinfang & ß-Zerfall 1957: Fowler et al. schwere Elemente nur in Sternen 1964: Hoyle et al. He-4 Produktion ist primordial 1965: J. Peebles erste moderne BBN Berechnung 1970: H. Reeves Deuterium zur Messung der Baryonendichte 1977: Schramm et al. BBN beschränkt die Anzahl der ν Generationen (Link: Teilchenphysik-Kosmologie) 1992: COBE Satellit misst erstmals Temperatur-Fluktuationen bei der 3 K Hintergrundstrahlung (heißer Urknall) 2003: WMAP misst präzise den Baryonenanteil Ω b aus der Analyse von Schallwellen in der CMB Resultate in guter Übereinstimmung mit BBN 7

8 Primordiale Nukleosynthese - Grundlagen die BBN (Big Bang Nukleosynthese): - beschreibt die Entstehung der leichten Elemente (D, 3 He, 4 He, 7 Li) in den ersten drei Minuten nach den Urknall (die thermonukleare Explosion des Universums) im Intervall T = K - sagt die beobachteten Häufigkeiten der leichten Elemente korrekt voraus (Variation über 10 Größenordnungen!) - ist ein wesentlicher Stützpfeiler der Big Bang Theorie - ermöglicht einen Einblick in die Physik des frühen Universums - wesentliche Motivation: genaue Bestimmung der Baryonendichte Ω b bzw. des Verhältnisses η (Baryonen/Photonen) - ist ein guter Testfall für neue Theorien (Anzahl ν Generationen, sterile Neutrinos, neuartige Teilchen - Gravitinos): Astroteilchenphysik - ist wichtiger Teil der Nuklearen Astrophysik (+ Elementsynthese in Sternen) 8

9 Nukleosynthese zeitliche Einordnung Galaxien Quasare erste Sterne 3 Mrd. Jahre 1 Mrd. Jahre 100 Mio. Jahre α ß γ Atome bilden sich Jahre Emission der Kosm. Hintergrundstrahlung Materie dominiert Jahre Nukleosynthese 3 min. T= MeV e+-e - Zerstrahlung 1 s Baryonenerzeugung Radius Universum Große Vereinheitlichung Planck Epoche 9

10 Galaxien 3 Mrd. Jahre Quasare 1 Mrd. Jahre erste Sterne 100 Mio. Jahre Entkopplung CMBR Jahre the elements were cooked in less time than it takes to cook a dish of duck and rost potatoes Materie dominiert Jahre Nukleosynthese 3 min. e+-e - Zerstrahlung 1 s Radius Universum Baryonenerzeugung Große Vereinheitlichung Planck Epoche G. Gamov 10

11 Quark-Gluon Plasma Nukleonen n/p ~1/7 Deuterium-Bildung Helium-Bildung Photodesintegration Coulombwall 11 Hadronisation: Protonen Neutronen γ γ γ γ γ γ T = K obere Grenze Fusionsreaktionen 2 ( Z 1) e r 2 V C = T = K untere Grenze

12 Haupt-Reaktionen im BBN-Netzwerk in den ersten 3 Minuten werden in der BBN aus p und n 3 H, 3 He, 4 He, 7 Li und 7 Be in über >100 n p Pfaden erzeugt, 12 Pfade dominieren: n 5 Deuterium Tritium p Z Helium-4 12

13 rel. Massenanteil Nukleosynthese Modellrechnungen BBN wird in detaillierten Modellrechnungen untersucht, dabei Variation von Dichte Ω b der Baryonen, Neutronlebensdauer τ n, Anzahl N ν der ν Generationen dann: Vergleich der Rechnungen mit Beobachtungen Zeit [s] Protonen Neutronen 4 He Neutronen 4 He ~ H/ 1 H ~ 10-5 Ende der Nukleosynthese: Energie der Nukleonen ist zu gering, um durch den Coulombwall zu tunneln! Li/ 1 H ~ Temperatur [K] 13

14 BBN - keine schweren Elemente BBN: keine schwereren Elemente als 7 Li und 9 Be, da Z1 Z2 - rasches Anwachsen der Coulomb-Barrieren V C 1/ 3 A - die Elemente mit A = 5-8 extrem instabil sind ( 8 Be) - die Dichte für die Tripel-Alpha-Reaktion 3α 12 C* (s.u.) nicht hoch genug ist alle schwereren Kerne werden in Sternen gebildet Fusion in Sternen: pp-fusion CNO-Fusion Tripel-α-Reaktion Kernschalenbrennen s-prozess (slow, wenige Neutronen) r-prozess (rapid, viele Neutronen) 14

15 BBN - Resultate Häufigkeit relativ zu H He-4 Massenanteil Anteil an kritischer Dichte [%] Baryonendichte [10-31 g cm -3 ] die Kombination experimenteller Resultate von D, 3 He, 4 He und 7 Li ergibt im Rahmen der systematischen Fehler konsistente Resultate (Konkordanz): Bestimmung des Baryonen-Photonen-Verhältnisses η da N(γ) bekannt ist aus der Hintergrund- Strahlung (CMBR), ergibt sich für die Baryonendichte Ω b : Ω b die Baryonen (Protonen & Neutronen) tragen nur zu ~ 4-5 % zur gesamten Energiedichte Ω tot im Universum bei (dunkle Energie & dunkle Materie) 15

16 BBN und die Anzahl der ν Generationen N ν BBN erlaubt Tests fundamentaler Physik enge Wechselbeziehung zwischen Kosmologie, Kernphysik und Teilchenphysik Frage: wie viele Teilchengenerationen gibt es im Universum? N = 3,. Schramm et al. leiten aus BBN ( 4 He-Rate) erste Obergrenzen ab für N ν : 1977: N ν < : N ν < 4 N ν (BBN) = 2.4 ± 0.4 heutiger Wert David Schramm grundlegende Idee: 4 He-Rate ist abhängig von der Expansionsrate des Universums bei T = 1 MeV, d.h. von der Energiedichte aller relativistischen Teilchen: Photonen, Elektronen & Neutrinos 16

17 Teilchenphysik: Bestimmung der Anzahl der ν Generationen aus der unsichtbaren Zerfallsbreite des schweren Z 0 Bosons der elektroschwachen Kraft am LEP- e - e + - Speicherring (CERN), Reaktion: e + + e - Z 0 Breite: Γ inv (Z 0 ν ν) = N ν (174 ± 11) MeV direkt aus Z 0 Breite: N ν = 2.92 ± 0.06 Breit-Wigner Resonanzkurve indirekt aus Fits an gesamte LEP Daten: N ν = ± gute Übereinstimmung BBN und LEP Daten 17

18 2. Kernfusion in Sternen Sonne als typischer Hauptreihenstern bezieht Energie aus Kernfusion: Energieerzeugung: H-Fusion 4 H 4 He + 2 e ν e Energietransport innen: radiativ (lokales Strahlungsgleichgewicht) Energietransport außen: konvektiv 18

19 Sterne: Kernfusion von 1 H zu 4 He Hauptreihensterne: Fusionsenergie ΔE = J = MeV p p p p langsamster Reaktionsteil C.F. von Weizsäcker CNO-Zyklus (1938) e + ν e e + ν e d p p d γ γ 3 He 3 He p p 4 He pp-i Kette: 4p 4 He + 2 e ν e langsamster Reaktionsteil wichtig für schwere Sterne (T z > K) CNO-Zyklus: : 4p 4 He+ 2 e ν e 19

20 Heliumbrennen bei Roten Riesen nach Verbrauch des H im Kern: Tripel-α-Reaktion 3 α 12 C (He-Brennen) 4 He + 4 He + 95 kev 8 Be + γ 8 Be + 4 He 12 C MeV [F. Hoyle: Vorhersage einer 12 C Resonanz!] Tripel-Alpha Reaktion Energiegewinn durch He-Fusion: ΔE = 2.4 MeV Hauptreihe: pp-fusion Roter Riese: 3α-Prozeß Hülle 20

21 Elementsynthese in massereichen Sternen 1957: B 2 FH 21

22 22 Kernfusionsreaktionen in massereichen Sternen führen zu Elementen der 56 Fe- Gruppe, stark ansteigende Coulomb-Barrieren der Kerne: fortschreitende Reaktionsschritte erfolgen mit höheren Zentral-Temperaturen T = 10 7 K T > 10 9 K

23 Kernschalenbrennen - I innere Zwiebelschalenstruktur eines massereichen Sterns M > 10 M 4 He 24 Mg 22 Ne 16 O 28 Si 56 Ni 14 N 32 S 16 O roter Überriese 4 He C Ne 4 He 1 H Wasserstoffbrennen 4 p + 2 e - 4 He + 2 ν e Heliumbrennen (3α) (T = K) 4 He + 4 He + 4 He 12 C + γ Kohlenstoffbrennen (T = K) 12 C + 4 He 16 O + γ 16 O + 4 He 20 Ne + γ 12 C + 12 C 24 Mg + γ 12 C + 12 C 23 Mg + n 12 C + 12 C 23 Na + p 12 C + 12 C 20 Ne + 4 He 12 C + 12 C 16 O He 23

24 innere Zwiebelschalenstruktur eines massereichen Sterns M > 10 M Kernschalenbrennen - II 4 He 16 O 24 Mg 28 Si 56 Ni 4 He 14 N 22 Ne 32 S 16 O C Ne 4 He 1 H T > 10 9 K: Photodesintegration von Kernen Neutrinokühlung 24

25 SNII Elementsynthese im r-prozess nach dem Kernkollaps einer Supernova entsteht eine nach außen laufende Schockwelle Fluss Φ n : n/cm 2 ν r-prozess α,n Saat in der Schockwelle existiert ein extrem hoher Neutronenfluss: neutronen-reiche Bereich bei R = 10 3 km ist ein möglicher Ort für den r-prozess rapid neutron capture 25