Politische Rahmenbedingungen im Irangeschäft

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1 Politische Rahmenbedingungen im Irangeschäft Roadshow Neustart des Irangeschäfts September 2015 Steffen Behm DIHK September

2 Inhalt I. Ergebnisse der Atomverhandlungen II. Abkommen in trockenen Tüchern? III. Handlungsempfehlungen an die Politik Steffen Behm DIHK September

3 I. Ergebnisse der Atomverhandlungen 14. Juli 2015, Wien: JCPoA Joint Comprehensive Plan of Action Umfassende Übereinkunft zwischen Iran und den E3+3 über Beilegung des mehr als 10-jährigen Atomstreits 20. Juli 2015: JCPoA wird mit Resolution des UN-Sicherheitsrates 2231 völkerrechtlich verbindlich Steffen Behm DIHK September

4 I. Ergebnisse der Atomverhandlungen Atomprogramm: Reduktion der Zentrifugen zur Urananreicherung um 2/3 von ca auf ca Mehr als 95 % der Bestände an höher angereichertem Uran müssen entweder verdünnt (auf max. 3,67 %) oder ins Ausland ausgeführt werden (Reduktion von heute 9000kg auf 300 kg) Weitere Beschränkungen des iranischen Atomprogramms umfassen z.b. das Bauverbot neuer Schwerwasserreaktoren sowie die Entfernung des (Schwerwasser-)Reaktorkerns in Arak Einhaltung der Auflagen wird durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) überwacht; Beschränkungen sollen sicherstellen, dass Iran bei Vertragsbruch mindestens 12 Monate bräuchte, um genug Uran für den Bau einer Atombombe anzureichern ( breakout time ) Die E3+3 bieten Iran eine zivile nukleare Zusammenarbeit an Steffen Behm DIHK September

5 I. Ergebnisse der Atomverhandlungen Suspendierung der Sanktionen: Adoption Day (18. Oktober Tage nach UN-Resolution): o UN: Beginn der Überprüfung der Umsetzung von Beschränkungen des iranischen Nuklearprogramms durch die IAEA o EU: EU-Verordnung auf Grundlage der UN-Resolution, in der Wirtschaftsund Finanzsanktionen aufschiebend bedingt aufgehoben werden (Bedingung: Verifizierung erster Rückbauschritte Irans durch IAEA) o USA: Rechtsakte der US-Regierung (Waiver), mit denen aufschiebend bedingt proliferationsrelevante (nuklearbezogene) US-Sanktionen ausgesetzt werden o Iran: Beginn des Rückbaus des Nuklearprogramms gemäß Implementierungsplan (z. B. Abbau der Anreicherungskapazitäten) Steffen Behm DIHK September

6 I. Ergebnisse der Atomverhandlungen Suspendierung der Sanktionen: Implementation Day (1. Quartal 2016): Aufhebung nicht proliferationsrelevanter Wirtschafts- und Finanzsanktionen u. a.: o Freigabe eingefrorener iranischer Guthaben, Zahlungsverkehr (u. a. SWIFT), Banken und Versicherungen, Öl, Gas, Petrochemie o Schifffahrt, Schiffbau und Transport o Gold und andere Edelmetalle, Banknoten und Münzen o Metalle und Software o Listungen von Personen und Unternehmen o Dual-Use-Güter (Überführung von Verboten in Genehmigungsvorbehalte) o Automobil (US) o Luftfahrt (US) Voraussetzung dafür ist eine Implementierungsbestätigung der IAEA, dass der Iran die vereinbarten Auflagen erfüllt. Steffen Behm DIHK September

7 I. Ergebnisse der Atomverhandlungen Suspendierung der Sanktionen: 2021: UN-Embargo für konventionelle Waffen läuft aus 2024: UN-Embargo für ballistisches Raketenprogramm läuft aus 2030: Iran kann wieder mit der Anreicherung von Uran über einen Grad von mehr als 3,67 % beginnen Ein Wiederinkrafttreten des Sanktionsregimes ( snap back ) ist für den Fall vorgesehen, dass Iran gegen vereinbarte Auflagen verstößt Verstöße sollen durch die Joint Commission bewertet werden, in der die E3+3 sowie der Iran vertreten sind US- und EU-Sanktionen gegen den Iran im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche und Menschenrechtsverletzungen bleiben bestehen Steffen Behm DIHK September

8 II. Abkommen in trockenen Tüchern? Hürden auf Seiten der EU: E3 (FR, GB, D) müssen sich mit übrigen 25 EU-Staaten bis spätestens 18. Oktober 2015 auf eine neue EU-Verordnung zur aufschiebend bedingten Aufhebung der Sanktionen einigen. Hürden auf Seiten der USA: (60+22 Tage: US-Kongress hatte bis zum 17. September 2015 Zeit, über die UN-Resolution zu entscheiden. Für den Fall einer Ablehnung hat Präsident Obama bereits sein Veto angekündigt. Dieses müsste innerhalb von 22 Tagen von einer 2/3-Mehrheit des Kongresses überstimmt werden.) : Demokraten verhindern mit Sperrminorität im Senat (42 von 100) Abstimmung über republ. Entschließungsantrag gegen UN-Resolution Waiver: Großteil der US-Sanktionen basieren auf Kongressbeschlüssen. Präsident kann diese nicht aufheben, sondern nur suspendieren Januar 2017: Neuer Präsident mit anderer Iranpolitik? Sanktionen gegen natürliche und juristische Personen (z. B. Revolutionsgarden) bzgl. Terrorismus, Geldwäsche und Menschenrechte bestehen fort. Steffen Behm DIHK September

9 II. Abkommen in trockenen Tüchern? Hürden auf Seiten des Iran: Rolle des Parlaments? Große Herausforderung sind Revolutionsgarden: Haben während der Sanktionen wirtschaftlich stark profitiert Zuständig auch für Überwachung der Nuklear- und Militäranlagen Können Umsetzung des JCPOA in vielfältiger Weise behindern, z. B. indem Sie den IAEA-Inspektoren den Zugang zu Atom-/Militäranlagen verweigern Präsident Rohani wird den Garden daher nach Aussetzung der Sanktionen andere wirtschaftliche Anreize bieten müssen 25. Februar 2016: Wahlen zum Parlament (4 Jahre) und zum Expertenrat (8 Jahre) Expertenrat bestimmt den nächsten Revolutionsführer; Khamenei heute 76 Jahre alt Wächterrat (konservativ) entscheidet über Zulassung der Kandidaten zu den Wahlen Steffen Behm DIHK September

10 III. Handlungsempfehlungen an die Politik: 1 Wiederaufnahme / Normalisierung des Zahlungsverkehrs mit Iran Ermutigung und proaktive Informationspolitik der BReg ggb. dt. Banken, Irangeschäft (wieder) zu finanzieren Ende August 2015: Gespräch des BMWi mit Bankenvertretern unter Leitung von StS Machnig Banken weiterhin zurückhaltend; juristisch, firmenpolitisch (CEO-Ebene) BdB in engem Austausch mit BMWi (technischer Stand iranischer Banken SWIFT; mögliche Korrespondenzbanken im Iran etc.) BMWi spricht mit E3 und mit USA USA haben im JCPOA zugesagt, eine guidance zu veröffentlichen, die die wichtigsten juristischen Fragestellungen klären soll; mögl. Reise in die USA im Oktober 2015 Steffen Behm DIHK September

11 III. Handlungsempfehlungen an die Politik: 1 Wiederaufnahme / Normalisierung des Zahlungsverkehrs mit Iran Streichung iranischer Banken von Sanktionslisten (Korrespondenzbanken) Iranischen Handelsbank (EIH) Abschaffung / Erhöhung der Melde- / Genehmigungspflicht für Transaktionen Freigabe Iranischer (Öl-)Gelder auf ausländischen Banken SWIFT: Wiederanschluss des iranischen Bankensektors Implementation Day: Sobald Finanzsanktionen aufgehoben sind, will Iran einen Antrag auf Wiederanschluss seiner Banken an SWIFT stellen Steffen Behm DIHK September

12 III. Handlungsempfehlungen an die Politik: 2 Extraterritorialität von US-Sanktionen wirksamer Schutz geschäftlicher Aktivitäten deutscher Unternehmen gegen extraterritoriale Bestrafungen nach US-Recht, sofern diese nach deutschem und europäischem Recht legal sind. Die Dringlichkeit einer europäischen Abwehrgesetzgebung (Anti-Boykott- Regelung) wird nach der Implementierung des JCPOA voraussichtlich wieder zunehmen. Obgleich die Vereinigten Staaten ihre gegen das iranische Nuklearprogramm gerichteten Sanktionen suspendieren, bestehen andere Strafmaßnahmen mit extraterritorialer Wirkung fort. So weichen beispielsweise terrorismus- und menschenrechtsbezogene Sanktionen und Rechtsprechungen auf beiden Seiten des Atlantiks zum Teil stark voneinander ab. Steffen Behm DIHK September

13 III. Handlungsempfehlungen an die Politik: 3 Bestandsschutzregelungen für Neuverträge (Altvertragsschutz) Snap Back entscheidendes Element des JCPOA JCPOA-Abkommen beruht nicht auf Vertrauen, sondern auf Kontrolle Snap Back als Hürde (psychologisch und faktisch) für Markteinstieg Daher Bestandschutz wichtig: o o o o Art. 15 UN-Resolution 2231: [ ] decides [ ] not to impose measures with retrocative effect [ ] for business activities with Iran that were compliant with the JCPOA [ ]. BMWi setzt sich bei Verhandlungen zur EU-Verordnung ( ) für Bestandsschutz ein snap back nur bei äußerst schwerwiegendem Verstoß snap back wird auf höchster politischer Ebene beschlossen o Über Verstoß berät Joint Commission (E3+3 und Iran) phase out wahrscheinlicher als grand fathering Steffen Behm DIHK September

14 III. Handlungsempfehlungen an die Politik: 4 Ausfuhrgewährleistungen des Bundes (Hermes-Bürgschaften) Altschulden ca. 500 Mio. Euro; neue Bürgschaften haushaltsrechtlich erst möglich, nachdem Altschulden beglichen sind (Iran dazu grundsätzlich bereit) Altschulden, finanzieller Aspekt: Nach JPA (Januar 2014 Januar 2016) darf Iran begrenzte Mengen Rohöl verkaufen und Erlöse für ganz bestimmte Zwecke verwenden (z. B. humanitäre Güter). BMWi prüft, ob Tilgung öffentl. Forderungen den Tatbestand eines solchen bestimmten Zwecks erfüllt Altschulden, technischer Aspekt: technisch komplex, viele Prüfschritte, finale Genehmigung durch die Bundesbank, ohne SWIFT begrenzte Möglichkeiten, Sanktionskonformität Steffen Behm DIHK September

15 III. Handlungsempfehlungen an die Politik: 4 Ausfuhrgewährleistungen des Bundes (Hermes-Bürgschaften) (1.)Rückzahlung ist Voraussetzung für (2.)politische Entscheidung, ob (3.)neue Bürgschaften zur Verfügung gestellt werden (4.)Im Anschluss würde eine übliche Risikobewertung folgen Prinzipiell alle Gewährleistungsformen denkbar; im Einzelnen eine Frage kommerzieller Risikobewertung Interministerielle Abstimmung mit Blick auf die anlaufenden Haushaltsverhandlungen nicht nötig, da Hermes über eine allgemeinen Ermächtigungsrahmen verfügt, mit dem für einzelne Länder auch kurzfristig entsprechende Mittel eingestellt werden können Faktor snap-back : o o DIHK: Hermes-Bürgschaften wichtiges Instrument, sich gegen politisches Ausfallrisiko snap-back abzusichern Hermes: snap-back -Klausel als Teil der Risikobewertung; führt u. U. zu entsprechender Verknappung der Mittel bzw. Erhöhung der Prämien Steffen Behm DIHK September

16 III. Handlungsempfehlungen an die Politik: 5 6 Freigabe von Dual-Use-Gütern Genehmigungsfähigkeit für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütern durch das BAFA wieder ermöglichen (zurzeit Verbot) Genehmigungsfreie Lieferung von Ersatzteilen für früher gelieferte Dual-Use- Güter wieder ermöglichen Schaffung zusätzlicher Ressourcen beim BAFA Ansturm auf BAFA erwartet; z. B. erhöhter Prüfaufwand im Falle einer Freigabe von Dual-Use-Gütern BAFA hat personelle Ressourcen im Blick Iran-Hotline (vgl. Russland-Hotline) BAFA nimmt Kontrolle der Iran-Ausfuhren sehr ernst o o JCPOA-Abkommen beruht nicht auf Vertrauen, sondern auf Kontrolle!!! Gewissenhafte Kontrolle ist wichtig, vor allem auch um den Gegnern des Abkommens keine Angriffsfläche zu bieten!! Steffen Behm DIHK September

17 III. Handlungsempfehlungen an die Politik: 7 8 Auslandsmesseprogramm des Bundes und der Länder Aufnahme iranischer Messen in die offizielle Messeförderung Oktober 2015: offizielle Beteiligung Deutschlands an der Tehran International Industry Exhibition StS Machnig wird anreisen Andere Instrumente der Außenwirtschaftsförderung werden diskutiert: Exportinitiativen, Markterschließungsprogramm und Investitionsgarantien Korrekturen in der Zollabwicklung Wiederzulassung von vereinfachten Zollverfahren/Status Zugelassener Ausführer Aufhebung der Nullbescheid-Praxis bei den Zollbehörden Steffen Behm DIHK September

18 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Herr Steffen Behm Leiter des Referats Zoll DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.v. Breite Straße Berlin Tel: Steffen Behm DIHK September

19 Handel Jan Jun 2015 Exporte in den Iran, in Euro Jan - Jun 2014 Jan - Jun 2015 % ÖSTERREICH ,6 DEUTSCHLAND ,3 SPANIEN ,5 FRANKREICH ,4 VEREINGTES KÖNIGREICH ,7 ITALIEN ,5 Importe aus dem Iran, in Euro Jan - Jun 2014 Jan - Jun 2015 % ÖSTERREICH ,4 DEUTSCHLAND ,9 SPANIEN ,2 FRANKREICH ,1 VEREINGTES KÖNIGREICH ,3 ITALIEN ,6 Quelle: Eurostat, Steffen Behm DIHK September