Zulassung von Recyclingmaterialien bei öffentlichen Ausschreibungen Fachtagung Bauabfall

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1 Zulassung von Recyclingmaterialien bei öffentlichen Ausschreibungen Fachtagung Bauabfall Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbh am in Mainz von Rechtsanwalt Dr. Dominik R. Lück Köhler & Klett Rechtsanwälte Partnerschaft Köln/Berlin/Brüssel

2 2 1. Umweltfreundliche Beschaffung bei öffentlichen Ausschreibungen Öffentlicher Auftraggeber (z.b. Kommunen und kommunale Unternehmen) Entgeltliche Verträge (auch bei Erhalt eines Erlöses) Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge Marktmacht der öffentlichen Hand (nach BMWi beträgt öffentliches Beschaffungsvolumen in Deutschland 360 Mrd. Euro und somit 17 % des Bruttoinlandsprodukts)

3 3 2. Berücksichtigung von Umweltbelangen im Vergabeverfahren a) Leistungsbeschreibung Einbeziehung von Produktspezifikationen Beispiele: Produkt aus bestimmtem Material (z.b. Holz statt Plastik) oder bestimmte Inhaltsstoffe (z.b. bestimmte Chemikalien oder Zulassung von Recyclingmaterialien und -baustoffen). Berücksichtigung von Herstellungsverfahren Beispiele: Umweltfreundliche Herstellungsprozesse im ökologischen Landbau oder bei Strom aus erneuerbaren Energien ("Ökostrom").

4 4 2. Berücksichtigung von Umweltbelangen im Vergabeverfahren a) Leistungsbeschreibung Verwendung von Umweltzeichen, vgl. 7 Abs. 7 VOB/A und 8 Abs. 5 VOL/A-EG Angabe der Kriterien, die zur Erlangung des Umweltzeichens erforderlich sind (EuGH, Urteil vom C-368/10) Zulassung von Nebenangeboten Problem: In der Rechtsprechung ist umstritten, ob bei Zulassung des alleinigen Preises als Zuschlagskriterium Nebenangebote zulässig sind. Liegt derzeit dem BGH zur Entscheidung vor.

5 5 2. Berücksichtigung von Umweltbelangen im Vergabeverfahren b) Eignung (Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit) Leistungsfähigkeit kann mit umweltrelevantem Know-How und Ausrüstung verknüpft werden. c) Zuschlagskriterien und Angebotswertung Umweltaspekte können als außerpreisliche Kriterien vorgegeben werden, wenn diese mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen (z.b. Energieeffizienz bei energieverbrauchsrelevanten Waren oder Dienstleistungen) d) Bedingungen für die Auftragserfüllung Anforderungen an die Lieferung von Waren und ihre Verpackung wie etwa an die Recyclingfähigkeit von Verpackungsmaterial und an die Rücknahme von Abfall oder nicht mehr brauchbaren Produkten.

6 6 Frage: Sind Vergabestellen zur umweltfreundlichen Beschaffung verpflichtet bzw. haben Bieter Anspruch auf Zulassung von Recyclingmaterialien? Fall: Vergabekammer Düsseldorf, Beschluss vom VK-13/2011 Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen hat in einem europaweiten offenen Verfahren Erneuerungsarbeiten auf der Bundesautobahn ausgeschrieben. Zur Herstellung u.a. der Frostschutzschicht war ein Baustoffgemisch aus gebrochenem Naturgestein zugelassen. Industrielle Nebenprodukte wurden ausgeschlossen und auch nicht als Nebenangebot zugelassen. Begründet wurde dies damit, dass der Streckenabschnitt zum Teil in einem Wasserschutzgebiet liegt, der industrielle Nebenprodukte gem. den sog. Verwertererlassen in ungebundenen Tragschichten nicht zulässt.

7 7 Ein Unternehmen rügte den Ausschluss von industriellen Nebenprodukten unter Verweis auf die ge- setzlichen Vorgaben sowie unter Verweis auf Runderlasse in NRW, die die Erklärung erhalten, dass Ausschreibungen, in denen nur Primärrohstoffe ausgeschrieben werden, obwohl aus mineralischen Abfällen hergestellte Baustoffe verwendbar wären, gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen würden.

8 8 a) Verstoß gegen abfallwirtschaftliche Normen Abfallrechtliche Zulässigkeit kann von vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen zumindest als Vorfrage überprüft werden (BGH, Beschluss vom X ZB 9/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom Verg 105/11)) Ausschreibung darf auf keine aus rechtlichen Gründen unmögliche Leistung gerichtet sein (OLG Düsseldorf, Beschluss vom Verg 52/08) Unerfüllbare Anforderungen widersprechen dem Grundsatz von Treu und Glauben, der allge- Unerfüllbare Anforderungen widersprechen dem Grundsatz von Treu und Glauben, der allgemein gilt, deshalb auch selbstverständlich Grundlage eines jeden Vergabeverfahrens ist und zu den Bestimmungen gehört, die der öffentliche Auftraggeber zu beachten hat. (BGH, Beschluss vom X ZB 14/06)

9 9 (1) Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 45 Kreislaufwirtschaftsgesetz "Abs. 1 Die Behörden des Bundes sowie die der Aufsicht des Bundes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Sondervermögen und sonstigen Stellen sind verpflichtet, durch ihr Verhalten zur Erfüllung des Zwecks des 1 beizutragen. Insbesondere haben sie unter Berücksichtigung der 6 bis 8 bei der Gestaltung von Arbeitsabläufen, der Beschaffung oder Verwendung von Material und Gebrauchsgütern, bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen zu prüfen, ob und in welchem Umfang Erzeugnisse eingesetzt werden können, die sich durch Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit und Wiederverwendbarkeit oder Verwertbarkeit auszeichnen, im Vergleich zu anderen Erzeugnissen zu weniger oder zu schadstoffärmeren Abfällen führen oder aus Abfällen führen oder aus Abfällen zur Verwertung hergestellt worden sind."

10 10 (1) Kreislaufwirtschaftsgesetz Im Rahmen des Bedarfsbeschaffung ist auch zu prüfen, ob Erzeugnisse eingesetzt werden können, die im Wege der Vorbereitung zur Wiederverwendung oder des Recyclings hergestellt worden sind (Begründung zum KrWG, BT-Drucks. 216/11, S. 226) Aber Ausgestaltung als (bloße) Prüfpflicht Adressat: Behörden des Bundes und die der Aufsicht des Bundes unterstehenden juristischen Personen des öffentliches Rechts, Sondervermögen und sonstige Stellen Nach 45 Abs. 3 KrWG sind Regelungen für die Verwendung von Erzeugnissen oder Materialien sowie zum Schutz von Mensch und Umwelt auch nach anderen Rechtsvorschriften (z.b. Landesabfallgesetz oder -vergabegesetz) zu beachten.

11 11 (2) Landesgesetze Beispielhaft 2 Landesabfallgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen: "Die Dienststellen des Landes, die Gemeinden und die Gemeindeverbände sowie die sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind verpflichtet, durch ihr Verhalten zur Erfüllung der Ziele dieses Gesetzes beizutragen. Insbesondere sollen sie [ ] bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen, ohne damit Rechtsansprüche Dritter zu begründen, Erzeugnissen den Vorzug geben, die [ ] 2. aus Abfällen hergestellt sind [ ] 5. sich in besonderem Maße zur Verwertung oder gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung eignen, sofern diese für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet sind und keine anderen Rechtsvorschriften entgegenstehen."

12 12 (2) Landesgesetze Reine Sollvorschrift, die umweltfreundliche Beschaffung in Ermessen der Vergabestelle stellt Keine Begründung von Rechtsansprüchen Dritter In meisten Landesabfallgesetzen gleichfalls nur durch Soll-Vorschrift geregelt

13 13 17 Tariftreue- und Vergabegesetz NRW "Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, bei der Vergabe von Aufträgen Kriterien des Umweltschutzes und der Energieeffizienz zu berücksichtigen". Betriebskosten über Nutzungsdauer, vor allem Energieverbrauch Entsorgungskosten Prüfungspflicht einer umweltfreundlichen Auswirkung

14 14 (3) Verwaltungsvorschriften / Richtlinien / Runderlasse Beispiel NRW: Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom IV "Vor diesem Hintergrund weise ich im Einvernehmen mit dem Ministerium für Bauen und Verkehr, dem Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand, und Energie sowie dem Finanzministerium darauf hin, dass Ausschreibungen der öffentlichen Hand, in denen nur Primärrohstoffe ausgeschrieben werden, obwohl aus mineralischen Abfällen hergestellte Baustoffe verwendbar wären, gegen diese gesetzlichen Vorgaben verstoßen. Grundlage für die Bewertung der Schadlosigkeit der Verwertung von mineralischen Stoffen bei Baumaßnahmen sind die Erlasse ("Verwertererlasse") "

15 15 (3) Verwaltungsvorschriften / Richtlinien / Runderlasse Reines Innenrecht der Verwaltung Keine Selbstbindung der Verwaltung durch Verweis auf vorstehenden Runderlass bzw. Verwertererlasse Auch in anderen Bundesländern besteht kein Anspruch auf Einhaltung von Verwaltungsvor- schriften, Richtlinien oder Erlassen (in Rheinland-Pfalz soll zu erlassene Verwaltungsvorschrift "Öffentliches Auftrags- und Beschaffungswesen in Rheinland-Pfalz" detaillierte Regelungen zur umweltfreundlichen Beschaffung enthalten)

16 16 b) Verstoß gegen vergaberechtliche Vorgaben Vergabestelle ist zwar grundsätzlich befugt, Gegenstand und Inhalt einer jeden Beschaffung nach ihren individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen frei zu bestimmen. Grenze: Gebot der produktneutralen Ausschreibung gem. 7 Abs. 8 VOB/A ( 8 Abs. 7 VOL/A-EG): Durch die Zulassung ausschließlich nur von Naturgestein werden Recyclingbaustoffe und somit bestimmte andere "Produkte" ausgeschlossen. Sofern jedoch auf bestimmte Produkte (Marken) abgestellt wird, bedarf es der sachlichen Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand (umstritten, ob sachliche Rechtfertigung durch Nachprüfungsinstanzen überprüfbar ist).

17 17 Sofern einzelne industrielle Nebenprodukte nach Verwertererlassen in zulässiger Weise ein- gesetzt werden können, kann sachliche Rechtfertigung nicht in Frage gestellt werden. Ausschluss von industriellen Nebenprodukten kann deshalb sachlich gerechtfertigt sein, weil Kosten bei einer künftigen Erneuerung oder einem Rückbau die erwarteten Ersparnisse durch die Zulassung von industriellen Nebenprodukten übersteigen würden. Nachschieben von Rechtfertigungsgründen ist zulässig.

18 Köhler & Klett Ihre Kanzlei für Umwelt- und Technikrecht in Köln Berlin Brüssel Apostelnstraße 15/17 Friedrichstraße 185 Avenue Louise Köln Berlin 1050 Bruxelles T +49 (0) F +49 (0) T +49 (0) F +49 (0) T +32 (0) F +32 (0) Info@koehler-klett.de